Vier Tage durch die Deferegger Alpen
Seit ca. 2 Jahren habe ich dieses Gebiet im Auge für eine Mehrtagestour. Angesichts Corona und der entsprechend angespannten Hüttensituation hat sie sich dieses Jahr optimal angeboten. Aber es wird sicher nicht das letzte Mal gewesen sein für mich, denn auch ohne Corona hat diese Gegend alles was ich brauche und schätze. Allein schon die Unzahl an Sternen und Sternschnuppen...
Natürlich war die Runde zunächst anders und vor allem viel ambitionierter geplant, aber ein ordentlich gepackter Rucksack befördert einen schnell wieder auf den Boden der Tatsachen. Und letztlich finde ich die Tour, so wie sie umgesetzt wurde, eigentlich sogar stimmiger.
Zu den Zeitangaben: Ich finde die Angaben bei Poleschinski recht ambitioniert - zumindest, mit schwerem Gepäck oder wenn man mehrere Gratpassagen aneinanderhängt. Meine Angaben sind sind so zustandegekommen, teilweise auch nur aus den Fotos abgeleitet. Es handelt sich also um ungefähre Schätzwerte!
Für Unschlüssige, die nicht sicher sind, ob sich das Lesen lohnt, hier gleich mal zu Beginn die wichtigsten Pros und Cons:
+ Bergeinsamkeit pur
+ Enorm stimmungsvolle Landschaft
+ Adjustierbare Schwierigkeiten und Möglichkeit zu eigenständiger Routenwahl
+ Viel Wasser in hübschen Seen und Bächen
- Keine Prestige-Gipfel
- Wenige spektakuläre oder cheesy Fotomotive
- Kein Schatten
- Schlechte Erreichbarkeit (z.B. öffentlicher Nahverkehr, Hüttentaxi etc.)
Tag 1: Sternalm - Hochstein - Böses Weibele - Rotstein - Gelenkscharte
Lange bin ich nicht mit meinem Rucksack im Sommer in einem Skilift gesessen. Aber so ging es los, zunächst Godel, dann mit dem 2er Sessellift zur Sternalm direkt über Lienz. Hier folge ich dem ausgeschilderten Wanderweg (nicht der Forststraße) in Richtung Hochsteinhütte. Von der Hochsteinhütte führt dann eine mehrspuringe "Berg-Autobahn" mit seeehr gemäßigter Steigung am Hochstein vorbei zum Bösen Weibele. Hier trifft man noch viele Wanderer in Turnschuhen, was dazu führte, dass ich die letzten felsigen Meter zum Bösen Weibele sogar Schlange stehen musste (I, speckig).
Auf dem Bösen Weibele war dann tatsächlich so viel los, dass ich gleich weiter zum nächsten Gratgupf auf dem Weg zum Rotstein gelaufen bin, um Pause zu machen. Denn hat man das Böse Weibele Richtung Westen verlassen, ist es vorbei mit dem Trubel (der sich, im Vergleich zu jedem Münchner Hausberg immer noch stark in Grenzen hält). Ich habe auf jeden Fall von da ab an diesem Tag keinen Menschen mehr gesehen. Dennoch ist der Weg bis zum Rotstein weiterhin markiert und, von Schlechtwetter abgesehen, sollte die Wegfindung keinerlei Schwierigkeit bereiten. Man hält sich eigentlich durchweg an den unschwierigen Grasgrat. In die letzte Senke vor dem Rotstein geht es nach rechts (Norden) etwas bröselig hinunter und dann den schuttigen Hang hinauf (Notunterstand ca. 50m unterhalb des Gipfels). Wie schon beim Bösen Weibele sind nur die letzten Meter hinauf zum Gipfel ein wenig anspruchsvoller (I, Seilversicherungen).
Als ich hier oben stehe ist es bereits 17:00Uhr, denn die Anfaht und die Benützung der Seilbahn haben mich spät starten lassen. Aber nun geht es erstmals in unmarkiertes Gelände und ich gewinne einen ersten Eindruck von dem, was mich die nächsten Tage erwartet. Laut dem Gebietsführer von Manfred Poleschinski geht es zur Gelenkscharte immer knapp südlich unterhalb des Grates auf einem Steiglein entlang. Dergleichen finde ich nicht oder ich finde viele. Auf jeden Fall kann ich nicht behaupten, dass es eine eindeutige Spurenlage gibt. Mal bin ich zu weit oben, mal zu weit unten. Schwierig wird es dennoch nicht, manchmal vielleicht etwas unangenehm, aber das kann auch an der einsetzenden Müdigkeit liegen. In der Gelenkscharte angekommen gehe ich noch wenige Meter wieder bergauf in Richtung Mundsalspitze. Von dort kann man gut in das westlich des Grats liegende Kar mit einem schönen flachen Grasbuckel in der Mitte und einem See (eher einer Lacke) daneben hinüberqueren.
Diese Gefielde werden außer mir eigentlich nur von Schafen besucht, deren Anwesenheit in diesen Bergen ich noch sehr zu schätzen lerne. Sie sind großartige Wegebauer, besser als Gemsen - zumindest für die menschliche Begehung. Hin und wieder wünscht man sich nur, sie könnten sich mal für einen sinnvollen Weg von A nach B entscheiden ;-) Eine Frage habe ich allerding: Kann mir jemand sagen, warum sich Schafe zur Nacht in die Steilhänge zurückziehen, also in echt steile Steilhänge? Morgens kommen sie dann wieder runter. Fühlen sie sich dort sicherer vor potentiellen Fraßfeiden oder ist die Wärmeabstrahlung dort größer? Ich hab keine Ahnung, aber diesen Vorgang schon oft beobachtet.
