Pfaffenschneide (3498 m) - unterwegs im Hochstubai


Publiziert von 83_Stefan , 26. August 2013 um 02:29.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Stubaier Alpen
Tour Datum:11 August 2013
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS-
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2100 m
Abstieg: 2100 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auf der B 196 nach Sölden. Im Ortsteil Rettenbach der Beschilderung in Richtung Hildesheimer Hütte folgen und auf der Teerstraße aufwärts zum Eingang des Windachtals. An der Schranke kostenfreie Parkmöglichkeiten.
Unterkunftmöglichkeiten:Hildesheimer Hütte (2899 m, DAV-Sektion Hildesheim).
Kartennummer:AV-Karte 31/1 - Stubaier Alpen Hochstubai.

Was macht der findige Bergsteiger, wenn der höchste Berg völlig überlaufen ist, er das Gipfelerlebnis aber gerne alleine genießen möchte? Klar, er steigt auf den zweithöchsten Berg! So einfach ist das in einem vergletscherten Gebiet wie dem Hochstubai aber nicht. Nun bringt die Klimaerwärmung ja allerhand Ärger mit sich von dahinschmelzenden Eisbären bis hin zu spanischen Sanddünensurfern, aber wenn der Gletscher nun mal weg ist, dann ist er weg. Dann kann man da, wo er war, auch ohne Seil und doppelten Boden gehen. Alleine. Und ohne Eisbären. Im konkreten Fall bedeutet das Folgendes: Alleine auf die Pfaffenschneide? Klar, das geht!

Start an der Schranke der Versorgungsstraße, die von Sölden ins Windachtal führt. Mit dem Radl geht's auf der breiten Straße knackig bergauf, nach der Abzweigung zur Kleblealm wieder ein kleines Stück bergab und dann ziemlich eben an Lochlealm und Fieglhaus vorbei ins Tal hinein. Am Abzweig zur Hildesheimer Hütte ist das Radldepot erreicht und auch die Hämorrhoiden geben wieder Frieden.

Durch begrüntes Gletscherschliffgelände steigt der stets gut ausgetretene Steig in zahlreichen Kehren immer mehr oder weniger in der Trasse der Materialseilbahn an, bis die Hildesheimer Hütte erreicht ist. Die Gletscher des Hochstubai präsentieren sich hier immer noch eindrucksvoll und auch von schmelzenden Eisbären keine Spur.

Was ist ein glühender Alpinist ohne Gipfelerlebnis? Richtig, ein ausgebrannter Alpinist. Deswegen geht's nach dem Abendessen - pardon, nach dem Verkonsumieren der dreigängigen Halbpension - noch schnell auf den Schußgrubenkogel. Dass sich empfindliche Nasen im Sanitärbereich der Hütte entfernt an den Namen des Berges erinnert fühlen mögen, ist wohl Zufall, aber leider keine Einbildung. Man beachte schließlich die genaue Schreibweise! Auf dem Steig in Richtung Gaißkarferner geht's versichert auf den Rücken, der den Gletscher südlich begrenzt. Der begeisterte Betrachter sommerlicher Skigebiete kann sich hier an Seilbahnmasten, planierten Gletscherflächen, plasikverhüllten Schneehaufen und sonstigen wunderbaren Errungenschaften unserer großarigen Zivilisation erfreuen. Der Steig endet und führt als planierte Trasse über den Gletscher in Richtung Dresdner Hütte, auch eine herzerfrischende Destination für Skigebietswanderer.

Wer auf den Schußgrubenkogel will, bleibt am Rücken und folgt ihm bergauf, bis dieser einen Knick nach Süden macht. Meist ganz oben, ein Mal kurz nach links ausweichend, wird bald der Vorgipfel erreicht (bis I). Der Abstecher zum Gipfelkreuz (mit -buch) ist dann nur noch ein Katzensprung (I). Wie schade, dass man das Söldener Skigebiet von dort oben nicht sehen kann! Aber ein toller Sonnenuntergang mit einer hell erleuchteten Pfaffenschneide entschädigt wenigstens die Puristen. Auf dem Anstiegsweg geht's zurück zur Hütte.

Früh morgens geht's dann bestens ausgeschlafen und wohlgelaunt in einen neuen Tag. Dass man nachts das Lager mit geschätzten 30 Bergfreunden aus aller Herren Länder geteilt hat, macht ja nichts, die Verständigung fällt nachts leichter. Schnarchen schmelzende Eisbären eigentlich auch?!? Jedenfalls geht nichts über ein gutes Frühstück und nach den zwei gereichten Scheiben Brot darf der Verdauungsspaziergang auch ein wenig ausführlicher sein. Also auf zur Pfaffenschneide! Hinunter zum See, der der Hütte als Trinkwasserreservoir dient und auf dem Steig - versichert eine plattige Felsflanke querend - hinunter zum Bach, der den Gaißkarferner entwässert. Das Wasser ist arg kalt und so überlässt man ein morgendliches Bad besser den Eisbären. Die gute Nachricht: eine Holzbrücke ermöglicht die Überquerung des Bachs auf unproblematische Art und Weise. Der Steig leitet nun wieder aufwärts und durch Schutt und Geröll an den Beginn des Pfaffenferners.

