Vrenelisgärtli (2905m) und Ruchen (2901m)


Publiziert von Chrichen , 4. November 2016 um 18:08.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum:23 August 2016
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   Glärnischgruppe 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 1700 m
Strecke:ca. 18 km (auf Karte gemessen)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem PW bis zum Parkplatz Plätz (Hinter Klöntal) / Alpentaxi bis Chäseren
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mitfahrgelegenheit ab Chäseren bis Parkplatz Plätz (vielen Dank!!) / Weiter mit dem PW

Schon unzählige Male boten sich Gelegenheiten, das Glärnisch Massiv aus verschiedensten Blickwinkeln zu bestaunen. Endlich nun konnte ich zusammen mit Stevo47 dem vielgelobten Vrenelisgärtli und Ruchen einen Besuch abstatten. Das Vrenelisgärtli (erhielt neu ein Upgrade um einen Meter auf 2905m) ist bekannt als vielbegangene Hochtour, die auch einsteigertauglich ist. Der etwas weniger oft bestiegene Ruchen lässt sich einfach anhängen und lohnt sich vorallem für den spektakulären 2000m Tiefblick zum Klöntalersee. Das Fazit war eine sehr lohnende Tour mit viel Abwechslung und schier grenzenlosen Ausblicken.

Aufgrund der grandiosen Wetterprognose entscheiden wir uns während der Woche frei zu nehmen. Das lohnt sich durchaus, zumal das Vrenelisgärtli bisweilen als eher überloffen gilt. An einem Wochentag hielt sich der Verkehr trotz Kaiserwetter in Grenzen, und wir konnten die Stimmung des Glärnisch in vollen Zügen geniessen. Da wir gemütlich unterwegs sein wollten, haben wir uns für eine Übernachtung in der heimeligen Glärnischhütte entschieden. Ursprünglich hatten wir noch mit dem Bächistock spekuliert. Diesen liessen wir aber schlussendlich aus, mangels Zeit und Kondition - und weil er wohl doch eher unsere Fähigkeiten überstiegen hätte.


Tag 1: Zustieg Glärnischhütte

Chäseren - Wärben - Glärnischhütte (T3)
Kurz vor 15:30 Uhr kommen wir beim Parkplatz Plätz an, der den Einstieg zur Glärnischhütte markiert. Das sehr empfehlenswerte Alpentaxi erspart uns den langen Marsch bis Chäseren. Ab Chäseren geht es dem Strässchen folgend hinauf nach Wärben und dann gut angeschrieben weiter zur Glärnischhütte. Der kurvenreiche Weg ist bestens unterhalten und bietet keine besonderen Schwierigkeiten. Eine kurze Steilstufe ist mit Ketten gesichert (T3). Hier gibt es den einen oder anderen speckigen und glatten Tritt. Ansonsten bewegt man sich meist auf einem schönen Weglein. Wir brauchen gut 1.5 Stunden bis zur Hütte. So bleibt vor dem Abendessen noch Zeit für ein Bier auf der Terrasse. Die Hütte ist nicht übermässig belegt. Mit zwei weiteren Gästen können wir passend zu unserem Ziel im Zimmer "Vrenelisgärtli" übernachten.


Tag 2: Vrenelisgärtli und Ruchen

Glärnischhütte - Glärnischfirn - Schwander Grat - Vrenelisgärtli (T4, WS, II)
Um 6 Uhr starten wir in der Morgendämmerung von der Glärnischhütte. Auf deutlichem Weg (markiert mit roten Streifen) geht es der Felsstufe unter dem Gletscher entgegen. Diese wird linksseitig im kraxeligen Schrofengelände und mittels einer leicht ausgesetzten Traverse überwunden (ca. T4). Danach ist schon das Gletschervorfeld erreicht. Eine rauhe Landschaft mit viel Schutt und glattgeschliffenen Felsen begrüsst uns. Unschwierig geht es ein kleines Stück hinunter zur Gletscherzunge, wo wir Anseilgurt und Steigeisen montieren. Das Seil bleibt zunächst noch auf dem Rucksack, da der untere Bereich des Gletschers aper ist.

