Balmhorn (Versuch) - Umkehr am Ende des Zackengrates


Publiziert von gero , 28. Mai 2012 um 12:20.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Frutigland
Tour Datum:27 Mai 2012
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   CH-BE 
Zeitbedarf: 11:30
Aufstieg: 2160 m
Abstieg: 2160 m
Strecke:Kandersteg (Eggeschwand) - Stock - Spittelmatte - Sagiwald - Zackenpaß - Zackengrat (Ende) und zurück (23,2 km)
Kartennummer:Blatt 263 (Wildstrubel 1:50.000)

Auch wenn ich nicht hinaufgekommen bin - hier mein Bericht zum Versuch am Balmhorn.

Abends Start in Eggeschwand (1200 m) ziemlich schwerbepackt mit Biwakausrüstung und reichlich Getränken im Rucksack. Das Problem am Balmhorn (und dem benachbarten Altels) ist ja bekanntlich, daß das letzte Wasser am Sagiwald zu finden ist und danach die Feldflasche nicht mehr gefüllt werden kann.

Der Wanderweg hinauf zur Spittelmatte ist noch nicht hergerichtet, gelegentlich ist der Steig durch die Unbillen des zurückliegenden Winters in Mitleidenschaft gezogen. Mehrfach müssen umgestürzte Bäume in mühsamer Kraxelei überwunden werden. Trotzdem bin ich nach 2 Stunden droben auf der Spittelmatte (1800 m); im letzten Dämmerlicht finde ich einen geeigneten Biwakplatz im Schutz einer kleinen Schiliftstation - und schlafe wie ein Murmeltier, so daß ich am nächsten Morgen sogar verschlafe und erst um 4:30 Uhr losmarschiere. Erst, denn der Weg aufs Balmhorn ist bekanntlich weit, 1900 Hm liegen vor mir, und die schon zu früher Morgenstunde auftauchenden Quellwolken lassen nichts Gutes vermuten.

Im Schein der Stirnlampe gelingt es mir auf Anhieb, die Fluten des Schwarzbaches zu queren und hinüber zum Sagiwald zu gelangen. Hier treffe ich auf einige Bergkameraden, die gerade die Schier unterschnallen - ihnen wird der Gipfel gelingen, mir leider nicht.

Ab jetzt ist geschlossene Schneedecke - mit Ausnahme der mächtigen Seitenmoräne des Schwarzgletschers, ich erklimme sie zügig. sonderlich geschickt ist dies aber nicht, wie sich herausstellen wird - es ist besser, orographisch links der Seitenmoräne auf dem Schwarzgletscher selbst aufzusteigen, da sicher weniger anstrengend.

Am oberen Ende der Moräne ist derzeit ein Lawinenfeld zu queren - erfreulicherweise unproblematisch, danach ist es nicht mehr weit bis zum kleinen, letzten Felsareal inmitten des Schwarzgletschers auf ca. 2500 m. Ein Zelt steht hier, zwei Bergkameraden und ihr Hund machen sich gerade fertig, den Gang aufs Balmhorn zu starten.

Nochmals 100 m höher setzt der 400 m hohe Steilhang hinauf zum Zackenpaß an. Also dann, frisch ans Werk! Die Bedingungen sind aber nicht so gut, wie ich mir erhofft hatte: der Schnee ist nicht richtig durchgefroren, immer wieder muß ich die Schneeschuhe fest eindrücken, damit sie nicht seitlich abrutschen - das kostet viel Kraft und auch Zeit. Und immer ziehen Wolken umher, so recht mag sich die Hochstimmung meiner sonstigen Bergtouren nicht einstellen. Schade .... aber jetzt gilt es erst einmal, den Zackenpaß zu erreichen.

Die Begehung des Hanges ist, der Steilheit und den Bedingungen entsprechend, anstrengend: noch eine Kehre und noch eine, es nimmt kein Ende. Zum Schluß wirds noch steiler, hier zieht eine Fußspur stangerlgrad hinauf zum Paß - also gut, Schneeschuhe runter, und mit heftigem Schnaufen die letzten 50 Höhenmeter zu Fuß bewältigt, so erreiche ich gegen 8 Uhr und damit 3,5 Std nach Abmarsch den Zackenpaß (3036 m, in der LK ohne Namen).

