Scharfe Grate am Lünersee, oder auch: Zweimal nicht am Zaluandakopf


Publiziert von Nik Brückner , 9. August 2020 um 16:42.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Rätikon
Tour Datum:31 Juli 2020
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:15
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 1300 m
Strecke:15km
Unterkunftmöglichkeiten:Douglass-Hütte

Seit ich vor einigen Jahren auf meinem Weg von Garmisch nach Vaduz durchs Rätikon gekommen war, haben es mir einige Grate in der Gegend angetan. Einige davon, direkt östlich des Lünersees, tragen die Gipfel Rossberg, Zaluandakopf und Freschluakopf. Die wollte ich mir mal ansehen. Mein Hauptziel dabei: der Grat, der über die Rossköpfe zum Zaluandakopf führt.

Aus irgendeinem Grund, den ich nicht mehr recht weiß, hat mich daneben noch der Zaluandakopf interessiert. Über diesen Gipfel gibt es nicht viel zu lesen: Abenteurer&Bergrebell Ötzi II ist vor einigen Monaten mit den Skiern dort hinaufgestiegen, ich wiederum hatte in einem Führer gelesen, dass der Nordwestgrat in "leichter Kletterei" zu ersteigen sei, und dass man den Gipfel über den Rossberg in eineinhalb Stunden würde erreichen können. Diese Angaben klangen aber verdächtig nach Raterei, so dass ich mit wenig Vertrauen in meine Lektüre ins Rätikon startete.



Ich musste mein Auto an der Schattenlaganthütte (1483 m) abstellen, denn die Lünerseebahn wird überholt, und fährt erst ab dem 8. August wieder. Aber der Lünersee ist auch zu Fuß schnell erreicht, das würde schon klappen.

Ich lief die Asphaltstraße zur Talstation der Lünerseebahn (1570 m) hinauf, und nahm dann den Böser-Tritt-Steig hinauf zur Bergstation der Lünerseebahn bzw. zur Douglass-Hütte (1979 m). Eine Stunde nach meinem Start kam ich dort an.

Schattenlaganthütte - Lünersee/Bergstation/Douglass Hütte: markierter Wanderweg, T2, 1h


Ich machte kurz ein zweites Frühstück, und mich dann auf den Weg. Über die Staumauer gings ein Stück um den See herum, dann der Beschilderung folgend nach links hinauf zur Lünerkrinne (2155 m).

Lünersee - Lünerkrinne: markierter Wanderweg, T2, 30 Minuten


Von hier aus stieg ich den Grat ein Stück hinauf. Eine außergewöhnliche Gegend! Ein eigentlich gemütlicher Grasgrat ist besetzt von Mauern und Türmen, die senkrecht in den Himmel ragen, und die, wenn sie nicht überklettert werden, rechts umgangen werden müssen. Danach geht es eine steile Grasrampe hinauf und -

...tja, das war dann nicht recht einzusehen. Ich hatte im Aufstieg ständig die Sonne im Gesicht, und konnte den Gipfelbereich kaum deutlich sehen. Nach "leichter Kletterei" sah mir das aber nicht aus. Zudem war mir von hier aus nicht klar, ob ich vom Zaluandakopf Richtung Rossberg-Grat wieder runterkommen würde. Auch das schien mir nicht unbedingt möglich. Ich sah mich noch ein wenig um, dann entschied ich, das Ganze von der anderen Seite anzugehen. Schließlich war mein eigentliches Ziel nicht der Zaluandakopf selbst, sondern der Grat, der über die Rossköpfe zum Zaluandakopf führt. Ich wollte Gratluft schnuppern.

Also stieg ich wieder hinunter, was über die mäßig steilen Grashänge problemlos möglich ist, und wanderte auf Matten weiter unten hinüber zu markierten Wegen, auf denen ich nun Richtung Lünersee zurückkehrte.

Erkunden des Nordostgrats: weglos, T4/I, 45 Minuten


Ich rundete weiter um den Lünersee, bis an der Lünerseealpe (2000 m) der Wanderweg Richtung Verajoch/Lindauer Hütte links abzweigt. Den nahm ich, und stieg hinauf bis in die Lücke zwischen den Kirchlispitzen und dem Rossberg.

Lünersee - Lücke zwischen Kirchlispitzen und Rossberg: markierte Wanderwege, T1, 30 Minuten


Hier verließ ich den Wanderweg und stieg den mäßig steilen Hang links von mir hinauf. Nach wenigen Minuten ist der Grat erreicht, und der Anstieg zum Westgipfel des Rossbergs beginnt.

Der grasige Grat ist gemütlich und breit, es warten allerdings einige kurze Hindernisse auf den Wanderer, die die Route besonders abwechslungsreich gestalten. Das erste ist eine vier, fünf Meter hohe Felsmauer, die quer über den Grat verläuft, und erklettert werden will (I, II, je nach Routenwahl). Dann geht es eine Weile über einfaches Wandergelände hinauf zu einem zerborstenen Turm, den man im Grunde nehmen kann, wie man mag. Ich bin rechts dran vorbei, das war vielleicht T3, unteres T4. Dann geht's auf dem Grat weiter, der in der Folge immer schmaler und schmaler wird. Für ein paar Meter wird's dann äußerst schmal und luftig, danach kann man aber wieder aufatmen: Der Grat wird wieder etwas breiter. Dafür geht's nun steiler hinauf. Nach dem nächsten Kopf ist es dann geschafft: eine kleine Senke hinunter, und drüben wieder rauf, dann ist der Rossberg-Westgipfel (2452 m) erreicht.