Sternalm - Böses Weibele: 3:00h / W2-3 / I-
Böses Weibele - Rotstein: 4:00h / W3 / I-
Rotstein - Gelenkscharte: 1:00h / W4
Tag 2: Gelenkscharte - Zarspitzen - Bockstein - Geigenseehütte
Nachdem ich am Tag zuvor quasi aus der Zivilisation herausgelaufen bin, startet nun der eigentlich spannende Teil der Tour - gleich mit einer nicht-beschriebenen Mini-Variation. Eigentlich hätte ich wieder zurück zur Gelenkscharte gehen und von dort über den NNO-Grat zur Mundsalspitze aufsteigen wollen. Von meinem Startpunkt aus sah der westliche Begrenzungsrippe des Kars (=NNW-Sporn der Mundsalspitze) jedoch deutlich näher und auch nicht besonders schwierig aus und führt mich tatsächlich, bis auf 1-2 Ier Stellen, ohne nenenswerte Probleme auf den ersten Gipfel des Tages. Von der Oberen Mundsalspitze ging es weiter zunächst nach Süden auf die Untere Mundsalspitze und dann nach Osten auf die Zarspitzen zu.
Hier sollte es zum ersten Mal Richtig zur Sache gehen mit einem IIer Gratübergang von der Unteren zur Oberen Zarspitze, wobei ich die Untere Zarspitze als Gipfel nicht wahrgenommen habe (vielleicht kommt sie auch erst nach dem ersten Aufschwung). Nach kurzem Einklettern im oberen Ier Bereich steht man auf dem ersten Gratzacken (es gibt derer einige) und schaut hinab in eine Scharte deren einziger Ausweg auf der anderen Seite eine senkrecht wirkende Wand ist. Puuhh! Aber, den Erfahrungen der letzten Jahre folgend: Einfach erstmal hingehen, dann entscheiden! Und so stellt sich heraus, dass die Wand doch etwas weniger senkrecht ist, als es aussah und dazu von gut griffigen Rissen durchzogen, in denen auch ordentlich dicke Wanderschuhe noch Platz finden. Die Schwierigkeitsbewertung von Poleschinski würde ich hier bestätigen - technisch ist es tatsächlich "nur" ein IIer, wenn auch fast durchgehend während des gesamten Gratübergangs. Muffensausen habe ich trotzdem, als ich das Wandl angehe. Es ist doch ordentlich ausgesetzt und das Gestein ist mir, die ich zumeist in den nördlichen Kalkalpen unterwegs bin, noch fremd und schwerer einzuschätzen. Aber es ist hervorragend griffig und mit der Zeit (es kommen noch etwa 3 weitere solcher Aufschwünge) macht die Kletterei hinauf immer mehr Spaß. Eher problematisch finde ich oft die Abstiege von den Gratzacken, insbesondere wenn das Gestein dort weniger vertraunserweckend ist und die Neigung entgegengesetzt. Dann macht mir mein schwerer Rucksack doch zu schaffen. Ich beschließe schon unterwegs, dass mein Maximum in diesem Gelände mit meinem Gepäch glatte II ist und bin zugegebenermaßen froh nach viel auf und ab den Gipfel der Oberen Zarspitze erreicht zu haben, denn ein Rückzug wäre bereits nach dem ersten Wandl sehr unangenehm geworden. Den Gipfel der Oberen Zarspitze bildet übrigens ein ein Schotterplateau mit abgebrochenem Kreuz und einem Gipfelbuch aus dem Jahr 2016 mit 6 beschriebenen Seiten.
Aufgrund meiner freiwilligen Selbstbeschränkung auf den mittleren IIten Schwierigkeitsgrad bin ich nun gezwungen zumindest die Ohrenspitzen (II+, scharfer Grat) zu umgehen. Ich beschließe auch den Paterskopf auszulassen und direkt aus der Scharte westlich der Zarspitzen abzusteigen. Wo das Kar flacher wird will ich möglichst ohne großen Höhenverlust zum Zagoritsee zu queren. Dabei müssen ein paar Geländekanten umschifft werden (leichter ist es nach dem Paterskopf abzusteigen), aber es finden sich immer gut gangbare Möglichkeiten. Auch wenn das Gelände nicht optimal einsehbar ist, tauchen keine gänzlich unvermittelten oder gar unüberwindbaren Hindernisse auf. Das ist großartig, erlaubt es einem doch, sehr individuell hier unterwegs zu sein (solide Bergerfahrung vorausgesetzt!). Den Zagoritsee passiere ich an seiner Südseite und freue mich dann mal wieder einem Wanderweg in Richtung Östliche Bocksteinscharte folgen zu können.
Dort stand dann abermals eine Entscheidung an. Poleschinski gibt für die SO-Flanke des Bocksteins keine eindeutige Schwierigkeitsbewertung an (geschätzt II, spärliche, blaue Markierung). Bereits im Anstieg zur Scharte konnte ich jedoch in der Flanke einen orangen Farbtupfer erkennen und da ich wahrscheinlich zu faul gewesen wäre den Bockstein noch zu besteigen, wenn ich ihn erstmal umrundet hätte, entschloss ich den Anstieg durch die SO-Flanke auszuprobieren. Dazu geht es kurz unterhalb der Scharte erstmal ungemütlich in steilem Schutt rechts hinauf, bis man in der rechten Begrenzung des Schotterfeldes die erste alte, blaue Markierung sieht. Von da an ist die Wegfindung durch die neuen, neonorangen Punkte kaum noch schwierig. Das Gelände ist steil und grasig-schrofig, aber nicht schwierig - den größten Teil bin ich mit Stöcken aufgestiegen. Erst im oberen Teil kommen zwei Stellen die den IIten Schwierigkeitsgrad verdienen (kurz und weniger ausgesetzt, als die Zarspitzen). Es lohnt jedoch hier die Stöcke einzupacken. Oben am Gipfel treffe ich zum ersten mal heute andere Wanderer und bespreche mit ihnen meinen Weiterweg zur Geigenseehütte, der mir mittlerweile seehr lang erscheint.
