Von der Ochsenlenke zur Karnase: Eine Gratüberschreitung der Extraklasse


Publiziert von Nik Brückner , 10. Oktober 2018 um 19:29.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Villgratner Berge
Tour Datum:20 September 2018
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m
Strecke:11km
Zufahrt zum Ausgangspunkt: Ins Winkeltal kann man mit dem Auto fahren. Dicke Reifen sind angeraten.
Zufahrt zum Ankunftspunkt: Aus dem Winkeltal kann man mit dem Auto fahren. Dicke Reifen sind auch in dieser Richtung angeraten.
Unterkunftmöglichkeiten:Volkzeiner Hütte, oder Unterkünfte in Außer- und Innervillgraten.

Die Villgratener Berge! Viele Grate gibt's dort. Und diese Tour sollte die großartigste von allen werden - was ich aber noch nicht wusste, als ich auf dem Parkplatz bei der Volkzeiner Hütte startete. Die Überschreitung von Regenstein, Kugelspitze, Spitz beim Kreuz und Marcheggenspitze und die Überschreitung von Kugelwand und Hochstein hatte ich zuvor gemacht, bisheriges Highlight war der Nordwestgrat des Rapplers gewesen - aber was mich heute erwartete...

Aber von vorn. Wiexakt startete ich auf dem Parkplatz bei der Volkzeiner Hütte. Mein erstes Ziel: Die Ochsenlenke oben am Degenhorn. Dort wollte ich meine Überschreitung starten und den Wagenstein, die Falkamspitze, das Roteck (Karspitze) und die Karnase (Winkles Höhe) überschreiten. Im Gsaritzer Törl würde die Gratwanderung dann ihr Ende finden.


Doch es kam anders.

Aber von vorn. Mit Lux Terminus' "The Courage to Be". Wiexakt startete ich auf dem Parkplatz bei der Volkzeiner Hütte (1860m). Bergan hielt ich mich nun zur Abwechslung auf der im Aufstiegssinn rechten Seite des Schrentebachs. Auf dem linken Weg geht es eher Richtung Hochgrabe. Meist folgt man dem Fahrweg, Abkürzungen gibt es zwar, aber die sind schlecht markiert und von oben leichter zu entdecken als von unten. Er führt zur schön gelegenen Heinkaralm (2119m)

Parkplatz bei der Volkzeiner Hütte - Heinkaralm: Markierter Fahrweg, T1, 45 Minuten


Hier endet der Fahrweg, und man wandert nun auf einem Pfad vorbei am schönen Schrentebachfall hinauf auf den Schrentebachboden (2375m).

Heinkaralm - Schrentebachboden: Markierter Wanderweg, T2, 40 Minuten


Hier oben ist es schön, und ich pauste erst einmal gemütlich ab. Ein paar Damen kamen vorbei, und wir schwatzten ein wenig. Sie wollten aufs Degenhorn, meine Richtung, na, wir werden uns sicher noch ein paarmal sehen, dann legte ich mich wieder ins Gras, und die beiden stiegen weiter an.

Schließlich packte ich die Pause wieder in den Rucksack, und machte mich an den nächsten Aufschwung. Ich holte meine beiden Damen ein, wir schwatzten wieder, und wanderten nun gemeinsam hinauf zum schön zwischen dem Kleinen und dem Großen Degenhorn gelegenen Degenhornsee (2709m). Hier trennten sich unsere Wege: Die beiden gingen nach links und stiegen aufs Degenhorn, ich wandte mich nach rechts, hinauf in eine Scharte (2772m) südwestlich der Ochsenlenke.

Die Ochsenlenke ist nicht diese Scharte, sondern ein breiter, deutlich tiefer liegender Sattel weiter nordöstlich, Richtung Wagenstein. Die beiden Scharten und die Wege dort hinauf sind in einigen Karten falsch eingezeichnet. Um von der Seite des Winkeltals in die Ochsenlenke zu gelangen, muss man zunächst zum Degenhornsee und in die Scharte (2772m) aufsteigen, und hinter dieser zur Ochsenlenke queren. Den direkten Aufstieg aus dem Gelände unterhalb des Sees gibt es nicht mehr.