Wanderweg - Rossberg-Westgipfel: weglose Gratüberschreitung, bis T4, 50 Minuten


Hier genoss ich erst einmal die Rundsicht: Vor mir die beiden Schafgafalle, links daneben gleich die Zimba, die Königin hier. Ganz hinten sind Annalper Stecken, Diedamskopf und Zitterklapfen zu sehen, danaben die Hohe Künzel, die Rote Wand, ganz hinten der Hochvogel. Weiter vorn dann Hohes Licht und Krottenkopf. Richtung Osten folgen dann Roggspitze und Valluga, Freispitze und Parseierspitze. Im Verwall erheben sich der Hohe Riffler, die Kuchenspitze und der Patteriol. Dann folgte der Hauptkamm, mit Wildspitze, Weißseespitze und Weißkugel. Im Südosten unübersehbahr: die Drusenfluh, im Süden: die Kirchlispitzen. Im Südwesten geht der Blick in die Schweiz und nach Italien: Pizzo Tambo, Ringelspitz, Tödi. Und im Westen dominiert - natürlich - die Schesaplana. Im Nordwesten fiel mir dann ein schöner Grat ins Auge: Der zwischen Tuklar und Alpilakopf. Den hab ich mir ein knappes Jahr später vorgenommen.

Der Übergang zum Ostgipfel ist dann der einfachste Teil der Tour: Ein breiter Grasgrat, problemlos zu begehen, es gibt sogar einige Notabstiegsmöglichkeiten nach links wie nach rechts. In einer Viertelstunde ist der Rossberg-Ostgipfel (2467 m) erreicht.

Rossberg-Westgipfel - Rossberg-Ostgipfel: weglose Gratüberschreitung, T1, 15 Minuten


Nach dem Ostgipfel langt der Grat dann so richtig hin. Einige Meter geht's noch über Gras, die Kante ist hier aber schmal und schrofig, und kündigt bereits an, dass die Schwierigkeiten nun schnell zunehmen werden. Bald lässt man das Gras hinter sich, und betritt ein Gelände, in dem der Grat von einer Reihe brüchiger Türme, Türmchen und Zacken besetzt ist, die sämtlich rechts umgangen werden. Das ist ziemlich luftig, nicht immer sehr angenehm, und man ist dankbar, wenn's zwischendurch mal ein paar Meter auf rutschigem Schotter dahingeht...

Wem dieses Gelände nicht schmeckt, kann nach dem Westgipfel nochmal rechts vom Grat runter, Richtung Rauhes Tal/Pt. 2356. Danach wird's schwierig mit der Flucht vom Grat.

Hat man die brüchigen Zacken hinter sich, wird der Grat wieder grasig. Die schmale Schneide schwingt nun auf und ab, schließlich hinunter in ein Schartl vor einem markanten Gratturm. Dieser wird über eine ziemlich steile Gras-Schrofenflanke erstiegen. Oben geht's dann auf der Schneide -

...nicht weiter. Urplötzlich steht man vor einem senkrechten Abbruch. Unten eine Scharte, auf der anderen Seite steht der Grat unheimlich steil auf, zu den letzten Zacken vor dem Zaluandakopf. Aus, Schluss, nix war's! Das macht mein armes Herz nicht mehr mit.

Den Zaluandakopf über den Rossberg in eineinhalb Stunden erreichen? Pfeifendeckel! Aber was jetzt? Alles zurück, und kurz vor dem Ostgipfel runter zu Pt. 2356? Dazu müsste ich die steile Gras-Schrofenflanke des Turms, auf dem ich stand, wieder runter, dann rauf zu den brüchigen Zacken - keine Lust, vielen Dank. Ich sah mich ein wenig um, überlegte, den Abstieg in die Scharte vor mir doch zu versuchen, und entdeckte dann, dass mein Turm eine zwar äußerst steile, aber doch begehbare Ostflanke hat, die mir bis weit hinunter in flacheres Gelände machbar schien. Dort könnte ich hinuntersteigen, den Turm umgehen, und in die Scharte vor dem Zaluandakopf wieder aufsteigen. In der Scharte könnte ich mir den (äußerst steil wirkenden) Weiterweg genauer ansehen, oder im Notfall auf der anderen Seite der Scharte Richtung Lünersee hinabsteigen. Ausreichend Optionen also, und ich entschied mich für den Abstieg durch die steile Ostflanke.