Geplant war, mich von der Westlichen Bocksteinscharte bis zur Kreuzkuppe durchweg am Grat zu halten, der größtenteils einfach sein soll, nur eine IIer Stelle im Abstieg von Hochegg (2720m!). Wenn ich jedoch beizeiten am Geigensee ankommen will, dauert die Überschreitung zu lang und ist mir auch zu anstrengend. Nach dem etwas ungemütlich blockigen Abstieg vom Bockstein in die Westliche Bocksteinscharte steige ich also ein Stück weiter in die plattenbesetzte Hochebene unterhalb der Gratlinie ab und wandere über Moos, Gras und viele Platten nach Westen. Diesen Teil der Wanderung habe ich mit als einen der schönsten in Erinnerung. Die Landschaft ist zwar nicht spektakulär, aber Weglosigkeit, Stille und Weite sind in beeindruckender Weise physisch spürbar. Ich orientiere mich in der Tendenz nach links oben zur Grathöhe hin, um nicht den gesamten Aufstieg zur Grathöhe am Ende des Hochtals zu haben. Allerdings unterläuft mir bei der Zuordnung der Gipfel, die da Hochtal in N-S-Richtung begrenzen, ein Fehler bzw. hier sind auch meine Karten nicht eindeutig. Eigenlich wollte ich auf diesem Kamm nach Norden wandern bis ich auf den Wanderweg treffe, der vom Mondsee zum Geigensee über die Scharte (2728m) südlich des Hochegg (2835m!) führt. Tatsächlich quere ich unterhalb der Gratline nach Norden in die Scharte nordöstlich der (auf der Karte nicht benannten) Kreuzkuppe (2806m). Doch hier versperrt mir ein weiterer Grataufbau den Weiterweg zum Wanderweg. Die ersten Zacken des Grataufbaus habe ich noch überklettert, stand dann jedoch vor einem kleinen Abbruch, der mich nachdenklich machte. Ich wusste ja noch nicht mal, ob ich hier wirklich drüber sollte, da dieses Gebilde in Poleschinkis Gebietsführer nicht oder zumindest nicht in dieser Form erwähnt wurde. Allerdings ist in keiner meiner Karten ein Abstieg aus der Scharte nordöstlich der Kreuzkuppe eingetragen und von oben sieht es aus, als würde das eine böse Schlucht werden. Recht verzweifelt laufe ich westlich unterhalb des Grataufbaus herum und suche nach einem Weg die Abbruchkante in das Hochtal des Geigensees zu überwinden, bis ich endlich den zweiten undeutlichen roten Punkt dort entdecke, wo ich eine Schlucht vermutet hatte (den ersten hatte ich schon aus der Scharte nach der Kreuzkuppe entdeckt, aber für eine Flechte gehalten). Sehr erleichtert begebe ich mich zurück zu dieser Scharte und mache mich an den ruppigen, aber nun gut zu findenden Abstieg. Im Hochtal treffe ich auf zuvor gesuchten, sehr gut markierten Wanderweg und laufe nun safe zur Geigenseehütte. Dort habe ich an diesem Abend sogar Gesellschaft, die als Abwechslung sehr willkommen ist.
Gelenkscharte Untere Zarspitze: 1:30h / W4-
Überschreitung Zarspitzen: 2:30h / W6- / II
Zarspitze - Östliche Bocksteinscharte: 2:00h / W5-, dann W3
Überschreitung Bockstein: 0:45h / W5 / II --- 0:30h / W4
Westliche Bocksteinscharte - Geigenseehütte 3:00h / max W4+
Tag 3: Regenstein - Karnase - Roteck - Falkamsee
Von der Geigenseehütte aus stand die Überschreitung des Regensteins über den NNO-Grat und den Abstieg nach Westen an. Dazu steigt man von der Hütte zunächst auf dem Weg Richtung Bloshütte gut 50hm ab und überquert unterhalb der Geländestufe, auf der der Geigensee liegt die Schlucht, die den Abfluss des Pumpersees vermittelt. Auf der anderen Seite geht es dann spärlichen rot-weißen Markierungen folgendend zum Pumpersee hinauf, teilweise steil in morgendlich nassem Gras und mit ein paar Stellen, die den Einsatz der Hände erfordern. Am Auslauf des Pumpersees stehend hat man einen guten Überblick über den Gratverlauf zum Regenstein. Man überquert den Auslauf und hält auf die schrofigen Aufschwünge des Regenstein NNO-Grats zu. Dann habe ich entdeckt, dass der Grat eigentlich einen Vorbau hat und das dahinter eine Grasschrofen-Rinne bis hinauf zum Grat führt. In dieser bin ich dann fast bis ganz oben hochgestiegen. Im letzten Drittel wird es aber wirklich sehr steil und in dem vielen losen Griesel und Schutt sehr unangenehm wühlig. Wahrscheinlich ist es klug, bereits etwas früher nach links auf den Gratvorbau zu wechseln, aber was solls... Am Grat angekommen hat man einen herrlichen Blick auf den Geigensee mit Hütte und die anstehende Kletterei hält was sie laut Poleschinski verspricht (I+, guter Fels). Es macht wirklich große Freude - lediglich um den Gratkopf etwa in der Mitte des Grates herum ist das Gestein ein zeitlang deutlich weniger solide. Hier können einige kleine Aufschwünge aber auch knapp unterhalb auf Schafwegen umgangen werden, mal links mal rechts. Danach gewinnt der Fels seinen Zusammenhalt wieder, es wird aber auch leichter mit mehr Gehgelände, bis man aus einem kleinen Schuttkar den Schlussanstieg zum Gipfel des Regensteins startet, der nur auf den letzten Metern mit meinem späteren Abstiegweg identisch ist. Immer schön am Grat bleiben, es ist ein Genuß!
Auf dem Regenstein verbringe ich nicht viel Zeit, denn der heutige Tag wird lang werden. Ich nehme den markierten Wanderweg Richtung Villegrater Joch. Zunächst geht es steil und schuttig in einer Rinne (Drahtseil) hinab, die ich wirklich nicht hätte aufsteigen wollen (Gedanken an das Reissenschuhjoch bei der Heiterwand kommen auf). Dann geht es recht gut markiert in der Blockflanke südlich des Grates entlang, bis der Weg auf die Nordseite schwenkt (nochmals schuttig und seilversichert) und dann unterhalb der Kugelspitze in Richtung Westen. Am Villegrater Joch sehe ich abermals aus Zeit- und Konditionsgründen von einem weiteren Gratübergang ab und steige auf die Almflächen über dem Winkeltal ab. Hier wandere ich zunächst weglos, dann auf dem markierten Höhenweg hinüber zur Leisacher Alm und weiter zur Walderalm. Die Strecke zieht sich schon ein bisschen, es ist sehr heiß, Schatten gibt es keinen. Aber die Almen sind sehr hübsch und wirklich einfach nur Almen. So wäs gäbe es in den Münchner Voralpen, wo gefühlt jede Alm mindestens auch eine Jausenstation ist, nicht. Doch hier treffe ich tatsächlich nur Bergbauern und -bäuerinnen.
