Von Davos nach Davos über schöne Trails und durch einsame Nächte ...


Publiziert von Runner , 22. August 2015 um 00:34.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Davos
Tour Datum:13 August 2015
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   Bernina-Gruppe   Corvatsch-Sella-Gruppe 
Zeitbedarf: 2 Tage 2:45
Aufstieg: 11440 m
Abstieg: 11440 m
Strecke:Davos - Bergün - Samedan - Pontresina - Maloja - Savognin - Arosa - Davos
Unterkunftmöglichkeiten:Diverse gem. Tourist-Info ...

 Es sei an dieser Stelle von einem Berglauf berichtet, welcher mit den Worten "schönster Ultratrail der Alpen" beworben wird.
 
Offiziell handelt es sich um einen Trailrunning-Wettbewerb, aber wer die Strecke durch eine einmalige, teils wilde, teils liebliche und stets prächtige Berglandschaft geniessen will, geht es etwas ruhiger an. Immerhin sind 200 Kilometer über insgesamt 11'440 Höhenmeter innerhalb längstens 64 Stunden zu bewältigen. Da empfiehlt es sich, die Kräfte von Beginn weg einzuteilen. Dies gilt besonders für mich, der ich noch nie eine derart lange Distanz am Stück hinter mich gebracht habe. Der Respekt vor dem was da auf mich zukommt ist gross !
 
 
Start: Donnerstag, 13.08.2015, 08.00 Uhr, Davos-Platz
 
Morgens um sieben ist die Welt bekanntlich noch in Ordnung. Dies gilt natürlich auch für die Stunden danach und so stehen um 08.00 Uhr 185 Ultraläuferinnen und -läufer gespannt, erwartungsvoll und wohl auch ein bisschen nervös am Start in Davos und warten auf das erlösende Signal, welches uns auf den 200 Kilometer langen Weg von Davos über's Engadin, das Albulatal, die Lenzerheide und Arosa zurück nach Davos schicken soll. 64 Stunden haben wir Zeit, die Trails, Fürggli, Furggen und uns selber zu überwinden. Vieles kann geschehen in den folgenden Stunden, wer weiss, was kommen mag ...
 
Davos - Sertigpass - Keschhütte - Bergün: 34Km, + 1'493m / - 1'678m
 
Ich habe mich im wartenden Pulk der Läuferinnen und Läufer zuhinterst aufgestellt. Nicht überdrehen, nicht mit zu hohem Tempo mitreissen lassen lautet die Devise. Ich werde die Sache ruhig angehen.
 
Der erste Abschnitt führt über die Promenade von Davos in süd-westlicher Richtung hinein ins Tal des Sertigbaches. Nach gut 13 Km steigt der Weg recht steil an und leitet uns während weiterer 5 Km über 900 Hm auf den ersten Höhepunkt des Swiss Iron Trail, den Sertigpass (2'739m). Nun geht es direkt runter auf den bekannten "Panoramatrail" und weiter zur Keschhütte, wo die erste Verpflegung wartet. Schön ist es hier oben und man möchte gerne etwas länger bleiben, aber die Uhr tickt gnadenlos und so nehme ich bald den weitern Weg ins Tal über Alp Chants nach Bergün unter die Füsse.
 
Bergün - Naz (Preda) - Fuorcla Crap Alv - Spinas - Margunin - Samedan: 22Km, + 1'698m / - 1'369m
 
Nach kurzer Verpflegung mit den üblichen Riegeln und Gels in Bergün  gelangt man ein kurzes Stück der Strasse entlang, dann über schöne Feld- und Wirtschaftswege und immer in wildromantischer Umgebung entlang der Albula nach Naz. Hier werden wir in bzw. vor einem hübschen Häuschen mit feinen Muffins, Schokolade, Bouillon, Teigwaren und vielem mehr verköstigt. Die Backwaren wurden in liebevoller Arbeit von den Helferinnen frisch hergestellt. Sie schmecken köstlich! Nachdem ich auch noch meine Wasservorräte nachgefüllt habe, laufe ich weiter bergan.
 
Etwa nach weiteren 2 Km ist der Lai da Palpuogna und damit die Marathondistanz erreicht. Noch nie habe ich für die 42 Km so lange gebraucht, aber wenn man noch drei Mal so viel vor sich hat, ist das schon erlaubt ... :-) Ein hübscher Bergsee mit Aussicht auf die umliegenden Berge ist dieser Lai da Palpuogna und so lasse ich mir auch Zeit, ein oder zwei Aufnahmen zu machen. 
 