Über die etwas steile Zunge geht es hinauf zum flachen Teil des Gletschers. Kurz bevor wir die ersten firnbedeckten Stellen erreichen seilen wir an. Stevo47 geht voran, wobei wir der Spur unserer Vorgänger folgen können. Meist hält man sich in Aufstiegsrichtung nahe am linken Rand des Gletschers. Wenig steil geht es hinauf bis unter den P.2859 vom Schwander Grat. Hier seilen wir los und deponieren unsere Steigeisen und Stöcke. Den Pickel nehmen wir vorsichtshalber mit. Einige wenige Meter Gehgelände über Fels führen zum Einstieg in die Klettersteigpassage.

Die Klettersteigpassage (II) überwindet eine Steilstufe von ca. 30m zum Verbindungsgrat hinunter. Abstieg und Aufstieg sind separat eingerichtet und richtungsgetrennt, um Stau zu vermeiden. Die korrekte Richtung ist ausgeschildert. Man fühlt sich fast wie in der Stadt :-). Ich sichere für diese Stelle Stevo47 von oben her nach. Eine durchgehende Kette sowie Bügel und Stifte erleichtern den ausgesetzten kurzzeitig fast senkrechten Abstieg. Stellenweise sind die Abstände zwischen den künstlichen Einrichtungen relativ grosszügig bemessen, so dass ich meine gesamte Beinlänge einsetze. Zusätzliche Griffe und Tritte im Fels helfen natürlich auch. Trotz der guten Installationen kommt rein subjektiv ein Feeling von T5 auf.

Der folgende zurzeit fast vollständig schneefreie Grat bis zum Gipfelaufbau ist etwas luftig, lässt sich aber gut begehen. Oft gibt es deutliche Wegspuren knapp neben der Gratschneide. Es zeigt sich aber, dass es meist einfacher ist, die Spuren zu ignorieren und direkt über den Grat zu balancieren. Insbesondere an einer Stelle wo die Spuren in der steileren SE-Flanke verlaufen.

Am schuttigen Gipfelaufbau angekommen führt zunächst ein deutliches Weglein in die Höhe. Nach einer kurzen Kraxelstelle verlaufen sich die Spuren ein wenig, und wir sind uns nicht mehr sicher, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind. Wie sich herausstellt kann der obere Bereich linksseitig (scheinbar zu bevorzugende Aufstiegsrichtung) oder rechtsseitig (scheinbar zu bevorzugende Abstiegsrichtung) erklommen werden. Erstere Variante führt über eine schuttige leicht ausgesetzte Traverse mit Wegspuren zu einer kurzen Stufe, die direkt erklommen werden kann (I-II, nicht zu weit queren). Oben gibt es wieder eine Spur weiter in Richtung Gipfel. Die zweite einfachere Variante wechselt zur Südostseite, wo man sofort wiederum auf gute Wegspuren trifft. Da sich das Verkehraufkommen in Grenzen hält, steigen wir über die einfachere Route auf. Hier herrscht weitgehend Gehgelände vor. Über einen breiten Grat erreichen wir bald den steinernen Thron und das Gipfelkreuz. Die Schwierigkeiten nach der Klettersteigpassage über den Grat bis zum Gipfel bewegen sich bei schneefreien Verhältnissen, wie wir sie vorgefunden haben, und auf der Ideallinie wohl in der Grössenordnung T4 bis maximal T4+. Der Gipfelerfolg wird gefeiert und wir legen eine ausgedehnte Pause ein. Dabei kommen wir mit zwei Guppengrat-Begehern ins Gespräch, die gerade eine Tour der Extraklasse hingelegt hatten. Das Panorama vom Vrenelisgärtli könnten wir stundenlang bestaunen!

