Alpstein-Rundtour der vergessenen Gipfel


Publiziert von Delta Pro , 5. August 2008 um 08:39.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum: 3 August 2008
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-AI   CH-SG   CH-AR 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 3080 m
Abstieg: 3810 m

GROSSE ALPSTEIN-RUNDTOUR DER VERGESSENEN GIPFEL

 

An schönen Sonntagen pilgern Abertausende von Wanderern in den Alpstein und besteigen Säntis, Altmann, Hoher Kasten und wie sie alle heissen. Und trotzdem gibt es im nordöstlichsten Gebirgsmassiv der Schweiz eine grosse Anzahl kaum mehr bestiegener – vergessener – Gipfel. „Vergessen“ bedeutet keineswegs, dass die Besteigung nicht lohnend ist, sondern, dass man hier wilde Bergwelt und Einsamkeit findet – genau das, was wir doch alle beim Bergsteigen suchen. Viele Gipfel in einer Runde zu verbinden, die verschiedene Routen unterschiedlicher Schwierigkeit elegant kombiniert, war schon immer mein Inbegriff einer gelungenen Bergtour. Mit der „Grossen Alpstein-Rundtour der vergessenen Gipfel“ gelang es mir einen bedeutenden Anteil der Alpstein-Gipfel an einem Tag zu besteigen. Am Schluss waren es 17 an der Zahl, wovon ich bei neun Gipfeln davon ausgehe, dass sie seltener als 10 mal pro Jahr besucht werden, fünf dieser neun Gipfel erhalten im Durchschnitt wohl nur eine Begehung im Jahr.

 

Die einzelnen Abschnitten und Routen der Tour sind nachfolgend im Detail beschrieben (Streckenprofil). Die Tour kann gut auch in Teiletappen begangen werden – für alle Geschmäcker und Alpin-Wander-Schwierigkeiten findet sich im Alpstein ein Geheimtipp!

 

Mit der ersten Bahn auf die Ebenalp und zügig unter grauem Himmel über den Schäfler und den teils exponierten, mit Stahlseilen gesicherten Weg in der Südflanke der Läden an den Fuss der Altenalp Türme. Wenn man hier noch vor dem grossen Wanderer-Ansturm ist, kann man gut ausschreiten, sonst herrscht Potential für Stau auf dieser Route.

 

Altenalp Türm (T6, II)

Die Altenalp Türme gehören zu den anspruchsvolleren Gipfeln im Alpstein. Die Überschreitung ist eine sehr exponierte Tour in brüchigem Gestein. Die Normalroute auf den mittleren Turm ist für geübte Alpin-Wanderer gut machbar. Mit Vorteil begeht man sie, wenn sich noch niemand auf dem Säntis-Weg befindet, da die Chance Steinschlag auszulösen bei dem vielen herumliegenden Schutt nicht gering ist. Vom Säntis-Weg steigt man den steilen Schrofenhang zwischen dem mittleren und westlichen Turm hinauf und steuert direkt das Smiley Face an. Am besten steigt man über die kurze Felsstufe (3m, II) ins Mund des Altenalp-Smileys und folgt dem Rasenband steil gegen rechts (Trittspuren). Nach einigen Schritten auf dem Grat ist der Gipfel erreicht. Kein Gipfelbuch, nicht mal ein Steinmännchen konnte sich hier halten… Es ist auch möglich im steilen Rasenband parallel unterhalb des Smileys aufzusteigen. Das Überklettern der Steilstufe ist dann aber deutlich exponierter. Abstieg auf der gleichen Route.

 

Öhrli (T5, I)

Formschöner und leicht zu besteigender Berg. Es haben sich deutliche Wegspuren herausgebildet. Vom Sattel Pt. 2119 in wenigen Minuten zu erreichen. Vor dem Gipfel muss leicht, aber nicht ausgesetzt geklettert werden (I). Gipfelbuch.