Die nächsten 3 Km haben es in sich ! Immerhin bewältigt man nochmals gute 500 Höhenmeter, zunächst ein kurzes Stück entlang der Albulapassstrasse, dann steil hoch durch schönstes Wandergelände, ehe man erneut auf 2'466 M.ü.M. steht. "Fuorcla Crap Alv" heisst der wilde Übergang vom Albulatal ins Engadin. Was nun folgt ist Downhill pur - aber "watch your step", denn auf dem schmalen und teilweise rutschigen Trail kann man leicht ins Stolpern geraten. Und taufrisch sind die Beine nach 8 Stunden Laufarbeit auch nicht mehr. Dann aber ist Spinas erreicht, ein kleine Bahnstation am Eingang des Albulatunnels. Erneut kann verpflegt und Wasser nachgefüllt werden. Dies empfiehlt sich auch unbedingt, denn einerseits sind die Temperaturen heute recht hoch und andererseits warten noch einmal 600 Höhenmeter auf uns, ehe wir endgültig nach Samedan im Engadin absteigen. Die "Margunin" - ein Übergang, den ich zugegebenermassen bis jetzt nicht gekannt habe, liegt auf 2'426 M.ü.M. und bietet eine prachtvollen Blick ins Oberengadin und auf die andere Talseite, wo die nächste Herausforderung auf dem langen Weg zurück nach Davos liegt: Die Muottas Muragl und die Segantinihütte. Doch zunächst runter nach Samedan, wo die Laufschuhe gewechselt werden können und eine warme Verpflegung angeboten wird !
 
Samedan - Muottas Muragl - Segantinihütte - Pontresina: 14Km, + 1'145m / - 1'042m
 
Nachdem ich mir eine Portion Teigwaren zu Gemüte geführt und die Laufschuhe ausgewechselt habe, strebe ich nun dem nächsten Ziel entgegen: Auf zur Muottas Muragl. Der Höhepunkt liegt auf 2'454 M.ü.M. und ist auch bequem per Standseilbahn erreichbar. Nebst einem Restaurant wird auch ein Hotel betrieben. Der Blick ins Oberengadin ist atemberaubend schön - warum sich nicht einmal eine Übernachtung mit Sonnenaufgang gönnen hier oben ? Für Schwärmereien bleibt jetzt aber keine Zeit. Nach einem kurzen Abstieg führt mich die deftige Gegensteigung hoch zur Segantinihütte. Um diese Zeit - es ist mittlerweile kurz vor 20.00 Uhr - hat es freilich keine Gäste mehr in der Hütte. Als ich letztmals hier war sah es ganz aders aus ... (!) Vier junge Leute, welche wohl zur Hütte 'gehören', verspeisen ihr Nachtessen. Sie fragen mich, wie es mir gehe und ich Antworte (mit einem breiten Grinsen im Gesicht): "Schlecht - wenn ich sehe, wie ihr ein leckeres Weizen trinkt und ich habe keines...". Drei Schlucke feinen Weizenbieres später laufe ich erneut los. Diesmal wieder talwärts. Pontresina ist keine Stunde später erreicht. Für die nächste Etappe packe ich die Stirnlampe aus. Doch zunächst gibt's nochmals eine kleine Portion Teigwaren - in einer allerdings nicht sehr gemütlichen Tiefgarage (!) ...
 