An der Walderalm gibt es zwei Möglichkeiten. Ein in der Austrain Map gepunktet, aber nicht markiert eingezeichneter Pfad führt gut erkennbar weiter am Hang entlang nach Westen zum Falkamsee (oder Falkommsee). Er beginn oberhalb der Walderalm am Ausgang der Mulde unterhalb des Gsaritzer Törls. Aber ein bisschen möchte ich doch noch oben laufen, auch an diesem Tag. Also geht es für mich den nicht durchweg gut sichtbaren Markierungen folgend hinauf ins Gsaritzer Törl. Dort starte ich den Aufstieg zur Karnase, der offenbar durchaus begangen wird, denn hier sind die Pfadspuren ganz sicher nicht nur von Schafen. Ich schaffe es auch noch weiter bis zum Rotegg, immer auf unschwierigen und aussichtsreichen Block- und Wiesengraten. Dann habe ich abermals genug und beschließe, nach ein wenig Kundschaften vom Rotegg einen Steilgrasabstieg zum Falkamsee zu probieren. Kurz sah es aus, als könnte ich damit doch unverhofft scheitern, aber dann hat es doch ganz gut geklappt. Nochmal: Das Gelände signalisiert einem in der Regel recht eindeutig, ob es begehbar ist oder nicht und hat mir dann auch keine bösen Überraschungen präsentiert. Als Wiedergutmachung für den ausgelassenen Wagenstein gönne ich mir an diesem 30°Tag ein Bad im Falkamsee, bevor ich noch ein Stück weiter zu der teils moorigen Hochfläche unterhalb des Degenhornsees wandere.
Geigenseehütte - Pumpersee: 0:30h / W4
Regenstein NNO-Grat: 1:30h / W5 / I+
Regenstein - Gsaritzer Törl: 4:00h / W3-4
Gsaritzer Törl - Falkamsee: 2:00h / W5 / I-
Tag 4: Degenhorn-Überschreitung und Abstieg zur Volkzeiner Hütte
Für heute ist gegen Mittag der Einzug einer Kaltfront angesagt, sodass ich nur noch den Vormittag für einen weiteren Gipfelausflug zur Verfügung habe. Ich habe beschlossen meine Mehrtagestour mit einer Überschreitung des Degenhorns zu beschließen. Dazu steige ich, diesmal mit leichtem Gepäck, auf bezeichnetem Weg zur Ochsenlenke auf. Von hier soll es über den NO-Grat auf das Große Degenhorn gehen - laut Poleschinski Stellen II, anfangs etwas plattig. Das mit dem "anfangs" und dem "plattig" stimmt: Alle unumgehbaren Schwierigkeiten habe ich im Zusammenhang mit dem ersten Gratkopf gefunden. Dannach kommen nur noch wenige Kletterstellen im Iten Schwierigkeitsgrat, vieles kann umgangen werden. Aber dieser erste Gratkopf hatte es in sich. Schon beim Aufstieg habe ich leichtes Herzrasen bekommen, aber ok - noch im IIer Bereich. Und dann stand ich auf dem Gratkopf und schaute ein ca. 8m schräges, plattiges, rissfreies Wandl hinab in die nächste Scharte. Links von mir war der Gratkopf überhängend geschichtet, rechts von mir brach das plattige Wandl völlig uneinsehbar ab. Hier musste ich offensichtlich runter und war heilfroh, meine Reepschnur und mein kurzes Seil dabei zu haben. Besonders gut sichern ließ sich damit nicht, ich habe die Reepschnur um zwei kleiner Blöcke geschlungen aber nicht verkürzt, so reichte mein Seil doppelt bis hinab in die Scharte. Nun also die Hand mit dem Seil immer schön nah am Fels, den Hintern weit raus, damit trotzdem noch Gewicht auf die Sohlen kommt, in Kleinsschritten hinab. Für mich ist das keine II mehr gewesen, ich würde sogar eine III- vergeben. Aber da könnt Ihr ja nach Ansicht der Bilder ein wenig drüber streiten ;-). Unten angekommen sehe ich zu meiner Erleichterung, dass ein Rückzug aus dieser Scharte zum Degenhornsee ohne Probleme möglich ist - nur für den Fall, dass nochmal so was kommt. Aber dem ist nicht so, der restliche Anstieg und auch der weitere Abstieg über den Normalweg und das Kleine Degenhorn verläuft problemlos bis langweilig zumeist in Schutt und Schrofen. Zum Abschluss genieße ich ein weiteres Bad. Der Degenhornsee ist nicht so kalt, wie man vermutet, obwohl noch Schneezungen in ihn hineinragen.
Nun mache ich mich auf den langen Abstieg zur Volkzeiner Hütte. Ich wähle den Weg über die Heinkaralm, auch wenn es ab da auf einer Forststraße weitergeht. Bis zur Heinkaralm erfordert der Wanderweg zweitweise noch Trittsicherheit und ich habe nichts dagegen, die Tour mit ein wenig entspanntem Ausschreiten ausklingen zu lassen. Ich erreiche die Hütte noch bei bestem Wetter. Trotzdem ist mir kalt und auch der leckere Apfelkuchen bringt nicht genügend Energie rein, als dass ich ohne Jacke im Schatten hätte sitzen können. Als ich die Wirtin nach einem Hüttentaxi frage und erzähle, wie ich hierher gelaufen bin, schlägt sie die Hände über dem Kopf zusammen und organisiert mir in Windeseile eine Mitfahrgelegenheit unter den anderen Tagesgästen. So fahre ich mit einem Wiener Pärchen Richtung Außervillegraten und die beiden bringen mich freundlicherweise noch nach Sillian, wo ich einen Zug nach Lienz nehmen kann. Wieder an meinem Ausgangspunkt angekommen fallen die ersten Regentropfen und ich fahre in strömendem Regen mit Donnerbegleitung erschöpft und zufrieden zurück nach München.