Vrenelisgärtli - Schwandergrat - Ruchen (Aufstieg Ruchen ca. T4+, II)
Der Abstieg bereitet keine grossen Schwierigkeiten, und der Grat bis zum Klettersteig fühlt sich auf dem Rückweg sogar etwas angenehmer an. Die Klettersteigpassage für den Wiederaufstieg zum P.2859 macht von unten her einen furchteinflössenden Anschein, wie so oft geht es aber einfacher als befürchtet. Auch als Übung sichern wir hier nochmals mit dem Seil. Am Gletscherrand angekommen packen wir unsere deponierten Steigeisen ein und seilen nochmals an für die kurze Passage zur Ruchen SE-Flanke. Wir halten gebührenden Abstand zur Abbruchkante, denn ganz am Rand haben sich vorher einige Spalten gezeigt. Auf einer Höhe von ca. 2760m erreichen wir wieder festen Boden.

Der Aufstieg zum P.2860 am Ruchen gestaltet sich nun schwieriger als erwartet. Zwar hatte ich vorgängig die Route studiert, aber irgendwie überkommt mich vor Ort ein Blackout und ich sehe nicht wirklich welche Felsstufe man wo an der niedrigsten Stelle überwinden soll. Stevo47 ist ebenfalls ratlos. Wir steigen zu weit westlich ein. Nach einigem Herumirren auf zum Teil getrennten Wegen finden wir schliesslich relativ weit östlich einen Ort, wo die nächsthöhere Ebene über eine kurze eher kleingriffige Felsstufe erreicht werden kann. Mein GPS Track sieht mittlerweile aus wie ein Teller Spaghetti. Passend dazu konnten wir auf unseren Irrwegen zahlreiche rostige Büchsen entdecken. Für die besagte Stufe, die ich von oben her erreicht hatte, sichere ich Stevo47 nochmals kurz nach, wobei er die Stelle souverän meistert. Danach geht es in weniger steilem Gelände problemlos in die Höhe, und nach einigen Kraxeleinlagen (I-II) erreichen wir den gutmütigen P.2860. Die Irrwege haben Zeit gekostet und kurzzeitig auf die Moral gedrückt.

Prinzipiell könnte man die Südostflanke bis zum P.2860 über ganz verschiedene Wege bestreiten. Wir wollten aber T5-Stellen möglichst vermeiden. Unsere Route verlief schlussendlich ziemlich weit östlich, wie ich das vorgängig eigentlich sogar auf einem Foto mit Beschrieb studiert hatte. Das Terrain am Ruchen lässt sich ca. so beschreiben: Das was hält, hält bombenfest und ist in der Regel gutgriffig bis scharfkantig. Der viele Schutt und das Geröll kann sich aber auch mal unter den Füssen verabschieden, weshalb etwas Vorsicht angebracht ist.

Vom P.2860 aus hat man einen guten Überblick über den Grat zum Gipfel. Von hier wirkt dieser noch etwas exponiert. Schlussendlich ist er aber einfach und kaum ausgesetzt (T3-T4). Glücklich erreichen wir den Steinmann mit Gipfelbuch und einige Meter weiter den höchsten Punkt. Der oft zitierte 2000m Tiefblick zum Klöntalersee ist in der Tat spektakulär. Auch sonst sind die Ausblicke wunderbar. Obwohl die Zeit fortgeschritten ist (es ist schon Mitte Nachmittag), legen wir eine ausgedehnte Pause ein.

Ruchen - Glärnischfirn - Glärnischhütte (T4, L)
Vom Ruchen steigen wir dieses Mal über die trichterförmige SW-Flanke direkt zum Glärnischfirn ab, den man so auf einer Höhe von ca. 2640m erreicht. Zuerst laufen wir wie auf dem Hinweg ein Stück weit dem Grat entlang dem P. 2860 entgegen. An geeigneter Stelle halten wir nach rechts und gehen in die Flanke hinab. Danach suchen wir uns im etwas unübersichtlichen und von Karstspalten durchzogenen Gelände einen Weg hinab zum Gletscher. Das funktioniert ganz gut, da das Gelände hier nicht besonders steil ist (ca. T4). Zuerst gehen wir ein Stück weit in Richtung Süden und rutschen ein Schneefeld in der Fallinie ab. Danach kraxeln wird eine kleine Stufe hinunter und halten uns wieder nach Westen. Eine weitere kleine Stufe können wir durch eine schuttige Rinne bewältigen. Danach ist der weitere Weg bis zum Gletscher offentlichtlich. Sicherlich gibt es zahllose andere Möglichkeiten.