Pontresina - Val Rosegg - Fuorcla Surlej - Maloja: 27Km, + 1'115m / - 1'117m
 
Zum Auftakt der nächsten Etappe verlaufe ich mich erstmal, indem ich den Abzweiger ins Val Rosegg verpasse. Gewohnheitsmässig renne ich in Richtung Bahnhof Pontresina. Ein Passant der offensichtlich sehr gut informiert ist, weist mich nach ca. 400 Metern auf meinen Irrtum hin - Danke also und alles zurück. Dann aber ist die Wegfindung kein Problem mehr. Lediglich die Orientierung im Dunkeln und mit Stirnlampe auf dem Kopf ist gewöhnungsbedürftig. Aber auch dies wird sich im Laufe der Nacht noch geben. Nach wie vor profitiere ich von sehr angenehmen äussern Bedingungen. Ganz im Gegensatz zu ersten Vorhersagen bleibt das Wetter stabil. Ein weiterer zu berücksichtigender Faktor welcher nun dazu kommt, ist die Einsamkeit. Ich laufe buchstäblich allein auf weiter Flur. Wobei, links und rechts stehen viele Bäume. Also eher Wald und nicht Flur ...
Schön ist es, wenn man beim Laufen in den sogenannten 'Flow' gerät. Alles geht wie von selbst und das Laufen scheint leicht wie ein Flug durch die Lüfte. Ich darf diesen Flow durch's gesamte Roseggtal erleben. Gegen Ende des Tales treffe ich wieder auf zwei weitere Läufer. Wir schliessen uns zusammen und gehen die nun folgende giftige Steigung der Fuorcla Surlej gemeinsam an. Die beiden - ein Bündner und ein Franzose - halten das Tempo wacker hoch. Ich ziehe mit, muss aber auf halbe Höhe ein, zwei Gänge 'runter schalten'. Mein Energiepegel ist beinahe auf Null. Nichts geht mehr ! Ich gönne mir einen kurzen Zwischenstopp. Verpflege mich. Einer dieser komischen Gels, welche ich an einem Verpflegungstisch unterwegs eingepackt habe, jagt meinen Zuckerspiegel in ungeahnte Höhen. Ich will gar nicht wissen, was da drinn ist. Aber es hilft. Und wie ... ! Nach der Passhöhe sind es noch gute 2 Kilometer bis zur Station Murtel, wo erneut eine Verpflegung mit Bouillon und kaltem Buffet eingerichtet wurde. Fast möchte man bleiben. Immerhin sind bis hierher 82 Km geschafft. Aber noch bleiben 118 Km zu Laufen. Ich habe mir vorgenommen, bis Maloja 'durchzuziehen' und mich dort eine dreiviertel Stunde hinzulegen.
Maloja ist nun nur noch einen 'Katzensprung' entfernt. Auf prächtigem Trail geht es immer leicht auf und ab und schliesslich stetig talwärts bis ans Ende des Oberengadin. Bei Tageslicht sähe man jetzt den schönen Silsersee und die gegenüberliegenden Berge. Es ist drei Uhr Nachts, als ich in Maloja eintreffe. Zeit, erst mal den Organismus runterzufahren. Vorher geht nichts runter. Dann ein Becher Bouillon und eine Stunde Schlaf auf einer der dünnen Matten unter einer muffigen Militärwolldecke. Wer hier schlafen kann, ist auch wirklich müde. Kein Problem für mich. Nach diesem etwas längern 'Powernap' gönne ich mir eine Portion Teigwaren. Dann nehme ich den Aufstieg zum Pass Lunghin in Angriff.
 
Maloja - Pass Lunghin - Septimerpass - Bivio - Savognin: 39Km, +2'021m / - 2'581m 
 
Gleichzeitig mit mir bricht auch Olga zum Lauf durch die Nacht auf. Sie wird die 200 Km gute zwei Stunden vor mir absolviert haben. Schweigsam laufen wir bis Bivio an der Julierpassstrasse. Nach erneuter kurzer Verpflegung und einem Schwatz mit dem Helferteam ist fertig lustig. Der für mich strengste Abschnitt wartet. Über die Alp Natons und den Kanonensattel führt der Trail auf die Alp Flix (kurze Verpflegung), dann weiter zur Furschela da Colm. Hier oben erwischt es uns beinhart - ein richtiges Alpgewitter mit waagrechtem Regen und Wind an dem jeder Hochseesegler Freude hätte ! Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich zwischendurch Eisgraupel spüre. Aber es sind wohl doch eher die plötzlich tiefen Temperaturen, welche etwas an der Haut kratzen... Genial ist die Regenjacke einer bekannten Bergsportmarek mit 'H' - Sie hält 100% dicht. Und das schöne an den Laufhosen ist ja, dass diese schnelltrocknend sind. Dafür müssen die Füsse etwas aushalten. Bis Savognin ändert das Wetter nicht. Immerhin, Besserung ist in Aussicht. Nach einer guten Mahlzeit (mit Teigwaren !) und einer Prise kräftigen Schnupftabaks mit einem der Helfer, welcher mich schon in Spinas diesbezüglich unterstützt hat, peile ich Tiefencastel an. "Da kann es ja nur noch runter gehen", denke ich mir. Im Vorteil ist, wer Karten richtig liest ...
 