 

Hängeten (T6, II, WS)

Die Besteigung des höchsten Gipfels der Hängeten (Pt. 2211) wird wahrscheinlich nur äusserst selten, wahrscheinlich seltener als einmal pro Jahr, ausgeführt. Während man den westlichen Vorgipfel vom Säntis-Weg verhältnismässig einfach erreicht (WS-, II) ist der Übergang zum Hauptgipfel teils sehr exponiert und brüchig. Mit einer Umgehung in der Südflanke lässt sich die Schlüsselstelle umgehen. Vom Sattel Pt. 2119 steigt man schräg rechts zum Einstieg eines markanten Kamins, das von den Hängeten herunterzieht. Durch dieses Kamin in hübscher Kletterei in einem kleine Scharte. Auf dem teils sehr exponierten Grat gegen Osten. Der letzte Aufschwung vom dem Gipfel (kleines Felsenfenster) ist messerscharf und wird im Führer ausdrücklich wegen der schlechten Felsqualität erwähnt. Sinnvoller erschien es mir deshalb den Gipfel auf Grasbändern in der Südflanke zu umgehen. Durch ein Kamin steigt man auf ein Stüfchen östlich des Gipfels. Von hier entweder auf einem schmalen, waagrechten Felsband und eine brüchige Stufe zum höchsten Punkt, oder durch ein zuerst senkrechtes Kamin auf den Ostgrat. Beide Varianten erfordern wegen des brüchigen Gesteins grösste Aufmerksamkeit, sind aber nicht eigentlich schwierig (II).

 

Hüenerberg (T5)

Die Überschreitung des Hüenerbergs kam in den letzten Wochen auf hikr durch Begehungen von Omega3 und 360 zu verdienten Ehren. Die Route ist sehr lohnend, teilweise etwas exponiert (nirgends mehr als T5) und bietet grossartige Ausblicke in alle Richtungen. Ich konnte eine eindrückliche Glorie beobachten.

 

Girenspitz NE-Grat (WS, II+)

Der Girenspitz NE-Grat ist ein ganz besonderes Alpstein-Schmankerl! Die Route ist von ossi detailiert beschrieben. Die Routenfindung ist ohne Ortskenntnisse nicht ganz trivial. Ich empfinde die Schwierigkeit der Kletterstellen nach wie vor deutlich höher als II. Kennt man jedoch die Route, kommt’s einem halb so wild vor und nach knapp 10 Minuten vom Hüenerbergsattel stehe im auf dem Girenspitz und bewundere die Besuchermassen, die die Himmelsleiter am Säntis unsicher machen.

 

Säntis – Lisengrat – Altmann (T4, I)

Der Aufstieg vom Girenspitz auf den Säntis muss nicht weiter beschrieben werden und gehört zu einem der meistbegangenen Wanderwege der Schweiz. Am Himmelsleiterli gibt’s normalerweise Stau, auf der linken Seite der Fixseile ist man bedeutend schneller, zieht aber dann erstaunte Blicke der Wanderer auf sich… Durchs Menschengewühl (ohne Lift) auf die Gipfelterrasse und so schnell wie möglich weiter gegen den Lisengrat. Diesen klassischen Wanderweg hatte ich bisher noch nie begangen, eine Bildungslücke. Der Lisengrat-Weg verläuft praktisch nie ganz auf dem Grat, sondern meist leicht unterhalb in der Flanke. Er ist nirgends schwierig (T3-T4). Alle exponierteren Stellen sind mit Fixseilen versehen. Da der über weite Strecken in den Fels gehauene Weg in den abschüssigen Passagen recht schmal ist, herrschte auch hier Stau… Vom Rotsteinpass in 24 Minuten auf den Altmann, zuerst über den steilen, oft mit Stahlseilen versicherten Weg in den Altmannsattel und dann auf der Normalroute (T5, I) auf den Gipfel. Das Schneefeld vom Fuss des Altmanns gegen Osten kann abgerutscht werden, jedoch gehört dafür wegen der beträchtlichen Steilheit ein Pickel in die Hand; die Kraft- und Zeitersparnis hält sich in Grenzen.

 

Fälentürm (T4)

Der westlichste und höchste Gipfel der Fälentürm ist vom Wanderweg unschwierig über einen breiten Wiesenkamm, am Schluss über leichte Felsen zu erreichen. Trotzdem erhält er praktisch nie Besuch. Der letzte Eintrag stammt von der Tour von Alpin_Rise vor 10 Monaten.