Für einen Moment schälen sich Dom und Weißhorn aus dem Wolkengebräu - wird es doch noch schöner? Aber dann schließt sich der Vorhang wieder ....

Weiter, Zeit und Wetterentwicklung drängen - für wenige Minuten hat der Schnee den schrofigen Sommerweg des Grates freigegeben, aber dann ist er wieder schneebedeckt. Eher muß man sagen: überfirnt, und zwar ab jetzt sehr hart gefroren. Die Eisen meiner MSR beißen sich mit vertrautem Knirschen in die Oberfläche und geben guten Halt - aber mindestens ebenso gut wäre es mit Steigeisen zu gehen gewesen. Ab und an kommt nochmals kurz die Sonne zum Vorschein, aber die Tendenz geht eindeutig Richtung Wetterverschlechterung. Etwas mißmutig und zugegebenermaßen inzwischen ziemlich erschöpft ersteige ich den Zackengrat bis zu seinem Ende - bei ziemlich genau 3300 m ist dann Schluß: Schluß mit meiner Kraft, jeglicher Auftrieb ist inzwischen vom Gewölk aufgezehrt. Hier würde es ein Stückchen exponiert abwärts gehen, aber nur mit Steigeisen, ich müßte also die Schneeschuhe ab- und die Eisen anmontieren - und mich dann weitere 400 Hm durch Wolken aufwärtskämpfen. Vom Gipfel ist nichts zu sehen, irgendwo da oben steckt er im entmutigenden Grau dieses Tages.

Rückzug .... ein Gebot der Vernunft. Im Gegensatz zu den Schifahrern, die notfalls in einer halben Stunde drunten auf der Spittelmatte sein können, muß ich wieder hinunterlaufen. Und eine wirklichen Wettersturz hier oben am Grat möchte ich nicht riskieren. Beim Abstieg durch die Steilflanke unter dem Zackenpaß ist dort der Schnee inzwischen zum Baatz aufgeweicht - ein mulmiges Gefühl beschleicht mich, aber zu umgehen ist der Hang ja nicht. Mehr oder weniger in Fallinie stapfe ich mit meinen Schneeschuhen hinunter, immer darauf bedacht, nicht durch unnötige Querungen doch noch einen Schneerutsch zu provozieren.

Als ich schließlich auf dem Schwarzgletscher hinuntermarschiere zur Spittelmatte, scheint wieder die Sonne, ich werde schier gegrillt in diesem Hochtal zwischen Altels und Rinderhorn. Ein dauerndes Hin und Her ist das mit dem Wetter - war meine Umkehr doch falsch?

Aber als ich über die Spittelmatte und schließlich auf dem Wanderweg hinunter nach Eggeschwand laufe, beginnt es zu regnen, und ab und zu mischt sich auch ein Donnergrollen drunter - und rechtfertig im Nachhinein meinen Entschluß zur Umkehr. Also dann, vielleicht am Balmhorn ein ander Mal unter günstigeren Umständen!

p.s. keine Spur des häufig erwähnten, rinderhornseitigen Steinschlags - um diese Jahreszeit ist noch alles ruhig

Tourengänger: gero


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Geodaten
 10976.gpx Von Eggeschwand bis zum Ende des Zackengrates

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Kommentare (6)


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WoPo1961 hat gesagt:
Gesendet am 28. Mai 2012 um 22:04
Hallo Gero,
Gratulation zur Tour, egal ob oben am Gipfel oder nicht. Denn als Biwaktour und alleine, das ist schon eine Sache für sich! Und wenn der Wetterchef auf deiner Seite gwesen wäre, hättest du ja locker vom Hocker den Gipfel erreicht. Ich will in 6 Wochen dort hinauf, als erste Akklimationstour für ein paar Walliser 4000er.
Bin mal gespannt, wie`s in 6 Wochen am Balmhorn ausschaut.
lieben Gruß aus Flachlandhausen
WoPo

amphibol hat gesagt: Gratuliere!
Gesendet am 29. Mai 2012 um 07:26
.. finde stark, dass du dich zur Umkehr entschieden hast und das Balmhorn rennt schliesslich nicht davon. Ich denke im Spätsommer dürfte es etwas bequemer sein! :-)
Lg

