Tag 80: 2400 Höhenmeter Aufstieg zur Melone
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Im Sommer 2015 kamen Judith7 und ich auf einer Alpendurchquerung von Wien nach Monaco auch zu Europas höchstem Wallfahrtsort: Rocciamelone, 3538m.
Es war der längste Aufstieg unserer Tour, trotz einer starken Erkältung, die Judith schon ein paar Tage mit sich herumgeschleppt hatte: 2400 Höhenmeter (dazu 1000 Meter Abstieg).
Los ging's in dem tollen Grand Hotel Rocciamelone in Usseglio. Das wundervoll in die Jahre gekommene Jugendstil-Etablissement stammt noch aus der goldenen Ära des Italienischen Alpinismo und ist ein ganz wunderbarer Ausgangspunkt für einen so langen Anstieg.
Aber früh um halb sechs kriege ich erstmal einen ordentlichen Schrecken: Judith ist erkältet, hat in der Nacht kaum Luft bekommen und dementsprechend schlecht geschlafen und ist sich daher nicht sicher, ob es heute überhaupt Sinn macht, zu wandern. Sollten wir lieber einen Pausentag in Usseglio einlegen, damit sie sich ein bisschen erholen kann? Wir sprechen eine Weile, dann entscheiden wir, es zu probieren. Im schlimmsten Fall gibt es unterwegs Hütten, in denen wir bleiben können.
Wir frühstücken um 6 - allein. Keiner der gewandeten Kellner ist wach, wir hatten den Schlüssel für's Hotel am Abend vorher bekommen. Dann, gegen Viertel vor sieben, gehen wir los. Unser Tempo ist ruhig, langsam, stetig. Wir wandern auf einer schönen, kleinen Talstraße, zunächst noch durch den langgezogenen, weit verstreuten Ort. Irgendwo dröhnt überlaute Musik, ansonsten ist es ruhig. Weiter hinten im Tal liegt der Ort Margone (1410m), wir lassen die letzten Wohnhäuser hinter uns und bleiben trotz Wanderweg auf der Straße, weil die gleichmäßiger ansteigt als der Wanderweg drüben auf der anderen Talseite. Ist nicht weiter schlimm, das Sträßchen ist klein, nett, und kaum befahren.
Und so haben wir das Glück, drei mal Murmelis zu begegnen, die ebenfalls schon früh wach sind. Wir grüßen, fotografieren, und wandern weiter. Am Rifugio Vulpot (1820m) sind wir überrascht: Statt der angekündigten drei Stunden haben wir nur zwei gebraucht, trotz unseres genesungsfördernden Tempos. Ich werde natürlich gleich übermütig, aber Judith bremst mich herunter.
Das Rifugio Vulpot liegt an einem schönen Bergsee, dem Lago di Malciaussia (1783m). Obwohl der Anstieg zum Joch Croce di Ferro direkt links von uns liegt, müssen wir ganz um den See herum. Wir gehen mittlerweile ein gutes Tempo, aber als der Aufstieg ins Joch beginnt, werden wir wieder langsam und gemütlich. Es hat keinen Sinn zu hetzen, wir sind sowieso eine Stunde früher dran als gedacht.
Langsam steigen wir zum Colle Croce di Ferro hinauf. Der Weg ist breit und einfach. Oben im Joch (2555m) haben wir bereits über 1300Hm geschafft. Judiths Paracetamol fangen langsam an zu wirken...! Meine Gummibärchen auch.
Um nicht übermütig zu werden, haben wir in der Capanna Sociale (2513m), nur wenige Minuten hinter dem Joch, eine Stunde lang Pause gemacht. Der knorrige Wirt hat uns mit Cola versorgt, und wir sind mit ein paar Holländern ins Gespräch gekommen. Sie hatten die bessere Karte...
Die Capanna liegt auf einer kleinen Aussichtskanzel hoch über dem Tal. EIn herrlicher Blick hinunter nach Susa, und hinüber in die Poebene!
Aufbruch! Weiter geht's zum Rifugio Cà D'Asti: Uns erwartet ein schöner, stets aussichtsreicher Weg am Hang, mit Blick auf Susa und bald auch auf den dritthöchsten Punkt unserer Alpendurchquerung. Ein schöner, eleganter Berg.
