Der Lasornik auf dem Lasörling Nordgrat, oder: Der Stempel befindet sich in der nächsten Hütte!


Publiziert von Nik Brückner , 26. September 2018 um 15:10.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Venedigergruppe
Tour Datum:11 September 2018
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:15
Aufstieg: 1350 m
Abstieg: 950 m
Strecke:10km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Zu Fuß von Hinterbichl oder Ströden hinauf zur Lasnitzenhütte. Die Berger-See-Hütte eignet sich ebenfalls als Ausgangspunkt.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Die Lasörlinghütte ist nur zu Fuß erreichbar.
Unterkunftmöglichkeiten:Lasnitzenhütte, Berger-See-Hütte, Lasörlinghütte

Der 3098m hohe Lasörling ist der höchste Gipfel der nach ihm benannten Lasörlinggruppe, die sich zwischen dem Virgental und dem Defereggental erstreckt. Der einfachste Anstieg führt auf der Südseite von der Lasörlinghütte durch das Glauret. Erstbestiegen wurde der Berg aber über den Nordgrat, 1861 von Carl von Sonklar. (Nach anderen Angaben sind die Erstersteiger unbekannt, und die erste historisch fassbare Ersteigung erfolgte durch H. v. Acken und Messgehilfen im Jahre 1854 im Zuge der Landvermessung über den heutigen Normalanstieg). Diese Route, die von Norden sehr prominent wirkt, hatte ich mir ausgesucht, um dem Lasörling auf den Gipfel zu steigen.

Der Name "Lasörling" bezieht sich übrigens auf das Aussehen des Bergs: "Arl(ing)" ist ein altes Wort für die Pflugschar oder den Pflug und ist entweder ein altgermanisches Wort oder ein Lehnwort aus dem slowenischen "oralnik". Der Name ist 1531 noch als "Lasornik" belegt, 1670  als "Lasernik", die Silbe "-nik" wurde später durch "-ling" ersetzt (schade eigentlich). Das "Las-" wird auf das (alt-)slowenische Wort für Rodung zurückgeführt. Es findet sich auch in anderen Namen der Umgebung, wie etwa in dem der Lasnitzenhütte, von der aus ich meine Tour startete.



"Fängt die Schinderei schon wieder an!" stöhnte einer der wenigen Hüttengäste frühmorgens beim Aufbruch an der Lasnitzenhütte (1895m). Wir lachten, verabschiedeten uns, und zogen unserer Wege. Der direkte Anstieg von der Hütte hinauf zum Panoramaweg ist zugewachsen, deshalb muss man auch als Nordgrataspirant erst einmal hinter in den Talschluss des Lasnitzentals wandern. Dort wählt man dann den linken Weg, der als Muhs-Panoramaweg um das Muhsköpfl herum zur Berger-See-Hütte führt. Nach etwa einer Stunde gelangte ich dann an ein Holzschild, das mich auf den Aufstieg zum Muhsköpfl aufmerksam machte. Hier pauste ich kurz, und schwatzte mit Ninja, die mich bald einholte. Zu dem Zeitpunkt wussten wir beide noch nicht, dass wir die Tour am darauffolgenden Tag zusammen gehen würden.

Lasnitzenhütte - Abzweig zum Muhsköpfl: Markierter Wanderweg, T2, 1h


Kurz darauf packte ich meine Sachen, und machte mich an den Aufstieg aufs Muhsköpfl. Der etwa 200Hm überwindende Anstieg auf einem Weglein, das durch einen mäßig steilen Grashang führt, nimmt etwa 25 Minuten in Anspruch, dann steht man auf dem Muhsköpfl (2502m) - an einer Sitzgruppe!

Muhs-Panoramaweg - Muhsköpfl: Markierter Wanderweg, T2, 25 Minuten


Tja, kein Wunder! Der Ausblick ist fantastisch: Man sieht den Quirl an der Alpenkönigroute, den Dorferkamm mit der schwierigen Schlüsselspitze, den Großvenediger, die Sajatkrone, den Eicham, Säulkopf und Säulspitze, und im Osten den Großglockner. Und natürlich den Nordgrat des Lasörlings! Von dem kann man sich hier erstmals ein gutes Bild machen.

Es geht zunächst zurück hinunter in den Sattel zwischen Muhsköpfl und Muhskopf, über die man heraufgekommen war. Hier hatte ich, faul wie ich bin, meinen Rucksack deponiert. Also noch kurz abgepaust, dann wanderte ich in 15 Minuten über einen gemütlichen Grasrücken die nicht mal 100Hm hinauf auf den Muhskopf (2561m).