Schrentebachboden - Scharte (2772m) südwestlich der Ochsenlenke: Markierter Wanderweg, T2, 40 Minuten


Aus der Scharte (2772m) könnte man via Nordostgrat auch aufs Degenhorn steigen, das sieht auch recht verlockend aus (ist wohl I-II), mein Weg führte mich jedoch in die entgegengesetzte Richtung. Ich ignorierte auch prompt den Wanderweg und überschritt die Strecke zwischen den beiden Scharten auf der felsigen Kante. Von dort aus hat man den besten Blick hinunter auf den schönen weiten Boden nordwestlich der Ochsenlenke.

Über Felsen und steiles Gras geht es weiter, größere Stufen sind immer in einfacherem Gelände umgehbar. Schwerer als I wird's nicht, und in ein paar Minuten langte ich in der Ochsenlenke (2744m) an. Ein nettes Auftakterl.

Scharte (2772m) - Ochsenlenke: Weglose Gratüberschreitung, T4/I, 10 Minuten


Der Südwestgrat des Wagensteins ist nicht schwer, aber auch nicht besonders lohnend: Ein Schotter-, Geröll- und Blockgrat, über den Steigspuren hinaufführen. Er ist historisch interessant: Man findet alte Markierungen und die kläglichen Überreste eines Wegweisers, der einst zu einer "-hütte" führte. Nicht dass es hier oben eine gäbe...

Hat man eine erste Blockstufe hinter sich gelassen, nähert man sich auf Wegspuren dem plattigen Gipfelbereich, über den man aber ebenfalls gut hinaufkommt. Dann steht man auf dem Gipfel des Wagensteins (2849m).

Ochsenlenke - Wagenstein: Weglose Gratüberschreitung, T4/I, 25 Minuten


Der Blick reicht einmal ganz im Kreis herum - na, nicht ganz, das nahe Degenhorn steht im Weg. Zu sehen sind, rechts von ihm (im Südwesten) ein paar Dolos: die Fanesgruppe, Piz Boe, dahinter Rosengarten, Langkofel, und in 150 Kilometern Entfernung Cevedale und Königspitze. Im Westen die Weißkugel, der Hochgall und der Große Löffler. Am Alpenhauptkamm stehen der Steingrubenkogel, ddie Gipfel der Sajatkrone, der Großvenediger, der Eicham, Säulkopf und Säulspitze, im Nordsten der Großglockner. Davor der Lasörling und der lange Grat von der Hofspitze über den Donnerstein bis zum Roten Kögele. im Osten dann - natürlich - der Triglav. Den kann man hier von überall aus sehen. Im Süden stehen in den Dolos die Sextener Sonnenuhr mit Zehner, Elfer, Zwölfer und Einser, Antelao und Sorapiss. Und ganz nah natürlich die Villgratener Berge, mit der Kugelspitze, dem Regenstein, dem Rappler und der Hochgrabe.

Weiter geht's! Hinüber zur Falkamspitze ist's jetzt eine schöne Blockkletterei. Zunächst vom grasigen Gipfel ein paar Meter hinunter, dann wird's felsig, ausgesetzter, und damit gleich deutlich anspruchsvoller. Man bleibt so lange wie möglich auf dem Grat, eine Steilstufe wird links umgangen (weils rechts plattig ist). Dann schnell wieder zum Grat zurück und auf diesem hinunter in die grasige Scharte zwischen Wagenstein und Falkamspitze.