Die schlechte Nachricht für den Einzelgänger: Der Gletscher ist noch da. Die gute Nachricht: Daneben kann man mittlerweile im Blockwerk ansteigen. Also entweder auf dem Gletscher (Achtung Spalten, Eisbären werden hingegen nur sehr selten gesehen) oder mühsam daneben im Blockwerk hinauf zum Pfaffenjoch, wo meist ein unangenehmer Wind bläst.

Der Plan ist klar: am Grat weiter nach Südosten, über den Pfaffenkogel zur Pfaffenschneide. An der Umsetzung hakt es aber zunächst, denn es stellen sich glatte Platten in den Weg.  Tja, die Klimaerwärmung... es hilft alles nichts, links des Grats geht es am äußersten Gletscherrand - genau auf die Randkluft achtend - unter den Felsen entlang, bis man den Grat ohne Schwierigkeiten betreten kann. Dann ist man auch schon bald am Pfaffenkogel angekommen.

Weiter über Blockgelände ohne Schwierigkeiten hinauf zum Vorgipfel der Pfaffenschneide. Einen Aufschwung problemlos rechts (südseitig) umgehend, an den Gipfelaufbau heran. Dieser kann zwar direkt erklettert werden (III), eine nordseitige Umgehung (I) ist aber zweckmäßig. Und schon steht man oben auf der Pfaffenschneide... was für eine Aussicht... also zumindest, wenn nicht der Nebel wäre, der die Sichtweite auf knapp fünf Meter reduziert. Ob die Stirnlampe auch als Nebelscheinwerfer taugt?!? Die Erleuchtung lässt auf sich warten und bevor die Gletscher in der Zwischenzeit restlos schmelzen, geht's wieder hinunter. Bei besserem Wetter hätte man am Grat weiter zum Zuckerhütl steigen können, wo zwar weniger die Eisbären, als vielmehr die anderen Bergsteiger aus dem Nachtlager weilen.

Über den Anstiegsweg geht's wieder zur Hütte und nach einer herzlichen Verabschiedung vom überaus liebenswerten Hüttenwirt hinunter ins Windachtal, wo der Drahtesel wartet. Auf geliehenem Stadtrad aus den Sechzigerjahren mit kaputter Gangschaltung und Rücktrittbremse (!) geht's bergab, dass der Radkranz glüht. Macht aber nichts, denn unterwegs wird das rauchende und bestialisch stinkende Gefährt mit mitgeführtem Trinkwasser von der Hildesheimer Hütte gelöscht - die armen Eisbären! Nach zwei weiteren Löschpausen und diversen verstörten Augenzeugen ("Kann man Ihnen irgendwie helfen?" "Nein, das ist normal, das gehört so.") wird der Parkplatz wieder erreicht. Eine Tour, die in Erinnerung bleiben wird! Liebes Zuckerhütl, beim nächsten Mal werden die Karten wieder neu gemischt - sieh dich vor!

Schwierigkeiten:
Zur Materialseilbahn der Hildesheimer Hütte: L (alternativ T1; unbedingt mit dem Radl, da sehr weit!).
Weiter zur Hildesheimer Hütte: T2 (alternativ über Gaißkarsteig T3).
Abstecher zum Schußgrubenkogel: T4-, I.
Via Pfaffenjoch und Pfaffenkogel zur Pfaffenschneide: WS-, T4+, I (Hochtour, am Pfaffenjoch wird kurz der Gletscher betreten).

Fazit:
Bei entsprechenden Bedingungen eine abwechslungsreiche, eindrucksvolle 4*-Tour in alpinem Ambiente. Vom Schußgrubenkogel zeigt sich abends die Pfaffenschneide im Licht der untergehenden Sonne tiefrot erleuchtet. Auf der Pfaffenschneide bietet sich natürlich ein Übergang zum Zuckerhütl an.

Mit auf Tour: Katrin (nur Pfaffenkogel).

Anmerkung:
Der Anstieg über die Pfaffenschneide zum Zuckerhütl ist hier beschrieben: *Zuckerhütl (3505 m) - von Sölden über die Pfaffenschneide.

Epilog:
Wer meint, der Autor hätte beim Schreiben des Berichts ein wenig geflunkert, dem sei versichert: ja! Die verstörten Augenzeugen waren frei erfunden. Aber der Rest ist wahr, ganz großes Eisbären-... äääh, Indianer-Ehrenwort! Die ironische Berichterstattung wird übrigens nicht zur Gewohnheit werden... versprochen ;-) !