Muhsköpfl - Muhskopf: Wegloser Grasanstieg, teils alte Markierungen, 15 Minuten


Auf dem Muhskopf tut sich dann ein schöner Tiefblick auf den Berger See auf, und auf die an seinem Ufer fantastisch gelegene Berger-See Hütte. Was einem hier noch nicht klar ist: Von der Hütte aus kann man bei der gesamten Tour beobachtet werden! Also.... Lässig ausschauen ist angesagt!

Vom Muhskopf nun ein paar Meter einen Grashang hinunter vor einen weiteren Schrofenkopf, den man übersteigen, oder, wie ich hinterher bemerkt habe, auf guten Tierspuren auch rechts umgehen kann. Wie ich zur Überschreitung der Schlüsselspitze bereits schrieb: Tierspuren kann man in dieser Gegend jederzeit vertrauen - ich bin jedenfalls immer da hin gekommen, wo ich hinwollte, wenn ich ihnen gefolgt bin.

Auf der nun schmaleren Graskante wandert man nun weiter Richtung Süden, und bald hinunter in die Goldeckscharte, die auch "Galteggscharte" geschrieben wird, oder überhaupt ganz anders heißt, nämlich Lasnitzenalmscharte. Alles bezeichnet das gleiche, nämlich die 2539m hohe Einsenkung des Lasörling-Nordgrats zwischen dem Muhskopf im Norden und dem Melberspitz im Süden.

Hierher führen auch die alten Markierungen, die man auf dem Grat hin und wieder sehen konnte: Von der Scharte aus könnte man nun sowohl nach Westen absteigen, als auch nach Osten, zur Berger-See-Hütte.

Muhskopf - Goldeckscharte/Galteggscharte (Lasnitzenalmscharte): Wegloser Grasgrat, teils alte Markierungen, 15 Minuten


An einem Felsblock links steht ein Holzschild mit der kuriosen Aufschrift: "Der Stempel befindet sich in der nächsten Hütte!". Tja, da hab offenbar noch einiges vor mir, wenn ich den Wanderstempel erwandern will... Passend steht auf einem Felsblock rechts in roter Farbe: "Lasör.", und ein Pfeil weist furchterregend steil nach oben. Es wird klar: Hier beginnt der anspruchsvolle Teil der Tour.

Markiert ist von nun an nichts mehr. Man muss selbst durch die Felslandschaft finden.

Zunächst geht es auf dem Grat noch auf felsdurchsetztem Gras hinauf. Eine Wand, die sich einem bald entgegenstellt, kann leicht auf deren linker Seite umgangen werden. Dahinter steigt man über Schrofen und Blockwerk weiter hinauf.

Dann gelangt man zu einem Grasabsatz auf etwa 2660m. Hier stellt sich einem das nächste, etwa acht Meter hohe Wandl entgegen, dieses wird rechts umgangen. Weiter geht's über Blockwerk. Eine weitere, diesmal überhängende Gratstufe kann man ohne Weiteres links umgehen. Bald darauf steht man dann auf dem begrünten Melberspitz (2768m).

Goldeckscharte/Galteggscharte (Lasnitzenalmscharte) - Melberspitz: Unmarkierter, wegloser Fels- und Grasgrat, T4/I, 45 Minuten


Wobei nicht ganz klar ist, was das nun eigentlich ist. Gehört der nun folgende, steile Grataufschwung nicht mehr dazu? Oder ist er der eigentliche Gipfel? Man kann ihn überklettern (fester, gut gestufter Fels), oder links umgehen (T6). Danach senkt sich der Grat etwas ab, und verläuft in der Folge für etwa 300 Meter bis kurz vor der Melberscharte nahezu waagrecht. Gleich zu Beginn dieses Abschnitts warten zwei Gratköpfe: Der erste wird überstiegen, der zweite, ein überhängender, gelber Zacken, wird links in steilem Gras umgangen. Danach steigt man gleich wieder hinauf auf den nun länger waagrechten, schmalen Felsgrat.

