Gi(e)rige Traversen, ein Samiklaus und viel Föhn am Falknis


Publiziert von Alpin_Rise , 21. September 2014 um 16:20.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Rätikon
Tour Datum:19 September 2014
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   FL 
Aufstieg: 2500 m
Abstieg: 1200 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Maienfeld
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Malans Älpblibahn
Unterkunftmöglichkeiten:Enderlinhütte SAC Piz Sol

Seit Gecko die Überschreitung der höchsten Lichteinsteiner Gipfel beschrieben hatte, möchte ich diesen Grat mal anschauen gehen. Bereits im Vorfeld war mir bewusst, dass die Schwierigkeiten deutlich über meinen Möglichkeiten liegen. Mit einer grösseren, jedoch mühsamen Umgehungen sollte dennoch etwas zu machen sein.
An ihrem östlichen Anfang beim Gir ist die Kette Falknis - Grauspitzen noch relativ bequem begehbar. Selbst der Zustieg ist ein veritables Alpinwander-Highlight, die Route unter den Falknistürmen hindurch quert eine wilde, unnahbar wirkende Flanke.  Je weiter westlich man gelangt, desto schwieriger wird der Grat; solo stiess ich hier schnell an meine Grenzen. Für eine Besteigung des Samiklaus oder Kläusle, wie er im Ländle genant wird, hats dann doch noch gereicht. Ich vermutete eine Route im T5/T6-Bereich durch das grosse Couloir der Südflanke: Eine solche gibts denn auch, sie liegt jedoch nur noch knapp in meinem Konfortbereich. Allgemein ist in dieser Berkette arg "viel los" - an sich harmlose Streifzüge können schnell in ein Steinschlagfestival ausarten!

Wie diese Saison üblich, war die Suche nach einem Schönwetterfenster nicht gerade einfach. Für dieses Gelände ist es absolut zwingend, trockene Verhältnisse abzuwarten. Dafür hat der Föhn gesorgt, er pfiff mir am Grat derart um die Ohren, dass einem "Sturm im Grind" werden konnte - und am Schluss hat's dann doch noch geschifft....


Fürstlicher Geröllgenuss am zweithöchsten Liechtensteiner

Von der Enderlinhütte dem Enderlinweg folgen bis auf gut 1800m. Man verlässt den Weg am besten am Beginn grossen Traverse nach Osten, auf der Rippe bei der ersten Drahtseilpassage. Noch leichter ist es, dem Weg über das unmittelbar nachfolgende Couloir zu folgen und dann diese Rippe aufzusteigen.  Zur nun folgenden wunderbaren Steilhangqurung zum Gir gibts bereits eins, zwei, drei Berichte.
Wichtig ist, lediglich am Anfang steil aufzusteigen, bis man das erste Couloir bequem queren kann. Dann unterdrückt man am besten den Reflex, weiter aufzusteigen und quert die Flanke, ein kleines Tännlein anpeilend. So trifft man für das letzte deutliche Couloir (Schlüsselstelle) nicht zu hoch und steigt erst die letzten hundert Höhenmeter zum Gir wieder steiler, dafür deutlich einfacher an.
Die Schwierigkeiten liegen im moderaten T5-Bereich, wäre da nicht die permanente Ausgesetztheit, könnte die optimale Linie auf Gämswechseln auch als forderndes T4 durchgehen. Ich profitiere von optimalen, trocken-griffigen Grasverhältnissen, spät oder sehr früh im Jahr kann der Untergrund sehr viel anspruchsvoller sein!

Vom wunderbar exponierten Girgipfel mit dem legendären "Gir-Stativ", grossem Steinmann und der Feuerstelle dem Ideal-Grasgrat ohne Schwierigkeiten (T4) bis zum Mazorakopf/Falknishorn folgend. Blau-weiss markiert in der Südflanke in Richtung Falknis weiter. Hier traue ich mir den grossen Aufschwung in brüchigem Fels nicht direkt zu, folge etwas der markierten Wegspur und steige dann direkt nach der kurzen Eisenbügel-Traverse durch Rinnen und über Rippen zum Grat hoch (T4-T5), von dort ists noch ein Katzensprung zum Falknis.
Wie letztes Mal ist's oben windig kühl. Der Falknis geniesst zwar einen ausserordentlich guten Ruf als Aussichtsberg (was selbstredend stimmt!), das Gipfelerlebnis an sich finde ich persönlich nicht ganz so grandios. Im Gegensatz zu anderen Gipfeln der Region wie Gir, Schwarz- oder Glegghorn fehlt die Exposition, der unmittelbare Talblick: Die diversen Gipfelblöcke formen leider keinen klaren Höhepunkt.

