Heißer Ritt auf dem steilen Zahn: Schwarzhorn-Überschreitung


Publiziert von Nik Brückner , 8. September 2023 um 11:34.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Rätikon
Tour Datum: 2 September 2023
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 950 m
Abstieg: 2150 m
Strecke:22 Kilometer
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit der Älplibahn Malans
Unterkunftmöglichkeiten:Im Tal.

Unterwegs zum Glegghorn vor zwei Jahren sah ich diesen steilen Zahn: Einen Graszacken am Gipfelgrat des benachbarten Schwarzhorns, der vom Ostgrat des Glegghorns aussah, wie ein Turm. Dieser Zacken ging mir seither nicht mehr aus dem Sinn. Ich wollte dort noch einmal hin, und, wenn möglich, hinauf.

Tourenberichte dazu gibt es nicht. Jedenfalls nicht zu dem Zacken. Das Schwarzhorn selbst hat dagegen immerhin 13 Stück. Aber immer wird es vom Fläscher Fürggli aus bestiegen, nie von der anderen Seite. Dort ist es die Tüf Furgga, die es vom Glegghorn trennt, aus dem man hinaufsteigen müsste. Und die Tüf Furgga wird nur in einem einzigen Tourenbericht eingehender erwähnt, in Geckos Bericht zur Gleggwand Südrampe. Auch er ist aufs Schwarzhorn gestiegen, allerdings nicht über den Zahn. Er schrieb dazu: "Achtung, wenn man vom Sattel direkt über den Grat aufs Schwarzhorn möchte, muss man eine vermutlich heikle Stufe abklettern; ich bin in die Nordflanke ausgewichen".

Ob die Stufe tatsächlich so heikel ist? Ich musste wohl selbst nachsehen.



Also reservierte ich einen Platz in der Älplibahn, erste Fahrt, dübelte mit Yes' "Relayer" im Player hinüber nach Malans, und baumelte hinauf zum Älpli (1801 m). Hier machte ich mich auf den Wanderweg, der über die Vorderalp und die Kammböden hinauf auf den Sattel zwischen Kamm und Glegghorn führt, und ebenfalls den Namen Älpli trägt (2031 m).

Unterwegs zum Sattel plauderte ich ein wenig mir einer Einheimischen, die mit mir in der Bahn gesessen hatte. Sie war unterwegs zum Falknis. Im Sattel stehen ein Tisch und zwei Bänke, die zu einer Pause einladen. Wir nahmen die Einladung an, denn von hier aus hat man einen schönen Blick ins Rätikon. Meine zweitweise Begleitung schickte sich an, sich umzuziehen, weshalb ich mich nun verabschiedete.

Bergstation Älplibahn - Älpli (2031 m): markierte Wanderwege, T1, 1h


Ich folgte von hier aus dem breiten Weg bis hinunter zu Pt. 2000, und nahm dort den Wanderweg, der unterhalb des Glegghorn-Ostgrats zum Vorderscht See (1888m) führt.
 
Der türkise See ist wunderschön gelegen, und ich hätte hier fast auch gelegen, den ganzen restlichen Tag nämlich, wenn mich am Ende nicht doch das Schwarzhorn noch mehr gelockt hätte. Also verließ ich den See und wanderte weiter hinauf zum Mittler See (1903 m). Ein Stück weiter oben gelangte ich dann an die kleine Hütte auf der Alp Obersäss (1941 m), die mir als Endpunkt des weglosen Teils meiner Glegghorn-Tour noch in guter Erinnerung war.

Älpli (2031 m) - Obersäss: markierte Wanderwege, T2, 45 Minuten


Hier verließ ich den Wanderweg, wanderte ein Stück den Walenbach hinauf und überquerte ihn dann an geeigneter Stelle. Dann ging es die sanften Hänge des Augstenbergs hinauf Richtung Tüf Furgga.

Vor und nach einem flachen Boden bemerkte ich Wegspuren, und auch später, im Abstieg vom Fläscher Fürggli, sind Wegspuren zu sehen, die zum Augstenberg und zur Tüf Furgga hinüber führen. 

Auf diesen alten Wegspuren stieg ich schließlich hinauf in die Tüf Furgga (2242 m).