Bis zum Abzweig Richtung Cà D'Asti muss man ein wenig absteigen, dann geht es auf einen schmalen, manchmal kaum erkennbaren und alles andere als übermarkierten Pfad, der sich langsam aber stetig nach oben führt. Wir schauen hinüber zum Monviso, und die Sehnsucht wächst... Am Boden blüht Edelweiß, der Himmel ist blau, das Wetter fantastisch. Schöner wird's nicht mehr! Und für morgen, unserem ursprünglich geplanten Aufstiegstag zum Gipfel, sind Wolken vorhergesagt. Da höre ich von hinten Judiths Stimme, die sagt, dass sie, wenn sie gesund wäre, auf alle Fälle den Plan ändern und heute hochgehen würde. Aber unter den gegebenen gesundheitlichen Voraussetzungen, sei das wohl keine so gute Idee.
Ich sage gar nichts.
Es geht über eine kurze, leichte Kletterstelle, danach geht es weiter, schräg im Hang hinauf. Dann denkt Judith wieder laut: Angesichts des schlechten Wetters wäre es wirklich ideal, heute noch auf die Melone zu gehen. Insgesamt drei mal denkt sie laut darüber nach, dreimal sage ich nichts dazu. Denn eigentlich will ich, dass Judith sich im Cà D'Asti erstmal hinlegt - ihr geht's wirklich alles andere als gut.
Im Cà D'Asti (2854m) angekommen, machen wir erstmal Pause. Beziehen unsere Betten, essen einen Teller Spaghetti, schwatzen mit den Deutschen dort und genießen die Aussicht. Bis hierher haben wir immerhin schon 1700 Meter in den Beinen, das Pensum einer ganzen Tagestour. Aber es ist halt auch erst drei...
Nach einer Stunde Pause kommt Judith plötzlich auf mich zu und drückt mir die Stecken in die Hand: Wir gehen jetzt auf die Melone.
Aha.
Warst du nicht heute morgen noch krank?!? Oder so?
Na gut. Aber du weißt, dass das nochmal 700 Höhenmeter sind? Jaja, ich bin ja schon ruhig. Ich find's ja selber besser, heute noch zu gehen. Also rauf! Und es war defi die richtige Entscheidung, denn ein paar Tage später erfahren wir, dass die Gipfelbezwinger am nächsten Morgen tatsächlich nur in den Wolken herumgestapft sind und gar nichts gesehen haben.
Die Route ist schön, es geht in der felsig/schotterigen Flanke, aber passagenweise auch (viel zu kurz) direkt am Grat hinauf. Die Route ist perfekt markiert, ein Wallfahrtsort wird ja schließlich auch mal bei Nebel angewandert. Wir gelangen in 1:15 zum Gipfel (3538m) - und haben damit den längsten Anstieg der Tour geschafft: 2400Hm zum dritthöchsten Punkt der Tour! Nur sechs Tage nachdem wir unseren höchsten Punkt erreicht hatten - und Judith ist trotz ihrer Erkältung einfach nur bärenstark.
Wir bleiben 45 Minuten oben am Gipfel. Die Sicht ist umwerfend und wir sind fast allein. Wir fotografieren die Umgebung, den Monviso, die Route der folgenden Tage, und erleben phantastische Lichteffekte an der überlebensgroßen Marienstatue, die am Gipfel steht. Im Abstieg sehen wir sogar noch eine Glorie.
Dann verabschieden wir uns und steigen in ca. 45 min. zum Cà D'Asti ab.
Doch mit dem großartigen Gipfelerlebnis nicht genug: Wir sehen sogar noch einen Steinbock am Grat, und ein kleines Tier, das wir nicht identifizieren können. Kein Murmeli, aber zu groß für ein Hermelin. Seltsam.
In der Hütte genießen wir den Abend. Sie ist fast leer, und wir haben später ein Zimmer fast für uns allein. Am nächsten Tag erwartet uns nur der Abstieg nach Susa - wo wir dann aber drei volle Pausentage einlegen müssen, damit Judith wieder gesund wird. Aber das ist eine andere Geschichte, und die ist nur für Herdentiere.