Hier heißt es gleich an mehreren Stellen Obacht geben! Viel harmloses Gras gibt es hier nicht mehr. Der Felsgrat ist schmal, und viel Ausweichen kann man nicht. Das bedeutet, dass sämtliche Schwierigkeiten, die einem begegnen, direkt überwunden werden müssen. Das beinhaltet auch schon mal einen Spreizschritt am Grat, oder eine Stelle, an der plattiger Fels links in heiklem Gelände umgangen werden muss, weil die Felsschuppen nur lose aufliegen, und keiner Belastung standhalten. Das sollte man rechtzeitig bemerken...

Nach diversen Klettereinlagen gelangt man dann über einige letzte kleine Erhebungen in die grasige  Melberscharte (2770m).

Melberspitz - Melberscharte: Unmarkierter, wegloser Fels- und Grasgrat, T6/II, 45 Minuten


Hier wäre ein letzte Möglichkeit, abzusteigen, allerdings nur nach Westen.

Aus der Melberscharte steigt man nun einen felsigen Aufschwung hinauf, der sich leichter meistern lässt, als es zunächst den Anschein hat. Hat man den überwunden, steht man auf einer grasigen Kante, die hinauf zu einer Schulter in etwa 2870 Metern Höhe führt. Hier biegt der Grat entschieden nach rechts, wird breit und verwandelt sich in ein nur wenig steiles Blockfeld, das man nun hinaufwandert. Weiter oben wird es dann ein letztes Mal steil, und der Grat zieht sich zunehmend zusammen. Wenn's so richtig schmal wird, lässt dann im Gegenzug die Steilheit nach, und man steht am Geginn des Gipfelgrats - allerdings noch knapp 100 Meter Luftlinie vom Kreuz entfernt. Doch diese letzte Passage ist schneller überwunden, als man anfangs befürchtet: Die Schneide ist zwar scharf, der Fels ist aber fest und gut gestuft, über einen (leichten) IIer geht es nicht mehr hinaus. Dann steht man auf dem Gipfel des Lasörlings (3098m).

Melberscharte - Lasörling-Gipfel: Unmarkierter, wegloser Felsgrat, T6/II, 1,5h


Man kann dort auch sitzen - sollte man auch, denn der Lasörling ist ein famoser Aussichtsberg. Der Blick reicht einmal ganz im Kreis herum - von den bereits beschriebenen Gipfeln im Norden, am Alpenhauptkamm, über die Schobergruppe, die Villgratener Berge mit Regenstein, Rappler, Hochgrabe, Kugelwand, in den Dolos die Sextener Sonnenuhr mit Zehner, Elfer, Zwölfer und Einser, zumindest die westliche und die große der drei Zinnen sehen kann (auf der ich als Bua mal war), Antelao und Sorapiss, Monte Cristallo, die Tofanen, die Fanesgruppe, Piz Boe, Latemar, die nördliche Brentagruppe, und wieder zurück zum Alpenhauptkamm. Großartig.

Irgendwann riss ich mich los, und machte mich an den Abstieg auf dem markierten Normalweg (im oberen Teil besser mit Helm). In einer guten Stunde erreichte ich über die Niedere Höhe (2919m) und die riesigen Schuttfelder des Glaurats (2650m) die Lasörlinghütte (2293m) - wo ich prompt Ninja wiedertraf. Der ich dann ein Angebot machte, das sie nicht abschlagen... - wollte. Aber davon berichte ich woanders.

Lasörling-Gipfel - Lasörlinghütte: Markierter Wanderweg, 4 und leichter, 1:15


Fazit:


Grandiose Gratüberschreitung an einem prominenten Gipfel, die alles hat, was man sich von einer Grattour an einem Dreitausender erwartet: Schmale Grate, steiles Gras, Felskletterei, lange weglose Passagen und großartige Aussichten. Ein echtes Schmankerl - zumal es die Route des (vermutlichen) Erstbesteigers war.


Ausrüstung:

Helm ist Pflicht, ich bin's mit Stecken gegangen.

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (2)


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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 17. Januar 2020 um 17:00
Gratulation Nik
Schöne Route auf einen -denke ich- ziemlich tollen Gipfel, der, wenn ich es recht weiss im klassischen "Im leichten Fels"-Auswahlführer von W. Pause in etwa so enthalten ist.
Wäre der nur nicht so verflucht weit weg...

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 17. Januar 2020 um 17:13
Servus!

Ja, das war eine fantastische Tour, recht abenteuerlich. Hat mir sehr viel Spaß gemacht! Dass der so weit weg ist, macht mir gar nicht so viel aus, ich bin einfach gern in Osttirol.

Grüßle,

Lasornik, Lasernik oder - ähem - Oralnik


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