Obersäss - Tüf Furgga: weglos über Matten, T2, 45 Minuten


Dort steht ein Fahnenmast! Was sonst! Ein kurzer Blick hinunter in den Gleggtobel genügt dann, um einen Heidenrespekt vor Gecko zu bekommen. Hier ist der heraufgekommen? Gruselig....

Aber das konnte mein Vorhaben ohne Weiteres auch werden. Also machte ich mich möglichst ruhig und entspannt an den Aufstieg auf den markanten Zacken.

...der von hier aus gar nicht mehr wie ein Turm aussieht, und überraschend einfach zu ersteigen ist. Der Grat ist (noch!) nicht besonders schmal, und zwei, drei Felsstufen auf der Kante sind einfach zu ersteigen. Zuletzt geht es einen ebenfalls gar nicht so schmalen Wiesenstreifen hinauf.

Geckos Worte klangen mir im Ohr, als ich oben ankam: "eine vermutlich heikle Stufe abklettern". Na, schauen wir uns die doch mal an. Tatsächlich geht es vom Zacken ordentlich hinunter, senkrecht sogar, links wie rechts. Aber ausgerechnet in Richtung des Gratverlaufs hat der Zacken eine Schwäche: ein Riss zieht sich hinunter bis zur Gratkante, steil, aber nicht senkrecht, und anscheinend ausgestattet mit großen Griffen und Tritten. Aber ob die halten würden?

Ich machte eine kleine Pause und mir Gedanken. Sollte ich es probieren? Oder den Zacken umgehen? Das war wohl möglich, aber erst ziemlich weit unten. Ich würde bis in die Tüf Furgga zurück müssen. Also nochmal auf den Bauch legen und den Riss studieren. Soweit ich sehen konnte, schien der mir begehbar. Also sattelte ich auf, und machte mich - äußerst vorsichtig - an den Abstieg. 

Tritt für Tritt, Griff für Griff ging es nun hinunter. Sehr, sehr vorsichtig. Und was soll ich sagen: Große Griffe, alle hielten, nur die letzten eineinhalb, zwei Meter waren ein bisschen tricky - daher meine Bewertung mit III. Darüber war alles leichter.  

Diese Bewertung ändert sich aber vielleicht noch. Denn die Stelle im Abstieg zu machen, ist natürlich Unsinn gewesen. Und im Aufstieg ist alles ein bisschen einfacher.

Der Riss endet ein wenig rechts vom Grat. Direkt auf ihn abzusteigen, ist aber ohnehin keine gute Idee, weil er unmittelbar am Fuß des Zackens messerscharf ist. Hier bleibt man mit Vorteil rechts unterhalb der Kante. Dann geht's aber gleich wieder eine Schrofenstufe hinauf auf die Kante. Dort geht's kurz über Gras weiter.

Der Rest der Strecke zum Gipfel des Schwarzhorns teilt sich nun in zwei verschiedene Abschnitte. Der erste besteht aus scharfen Felszacken, der zweite ist eine einfach zu begehende Graskante. Im ersten Teil geht es links wie rechts senkrecht hinunter, im zweiten ist die rechte Flanke ein mäßig steiler Grashang. Im ersten Teil kann man das meiste überklettern, man muss es allerdings nicht. Ich hab nicht immer geschaut, aber vieles dürfte sich rechts umgehen lassen. Manches muss man sogar umgehen, teils ist der Grat einfach zu schmal und die Türmchen zu wackelig. Ein heißer Ritt, in der Tat.

Irgendwann landet man dann im Gras, und die Schwierigkeiten sind überstanden. In wenigen Minuten steht man auf dem Schwarzhorn (2346 m).

Tüf Furgga - Schwarzhorn: weglose Gratkletterei, T6/III, 45 Minuten


Hier legte ich eine ausgiebige Pause ein. Das war nötig, nach diesem wilden Ritt. Und besah mir die Aussicht: Im Norden sind es natürlich Falknis, die beiden Grauspitzen und der Naafkopf, die die Sicht beherrschen (und begrenzen). Der Osten wird von der Schesaplana dominiert. Die Rätikonkette stzt sich dann mit Drusenfluh, den Drei Türmen und der Sulzfluh fort. Weit hinten am Horizont dominieren Fluchthorn, Piz Buin und Piz Linard. Davor die Grasgipfel der Sassaunarunde. Im Südosten das nahe Glegghorn, dahinter dann Piz Kesch, Piz Palü und Piz Ela. Nach Süden hat man dann einen tollen Blick hinunter ins Rheintal.