Savognin - Tiefencastel - Lenzerheide: 25Km, + 1'004m / - 703m
 
Hier geht's ständig hoch, stelle ich fest. "Da kann was nicht stimmen", ist mein erster Gedanke, jedoch die Markierungen belehren mich eines Bessern ! Immerhin, es ist trocken und die Gegend nicht "ohne". Immer wieder schweift der Blick auf die umliegenden Berge, welche sich hier allerdings nicht mehr ganz so imposant präsentieren wie im Engadin. Unbekannte Gipfel, welche ich nicht kenne, und von Ferne das Lenzer Horn, grüssen. Tiefencastel, Hauptort des Bezirks Albula, erreiche ich um ca. 18.00 Uhr. Wie ich später erfahre, trifft der schnellste Läufer um diese Zeit im Ziel in Davos ein. Die schnellste Läuferin braucht lediglich ein halbe Stunde länger - Wahnsinn ! Mir bleiben noch etwa 53 Km. Und die haben es in sich !
 
Tiefencastel verlasse ich entlang der Hauptstrasse. Dann biegt der Weg in lieblichere Gefilde ab. Schmale Strässchen wechseln sich mit gekiesten Wegen ab. Durch niederen Baumbestand und vorbei an mit Büschen besetzten Wiesen durchquere ich Alvaschein, ein hübsches Bergdorf oberhalb der Albula, welches sich hier den Weg ins Tal sucht. Endlos scheint der Weg nach Lenzerheide und ich beginne erstmals innerlich über den Planer dieses Wegabschnittes zu fluchen. Warum in aller Welt müssen wir hoch bis nach Lain, das ginge doch schneller und einfacher über Lenz ... ! Ich besinne mich nun darauf, dass die Kilometer und die Höhenmeter irgendwo her kommen müssen und ich mir dies hier schliesslich freiwillig antue. Und schön ist es auch nach 35 Stunden Laufen immer noch. Langsam nachtet es ein. Ich möchte die Stirnlampe nicht vor Lenzerheide auspacken müssen. Das aufziehende Gewitter verleiht mir zusätzlich Schub. Zwar schaffe ich es nicht mehr trockenen Fusses bis zur Verpflegung mit Schlafgelegenheit, aber immerhin, den Weg finde ich noch bevor es endgültig einnachtet.
 
Lenzerheide - Arosa - Davos: 40Km, + 2'564m / - 2'479m
 
In Lenzerheide, wo ich um ca. 21.00 Uhr eintreffe, lege ich mich erstmal für ein Stündchen auf's Ohr. Fehlanzeige - es ist so kuschlig auf der dünnen Matte unter der muffigen Decke, dass ich mich glatt verschlafe ! So bin ich erst gegen Mitternacht bereit für neue Schandtaten. Die letzten 40 Km bis nach Davos warten darauf, 'gefressen' zu werden. Aller Anfang ist Mühsam aber zum Glück (kein Witz!) geht es erst Mal bergauf. So können die mittlerweile ermüdeten Muskeln sich etwas aufwärmen. Lustig ist es, unter mir die Lichter des Ortes zu sehen und über mir jene der andern Läuferinnen und Läufer, welche sich vor mir auf den Weg gemacht haben. Immerhin, der Weg von Lenzerheide hoch über die Alp Scharmoin zum Urdenfürggli auf 2'546 M.ü.M. gestaltet sich wesentlich einfacher als es von andern Läufern prophezeit wurde. Zumal es nach den ersten Kehren über einen 'flowigen' Trail, fast parallel der Höhenkurve entlang geht. Ich bewältige diese Strecke allerdings im Powerwalking-Stil und nicht laufenderweise. Dies, weil ich einerseits schlicht nicht (mehr) in der Lage bin richtig zu Laufen und andererseits keine Verletzungen aufgrund eines Sturzes riskieren will. Zwar ist die Stirnlampe welche ich trage tiptop, jedoch befinde ich mich in dicht bewaldetem Gebiet und es ist stockdunkle Nacht.
 
Auf dem Weg zum Urdenfürggli treffe ich auf weitere Läufer. Wir unterhalten uns ein wenig, dann geht wieder jeder schweigsam seinen Weg. Nur undeutlich zeichnet sich die neue Seilbahnstation ab, welche die beiden Skigebiete Lenzerheide und Arosa künftig miteinander verbindet. Ein richtiges Ungetüm. Nicht ästethisch, aber vermutlich praktisch im Winter... Den Skifahrern sei's gegönnt, was die Natur dazu meint ...
 