Über den ab unserem Einstiegspunkt weitgehend aperen Gletscher gehen wir auf bekanntem Weg hinunter bis zu dessen Ende. Nach einer kleinen Umrüstpause steigen wir weiter zur Hütte ab. Die wenigen einfachen Kraxelstellen lassen sich im Abstieg ebenfalls gut bewältigen. Bei der Hütte ist nochmals eine längere Pause angesagt.

Glärnischhüffe - Wärben - Chäseren (T3)
Schon reichlich spät beginnen wir den finalen Abstieg nach Chäseren über den Hüttenweg. Für das Alpentaxi sind wir um einiges zu spät, und wir rechnen damit, dass wir bis Plätz hinunterlaufen müssen. Der Hüttenweg ist wie schon beim Aufstieg angenehm und effizient zu gehen, langsam machen sich aber die vielen (Abstiegs-)Höhenmeter mit schwerem Gepäck bemerkbar. In Chäseren überholt uns ein Bauer, der uns schliesslich freundlicherweise bis nach Plätz mitnimmt. In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und der müden Beine sind wir dafür unendlich dankbar!


Zu Recht ist das Vrenelisgärtli ein grosser Klassiker! Die Tour ist äusserst abwechslungsreich und landschaftlich sehr schön. Für uns hat es sich gelohnt, die Tour an einem Wochentag zu machen, denn an Wochenenden herrscht an diesem Gipfel oft Hochbetrieb - es sei denn man ist spät in der Saison unterwegs. Die Kombination mit dem Ruchen kann nur empfohlen werden. Der "Umweg" kostet unter normalen Umständen relativ wenig Zeit, und der Gipfel bietet nochmals neue spannende Ausblicke. Besonders der Klöntalersee zeigt sich vom Ruchen aus wunderschön. Die Herausforderungen der Tour lagen bei den vorgefundenen weitgehend schneefreien Verhältnissen vornehmlich im moderaten Alpinwanderbereich. Der Gletscher ist wenig steil und eher spaltenarm. Einige Leute sind sogar im Alleingang über den Gletscher gewandert, was ich persönlich lieber doch nicht machen möchte. Der Klettersteigabschnitt am Schwander Grat fordert Mut, lässt sich bei Bedarf aber gut zusätzlich sichern. Die Wegfindung haben wir insgesamt unterschätzt, da gibt es sicherlich Verbesserungsbedarf bei der Planung.

Tourengänger: Chrichen, Stevo47


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Kommentare (5)


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Felix hat gesagt:
Gesendet am 5. November 2016 um 08:08
toller Bericht und eindrückliche Fotos!

lg Felix

alpstein hat gesagt:
Gesendet am 5. November 2016 um 08:40
Tolle Bilder und ein toller Bericht, auch wenn es schon der 109ste vom Vreneli ist ;-)

Gruß
Hanspeter

Chrichen hat gesagt:
Gesendet am 6. November 2016 um 09:34
Vielen Dank euch für die lobenden Kommentare. Das hat mich unglaublich gefreut! Wollte mich eigentlich noch im Thread "Tourenwiederholungen" zu Wort melden. Es wurden aber bereits alle Punkte, die mir auf dem Herzen lagen, genannt.

Viele Grüsse, Christian

Stevo47 hat gesagt:
Gesendet am 6. November 2016 um 13:32
Hoi Christian, geniale Bilder von einer genialen Tour! Unvergesslich, und es war - wie immer - grossartig mit dir! Viele Grüsse, Steve

Chrichen hat gesagt: RE:
Gesendet am 8. November 2016 um 12:53
Hallo Steve! Vielen Dank Dir für die gemeinsame Tour. Das war definitiv ein Highlight vom letzten Sommer!


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