Es war der längste Aufstieg unserer Tour, trotz einer starken Erkältung, die Judith schon ein paar Tage mit sich herumgeschleppt hatte: 2400 Höhenmeter (dazu 1000 Meter Abstieg).
Los ging's in dem tollen Grand Hotel Rocciamelone in Usseglio. Das wundervoll in die Jahre gekommene Jugendstil-Etablissement stammt noch aus der goldenen Ära des Italienischen Alpinismo und ist ein ganz wunderbarer Ausgangspunkt für einen so langen Anstieg.
Aber früh um halb sechs kriege ich erstmal einen ordentlichen Schrecken: Judith ist erkältet, hat in der Nacht kaum Luft bekommen und dementsprechend schlecht geschlafen und ist sich daher nicht sicher, ob es heute überhaupt Sinn macht, zu wandern. Sollten wir lieber einen Pausentag in Usseglio einlegen, damit sie sich ein bisschen erholen kann? Wir sprechen eine Weile, dann entscheiden wir, es zu probieren. Im schlimmsten Fall gibt es unterwegs Hütten, in denen wir bleiben können.
Wir frühstücken um 6 - allein. Keiner der gewandeten Kellner ist wach, wir hatten den Schlüssel für's Hotel am Abend vorher bekommen. Dann, gegen Viertel vor sieben, gehen wir los. Unser Tempo ist ruhig, langsam, stetig. Wir wandern auf einer schönen, kleinen Talstraße, zunächst noch durch den langgezogenen, weit verstreuten Ort. Irgendwo dröhnt überlaute Musik, ansonsten ist es ruhig. Weiter hinten im Tal liegt der Ort Margone (1410m), wir lassen die letzten Wohnhäuser hinter uns und bleiben trotz Wanderweg auf der Straße, weil die gleichmäßiger ansteigt als der Wanderweg drüben auf der anderen Talseite. Ist nicht weiter schlimm, das Sträßchen ist klein, nett, und kaum befahren.
Und so haben wir das Glück, drei mal Murmelis zu begegnen, die ebenfalls schon früh wach sind. Wir grüßen, fotografieren, und wandern weiter. Am Rifugio Vulpot (1820m) sind wir überrascht: Statt der angekündigten drei Stunden haben wir nur zwei gebraucht, trotz unseres genesungsfördernden Tempos. Ich werde natürlich gleich übermütig, aber Judith bremst mich herunter.
Das Rifugio Vulpot liegt an einem schönen Bergsee, dem Lago di Malciaussia (1783m). Obwohl der Anstieg zum Joch Croce di Ferro direkt links von uns liegt, müssen wir ganz um den See herum. Wir gehen mittlerweile ein gutes Tempo, aber als der Aufstieg ins Joch beginnt, werden wir wieder langsam und gemütlich. Es hat keinen Sinn zu hetzen, wir sind sowieso eine Stunde früher dran als gedacht.
Langsam steigen wir zum Colle Croce di Ferro hinauf. Der Weg ist breit und einfach. Oben im Joch (2555m) haben wir bereits über 1300Hm geschafft. Judiths Paracetamol fangen langsam an zu wirken...! Meine Gummibärchen auch.
Um nicht übermütig zu werden, haben wir in der Capanna Sociale (2513m), nur wenige Minuten hinter dem Joch, eine Stunde lang Pause gemacht. Der knorrige Wirt hat uns mit Cola versorgt, und wir sind mit ein paar Holländern ins Gespräch gekommen. Sie hatten die bessere Karte...
Die Capanna liegt auf einer kleinen Aussichtskanzel hoch über dem Tal. EIn herrlicher Blick hinunter nach Susa, und hinüber in die Poebene!
Aufbruch! Weiter geht's zum Rifugio Cà D'Asti: Uns erwartet ein schöner, stets aussichtsreicher Weg am Hang, mit Blick auf Susa und bald auch auf den dritthöchsten Punkt unserer Alpendurchquerung. Ein schöner, eleganter Berg.