Schön muss es hier oben bei Tageslicht sein. Entweder bin ich zu schnell oder - eher - zu langsam unterwegs. Auf jeden Fall darf ich diese Gegend nur in tiefster Finsternis 'geniessen'. Von weitem grüsst die Hörnlihütte mit ihren Lichtern. Eine Helferin und ein Helfer begrüssen uns bereits vor der Hütte und leiten uns in die warme Stube, welche sich freilich als zweckentfremdete Werkstatt entpuppt. Aber wer will morgens um drei schon so anspruchsvoll sein ! Leckerer Bergkäse und Wurst versüssen das Erwachen des neuen Tages. Es ist mittlerweile Samstag. Noch bis Mitternacht bleibt Zeit, den Trail zu finishen. Ich packe es an und begebe mich auf den Weg zum Weisshorn. Der zieht sich allerdings wie man so schön sagt. Zunächst auf breiter Piste, dann auf schönem Bergweglein windet sich die Strecke hoch. Vorbei am Plattenhorn und dem Carmännapass wird das Weisshorn mit seinem imposanten Gipfelhotel gewonnen. Hier oben herscht absolute Stille. Etwas enttäuscht bin ich schon. Mindestens ein Champagnerbuffet hätte man vor diesem alpinen Edelbunker erwarten dürfen. Sei's drum, nun werden die Muskeln richtig gefordert, denn die nächsten 8 Km geht es nur noch runter - und wie ! Achthundert Höhenmeter müssen 'vernichtet' werden. Das fährt in die Glieder. Wer keine Stöcke dabei hat ist selber schuld. Im Tal liegt Nebel. Das erschwert den Abstieg zusätzlich. Wer will schon freiwillig in diese Suppe absteigen. Vorbei an der Sattelhütte und dem Hauptichopf wird die Tschuggenhütte erreicht. Hier rappt im Winter der Papst im Kettenhemd, da geht's richtig rund. Und jetzt ? Tote Hose. Ist auch erst kurz vor 05.00 Uhr. Alles liegt still und friedlich. Ich treffe in Arosa ein noch bevor der Hahn kräht.
 
Arosa, die letzte warme Verpflegung ! Ein wirklich herzlicher Empfang in einer Zivilschutzunterkunft. Ich geniesse noch einmal einen Teller Teigwaren und einen Becher Bouillon. Kein bisschen Müdigkeit verspüre ich und das erstaunt mich selber am meisten. Ich wusste zu Beginn dieses Rennens nicht, wie mein Körper auf diese Dauerbelastung reagieren würde. Offenbar aber ist der menschliche Organismus zu mehr imstande, als man ihm zutrauen würde.
 
Als ich von Arosa losziehe tue ich dies wieder ausschliesslich im Powerwalking-Stil. Obgleich es zunächst eher runter als hoch geht. Dann folgt die Steigung nach Medergen. Ein schönes Alpdörflein hoch über Arosa. Hier findet man auch das schöne Restaurant 'Alpenrose', welches allerdings ausschliesslich im Sommer geöffnet hat. Auf dem Weg hierhin packt es mich plötzlich. Ich beginne wieder richtig zu Laufen. Und mit jedem Schritt öffnen sich die Muskeln mehr und mehr. Langsam komme ich wieder in den berühmten 'Flow'. Nach einem erneuten steilen Abstieg ins Sapün darf man sich ein letztes Mal kalt verpflegen. Zu meiner Überraschung wurde beim Restaurant 'Heimeli' eine kleine Station eingerichtet. Das 'Heimeli' ist ein gemütliches Beizli mit Übernachtungsmöglichkeit. Wer im Winter den Weg hierhin auf sich nimmt, wird nicht nur kulinarisch verwöhnt, nein, danach darf man sich gratis einen Davoserschlitten schnappen und bis zur Bahnstation Langwiesen abfahren ! Ich strebe gut gelaunt und motiviert dem letzten Pass entgegen; die letzten 500 Höhenmeter hoch zum Strelapass ! Davos ich komme ! Eine letzte Bodenwelle, man scheint fast zu schweben. Nichts kann mich jetzt noch aufhalten, Euphorie macht sich breit. Aber nichts übertreiben, noch ist das Ziel nicht erreicht. Der Tag hat mit Sonnenschein begonnen und die Sonne soll mir beim Zieleinlauf auf der Promenade in Davos scheinen ! Die letzten 5 Kilometer runter nach Davos sind ein einziger Genuss. Ich fliege ! 'Life ist beautiful ! Das ist wohl das, was hinlänglich als 'Runners' high' bezeichnet wird.
 