Unterer Degenhornsee - Ochsenlenke: 0:30h / W4-
Ochsenlenke - Degenhorn: 1:00h / W5 / I+ (erster Gratturm: W6 / III-)
Degenhorn - Heinkaralm: 1:30h / W4-
Heinkaralm - Volkzeiner Hütte: 0:45h / W1
Natürlich war die Runde zunächst anders und vor allem viel ambitionierter geplant, aber ein ordentlich gepackter Rucksack befördert einen schnell wieder auf den Boden der Tatsachen. Und letztlich finde ich die Tour, so wie sie umgesetzt wurde, eigentlich sogar stimmiger.
Zu den Zeitangaben: Ich finde die Angaben bei Poleschinski recht ambitioniert - zumindest, mit schwerem Gepäck oder wenn man mehrere Gratpassagen aneinanderhängt. Meine Angaben sind sind so zustandegekommen, teilweise auch nur aus den Fotos abgeleitet. Es handelt sich also um ungefähre Schätzwerte!
Für Unschlüssige, die nicht sicher sind, ob sich das Lesen lohnt, hier gleich mal zu Beginn die wichtigsten Pros und Cons:
+ Bergeinsamkeit pur
+ Enorm stimmungsvolle Landschaft
+ Adjustierbare Schwierigkeiten und Möglichkeit zu eigenständiger Routenwahl
+ Viel Wasser in hübschen Seen und Bächen
- Keine Prestige-Gipfel
- Wenige spektakuläre oder cheesy Fotomotive
- Kein Schatten
- Schlechte Erreichbarkeit (z.B. öffentlicher Nahverkehr, Hüttentaxi etc.)
Tag 1: Sternalm - Hochstein - Böses Weibele - Rotstein - Gelenkscharte
Lange bin ich nicht mit meinem Rucksack im Sommer in einem Skilift gesessen. Aber so ging es los, zunächst Godel, dann mit dem 2er Sessellift zur Sternalm direkt über Lienz. Hier folge ich dem ausgeschilderten Wanderweg (nicht der Forststraße) in Richtung Hochsteinhütte. Von der Hochsteinhütte führt dann eine mehrspuringe "Berg-Autobahn" mit seeehr gemäßigter Steigung am Hochstein vorbei zum Bösen Weibele. Hier trifft man noch viele Wanderer in Turnschuhen, was dazu führte, dass ich die letzten felsigen Meter zum Bösen Weibele sogar Schlange stehen musste (I, speckig).
Auf dem Bösen Weibele war dann tatsächlich so viel los, dass ich gleich weiter zum nächsten Gratgupf auf dem Weg zum Rotstein gelaufen bin, um Pause zu machen. Denn hat man das Böse Weibele Richtung Westen verlassen, ist es vorbei mit dem Trubel (der sich, im Vergleich zu jedem Münchner Hausberg immer noch stark in Grenzen hält). Ich habe auf jeden Fall von da ab an diesem Tag keinen Menschen mehr gesehen. Dennoch ist der Weg bis zum Rotstein weiterhin markiert und, von Schlechtwetter abgesehen, sollte die Wegfindung keinerlei Schwierigkeit bereiten. Man hält sich eigentlich durchweg an den unschwierigen Grasgrat. In die letzte Senke vor dem Rotstein geht es nach rechts (Norden) etwas bröselig hinunter und dann den schuttigen Hang hinauf (Notunterstand ca. 50m unterhalb des Gipfels). Wie schon beim Bösen Weibele sind nur die letzten Meter hinauf zum Gipfel ein wenig anspruchsvoller (I, Seilversicherungen).
Als ich hier oben stehe ist es bereits 17:00Uhr, denn die Anfaht und die Benützung der Seilbahn haben mich spät starten lassen. Aber nun geht es erstmals in unmarkiertes Gelände und ich gewinne einen ersten Eindruck von dem, was mich die nächsten Tage erwartet. Laut dem Gebietsführer von Manfred Poleschinski geht es zur Gelenkscharte immer knapp südlich unterhalb des Grates auf einem Steiglein entlang. Dergleichen finde ich nicht oder ich finde viele. Auf jeden Fall kann ich nicht behaupten, dass es eine eindeutige Spurenlage gibt. Mal bin ich zu weit oben, mal zu weit unten. Schwierig wird es dennoch nicht, manchmal vielleicht etwas unangenehm, aber das kann auch an der einsetzenden Müdigkeit liegen. In der Gelenkscharte angekommen gehe ich noch wenige Meter wieder bergauf in Richtung Mundsalspitze. Von dort kann man gut in das westlich des Grats liegende Kar mit einem schönen flachen Grasbuckel in der Mitte und einem See (eher einer Lacke) daneben hinüberqueren.
Diese Gefielde werden außer mir eigentlich nur von Schafen besucht, deren Anwesenheit in diesen Bergen ich noch sehr zu schätzen lerne. Sie sind großartige Wegebauer, besser als Gemsen - zumindest für die menschliche Begehung. Hin und wieder wünscht man sich nur, sie könnten sich mal für einen sinnvollen Weg von A nach B entscheiden ;-) Eine Frage habe ich allerding: Kann mir jemand sagen, warum sich Schafe zur Nacht in die Steilhänge zurückziehen, also in echt steile Steilhänge? Morgens kommen sie dann wieder runter. Fühlen sie sich dort sicherer vor potentiellen Fraßfeiden oder ist die Wärmeabstrahlung dort größer? Ich hab keine Ahnung, aber diesen Vorgang schon oft beobachtet.
Sternalm - Böses Weibele: 3:00h / W2-3 / I-
Böses Weibele - Rotstein: 4:00h / W3 / I-
Rotstein - Gelenkscharte: 1:00h / W4
Tag 2: Gelenkscharte - Zarspitzen - Bockstein - Geigenseehütte
Nachdem ich am Tag zuvor quasi aus der Zivilisation herausgelaufen bin, startet nun der eigentlich spannende Teil der Tour - gleich mit einer nicht-beschriebenen Mini-Variation. Eigentlich hätte ich wieder zurück zur Gelenkscharte gehen und von dort über den NNO-Grat zur Mundsalspitze aufsteigen wollen. Von meinem Startpunkt aus sah der westliche Begrenzungsrippe des Kars (=NNW-Sporn der Mundsalspitze) jedoch deutlich näher und auch nicht besonders schwierig aus und führt mich tatsächlich, bis auf 1-2 Ier Stellen, ohne nenenswerte Probleme auf den ersten Gipfel des Tages. Von der Oberen Mundsalspitze ging es weiter zunächst nach Süden auf die Untere Mundsalspitze und dann nach Osten auf die Zarspitzen zu.