Mel hat gesagt:
Gesendet am 29. Mai 2012 um 08:15
...ist ein schönes gefühl, wenn der einsetzende regen einem die entscheidung bestätigt, gell? :D

nein im ernst: schade, dass es nicht geklappt hat. aber deine entscheidung war auf jedenfall richtig. ich denke, das bisschen schnee, dass es bei meinem versuch letzten spätsommer zu wenig hatte, hatte es jetzt bei dir zu viel. irgendwo in der mitte müsste man sich wohl treffen und wenn dann noch das wetter mitmacht, sollte dem gipfel eigentlich nichts mehr im wege stehen :-)

gero hat gesagt: RE:
Gesendet am 29. Mai 2012 um 09:38
Liebe Mel,

erst jetzt lese ich, daß Du auch schon mal an diesem blöden Berg umgekehrt bist! Ja, tatsächlich grad aus gegenteiligen Gründen ... zu wenig Schnee!

Hinderlich auch der lange Zustieg, verbunden mit der Wasserarmut - daß Ihr überhaupt welches gefunden habt an Eurem Biwakplatz, ich denke, später im Jahr wird es überhaupt keines mehr geben.

Vielleicht ist es tatsächlich am besten, so wie Sputnik oben am Zackengrat zu biwakieren - dann hat man das Steinschlag- und Zustiegsproblem gelöst (es muß allerdings absolut zuverlässiges Wetter sein, man sitzt dort oben ziemlich in der Mausefalle) und ist in einer guten Stunde auf dem Gipfel, ausschließlich über Gehgelände.

Mal sehen ... Du hast wenigstens das Balmhorn leidlich vor der Haustür, ich muß erst immer 600 km anfahren.

Aber es schaut halt von unten aus dem Tal auch GAR so eindrucksvoll aus mit seiner Firnkalotte über dem Eispanzer der Nordwand!

Danke auch an WoPo und Amphibol für die aufmunternden Worte! Trotzdem ists immer etwas nervig, wenn man umdrehen mußte.

Jedenfalls LG an alle vom Georg

83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 29. Mai 2012 um 09:42
Hallo Georg! Ärgere dich nicht wegen der Umkehr - das Balmhorn ist sicher ein Berg, der zwei Versuche verdient. Beim nächsten Anlauf kommst du bestimmt hoch und dann freut's dich umso mehr! Außerdem hat das Wetter deinen Entschluss ja bekräftigt. Grüße vom Kochelsee!

Alpenorni hat gesagt:
Gesendet am 7. Juni 2012 um 11:13
Mir ist es am benachbarten Rinderhorn mal ganz ähnlich ergangen. Drohendes Schlechtwetter, kein guter Firn, Donnergrollen...Rückzug auch der anderen Partien...und nach der Umkehr grinste uns dann die Sonne des nachmittags an...

Auf jeden Fall aber ein eindrücklicher Bericht, man kann sich dank Deiner Beschreibung gut hineinfühlen, in diese irgendwie bedrohliche leicht unwirkliche Atmosphäre da oben, zumal noch als Alleingänger ! Vor langer Zeit war ich mal auf dem Balmhorn - damals war der Zackengrat zwar tief verschneit, aber der Firnhang dafür in sehr gutem griffigen Zustand. Die Verhältnisse an diesem Berg sind schon sehr ausschlaggebend fürs Gelingen.
Wünsche Dir viel Erfolg, falls Du`s nochmal angehst, die Gipfelsicht lohnt es allemal !
Und : Nach dem Biwak könntest Du es ja nun von Schwarenbach aus angehen - das mehrgängige Abendmenue dort ist ja schon fast legendär ! ;-)
Gruß aus dem Norden,
Martin



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