Vorbei an Alpweiden, der Bergstation Schatzalp und der ein oder andern Bergbeiz vernichte ich Höhenmeter um Höhenmeter. Davos präsentiert sich in voller Pracht (so man bei einer Stadt von Pracht sprechen kann). Die letzten Meter auf der Promenade dann lassen nochmals einen Spurt zu, vorbei an den Nobelläden, an Zuschauern, harmlosen Passanten um die letzte Kurve über die rote Zielmatte ...!
 
Ziel: Samstag, 15.08.2015, 10.48 Uhr, Davos-Platz
 
Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung - um 10.48 Uhr erst recht ! Ich habe das Ziel tatsächlich erreicht. Nach 50 Stunden und 48 Minuten bin ich wieder da, wo vor zwei Tagen der Startschuss gefallen ist.
 
Das erste Bier und ein Schnitzelbrot schmecken wie ein Fünfsternemenue, nein viel besser noch !
 
Fazit: Es war schön, ein bisschen verrückt aber schön. Freilich, es empfiehlt sich diese Strecke als Wanderung innert zwei Wochen zu absolvieren. Einzelne Abschnitte würde ich weglassen bzw. abändern. Übernachtungsmöglichkeiten gibt es unterwegs viele, zu sehen noch viel mehr. Und warum nicht für die ein oder andere Steigung eine der zahlreichen Bergbahnen nutzen.
Interessant an diesem 'Experiment' war zu erfahren, was körperlich möglich ist. Jetzt aber ist erst einmal Erholung angesagt und von 'Runner' gibt es in nächster Zeit keinen 'Bericht', man will es ja schliesslich nicht übertreiben ;-).
 
Die Untertitel (mit Distanz und Höhenmeter) sollen eine Planung der einzelnen Abschnitte als Wanderung unterstützen. Übernachtungsmöglichkeiten gibt es unterwegs viele. Sowohl in einfachen Berghütten als auch in Hotels.
 


Tourengänger: Runner


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Kommentare (22)


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dominik hat gesagt: Geile Siech!
Gesendet am 22. August 2015 um 03:38
Herzliche Gratulation zu Deiner Superleistung!!!

Gruess
Dominik

Runner hat gesagt: RE:Geile Siech!
Gesendet am 22. August 2015 um 13:46
Merci. Es war ein wunderbares Erlebnis !

Gelöschter Kommentar

Runner hat gesagt: RE:
Gesendet am 22. August 2015 um 13:48
Danke euch. Es hat auch alles gepasst (inkl. Wetterglū ck)

amphibol hat gesagt: Gratulation..
Gesendet am 22. August 2015 um 10:43
zu dieser Leistung! Da brauchst du wohl nach der Teigwarenflut noch einiges an Aufbaunahrung in den kommenden Tagen!
Berggrüsse
amphibol

Runner hat gesagt: RE:Gratulation..
Gesendet am 22. August 2015 um 13:49
Merci :-)

Naja, ich hatte diese Woche immer mal wieder Lust auf was deftigeres (Wienerschnitzel und Bratwurst ;-))


silberhorn hat gesagt:
Gesendet am 22. August 2015 um 21:52
Geschafft! - Bravo! - Gratuliere!

Gäll Du warst schon mal auf einer etwas anderen Wegführung auf dem Swiss Iron Trail, der wegen miesestem Wetter abgebrochen wurde. Oder irre ich mich?

Gueti Erholig und Stadtgruess
maria

Runner hat gesagt: RE:
Gesendet am 23. August 2015 um 19:31
Das ist so - 2012 war's ...