Jenseits des Rheintals dominieren Haldensteiner Calanda, Ringelspitz, im Westen der Glärnisch, und im Nordwesten die Churfirsten und die Alviergruppe mit Alvier und Gamsberg.


Dann beendete ich meine Pause. Auf guten Wegspuren ging es hinunter ins Fläscher Fürggli (2247 m).

Schwarzhorn - Fläscher Fürggli: unmarkierte Wegspur, T2, 10 Minuten


Hier kam ich mit zwei Mädels ins Gespräch. Eine davon hatte eine Drohne dabei. Meine erste Berg-Influencerin! Offenbar betreibt sie einen Instagram-Kanal. Da ich allerdings keine Ahnung von insta habe, gibt's leider keinen Link. Ich wüsste nicht, wie.

Tja, und dann ging es auch schon zurückan den schönen Seen vorbei, am Vorderscht See (1888m) dann nach rechts, und zurück zum Sattel Älpli (2031m). Von dort aus wanderte ich   wieder   über die Kammböden und die Vorderalp zurück zur Bergstation der Älplibahn (1801m).
 
Fläscher Fürggli - Bergstation Älplibahn: markierte Wanderwege, T2, 2h


...wo ich um 14 Uhr ankam. Mit einer Reservation für 17 Uhr... Da es bis dahin keinen freien Platz mehr gab, fragte ich ein paar Einheimische, we lang es wohl zu Fuß zur Talstation dauern würde. Eineinhalb Stunden? Na, das ist doch ein Wort.

Und so cancelte ich meine Reservation, und machte mich an den Abstieg. Und was soll ich sagen: Die Einheimischen kennen ihre Wege ganz genau. 1:28 hab ich gebraucht, bis zur Talstation der Älplibahn Malans (620 m).

Bergstation - Talstation: markierte Wanderwege, T2, 1,5h


Fazit:

Ein heißer Ritt auf einem äußerst scharfen Grat. Die  600 Meter hohe, senkrechte Wand hinunter in den steilen Gleggtobel sorgt für ordentlich Adrenalineinschuss. Die Tour ist schön, kurz und heikel, und sollte besser in umgekehrter Richtung begangen werden.


Ausrüstung:

C-Schuhe, Stecken, Helm

...uuuund am nächsten Tag brauchte ich etwas zur Entspannung.

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (2)


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Hallodri82 hat gesagt: Danke
Gesendet am 11. September 2023 um 09:27
Lieber Nik

Auch wenn ich niemals deine Fertigkeiten am Berg haben werde und dementsprechend niemals solche Touren nachwandern kann: ich verschlinge deine Berichte jeweils. Sie sind derart kurzweilig und gut geschrieben. Mal ne Frage: baust du dir eigentlich deine offensichlich gute Kondition "nur" am Berg auf oder bist du zusätzlich auch noch Flachland-Läufer?

Liebe Grüsse

Nik Brückner hat gesagt: RE:Danke
Gesendet am 11. September 2023 um 11:01
Servus Hallodri!

Freut mich wirklich sehr, dass dir meine Berichte so gut gefallen. Aber so hoch würde ich meine Fertigkeiten gar nicht hängen - da gibt's ganz andere hier auf Hikr. Wie auch immer, ich glaube, die letzte Tour, die ich gepostet habe, die Sassaunarunde, könnte dir gefallen. Da gibt's ein paar T4-Stellen, aber wenige und immer nur kurz. Alles andere ist einfach nur zum Genießen.

Meine Kondi - tja, da hab ich wohl Glück und gute Gene erwischt. Aber ich bin auch hier zuhause viel unterwegs, und so komme ich nie ganz unfit in den Bergen an.

Du machst viele Touren rund um Solothurn, hab ich gesehen. Da muss ich mich offenbar mal umschauen - das wäre vielleicht mal was für's Frühjahr.

Herzliche Grüße, nein, Grüsse,

Nik


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