Säntis Ostgrat - Böseggroute


Publiziert von Chrichen , 2. Oktober 2015 um 07:55.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum:21 September 2015
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-AI   CH-AR   CH-SG 
Zeitbedarf: 4:30
Aufstieg: 450 m
Abstieg: 450 m
Strecke:ca. 4 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem ÖV: Zug bis Urnäsch / Postauto bis Schwägalp / Luftseilbahn zum Säntis
Zufahrt zum Ankunftspunkt:(Gleicher Weg umgekehrt)

Der Säntis Ostgrat intresseierte mich schon länger, verspricht er doch anregende Gratkraxelei vom Feinsten. Da ich nach einer Erkältung immer noch nicht ganz fit bin, entschied ich mich für die Kurzvariante mit Start und Ziel auf dem Säntis.

Bei der Planung habe ich mich vor allem am *Bericht von carpintero sowie an den Berichten von Delta (*hier und *hier) orientiert. Eine gute Beschreibung zum Einstieg in die Böseggroute direkt ab Wagenlücke findet sich von Ivo66 in *diesem Bericht. Erwähnenswert sind auch die sehr interessanten Ausführungen zum Blau Schnee (inkl. Bilder) von Delta in den beiden oben verlinkten Berichten.

Säntis - Geröllfeld unter dem Blauschnee (T3)
Nach einigen Fotos vom eindrücklichen Panorama starte ich gemächlich um 11 Uhr morgens bei der Säntis-Bergstation. Durch den Stollen gehe ich zur Himmelsleiter und hangle mich den Seilen entlang effizient hinunter. Den Gedanken, schon beim Blau Schnee Sattel zum Gletscher abzusteigen, verwerfe ich, da das zumindest bei den aktuellen Verhältnissen recht schwierig aussieht. Also weiter dem Wanderweg entlang über einen kleinen Gegenanstieg zum Girensattel und von dort immer noch dem Weg folgend hinunter in Richtung "Blau Schnee". Da der Altschnee mittlerweile weitgehend abgeschmolzen ist, findet man im Bereich des Weges zurzeit nur noch Geröll vor. Nach einigen Kurven verlasse ich den Wanderweg und gehe nunmehr weglos weiter durch die Steinwüste in Richtung Lochtem. Wie schon anderweitig erwähnt wurde, ist diese Region eine wahre Müllhalde. Was man hier alles vorfindet... eine (traurige) Reise in die Vergangenheit!

Querung des mittleren Bandes bei Lochtem (T5)
In den oben verlinkten Berichten wird vorgeschlagen, bis auf eine Höhe von 2080m abzusteigen und dann Grasbändern und Gemsspuren folgend durch die Flanke der Lochtem querend aufzusteigen (T5-). Mich fasziniert jedoch ein auffälliges breites Band um einiges weiter oben (eigentlich das mittlere von insgesamt dreien). Laut Studium von Fotos und der Aussicht vom Girensattel her sollte es ebenfalls problemlos zum Ziel führen. Durch lebendiges Geröll quere ich zum Einstieg, um einen Versuch zu wagen. Zu meinem Erfreuen sind sogar schwache Spuren vorhanden.

In leicht geneigtem steinigem Gelände steige ich den Spuren folgend auf, bis der Untergrund nach wenigen Metern moosig-grasig wird. Die Spur führt nun hart an der Abbruchkante weiter. Der leicht feuchte Boden bietet glücklicherweise erstaunlich guten Griff. Es zeigt sich schon jetzt, dass das Felsband zum mittleren Teil hin doch recht abschüssig wird. Da mir die deutlichsten Spuren bald zu ausgesetzt sind, steige ich an den oberen Rand des Bandes auf, wo auch die Hände zum Einsatz kommen können. Die Schrofenwand weist jedoch viele lockere Steine auf, was zur Vorsicht bei der Wahl von Griffen mahnt. Nach einem Weilchen legt sich die Neigung des Bandes etwas. Es wird breiter und wieder angenehmer zu begehen. Nach eins zwei steinigeren Abschnitten sind die Schwierigkeiten schliesslich definitv vorbei. Das grasige Felsband würde ich insgesamt als ein eher mühsames T5 einschätzen - kein Vergleich zur wunderschönen Gratkraxelei, die noch folgen würde. Stellenweise gab der Pickel zusätzliche Sicherheit.

Lochtem - Wagenlücke (T4)
Nach überwundenem Band ist das Gelände wieder einfach und frei begehbar. Später trennt eine keine Rippe die Möglichkeiten auf in einen Geröllkessel rechts davon und Wiesengelände links. Die Rippe selbst kann vermutlich auch begangen werden. Aus Angst, etwas zu verpassen, wähle ich das Geröll, über das sich der Weg zur Wagenlücke mit Sicherheit erreichen lässt. Im Nachhinein würde ich das Gras links von der Rippe bevorzugen, da diese Variante ebenfalls zum Ziel führt (in diesem Fall sollte man direkt nach Ende der Rippe rechts halten). Am Ende der Geröllhalte führen deutliche Wegspuren nahe der Felswand entlang und in der Flanke zum offiziellen Weg hinauf. Die Spuren teilen sich in einige mehr oder weniger direkte Varianten. Kurz nach Erreichen des Wanderweges stehe ich schliesslich schon in der Wagenlücke. Imposant präsentiert sich der Wagenlückenspitz.