Hier sollte es zum ersten Mal Richtig zur Sache gehen mit einem IIer Gratübergang von der Unteren zur Oberen Zarspitze, wobei ich die Untere Zarspitze als Gipfel nicht wahrgenommen habe (vielleicht kommt sie auch erst nach dem ersten Aufschwung). Nach kurzem Einklettern im oberen Ier Bereich steht man auf dem ersten Gratzacken (es gibt derer einige) und schaut hinab in eine Scharte deren einziger Ausweg auf der anderen Seite eine senkrecht wirkende Wand ist. Puuhh! Aber, den Erfahrungen der letzten Jahre folgend: Einfach erstmal hingehen, dann entscheiden! Und so stellt sich heraus, dass die Wand doch etwas weniger senkrecht ist, als es aussah und dazu von gut griffigen Rissen durchzogen, in denen auch ordentlich dicke Wanderschuhe noch Platz finden. Die Schwierigkeitsbewertung von Poleschinski würde ich hier bestätigen - technisch ist es tatsächlich "nur" ein IIer, wenn auch fast durchgehend während des gesamten Gratübergangs. Muffensausen habe ich trotzdem, als ich das Wandl angehe. Es ist doch ordentlich ausgesetzt und das Gestein ist mir, die ich zumeist in den nördlichen Kalkalpen unterwegs bin, noch fremd und schwerer einzuschätzen. Aber es ist hervorragend griffig und mit der Zeit (es kommen noch etwa 3 weitere solcher Aufschwünge) macht die Kletterei hinauf immer mehr Spaß. Eher problematisch finde ich oft die Abstiege von den Gratzacken, insbesondere wenn das Gestein dort weniger vertraunserweckend ist und die Neigung entgegengesetzt. Dann macht mir mein schwerer Rucksack doch zu schaffen. Ich beschließe schon unterwegs, dass mein Maximum in diesem Gelände mit meinem Gepäch glatte II ist und bin zugegebenermaßen froh nach viel auf und ab den Gipfel der Oberen Zarspitze erreicht zu haben, denn ein Rückzug wäre bereits nach dem ersten Wandl sehr unangenehm geworden. Den Gipfel der Oberen Zarspitze bildet übrigens ein ein Schotterplateau mit abgebrochenem Kreuz und einem Gipfelbuch aus dem Jahr 2016 mit 6 beschriebenen Seiten.
Aufgrund meiner freiwilligen Selbstbeschränkung auf den mittleren IIten Schwierigkeitsgrad bin ich nun gezwungen zumindest die Ohrenspitzen (II+, scharfer Grat) zu umgehen. Ich beschließe auch den Paterskopf auszulassen und direkt aus der Scharte westlich der Zarspitzen abzusteigen. Wo das Kar flacher wird will ich möglichst ohne großen Höhenverlust zum Zagoritsee zu queren. Dabei müssen ein paar Geländekanten umschifft werden (leichter ist es nach dem Paterskopf abzusteigen), aber es finden sich immer gut gangbare Möglichkeiten. Auch wenn das Gelände nicht optimal einsehbar ist, tauchen keine gänzlich unvermittelten oder gar unüberwindbaren Hindernisse auf. Das ist großartig, erlaubt es einem doch, sehr individuell hier unterwegs zu sein (solide Bergerfahrung vorausgesetzt!). Den Zagoritsee passiere ich an seiner Südseite und freue mich dann mal wieder einem Wanderweg in Richtung Östliche Bocksteinscharte folgen zu können.
Dort stand dann abermals eine Entscheidung an. Poleschinski gibt für die SO-Flanke des Bocksteins keine eindeutige Schwierigkeitsbewertung an (geschätzt II, spärliche, blaue Markierung). Bereits im Anstieg zur Scharte konnte ich jedoch in der Flanke einen orangen Farbtupfer erkennen und da ich wahrscheinlich zu faul gewesen wäre den Bockstein noch zu besteigen, wenn ich ihn erstmal umrundet hätte, entschloss ich den Anstieg durch die SO-Flanke auszuprobieren. Dazu geht es kurz unterhalb der Scharte erstmal ungemütlich in steilem Schutt rechts hinauf, bis man in der rechten Begrenzung des Schotterfeldes die erste alte, blaue Markierung sieht. Von da an ist die Wegfindung durch die neuen, neonorangen Punkte kaum noch schwierig. Das Gelände ist steil und grasig-schrofig, aber nicht schwierig - den größten Teil bin ich mit Stöcken aufgestiegen. Erst im oberen Teil kommen zwei Stellen die den IIten Schwierigkeitsgrad verdienen (kurz und weniger ausgesetzt, als die Zarspitzen). Es lohnt jedoch hier die Stöcke einzupacken. Oben am Gipfel treffe ich zum ersten mal heute andere Wanderer und bespreche mit ihnen meinen Weiterweg zur Geigenseehütte, der mir mittlerweile seehr lang erscheint.