Krokus hat gesagt:
Gesendet am 22. August 2015 um 23:00
Gratuliere zur Wahnsinnsleistung. Und trotzdem hattest du noch Zeit für Blumen, Tiere und die schöne Landschaft. Finde ich einfach toll
H.G Ella

Runner hat gesagt: RE:
Gesendet am 23. August 2015 um 19:33
Danke. Man sollte immer auch ein Auge für das "Drumherum" haben, , sonst ist alles Nichts. Und zu den Schnellsten habe ich nie gehõrt, also steht der Genuss und das Erlebnis im Vordergrund :-).

fuemm63 hat gesagt:
Gesendet am 23. August 2015 um 13:40
Herzliche Gratuliation - unglaublich! Dass du noch Augen für den Bergsalamander hattest, macht dich noch sympathischer :-)

Wann hast du eigentlich geschlafen?? ;-)

Gr Fümm

Runner hat gesagt: RE:
Gesendet am 23. August 2015 um 19:37
Merci :-). Den armen Kerl (oder sie?) habe ich wirklich fast übersehen ! Dank Stirnlampe ging's nochmals gut :-).

Schlafen?? Im Ernst, 1h in Maloya, 2h (Verschlafen, aber was solls) in Lenzerheide. Wenn ich auf diesen dünnen Gymnastikmatten und unter müffelnden Militärdecken so lange Schlafen konnte, hatte ich's auch nõtig :-D

gebre hat gesagt: Chapeau!
Gesendet am 23. August 2015 um 17:12
Congratulation for this long and wonderful race on the mountain!

Tschuss.
Alberto

Runner hat gesagt: RE:Chapeau!
Gesendet am 23. August 2015 um 19:40
Grazie mille :-) E stato un Tour fantastico !

Felix hat gesagt: verrückt ...
Gesendet am 23. August 2015 um 20:32
und man macht's ja freiwillig ;-)

Kaum vorstellbar - doch Glückwunsch zu dieser Parforce-Leistung!

lg Felix

Runner hat gesagt: RE:verrückt ...
Gesendet am 23. August 2015 um 20:51
Danke. Verrückt schön war's :-)

denali2002 hat gesagt: Wahnsinn!
Gesendet am 24. August 2015 um 09:08
Herzliche Gratulation. Das ist eine unglaubliche Leistung!
Hattest Du nie Probleme in der Nacht? Falls doch, wie bist Du damit umgegangen? Koffein?
Wie und wieviel hast Du eigentlich trainiert, um diesen Wahnsinsslauf zu finishen?

Runner hat gesagt: RE:Wahnsinn!
Gesendet am 24. August 2015 um 16:12
Sali denali, merci für die Wünsche.

Nein, ich hatte in der Nacht absolut keine Probleme, da ich ganz gerne 'im Dunkeln munkle' :-D. Koffeein habe ich wohl mit den drei, vier Gels welche ich mal geschluckt habe genug abbekommen :-)

Ich habe auch sonst das Glück, dass mir das übliche Training welches aus ganz einfachen Bergläufen besteht gereicht hat (siehe meine Berichte). Wenn man von der Landschaft begeistert ist und sich gerne in den Alpen bewegt ist das meiner Meinung nach bereits die halbe Miete. Die Zeit vergeht völlig anders als aktiver Läufer denn als möglicher Zuschauer (frag Albert Einstein) ;-)
Und ich sage an dieser Stelle gerne noch einmal; wenn man nicht zur Elite gehört, hat man Zeit und die soll man sich nehmen. Die Landschaft geniessen und ab und zu ein Schluck Bier, jawohl! (ist ein 1A Sportgetränk) :-D

Dir noch eine gute Saison.

lg Runner

passiun_ch hat gesagt:
Gesendet am 26. August 2015 um 20:20
Wow - ich gratuliere zu dieser Leistung
Wenn Du nichts dagegen hast wähle ich Deine Variante über mehrere Tage :-))
LG Michael

Runner hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. August 2015 um 22:47
Danke - ich kann das absolut gut heissen ! Obgleich es für mich ein einmaliges Erlebnis war, hast Du von einer mehrtägigen Variante eindeutig mehr. Da liegt nebst ein paar Weizen ev. auch die ein oder andere Nusstorte drinn (sofern man die mag) oder eine feine Gerstensuppe oder oder oder :-)

Tobi hat gesagt: Gratulation
Gesendet am 27. August 2015 um 20:37
Respekt zu dieser unglaublichen Leistung!
Ich bin sprachlos...

Gruss Tobi

Runner hat gesagt: RE:Gratulation
Gesendet am 28. August 2015 um 07:50
Merci :-) bei der nächsten Gelegenheit werde ich mir die im Dunkeln absolvierten Abschnitte bei Tageslicht anschauen. Vor allem Lenzerheide - Davos muss schön sein :-)


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