Einstieg Säntis Ostgrat ab Wagenlücke (T5, II)
Nach einer kurzen Pause mache ich mich an den Direktaufstieg zum Ostgrat. Zuerst steigt man Spuren folgend 10-20 Meter in Richtung Westen auf, um ein nach rechts gehendes deutliches Grasband zu erreichen. Dieses wird zunehmend schmaler und ausgesetzter, wobei der Fels formidable Griffe bietet, was die gefühlte Exponiertheit deutlich reduziert. Dort wo das Band schon recht schmal ist, kann an geeigneter Stelle in der Fallinie hinaufgekraxelt werden, um einen kurzen und schmalen Grat zu erreichen, der linksseitig von einer senkrechten Felswand begrenzt wird. Nicht allzu grosszügig bemessene Aufstiegshilfen und ein dünnes altes Fixseil helfen, die glatte ca. 4m hohe Wand zu überwinden. Diese Stelle ist sehr exponiert, dank der künstlichen Hilfen aber nicht allzu schwierig. Einzig unmittelbar vor dem Ausstieg hätte ich mir noch eine weitere Aufstiegshilfe gewünscht. Ein schwach ausgeprägter Tritt und viel Zug am Seil helfen weiter. Über eine geneigte Platte gelangt man zu einem zweiten Drahtseil, das über eine weitere kurze Stufe hilft. Hier muss ich nochmals beherzt zupacken, bevor ich die flache idyllische Wiese auf dem Grat in Griffnähe ist.

Die Wiese eignet sich hervorragend für eine gemütliche Pause an einsamer Stelle. Ein grotesk geformter Stein lädt zum Fotografieren ein. Ich gehe noch ein wenig weiter, lege mich anschliessend für ein Weilchen ins Gras und geniesse den warmen Sonnenschein.

Säntis Ostgrat, Böseggroute (T5, I-II)
Am Ende der Wiese trifft man auf die einfachere Aufstiegsvariante vom Wanderweg her. Es böte sich eine Gelegenheit für einen Notausstieg. Gleich darauf folgen einige recht exponierte Gratpassagen die sich in herrlichem Fels über- und umkraxeln lassen. Tolle Griffe und hervorragende Tritte machen das Unternehmen zu einem grossen Spass. In der Regel bleibt man auf oder hart an der Gratschneide. Im letzteren Fall oft mit den Händen an der Kante und eher in der Südflanke als in der Nordflanke. Nur an einer Stelle bewege ich mich südseitig wenige Meter unterhalb des Grates. Die Tiefblicke rechterhands faszinieren, denn der Fels bricht dort fast senkrecht ab. Auf der linken Seite präsentiert sich das eindrückliche Karstgebiet unterhalb des Gross Schnee. Ab und zu höre ich mehr oder weniger deutliche Stimmen, vermutlich vom Wanderweg weiter unten her, oder später von der Terrasse des Berggasthaus Alter Säntis. Die Touristen auf dem Säntis sind klar erkennbar, und ich fühle mich etwas beobachtet.

Nach einem Weilchen wird ein kleines Gedenkkreuz erreicht. Ab hier wird der Grat sanfter und es herrscht wieder Gehgelände vor. Nur noch eine längere schmale Passage ist zu überwinden, bevor der Steilaufschwung des Bösegg in die Nähe rückt. Halb gehend halb kraxelnd bewege ich mich auf dem nun stellenweise recht breiten Grat weiter aufwärts. Die Südflanke ist hier nicht mehr besonders abschüssig, und es würden sich einige Möglichkeiten für ein Verlassen der Route bieten. Auffällig zeigen sich am Horizont die Fixseile, mit deren Hilfe ein erster Aufschwung überwunden wird. Man erreicht sie von der rechten Seite her in Aufstiegsrichtung. Kurz später folgt eine zweite Steilstufe mit Fixseil, nach der man sich schon bald direkt unterhalb des Berggasthauses befindet. Links neben einer Holzbarracke findet sich schliesslich ein letztes dünnes Drahtseil, das direkt zum Geländer der Gartenterrasse führt. Ich ziehe mich daran hoch, übersteige das Geländer und werde sogleich von einem älteren Paar gefragt, wo ich denn herkomme. Was für ein Ausstieg! Schon fast eine Bier-Diretissima :-)

Auf das Bier verzichte ich aber und mache stattdessen viele Fotos von der Aussicht vom Säntisgipfel. Wolkenfelder und das herbstliche Licht hüllen die Bergwelt in eine wundervolle Atmosphäre...

Eine kurze und abwechslungsreiche Wanderung, die sich auch bei sehr gemächlichem Tempo innert weniger Stunden machen lässt. Das breite abschüsslige Felsband bei der Lochtem war eine interessante Erfahrung. Bei einem nächsten Mal würde ich aber wohl doch die andere Variante wählen, die vermutlich etwas kräfte- und nervenschonender ist. Schlüsselstelle ist der Direktaufstieg zum Grat ab der Wagenlücke. Die Stelle liesse sich aber einfach umgehen. An den Fixseilen musste ich teilweise gehörig zupacken.

Tourengänger: Chrichen


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