Geplant war, mich von der Westlichen Bocksteinscharte bis zur Kreuzkuppe durchweg am Grat zu halten, der größtenteils einfach sein soll, nur eine IIer Stelle im Abstieg von Hochegg (2720m!). Wenn ich jedoch beizeiten am Geigensee ankommen will, dauert die Überschreitung zu lang und ist mir auch zu anstrengend. Nach dem etwas ungemütlich blockigen Abstieg vom Bockstein in die Westliche Bocksteinscharte steige ich also ein Stück weiter in die plattenbesetzte Hochebene unterhalb der Gratlinie ab und wandere über Moos, Gras und viele Platten nach Westen. Diesen Teil der Wanderung habe ich mit als einen der schönsten in Erinnerung. Die Landschaft ist zwar nicht spektakulär, aber Weglosigkeit, Stille und Weite sind in beeindruckender Weise physisch spürbar. Ich orientiere mich in der Tendenz nach links oben zur Grathöhe hin, um nicht den gesamten Aufstieg zur Grathöhe am Ende des Hochtals zu haben. Allerdings unterläuft mir bei der Zuordnung der Gipfel, die da Hochtal in N-S-Richtung begrenzen, ein Fehler bzw. hier sind auch meine Karten nicht eindeutig. Eigenlich wollte ich auf diesem Kamm nach Norden wandern bis ich auf den Wanderweg treffe, der vom Mondsee zum Geigensee über die Scharte (2728m) südlich des Hochegg (2835m!) führt. Tatsächlich quere ich unterhalb der Gratline nach Norden in die Scharte nordöstlich der (auf der Karte nicht benannten) Kreuzkuppe (2806m). Doch hier versperrt mir ein weiterer Grataufbau den Weiterweg zum Wanderweg. Die ersten Zacken des Grataufbaus habe ich noch überklettert, stand dann jedoch vor einem kleinen Abbruch, der mich nachdenklich machte. Ich wusste ja noch nicht mal, ob ich hier wirklich drüber sollte, da dieses Gebilde in Poleschinkis Gebietsführer nicht oder zumindest nicht in dieser Form erwähnt wurde. Allerdings ist in keiner meiner Karten ein Abstieg aus der Scharte nordöstlich der Kreuzkuppe eingetragen und von oben sieht es aus, als würde das eine böse Schlucht werden. Recht verzweifelt laufe ich westlich unterhalb des Grataufbaus herum und suche nach einem Weg die Abbruchkante in das Hochtal des Geigensees zu überwinden, bis ich endlich den zweiten undeutlichen roten Punkt dort entdecke, wo ich eine Schlucht vermutet hatte (den ersten hatte ich schon aus der Scharte nach der Kreuzkuppe entdeckt, aber für eine Flechte gehalten). Sehr erleichtert begebe ich mich zurück zu dieser Scharte und mache mich an den ruppigen, aber nun gut zu findenden Abstieg. Im Hochtal treffe ich auf zuvor gesuchten, sehr gut markierten Wanderweg und laufe nun safe zur Geigenseehütte. Dort habe ich an diesem Abend sogar Gesellschaft, die als Abwechslung sehr willkommen ist.
Gelenkscharte Untere Zarspitze: 1:30h / W4-
Überschreitung Zarspitzen: 2:30h / W6- / II
Zarspitze - Östliche Bocksteinscharte: 2:00h / W5-, dann W3
Überschreitung Bockstein: 0:45h / W5 / II --- 0:30h / W4
Westliche Bocksteinscharte - Geigenseehütte 3:00h / max W4+
Tag 3: Regenstein - Karnase - Roteck - Falkamsee
Von der Geigenseehütte aus stand die Überschreitung des Regensteins über den NNO-Grat und den Abstieg nach Westen an. Dazu steigt man von der Hütte zunächst auf dem Weg Richtung Bloshütte gut 50hm ab und überquert unterhalb der Geländestufe, auf der der Geigensee liegt die Schlucht, die den Abfluss des Pumpersees vermittelt. Auf der anderen Seite geht es dann spärlichen rot-weißen Markierungen folgendend zum Pumpersee hinauf, teilweise steil in morgendlich nassem Gras und mit ein paar Stellen, die den Einsatz der Hände erfordern. Am Auslauf des Pumpersees stehend hat man einen guten Überblick über den Gratverlauf zum Regenstein. Man überquert den Auslauf und hält auf die schrofigen Aufschwünge des Regenstein NNO-Grats zu. Dann habe ich entdeckt, dass der Grat eigentlich einen Vorbau hat und das dahinter eine Grasschrofen-Rinne bis hinauf zum Grat führt. In dieser bin ich dann fast bis ganz oben hochgestiegen. Im letzten Drittel wird es aber wirklich sehr steil und in dem vielen losen Griesel und Schutt sehr unangenehm wühlig. Wahrscheinlich ist es klug, bereits etwas früher nach links auf den Gratvorbau zu wechseln, aber was solls... Am Grat angekommen hat man einen herrlichen Blick auf den Geigensee mit Hütte und die anstehende Kletterei hält was sie laut Poleschinski verspricht (I+, guter Fels). Es macht wirklich große Freude - lediglich um den Gratkopf etwa in der Mitte des Grates herum ist das Gestein ein zeitlang deutlich weniger solide. Hier können einige kleine Aufschwünge aber auch knapp unterhalb auf Schafwegen umgangen werden, mal links mal rechts. Danach gewinnt der Fels seinen Zusammenhalt wieder, es wird aber auch leichter mit mehr Gehgelände, bis man aus einem kleinen Schuttkar den Schlussanstieg zum Gipfel des Regensteins startet, der nur auf den letzten Metern mit meinem späteren Abstiegweg identisch ist. Immer schön am Grat bleiben, es ist ein Genuß!
Auf dem Regenstein verbringe ich nicht viel Zeit, denn der heutige Tag wird lang werden. Ich nehme den markierten Wanderweg Richtung Villegrater Joch. Zunächst geht es steil und schuttig in einer Rinne (Drahtseil) hinab, die ich wirklich nicht hätte aufsteigen wollen (Gedanken an das Reissenschuhjoch bei der Heiterwand kommen auf). Dann geht es recht gut markiert in der Blockflanke südlich des Grates entlang, bis der Weg auf die Nordseite schwenkt (nochmals schuttig und seilversichert) und dann unterhalb der Kugelspitze in Richtung Westen. Am Villegrater Joch sehe ich abermals aus Zeit- und Konditionsgründen von einem weiteren Gratübergang ab und steige auf die Almflächen über dem Winkeltal ab. Hier wandere ich zunächst weglos, dann auf dem markierten Höhenweg hinüber zur Leisacher Alm und weiter zur Walderalm. Die Strecke zieht sich schon ein bisschen, es ist sehr heiß, Schatten gibt es keinen. Aber die Almen sind sehr hübsch und wirklich einfach nur Almen. So wäs gäbe es in den Münchner Voralpen, wo gefühlt jede Alm mindestens auch eine Jausenstation ist, nicht. Doch hier treffe ich tatsächlich nur Bergbauern und -bäuerinnen.
