Steghorn 3146m Nordgrat und Überschreitung ins Lämmerental


Publiziert von alpensucht , 17. Mai 2013 um 09:07.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Frutigland
Tour Datum: 2 Oktober 2012
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-VS 
Zeitbedarf: 13:00
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 1300 m
Strecke:siehe Wegpunkte - insges. 15km
Unterkunftmöglichkeiten:Lämmerenhütte, Gemmipass, Berghotel Schwarenbach

Nun steht sie an, die erste echte ZS -Tour. Und das auch noch über eine selten begangene Route mit teils brüchigem Gestein... ich bin wirklich gespannt, wie das wird! An unserem herrlichen Biwakplatz zeigt das Thermometer -4°C, als ich gegen 6:30 Uhr aus dem Zelt krieche. Wir frühstücken noch kurz ein wenig, packen und starten um 7:30 Uhr.

 

Die beiden Mädels wollen über den Tälligletscher auf den Steghorn Ostgrat (T6) und so unser heutiges Ziel erreichen. Jonas und ich statten erst dem Tierhörnli 2894m einen Besuch ab und steigen dann über den Nordgrat auf den Gipfel des Steghorns. Zunächst gehen wir also gemeinsam durch das Tal vom Tällisee, wo alles Schwemmmaterial noch angefroren ist. Ein Stück gehen wir noch gemeinsam, doch wo der Abfluss vom Tälligletscher gut zu überwinden geht, wenden wir uns bald zum Chindbettipass (nördl.).
 

Am Tierhörnli

Über sich etwas aufsteilendes, noch gefrorenenes Geröll bewegen wir uns direkt senkrecht auf den Wanderweg zu (T3). Kurz bevor wir diesen erreichen, beginnt so ein leises Knacken und Rollen... seltsam!! Wir schauen die Flanke hinauf und sehen auch einige kleine Steinchen sich hin und wieder lösen... es taut auf, bewegt sich und macht Geräusche! Dieser Moment ist sicher einer der eindrücklichsten, die ich bisher in den Bergen erleben durfte. Nur wenige Augenblicke nachdem wir den Weg erreichen, stehen wir auch schon am Chindbettipass, staunen über den Blick zur Mischabelgruppe und betrachten die Normalroute auf das Tierhörnli. Sieht unschwierig aus. Mit viel Freude steigen wir auf (T4, I) und freuen uns über jede Berührung mit dem Fels, auch wenn dieser noch etwas kalt ist.

 

8:50 Uhr. Vom Gipfel aus sieht man sehr gut den nahen Nordgrat vom Steghorn ein. Vom Tierhörnli zieht ein breiter Rücken hinüber, der sich dann kurz vor dem Grat aufsteilt, bis aus dem Schutt die Gratfelsen schießen. Wir essen noch etwas kleines, um am Grat keinen Energienachschub mehr zu benötigen. Aus mir heute unerklärlichen Gründen wollte ich unbedingt über den Aufstiegsweg wieder hinab, was natürlich bedeutend länger dauert. Wo es aufsteilt hole ich Jonas im Laufschritt wieder ein. Er hat auf mich gewartet. Noch legen wir nichts an.

 

Die Route am Nordgrat auf das Steghorn
Den ersten Felsaufschwung umgehen wir rechts in der sehr steilen Nordwestflanke, die teils noch mit gutem Trittschnee überfirnt ist.
Es ist nicht mehr durchgefroren aber noch fest. Hier zeigen sich deutliche Vorteile meiner Hochtourenstiefel (Kat.D) gegenüber Jonas' weicheren Bergschuhen. Auch die Stöcke leisten hier noch sehr gute Dienste. Doch am zweiten Aufschwung Einstieg P.2920m) ist es vorbei mit den Stöcken. Wir legen unser Klettergeschirr an. Eine recht kurze Seillänge in gutem Fels (III) überwinden wir zügig, wobei Jonas vorsteigt. Zwischensicherungen braucht es kaum. Standplätze sehen wir hier keine. Dann kommt ein langes Stück über Block und Schutt, das z.T. direkt am ausgesetzten Grat entlang führt. Hier führe ich und probiere jeden Felsblock als „Zwischensicherung“ zu umgehen oder das Seil dort herum zu legen.

 

13:05 Uhr. In einer sehr schmalen Scharte entschließen wir uns für eine weitere Querung in die rechte, hier sehr steile (NW-) Flanke, weil wir dort eine Abseilpiste mit ein paar kurzen Stängchen im etwa 30m-Abstand sehen, die wohl zum Notabseilen da sind. Zu einer der Stangen quert Jonas vorsichtig über die steilen, abwärts gerichteten Schieferplatten. Ich muss immer auf der entgegen gesetzten Gratseite bleiben, um einen etwaigen Sturz halten zu können (Seil legt sich über die Gratkante). Leider kann Jonas an der Stange (max. 20cm lang...) nicht schnell einen Stand aufbauen, weil diese etwas locker ist. So muss er erst noch kompliziert eine Knotenschlinge und einen Friend legen, was sicher reichlich 20min dauert, weil viele vermeintliche Fixpunkte zu locker liegen. Dabei genieße ich etwas den Ausblick ins Wallis und kann sogar mein Handy für ein paar Fotos von der Nordwestflanke machen. In der Querung wollen mir schon meine Knie etwas weich werden. Der Schiefer ist dermaßen garstig! Sobald ich im Eis/Schnee stehe, fühle ich mich sicherer. Weiter geht’s.