Kategorien: Stubaier Alpen, Mehrtagestour, Hochtour, bike and hike, 4*-Tour, 3400er, T4.

Tourengänger: 83_Stefan


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden


Geodaten
 17591.kml Tourenskizze (kein GPS)

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (10)


Kommentar hinzufügen

alpensucht hat gesagt: Hei da hüpft
Gesendet am 26. August 2013 um 04:02
mein Herz bei diesem nur ganz leicht mit Ironie garnierten Bericht! Danke, danke, danke für die nächtliche Belustigung!!

Ist das dein Wortwitz mit dem "glühenden Alpinisten"? Am besten ist der "Schußgrubenkogel" :D

www.hikr.org/tour/post40346.html

Erinnerungen an eine haarsträubende Tour vor zwei Jahren...

Beste Grüße

83_Stefan hat gesagt: RE:Hei da hüpft
Gesendet am 26. August 2013 um 09:27
Hi! Vielen Dank für das Lob!
Ich weiß eigentlich gar nicht, wie ich auf den "glühenden Alpinisten" gekommen bin, das ist mir einfach spontan in den Sinn gekommen.

Viele Grüße zurück!

Koasakrax hat gesagt:
Gesendet am 26. August 2013 um 08:38
Da kann man dir zu dieser großartigen Tour nur gratulieren. Auch bei mir zierte sich das Zuckerhütl vor einigen Jahren.
Aus deinen Bericht kann man ersehen das du, im positiven Sinne leicht überdreht auf dieser Tour warst.
Was mag da nur Schuld daran gewesen sein, der Berg oder Katrin? ;-)

Andy

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. August 2013 um 09:30
Seawas Andy! Dankeschön!
Das Zuckerhütl hat mich zweimal hintereinander abblitzen lassen, daher ist dieser Bericht "etwas anders" geworden. Die Schuld hat also der Berg ;-) .
Habe übrigens gesehen, dass bei dir das Zuckerhütl auch nicht so recht wollte. Aber immerhin beim zweiten Mal hattest du ja dann mehr Wetterglück.

Grüße aus den bayerischen Bergen!

Winterbaer hat gesagt:
Gesendet am 26. August 2013 um 09:35
Hi Doc!
Kann ich Deinem ironischen Bericht entnehmen, dass es Dir auf dieser Tour "sauber gestunken" hat:-)?
Das Lager, die schlaflose Nacht, das "reichhaltige" Frühstück, der überaus nette Hüttenwirt, der wunderschöne Anblick und das Ambiente von Sölden, das schrottige Radl....und dann noch der Nebel am Gipfel...was ja noch das Natürlichste ist?
Next time Ammergauer:-) Aber inzwischen pass gut auf Dich auf! Schon das Radlfahren ist ja gar nicht ungefährlich!

VG Uschi

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. August 2013 um 09:49
;-) möglich wär's zumindest... was mir aber am meisten gestunken hat war, dass mich das Zuckerhütl bereits zum zweiten Mal versetzt hat. Das ist mir bisher noch nie passiert. Aber so ist es halt.
Ja, die Ammergauer sind immer einen Besuch wert! War auch am Samstag wieder dort unterwegs und es immer wieder ein Highlight.
Übrigens war die Fahrt mit besagtem altem Rad kaum gefährlich, da man nur mit etwas mehr als Schrittempo bergab fahren konnte, sonst hätte sich der Bock wohl wirklich entzündet ;-) . Ein "heißer Ritt" sozusagen ;-) .

Beste Grüße vom Kochelsee!
Stefan

Winterbaer hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. August 2013 um 12:52
Da bin ich aber gespannt, wo Du warst! Welches Gebiet war denn noch offen bei Dir....grübel, grübel.. Du hast doch die Ammergauer schon abgegrast. Oder war`s ein Wiederholungsgipfel?
:-)

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. August 2013 um 13:00
Im Danielkamm war noch einiges offen; jetzt hab ich mir a bisserl was davon genauer angeschaut. Nicht schwierig und auch bei "Schotterallergie" zu empfehlen. Eine aussichtsreiche Genusstour wie ich sie mag ;-) .

Chiemgauer hat gesagt:
Gesendet am 26. August 2013 um 13:30
Gehe ich recht in der Annahme, dass der Weiterweg zum Zuckerhütl auch noch solo möglich ist?
Gruß,
Hans

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. August 2013 um 13:35
Soweit ich weiß, ist der Übergang gletscherfrei machbar (deshalb war ich ja da). Aber Vorsicht: Auf beschriebener Route kommt man beim Zustieg zum Grat auf den Gletscher und es existiert eine tiefe Randkluft. Wenn ich mal wieder in der Ecke bin, muss ich mir eine elegantere Routenführung überlegen, habe da schon was im Auge...
Viele Grüße vom Kochelsee!


Kommentar hinzufügen»