An der Walderalm gibt es zwei Möglichkeiten. Ein in der Austrain Map gepunktet, aber nicht markiert eingezeichneter Pfad führt gut erkennbar weiter am Hang entlang nach Westen zum Falkamsee (oder Falkommsee). Er beginn oberhalb der Walderalm am Ausgang der Mulde unterhalb des Gsaritzer Törls. Aber ein bisschen möchte ich doch noch oben laufen, auch an diesem Tag. Also geht es für mich den nicht durchweg gut sichtbaren Markierungen folgend hinauf ins Gsaritzer Törl. Dort starte ich den Aufstieg zur Karnase, der offenbar durchaus begangen wird, denn hier sind die Pfadspuren ganz sicher nicht nur von Schafen. Ich schaffe es auch noch weiter bis zum Rotegg, immer auf unschwierigen und aussichtsreichen Block- und Wiesengraten. Dann habe ich abermals genug und beschließe, nach ein wenig Kundschaften vom Rotegg einen Steilgrasabstieg zum Falkamsee zu probieren. Kurz sah es aus, als könnte ich damit doch unverhofft scheitern, aber dann hat es doch ganz gut geklappt. Nochmal: Das Gelände signalisiert einem in der Regel recht eindeutig, ob es begehbar ist oder nicht und hat mir dann auch keine bösen Überraschungen präsentiert. Als Wiedergutmachung für den ausgelassenen Wagenstein gönne ich mir an diesem 30°Tag ein Bad im Falkamsee, bevor ich noch ein Stück weiter zu der teils moorigen Hochfläche unterhalb des Degenhornsees wandere.
Geigenseehütte - Pumpersee: 0:30h / W4
Regenstein NNO-Grat: 1:30h / W5 / I+
Regenstein - Gsaritzer Törl: 4:00h / W3-4
Gsaritzer Törl - Falkamsee: 2:00h / W5 / I-
Tag 4: Degenhorn-Überschreitung und Abstieg zur Volkzeiner Hütte
Für heute ist gegen Mittag der Einzug einer Kaltfront angesagt, sodass ich nur noch den Vormittag für einen weiteren Gipfelausflug zur Verfügung habe. Ich habe beschlossen meine Mehrtagestour mit einer Überschreitung des Degenhorns zu beschließen. Dazu steige ich, diesmal mit leichtem Gepäck, auf bezeichnetem Weg zur Ochsenlenke auf. Von hier soll es über den NO-Grat auf das Große Degenhorn gehen - laut Poleschinski Stellen II, anfangs etwas plattig. Das mit dem "anfangs" und dem "plattig" stimmt: Alle unumgehbaren Schwierigkeiten habe ich im Zusammenhang mit dem ersten Gratkopf gefunden. Dannach kommen nur noch wenige Kletterstellen im Iten Schwierigkeitsgrat, vieles kann umgangen werden. Aber dieser erste Gratkopf hatte es in sich. Schon beim Aufstieg habe ich leichtes Herzrasen bekommen, aber ok - noch im IIer Bereich. Und dann stand ich auf dem Gratkopf und schaute ein ca. 8m schräges, plattiges, rissfreies Wandl hinab in die nächste Scharte. Links von mir war der Gratkopf überhängend geschichtet, rechts von mir brach das plattige Wandl völlig uneinsehbar ab. Hier musste ich offensichtlich runter und war heilfroh, meine Reepschnur und mein kurzes Seil dabei zu haben. Besonders gut sichern ließ sich damit nicht, ich habe die Reepschnur um zwei kleiner Blöcke geschlungen aber nicht verkürzt, so reichte mein Seil doppelt bis hinab in die Scharte. Nun also die Hand mit dem Seil immer schön nah am Fels, den Hintern weit raus, damit trotzdem noch Gewicht auf die Sohlen kommt, in Kleinsschritten hinab. Für mich ist das keine II mehr gewesen, ich würde sogar eine III- vergeben. Aber da könnt Ihr ja nach Ansicht der Bilder ein wenig drüber streiten ;-). Unten angekommen sehe ich zu meiner Erleichterung, dass ein Rückzug aus dieser Scharte zum Degenhornsee ohne Probleme möglich ist - nur für den Fall, dass nochmal so was kommt. Aber dem ist nicht so, der restliche Anstieg und auch der weitere Abstieg über den Normalweg und das Kleine Degenhorn verläuft problemlos bis langweilig zumeist in Schutt und Schrofen. Zum Abschluss genieße ich ein weiteres Bad. Der Degenhornsee ist nicht so kalt, wie man vermutet, obwohl noch Schneezungen in ihn hineinragen.
Nun mache ich mich auf den langen Abstieg zur Volkzeiner Hütte. Ich wähle den Weg über die Heinkaralm, auch wenn es ab da auf einer Forststraße weitergeht. Bis zur Heinkaralm erfordert der Wanderweg zweitweise noch Trittsicherheit und ich habe nichts dagegen, die Tour mit ein wenig entspanntem Ausschreiten ausklingen zu lassen. Ich erreiche die Hütte noch bei bestem Wetter. Trotzdem ist mir kalt und auch der leckere Apfelkuchen bringt nicht genügend Energie rein, als dass ich ohne Jacke im Schatten hätte sitzen können. Als ich die Wirtin nach einem Hüttentaxi frage und erzähle, wie ich hierher gelaufen bin, schlägt sie die Hände über dem Kopf zusammen und organisiert mir in Windeseile eine Mitfahrgelegenheit unter den anderen Tagesgästen. So fahre ich mit einem Wiener Pärchen Richtung Außervillegraten und die beiden bringen mich freundlicherweise noch nach Sillian, wo ich einen Zug nach Lienz nehmen kann. Wieder an meinem Ausgangspunkt angekommen fallen die ersten Regentropfen und ich fahre in strömendem Regen mit Donnerbegleitung erschöpft und zufrieden zurück nach München.
Unterer Degenhornsee - Ochsenlenke: 0:30h / W4-
Ochsenlenke - Degenhorn: 1:00h / W5 / I+ (erster Gratturm: W6 / III-)
Degenhorn - Heinkaralm: 1:30h / W4-
Heinkaralm - Volkzeiner Hütte: 0:45h / W1
Hike partners:
kneewoman
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