Im Aufstig werden zwei, drei felsige Köpfe schnell erstiegen bzw. rechts umgangen. Der felsige Gipfelgrat ist kein Problem mehr, und so steht man bald auf der Falkamspitze (2827m)

Wagenstein - Falkamspitze: Weglose Gratüberschreitung, T4/I, 30 Minuten


Der Ausblick von der Falkamspitze ist naturgemäß dem vom Gipfel des Wagensteins ähnlich, allerdings sieht man von hier aus hinunter zu dem versteckt gelegenen, schönen Falkamsee. Darunter öffnet sich das Winkeltal, und wer gut sieht, kann sein Auto unten an der Volkzeiner Hütte entdecken.

Der Übergang zum Roteck, das auch Karspitze genannt wird, ist ein wenig anspruchsvoller als der vom Wagenstein hierher. Zunächst wandert man aber auf dem noch einfachen Gras- und Felsgrat weiter Richtung Nordosten, anfangs ein wenig absteigend. Bald wird es felsig, diese Passage lässt sich aber leicht überwinden. Dann steigt man eine brüchige Rinne hinunter in eine scharf eingeschnittene Scharte.

Der Felsaufschwung auf der anderen Seite sieht wild aus, sein etwas plattiger Fels ist aber schnell erklettert. Oben ist es dann zwar schmal, aber nicht besonders schwierig. Einige kleine Felsstufen sind schnell abgeklettert.

Es folgt die nächste Scharte. In die klettert man am Besten etwas rechts der hier recht scharfen Felskante hinunter, weiter unten wechselt man dann in die linke Flanke. Vorsicht, hier ist es ziemlich ausgesetzt. Es geht steil runter. Also schnell zurück auf den Grat, und aus dem Schartl nun einfacher hinauf auf die Grathöhe.

Oben angekommen, geht es nun einfacher voran. Die nächste Felsstufe ist schnell abge-, die darauffolgende trotz plattigen Fels schnell erklettert. Es folgt ein kleiner Überhang, den man hinuntermuss, das geht auf der Kante, man kann es aber wohl auch rechts umgehen. Dann ist der Weg frei zum Roteck (Karspitze, 2796m).

Falkamspitze - Roteck (Karspitze): Weglose Gratüberschreitung, T5 bis T6 (je nach Routenwahl)/II, 40 Minuten


Vom Roteck zur Karnase beschreibt der Grat nun eine S-, oder richtiger: eine Fragezeichenkurve. Dabei geht es zunächst 130 Meter hinunter in eine etwa 2660 Meter hohe Scharte. Das ist nicht schwierig, sind halt steile Schrofen, und ein ziemlicher Höhenverlust. Doch drüben lockt schon die nächste schmale Gratpassage. Ist dann zwar nicht so schmal, wie es aus der Ferne aussah, aber trotzdem eine schöne Schneide, und zudem überraschend einfach zu begehen. Dann folgt eine weitere kleine Einsenkung von etwa 20 Höhenmetern, danach geht es in leichter Kraxelei hinauf auf den Gipfel der Karnase (Winkles Höhe, 2713m).

Roteck (Karspitze) - Karnase (Winkles Höhe): Weglose Gratüberschreitung, T4 und leichter/I, 40 Minuten


"Aus dem Gsaritzer Törl über den NO-Grat leicht ersteigbare Graterhebung. Trittsicherheit!" schreibt Manfred Poleschinski über die Karnase in seinem in verdienstvoller Eigenarbeit erstellten Gebietsführer. Entsprechend hatte ich vor, über diesen Nordostgrat ins Gsaritzer Törl abzusteigen. Doch ich hatte noch Lust auf mehr, vor allem wollte ich die Schwierigkeiten noch ein wenig steigern. Da fiel mir der Südostgrat der Karnase ins Auge: Ein äußerst scharfes Teil, das mich ziemlich anmachte. Wenn ich das überschreiten könnte, würde ich zudem direkt zur Heinkaralm absteigen können. Zwei Fliegen mit einer Klappe!

Doch beschrieben ist dieser Grat nirgends, selbst Poleschinski, der sonst jeden Zacken dieser Gegend bestiegen hat, verliert kein Wort darüber. Sollte das heißen, dass eine Begehung gar nicht möglich ist? Da hilft nur eins: Selbst hingehen und nachsehen.