 

Löchlibretter – Schafbergturm (T5)

Die Löchlibretter sind ein breites Schutt- und Grasband am Nordfuss der Fälentürme. Auf alten Karten ist der Weg am oberen Ende der Löchlibretter noch eingezeichnet. Die Begehung ist auch heute noch möglich und stellt den schnellsten Zugang zum Fälenschafberg von Westen her dar. Allerdings ist vom Weg praktisch nichts mehr zu erkennen und man muss sich teils mühsam durch loses Geröll kämpfen (T5). Man bleibt anfangs unmittelbar unter der Felswand (Schafpfad), geht gegen Ende des Bandes rund 50 Meter unter dieser. Am Ende der Löchlibretter befindet sich der lohnende Gipfel des Schafbergturms (altes Gipfelbuch, ca. 1 Begehung pro Jahr). Dieser kann ohne Schwierigkeiten durch das geröllgefüllte Westkamin (T5, I) bestiegen werden. Abstieg auf der gleichen Route; die Nordflanke wäre direkter, sieht jedoch nicht erquickend aus. Vom Fuss des Westkamins steigt man auf einem breiten Grasband nördlich des Turms zuerst leicht an und erreicht nachher steil absteigend die Grashänge des Fälenschafberges.

 

Fälenschafberg (T4)

Lohnender Gipfel, der von den weiten Grashängen im Osten und Westen leicht erreichbar ist (T4). Gipfelbuch mit rund 5 Einträgen pro Jahr.

 

Nadlenspitz (T6)

Seit ich dieses Bild vom Nadlenspitz gesehen habe, reizte mich die Besteigung dieses kühnen Gipfels. Das Bild ist allerdings so aufgenommen, dass gewisse Strukturen des Berges deutlich furchteinflössender aussehen, als sie tatsächlich sind. Die Schwierigkeit des Nadlenspitzes liegt im unteren T6-Bereich. Vom Fälenschafberg über etwas mühsame, noch immer feuchte Hänge mit langem Gras gegen den Westgrat des Nadlenspitzes. Den vorgelagerten Turm umgeht man rechts absteigend in der Südflanke und hält anschliessend in den Sattel. Zuerst über den mässig steilen und gut gestuften Grat, im Mittelteil leicht in die rechtsseitige, steile Flanke ausweichend, erreicht man am Schluss linkshaltend ziemlich exponiert den schmalen Gipfel (kein Gipfelbuch).

 

Borsthalden (T6)

Eigentlich wollte ich vom „Schafbergsattel“ (ca. 2070) die Freiheitstürme besteigen. Die einfachste Route (BG) sieht jedoch grauenhaft steil aus und würde besser von weiter unten angegangen – ein nächstes Mal vielleicht… Zu meinem Erstaunen kraxelten gerade drei Appenzeller von Norden in den Schafbergsattel hinauf. Sie machten mir keinerlei Hoffnungen, dass ich im Abstieg den richtigen Weg finden würde und erzählten von Felsstufen, die mit Seilsicherung zu überwinden seien. Na ja, mit einem etwas schlechtem Gewissen, den Jungs jetzt schlaflose Nächte zu bescheren, stieg ich dennoch gegen Norden ab. Durch die Borsthalden führte früher ein markierter Wanderweg (im oberen Teil einige Markierungen). Besonders im Aufstieg stellt die Route einen interessanten Einstieg in die Region des Fälenschafberges dar. Sie führt durch ziemlich unübersichtliches und steiles Grasgelände, ist aber für den geübten Alpin-Wanderer gut zu begehen (unteres T6, keine Felsstufen bei richtiger Routenwahl ;-) ). Vom Schafbergsattel zuerst hinter vorgelagerten Felstürmen nach links, sobald möglich führt der Weg rechts in die offene Grasflanke hinaus (nicht wie im Führer eingezeichnet). Bald wieder nach links in eine tief eingeschnittene felsige Rinne, deren Querung unangenehm ist (mit feinem Geröll bedeckte Platten). Jenseits der Rinne durch steile Grasflanken (bis ca. 50°) mehr oder weniger in der Falllinie bergab, am besten auf einem wenig ausgeprägten Sporn.