 

Als Jonas oben „Stand“ ruft, löse ich diesen Standplatz auf und steige hinterher. Im Trittfirn komme ich sehr gut voran. Etwa zwei Seillängen gehen wir nochmals in Wechselführung bis zu den letzten sehr steilen Ausstiegsseillängen. Die vorletzte Seillänge (III+) geht Jonas vor bis zu einem guten Standplatz mit zwei Bohrhaken und einer sehr alten Schlinge mit rostigem Karabiner, die wir beide nicht verwenden, haben wir doch hinreichend Material dabei. In der letzten Seillänge, aus der man tatsächlich zum Schluss auf dem Firngrat vom „Stegrand“ aussteigt, lässt Jonas mich vorsteigen, was ich ihm sehr hoch anrechne! Der hier wirklich gute Fels hat viel II-III und eine kleine III+ Stelle nach etwa 5-6m. Am Ende ist feinster Firn unter den Füßen, die Mädels warten oben schon. Sie haben uns schon kurz vor den letzten beiden Seillängen gesehen und wundern sich, wie lange alles dauert...

 

Naja meine erste Tour in dem Schwierigkeitsgrad eben (:

 

Das Gefühl am Ausstieg ist das allergeilste überhaupt!! Am Steg ist nach „hinten hin“ (S) auf einmal so viel Platz. Ich gehe einige Meter hinten hinab und rufe Jonas „Nachkommen“ zu. Ich sichere also Jonas im Berner Oberland vom Wallis aus nach...  Gerade die letzte Seillänge sieht von oben sehr spektakulär aus, weil man erst das letzte Drittel richtig sieht und darunter sich alles ins Bodenlose zu verlieren scheint. Als wir alle oben sind, ist es 14:50 Uhr. Erstaunlich wie schnell bei solchen langen Klettereien die Zeit vergeht! Wir machen ausgiebig Rast und tauschen uns über die verschiedenen Routen aus. Die der Mädels scheint kaum weniger interessant und auch gut anspruchsvoll zu sein.
 

Der lange Abstieg durch das Lämmerental zurück zum Biwaksplatz

Nach sehr ausgiebiger Pause gehen wir 15:45 Uhr den Abstieg über die Südwestseite an (T4). Unten am kaum sichtbaren Steghorngletscher entscheiden wir uns für die Variante über's Leiterli, um zum Lämmerensee zu gelangen. Das ist ein wunderschöner, gut gesicherter Abstiegsweg. Im SAC-Führer ist das Leiterli mit T5 bewertet. Wir empfinden es eher als T4. Im Lämmerental steht unweit von der Hütte (ca. 500m) ein riesiger Findling mitten drin herum. Sehr beeindruckend! Ein Steinbock kreuzt auch noch unseren Weg. An der Hütte gehen wir schnell vorbei, da wir noch einen weiten Rückweg vor uns haben mit einem 200Hm Gegenanstieg zu den Lämmerenplatten und einem weiteren von 300Hm an der Roten Chumme bis zum Biwakplatz. Am See verlassen wir nordöstlich den Weg.

 

Das nun Folgende ist landschaftlich außergewöhnlich schön, aber konditionell besonders für mich sehr grenzwertig bis zur Roten Chumme hinauf. Ich bin lange unterzuckert, muss ständig irgendwelche Süßigkeiten zuführen und am besagten letzten Aufstieg helfen noch ein paar Traubenzuckertabletten einer Tourenpartnerin. Gern nimmt Jonas die letzten Meter des Gegenanstiegs hinauf noch meinen Rucksack, nachdem er mir entgegen kam. Als wir über den Pass über der Roten Chumme kommen, können wir gleichzeitig in „unser“ Tällital hinab blicken, nur wird es nun schnell dunkel. 19:45 Uhr. Den Weg finden wir zum Schluss nicht mehr so genau, doch das Gelände ist bis hinab zum Tällisee eher unschwierig. Etwa 20:30 Uhr sind wir zurück am Zelt.

 

Zum Abendbrot gibt es Couscous mit Paprika, Zwiebel (und 200g Gummibärchen als Vorspeise!).

 

Mit Ausnahme der einen Querung in die Nordwestflanke (in die Abseilpiste) ist die Route am Nordgrat weitaus schöner als die Beschreibung im Führer vermuten lässt. Sie wird sehr selten begangen, was am vielen Schutt in jedem kleinen Absatz zu sehen ist. Ein ordentlicher Standplatz am Ende der besagten Traverse würde die Route wahrscheinlich weitaus attraktiver werden lassen. Für uns war sie wegen der nicht allzu großen Länge gut für das erste Mal in dem Grad. Das + hinter den Dreiern, ist sicherlich meiner subjektiven Wahrnehmung verschuldet. Das ZS+ insgesamt geht sicherlich in Ordnung, vor allem wegen der häufig nur schlechten Sicherungsmöglichkeiten.

 

Für einen außergewöhnlich schönen und abgelegenen Biwakplatz geht man letztendlich doch gerne einige Km und Hm mehr...

Am nächsten Tag steht die große Tour auf das Balmhorn an.

Unsere vorigen Touren vorgestern und gestern:

Direkte Überschreitung Ladholz-, Winter- und Erbithore
Übergang zum Tällisee


Tourengänger: alpensucht


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