Über einen Wiesenhang stieg ich hinunter zum felsigen ersten Aufschwung des Grats, der sich hier gleich ordentlich zusammenzieht. Der Aufschwung ist bald erstiegen, und oben wird die Kante genauso scharf, wie ich es mir erhofft hatte: Die Felsplatten (nicht gerade das, was man festen Fels nennt!) stehen senkrecht und bilden äußerst schmale Scheiben. An einer Stelle setzte ich mich kurz drauf, machte ein langes Bein nach links, und umging eine kurze Passage links unterhalb der Kante. Dann kletterte ich weitere Felspassagen ab.

Es folgt eine kurze Gehpassage auf der Graskante, dann klettert man über die nun wieder schmale Felskante hinunter in ein Schartl, die letzten Meter links der Kante. Dann hat man das Schlimmste/Schönste hiner sich. Auf der nun etwas breiteren Graskante wandert man über einige Köpfe nach vorn, bis sich der Grat wieder deutlicher zu Tal neigt. Hier stieg ich nun einen steilen Grashang hinunter, immer die relativsten Passagen suchend. Direkt unterhalb einer Felskante stieß ich auf Wegspuren, denen ich kurz nach rechts querend folgte, dann schien mir der direkte Abstieg durch einen felsdurchsetzten Grashang zur Hütte sinnvoller.

Mühsam, aber direkt. Eine Stunde nachdem ich den Gipfel der Karnase verlassen hatte, kam ich an den Gebäuden der Heinkaralm (2119m) an.

Karnase (Winkles Höhe) - Heinkaralm: Weglose Gratüberschreitung, T6/II, 1h


Geil! Sehr geil, das war defi die beste Passage der gesamten Tour. Wer sowas mag: Südostgrat der Karnase - ich kann's nur empfehlen!

Tja, auf dem Fahrweg, auf dem ich am Morgen heraufgekommen war, stieg ich nun ab. Eine halbe Stunde später war ich zurück am Auto.

Heinkaralm - Parkplatz bei der Volkzeiner Hütte: Markierter Fahrweg, T1, 30 Minuten



Fazit:


Grandiose Tour, eine meiner schönsten in den Villgratener Bergen. Die Überschreitung von Wagenstein, die Falkamspitze, das Roteck (Karspitze) und die Karnase (Winkles Höhe) ist schon klasse, wegen der Strecke, aber auch wegen der fantastischen Aussicht zum Alpenhauptkamm und in die Dolos, Höhepunkt aber war der bis dato nicht beschriebene Südostgrat der Karnase. Sehr sexy, das Ding!


Ausrüstung:

Helm und Stecken.

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (4)


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rele hat gesagt:
Gesendet am 10. Oktober 2018 um 20:59
Wow, tolle Tour, gratuliere Dir Nik! Da geht ja noch richtig was bei Dir im Oktober :)

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. Oktober 2018 um 17:33
Grüß Dich!

Ja, das war ne Wahnsinnstour. Ist ne tolle Gegend, und total einsam, weil die Leute offenbar auf die 3000er fixiert sind (die es dort nicht gibt)- und dabei das Wesentliche übersehen: Die Schönheit der Berge ist doch viel wichtiger als ihre Höhe. Ich kann die Region nur empfehlen. 

A propos Oktober: Ich bin schon wieder unterwegs, diesmal im Lechquellengebirge. Auch eine schöne Gegend! GrußNik

rele hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. Oktober 2018 um 18:04
Klasse... kenne die Villgratner noch gar nicht, muss ich wohl auch mal hin! Hast ja auch grade noch super Wetter... freu mich dann auf den neuen Bericht :)

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. Oktober 2018 um 18:27
Ja, das Wetter ist super! Ich kann tolle Touren machen. Werde berichten.
Ende nächster Woche schneits dann....


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