 

Freiheit (T5+, II)

Einer der schönsten Gipfel des Alpsteins! Der Aufstieg erfordert einige Kletterei, die Schwierigkeiten liegen meines Erachtens näher bei T6 als T5, da die Kletterpassagen doch ziemlich lang sind. Das bekannte „Hundstein-Kamin“ ist nicht nur auf dem blau-weiss markierten Weg vom Widderalpsattel zu erreichen, sondern auch über eine Rampe, die auf Höhe der Alp Bötzel ansetzt (alter, markierter Weg, heute jedoch selten begangen und entsprechend kraftraubend). Man verfolgt die eindrückliche Schlucht zwischen Hundstein und Freiheit bis an ihr Ende (hübsche Kletterei, I) und steigt dann gegen rechts in die rund 20 Meter hohe Felsstufe ein. Die Kletterei ist besonders im Mittelteil nicht ganz einfach (II) und erfordert Konzentration. Am besten hält man sich an eine schmale Rinne. Dann den roten Markierungen folgend, leicht in die Nordflanke absteigend teils etwas exponiert auf den wunderschönen, grasigen Gipfel.

 

Hundstein (T5+)

Vom Ende der Schlucht erreicht man das Gipfelgrasfeld zum Hundstein über eine kurze, unschwierige Felsstufe (knapp II, 10m). Abstieg auf dem Wanderweg zurück in die Schlucht und durch die steinschlägige Rinne in den Widderalpsattel (markiert, kurz steil, T5).

 

Marwees (T4)

Ausklang des Tages mit der Marwees-Überschreitung. Über diese oft begangene Grattour gibt’s auf hikr schon viele Infos. Abstieg über die Bogartenlücke nach Wasserauen.

 

Weitere sehr selten begangene Alpstein-Gipfel:


Tourengänger: Delta
Communities: T6, Monstertouren


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Kommentare (9)


Kommentar hinzufügen

ossi hat gesagt: Eine Routenwahl...
Gesendet am 5. August 2008 um 09:25
die einfach nur Freude macht!!!

3614adrian hat gesagt: Einfach...
Gesendet am 5. August 2008 um 10:55
...deltastisch!

Eine Tour ganz nach meinem Geschmack im mir noch recht unbekanntem Alpsteingebiet. Doch dass wird sich sicher bald einmal ändern.

Lg Adrian

etxebarria hat gesagt: "Gegen-Photo"
Gesendet am 5. August 2008 um 12:34
ich habe noch das "Gegen-Photo" von
Öhrli ;)

Die zwei 'Wanderer' auf dem Bild bin ich mit einem Kollegen. Habe ein Foto von dir gemacht auf den Hängeten vom Öhrli aus.

Delta Pro hat gesagt: RE:"Gegen-Photo"
Gesendet am 5. August 2008 um 12:42
Cool - hab mir doch gedacht, dass an diesem Tag noch andere Hikr-User im Alpstein unterwegs sein müssten.
Gruss Delta

Alpin_Rise hat gesagt: O la la!
Gesendet am 10. August 2008 um 23:25
Schön vorgelegt im Alpstein, beeindruckendes Enchainement! Defintiv eine der Top-Touren im Alpstein...
Seit ich letzten Sommer diese Kette kennenlernen konnte, reizen dort noch weitere alte, vergessene Klassiker wie z.B. Freiheittürme Überschreitung!

Christian1 hat gesagt: Gratuliere - kreativ
Gesendet am 25. Juli 2010 um 22:57
und elegant. Ist mir als Ostschweizer Sentisgänger bis jetzt total entgangen. Sag mal, wie lange muss man für den Rundgang rechnen?

Delta Pro hat gesagt: RE:Gratuliere - kreativ
Gesendet am 26. Juli 2010 um 07:38
Danke.
Ich brauchte 11 Stunden inkl. allen Gipfel-Abstechern. Dafür liegen aber nicht allzu lange Pausen drin ;-)
Je nachdem, welche Gipfel man noch mitnimmt, kann man den Zeitbedarf der Tour aber fast beliebig regulieren, je nach Lust und Laune.
Gruss Delta

benjamin24 hat gesagt:
Gesendet am 1. April 2012 um 01:56
wer ist ueli steck ? hut ab, da fehlen einem die Wörter, einfach unglaublich!!! lg benjamin

cerrotorre hat gesagt: Einstieg
Gesendet am 23. Juli 2019 um 14:50
Sali Delta

Hast Du Koordinaten, oder ein Topo des Einstiegs ?

lg


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