Bis zum Abzweig Richtung Cà D'Asti muss man ein wenig absteigen, dann geht es auf einen schmalen, manchmal kaum erkennbaren und alles andere als übermarkierten Pfad, der sich langsam aber stetig nach oben führt. Wir schauen hinüber zum Monviso, und die Sehnsucht wächst... Am Boden blüht Edelweiß, der Himmel ist blau, das Wetter fantastisch. Schöner wird's nicht mehr! Und für morgen, unserem ursprünglich geplanten Aufstiegstag zum Gipfel, sind Wolken vorhergesagt. Da höre ich von hinten Judiths Stimme, die sagt, dass sie, wenn sie gesund wäre, auf alle Fälle den Plan ändern und heute hochgehen würde. Aber unter den gegebenen gesundheitlichen Voraussetzungen, sei das wohl keine so gute Idee.
Ich sage gar nichts.
Es geht über eine kurze, leichte Kletterstelle, danach geht es weiter, schräg im Hang hinauf. Dann denkt Judith wieder laut: Angesichts des schlechten Wetters wäre es wirklich ideal, heute noch auf die Melone zu gehen. Insgesamt drei mal denkt sie laut darüber nach, dreimal sage ich nichts dazu. Denn eigentlich will ich, dass Judith sich im Cà D'Asti erstmal hinlegt - ihr geht's wirklich alles andere als gut.
Im Cà D'Asti (2854m) angekommen, machen wir erstmal Pause. Beziehen unsere Betten, essen einen Teller Spaghetti, schwatzen mit den Deutschen dort und genießen die Aussicht. Bis hierher haben wir immerhin schon 1700 Meter in den Beinen, das Pensum einer ganzen Tagestour. Aber es ist halt auch erst drei...
Nach einer Stunde Pause kommt Judith plötzlich auf mich zu und drückt mir die Stecken in die Hand: Wir gehen jetzt auf die Melone.
Aha.
Warst du nicht heute morgen noch krank?!? Oder so?
Na gut. Aber du weißt, dass das nochmal 700 Höhenmeter sind? Jaja, ich bin ja schon ruhig. Ich find's ja selber besser, heute noch zu gehen. Also rauf! Und es war defi die richtige Entscheidung, denn ein paar Tage später erfahren wir, dass die Gipfelbezwinger am nächsten Morgen tatsächlich nur in den Wolken herumgestapft sind und gar nichts gesehen haben.
Die Route ist schön, es geht in der felsig/schotterigen Flanke, aber passagenweise auch (viel zu kurz) direkt am Grat hinauf. Die Route ist perfekt markiert, ein Wallfahrtsort wird ja schließlich auch mal bei Nebel angewandert. Wir gelangen in 1:15 zum Gipfel (3538m) - und haben damit den längsten Anstieg der Tour geschafft: 2400Hm zum dritthöchsten Punkt der Tour! Nur sechs Tage nachdem wir unseren höchsten Punkt erreicht hatten - und Judith ist trotz ihrer Erkältung einfach nur bärenstark.
Wir bleiben 45 Minuten oben am Gipfel. Die Sicht ist umwerfend und wir sind fast allein. Wir fotografieren die Umgebung, den Monviso, die Route der folgenden Tage, und erleben phantastische Lichteffekte an der überlebensgroßen Marienstatue, die am Gipfel steht. Im Abstieg sehen wir sogar noch eine Glorie.
Dann verabschieden wir uns und steigen in ca. 45 min. zum Cà D'Asti ab.
Doch mit dem großartigen Gipfelerlebnis nicht genug: Wir sehen sogar noch einen Steinbock am Grat, und ein kleines Tier, das wir nicht identifizieren können. Kein Murmeli, aber zu groß für ein Hermelin. Seltsam.
In der Hütte genießen wir den Abend. Sie ist fast leer, und wir haben später ein Zimmer fast für uns allein. Am nächsten Tag erwartet uns nur der Abstieg nach Susa - wo wir dann aber drei volle Pausentage einlegen müssen, damit Judith wieder gesund wird. Aber das ist eine andere Geschichte, und die ist nur für Herdentiere.
Tourengänger:
Nik Brückner,
Judith7


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