Ich begann, die steile Grasflanke hinunterzusteigen. Keine Chance, die Hangneigung zu messen, lieber konzentrieren. Steil war's, aber wie. Schritt für Schritt stieg ich vorsichtig vom Gratturm hinunter, und war froh, tief unten in flacheres Gelände zu kommen. Hier war ich bereits genervt genug, dass ich mir überlegte, zum Wanderweg hinüberzuqueren, und durchs Rauhe Tal zu Pt. 2356 aufzusteigen. Ich hielt dann aber doch an meinem Plan fest, umging den Turm in unangenehmem, krautig-schotterigen Gelände, und stieg in der Bullenhitze des Mittags die Scharte hinauf. Und verfluchte meine Entscheidung gleich wieder, angesichts des anstrengenden Steilkrauts hier....

Abstieg vom Grat und Wiederaufstieg in die Scharte: weglos, Steilgras, T6, 45 Minuten


In der Scharte angekommen, vergewisserte ich mich, dass ich tatsächlich nicht direkt von dem Turm in die Scharte gekommen wäre - bessere Kletterer (und das sind so ziemlich alle) können das vielleicht. Und ich sah mir den Weiterweg zum Zaluandakopf an: Eine kleine, schmale Schwachstelle, die ich aufwärts sicher würde bewältigen könnte - aber im Abstieg, falls er nötig werden sollte?

Hey, das ist Freizeit! Das soll Spaß machen! Folglich: Nein, heut nicht mehr. Lieber drüben aus der Scharte runter.

Aber auch das war nicht ohne. Ans Gehen in der Rinne selbst war nicht zu denken, festgebackenes, ekliges Zeug, ohne jeglichen Halt für die Hände, zu steil, um sich allein auf die Reibung meiner Sohlen zu verlassen. Ich hielt mich zunächst im Gras, und lief zu einem Kanzele hinunter. Von dem stieg ich rechtswärts ab, und fand ganz unten in der Rinne, dort, wo sie schattig war, noch ein bisschen nasses, und darum weiches Gebrösel, das begehbar war. Auf diesem stieg ich vorsichtig weiter ab, und querte in flacherem Gelände rechts hinüber in brauchbaren Schotter, in dem ich nun halb abfuhr, halb abstieg, bevor ich auf guten Grasrippen wieder bequemer gehen konnte.

Die Rinne ist T6, äußerst unangenehm, und eigentlich nicht begehbar, schon gar nicht, wenn sie trocken ist. Nicht machen!

Durch die Matten weiter unten erreichte ich endlich wieder markierte Wege.

Abstieg aus der Scharte - Wanderweg: weglos, T6 und leichter, 30 Minuten


Auf den Wanderwegen ging's nun in Richtung Lünersee. Auf der Lünerseerunde angekommen, kehrte ich zurück zur Douglass-Hütte (1979 m).

Auf Wanderwegen zur Douglasshütte: T2, 30 Minuten


Und von hiher aus nahm ich erneut den Böser-Tritt-Steig hinunter zur Talstation der Lünerseebahn (1570 m) und zur Schattenlaganthütte (1483 m).

Lünersee/Bergstation/Douglass-Hütte - Schattenlaganthütte: markierter Wanderweg, T2, 40 Minuten


Fazit:

Nix war's! Zaluanda-Nordwest, Zaluanda-Südwest - nix war's! Schade drum. Aber mein Ziel war ohnehin eher der Grat gewesen, der über die Rossköpfe zum Zaluandakopf führt, und auf diesem Grat hatte ich viel Spaß gehabt. Der ist wirklich schön. Den Rest konnte ich 2021 nachholen, Freschlua Ostgrat, und weiter zum Zaluandakopf. Schöne Tour!


Ausrüstung:

- C-Schuhe (im Gras muss sicher gekantet werden)
- Stecken
- Helm
- Pickel

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (6)


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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 9. August 2020 um 17:52
Hauptsache heil zurück!
Die Bilder machen total Lust

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. August 2020 um 18:34
Ja, ist schön da! Nächstes Mal: Freschlua und Zalando!

boerscht hat gesagt:
Gesendet am 10. August 2020 um 14:15
Aha mit der Überschreitung Rossberg- Zaluanda - Freschlua hab ich auch schonmal geliebäugelt. Danke fürs ausprobieren und den ausführlichen Bericht :) Gut zu wissen, dass es so nicht funktioniert...

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. August 2020 um 14:19
Grüß Dich!

"So nicht" ist treffend formuliert. Irgendwie geht das sicher, aber ohne Ortkenntnis einfach hinfahren und machen ist jedenfalls nicht. Dafür reichen die Beschreibe, die ich habe, nicht aus. Nächstes Mal mehr Glück. Mal sehen, vielleicht ja schon bald.

Gruß,

Nik

boerscht hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. August 2020 um 14:25
Mir ging es letztens auf der gegenüberliegenden Seite ganz ähnlich an der Kanzelwand/Kanzelköpfen. Dort die Überschreitung der beiden versucht. Ging dann jedoch leider nur einzeln. Bericht folgt, das wär sicher auch was spanenndes für dich ;)

Gruß Adrian

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. August 2020 um 15:45
Ja, die hab ich mir sogar auch angeschaut. In die Gegend komme ich defi wieder. Ist wirklich schön da.

Bin gespannt auf deinen Bericht!

Herzlichen Gruß,

Nik


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