Sodann den Falknis westlich verlassend ist das nächste Ziel die Grasrippe, welche zum Samiklaus-Südcouloir leitet. Dorthin führt eine mutmasslich mühsame Traverse - sie ist es dann auch. Ich begehe den Fehler, nicht konsequent bis fast zum Obersten Fläscher Seeli abzusteigen, was mir einige akrobatische T6-Einlagen an den diversen Rinnen beschert. Die Hindernisse auf der Querung sind nicht einzusehen und letzlich kostet mich das mühsame, geröllige Gelände mehr Zeit, Kraft und Nerven als mir lieb ist - die finalen Geröllhalden sind dann wie erwartet mühsam, aber absehbar.
Einmal auf der grasigen Rippe in der Falllinie des Samiklaus-Südcouloirs geht es im T5-Gelände bequem hinauf. Die Rinne macht dann zu meinem Erstaunen einen zahmen Eindruck. Das täuscht: es liegen enorme Mengen Geröll im Rinnengrund - subjektiv erreichen die folgenden gut 100hm in der Rinne T6, mit Spreizen im stabilen Fels der Seitenwände vermeide ich die ärgsten Steinlawinen. Ganz zum Schluss wartet noch ein Klemmblock, der im erdig-sandigen Grund nicht den stabilsten Eindruck macht. Er hält und die letzten Meter zum Samiklaus-Gipfel entlang des Ostgrates sind dann schnell gemeistert. Einige leichte Kletterschritte (T5, I-II) aus der Scharte und dann instabiler Schutt bis zum doppelten Gipfelkreuz: ein altes, eisernes liegt im Schutt. Das andere, hölzerne ist von weitem sichtbar und trägt den Gipfelbuchbehälter. Dieser klemmt gehörig, mit etwas Steinarbeit gibt er jedoch das Gipfelbuch von 1978 frei, in dem praktisch nur von einheimischen Begehern zu lesen ist. Die Überschreitung scheint die populärste Tour zu sein, zu meinem Erstaunen wird sie des öfteren solo begangen!

Zum Greifen nah ist vom Samiklaus die Hintere Grauspitze, ihres Zeichens Landeshöhepunkt des Fürstentums Lichtensteig. Von der Scharte Samiklaus-Grauspitze leitet ein Fixseil auf eine Geröllterasse, von dort soll eine zuweilen senkrechte Rinne zur Grauspitze hoch führen. Gecko bezeichnet diese als "heikelste Passage der ganzen Tour, weil in nicht ganz trockenem, abwärts geschichtetem Fels". Angesichts des alpinistischen Formats von Gecko ist somit für mich klar, dass heute nicht der Tag für meinen ersten (!) alpinen Landeshöhepunkt ist. Zumal das leidig brüchige Gelände und der böige Föhn meiner Moral schon genug zugesetzt haben.

Der Abstieg durch die Rinne geht dann besser als gedacht, solange man die eine oder andere Steinlawine in Kauf nimmt. Hier war ich sehr froh, alleine unterwegs zu sein. Weiter unten steige ich links (östlich) in die grosse Geröllhalde ein, welche leider nicht sehr abrutschfreundlich ist. Dafür liegen Hunderte alte Militärgeschosse rum, eine Riesensauerei...

Mein ursprünglicher Plan war, durch die Steilstufe zum Schafälpli aufzusteigen und den beiden Grauspitzen einen Besuch abzustatten. Just in dem Moment bricht aber der Föhn zusammen und ich gönne mir eine halbe Stunde Zwangsregenpause unter einem Stein beim Mittler Seeli. Mir solls recht sein, für weitere Kapriolen im brüchigen Gestein fehlt mir sowieso Nerv und Kraft. Bald lässt der Regen nach und der wenig attraktive Weg über den Kamm zur Älplibahn - knapp 5 km meist auf Fahrsträsschen - ist dann nur noch Formsache. Das nächste Mal werde ich den mutmasslich schöneren Weg übers Obertal-Ortasee ausprobieren.
An der sympathischen Älplibahn hielt sich heute der Andrang in Grenzen und ich kann ohne Reservation - dafür mit einem leckeren Stück Kuchen ausgestattet - bequem ins Tal gondeln.

Tourengänger: Alpin_Rise


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Kommentare (3)


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marmotta hat gesagt: Bravo!
Gesendet am 21. September 2014 um 16:42
Gratulation zur Besteigung des "Kläusle" und zu dem guten und spannenden Bericht! Das Südcouloir hatte ich mir auch schon für einen Besteigungsversuch ausgeguckt, die Sache aber dann -aus den von Dir beschriebenen Gründen (viel loses Material, mühsam)- ein ums andere Mal verschoben. Die andere und deutlich weniger mühsame Variante wäre eben, vom Vorder Grauspitz abzuseilen und dann nordseits zur Samiklaus-Scharte zu queren. Hab das vor 2 Jahren mal inspiziert...

G.
marmotta

--- hat gesagt:
Gesendet am 22. September 2014 um 17:35
Auch meinerseits herzliche Gratulation Alpin_Rise. Hehe Marmotta :-) als ich den Bericht gesehen habe, kamst du mir in den Sinn. In dem Fall warst du noch nicht oben? ich dachte mir, den Gipfel hast du sicherlich schon längst bestiegen :-)) Falls du es doch irgendwann angehen willst, wünsche ich dir viel Glück und Fun.

LG Ayla

Der Berger hat gesagt: Lichtensteig
Gesendet am 13. Juli 2020 um 23:06
das wäre dann im Toggenburg, aber Liechtenstein, das passt.
Und Österreich, Zentrale Ostalpen, nicht ganz, oder seh ich’s anders?


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