Balmhorn, 3698m - Überschreitung (via Wildelsigengrat)


Publiziert von Linard03 , 16. September 2021 um 06:56.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Frutigland
Tour Datum:12 August 2021
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-VS 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2420 m
Abstieg: 2100 m
Strecke:Waldhaus - Balmhornhütte - Wildelsigengrat - Balmhorn - Zackengrat - Sunnbüel
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Kandersteg

Das Balmhorn stand bereits viele Jahre auf dem Wunschzettel. Wettermässig hat es in den letzten Jahren jedoch nie klappen wollen. Ausgerechnet in diesem speziellen Sommer sollte es dann zum (längst im Voraus) vereinbarten Termin passen.
Der BF meines Vertrauens wollte den "etwas spannenderen" Wildelsigengrat ausprobieren. Tönt ja verheissungsvoll, die "ca. 5-7 Std." Aufstieg allerdings weniger ..
.

Per Zug reiste ich nach Kandersteg, wo ich die anderen traf. Zu viert bestiegen wir den reservierten Kleinbus, welcher uns in das Gasteretal brachte. Die kurze, jedoch abenteuerliche Fahrt endete für uns bereits bei der Haltestelle "Waldhaus". Von hier aus über die Ebene (Gastereholz) bis zu den steilen Felsausläufern des Tatelishore.
Ab hier auf spannendem, schmalen und teilweise ausgesetzten Wanderweg steil hinauf zur Balmhornhütte (1956m). Mit 2 Std. ist es ein eher kurzer Hüttenaufstieg, der jedoch nicht zu unterschätzen ist und wohl deshalb auch nicht Tagestouristen in Scharen anlockt.

Die Hütte ist sehr schön gelegen und vom Tal aus kaum zu erspähen. Herzlich wurden wir von den beiden Hüttenwartinnen Annemarie & Priska mit einem kleinen Trunk begrüsst. Corona-bedingt werden derzeit nur maximal 10 Gäste beherbergt, ansonsten 20. Die Hütte ist also sehr klein, jedoch ein Kleinod.
Ausser uns waren noch ein Vater & Sohn zugegen, welche die gleiche Tour wie wir vorhatten. Und zwei weitere Leute, welche einfach auf der Hütte übernachten wollten.

Nach dem Verzehren von frisch gebackenen Aprikosen- und Apfelkuchen genossen wir die Sonne, welche hier oben gar nicht untergehen will (und sich dann doch noch beim Loner verabschiedete ...)
Dass man das Nachtessen draussen im T-Shirt geniessen kann, kommt wohl kaum auf einer anderen Hütte vor ... Das Essen schmeckte gleich doppelt so gut ;-) An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für die Gastfreundschaft auf der Balmhornhütte!

Die Nacht war etwas unruhig, da die einzigen "Hütten-Touristen" (also Nicht-Bergsteiger) ca. alle 30 Min. nach draussen gingen (WC / Sternenhimmel betrachten oder sonstige Gründe) und mit Gepolter & Getöse jeweils wieder zurückkehrten ...
Wie auch immer, irgendwann nach 2 Uhr klingelte der Wecker des BF, um 2.30 Uhr gab's Morgenessen. Wir gingen es gemütlich an, um ca. 3.15 Uhr starteten wir schliesslich in der sternenklaren Nacht. Es geht sofort steil aufwärts, jedoch auf gutem Weg, welcher bis auf den Gasterepitz (2821m) führt, welchen wir um ca. 5.45 Uhr erreichten.

Ab hier ist fertig mit Pfad und der Wildelsigengrat beginnt. Man befindet sich zu Beginn mehrheitlich nördlich des Grates. Das Geländewurde zunehmend wilder. Zu Beginn noch relativ klar, wird die Routenfindung zunehmend etwas schwieriger. Zumindest sollte man den weissen Pfeil nicht verpassen, wo (zunächst nicht offensichtlich) nach Süden ausgewichen wird.
 
Bald folgt dann eine ausgesetzte Querung (à la Schnürliweg) unterhalb riesiger Felstürme. Da kommt man sich wirklich sehr klein vor … Danach war auch schon das berüchtigte Steinschlag-Couloir erreicht (auf ca. 3000m). Es gibt 2, 3 Sicherungsmöglichkeiten; unser BF stieg jeweils vor, wir nach. Als 4er-Seilschaft versuchten wir, so nahe wie möglich zusammenzubleiben, damit wir uns nicht selbst mit Steinen bewarfen … (hinter uns kam niemand nach).
 
Es ist schon so: kaum ein Stein hält, man tastet sich Meter für Meter hinauf und hofft, einen Griff zu finden, der hält … Das Couloir wird enger, die senkrechten Felstürme links und rechts wirken bedrohlicher und man denkt sich, hoffentlich lösen sich da keine Steine; im Couloir selbst liegen ja bereits zu viele … Aber schliesslich erreichten wir ohne Probleme den Ausstieg.
 
Dort wartete die Vater-Sohn-Seilschaft, da ihnen nicht klar war, wo es etwas weiter oben weitergehen würde. Sie hängten sich deshalb uns an. Als besagte Stelle erreicht wurde, rasteten wir, während die anderen zwei weitergingen.
Es ist ja nicht so, als dass nach dem Couloir gleich ein schöner Firngrat folgen würde. Nein, es folgen weiterhin Aufschwung um Aufschwung, die Kletterei schien kein Ende zu nehmen. Im Rückblick erscheint der Grat genau so lang wie sich das anfühlte … (leider hatte ich es verpasst, ein entsprechendes Foto zu machen).

Schliesslich gelangten wir aber doch noch zum Schluss-Bouquet bzw. Firngrat. Die letzten ca. 30 Min. musste ich noch etwas beissen, aber um 11.00 Uhr hatten wir den Gipfel des Balmhorn (3692m) erreicht; nach insgesamt ca. 7 ¾ Std. (inkl. Pausen).
 
Das Walliser Panorama war zu Beginn noch etwas eingenebelt. Wenige Minuten später wurde die 4000er-Parade jedoch sichtbar: vom Fletschhorn bis zum Mont Blanc war alles zu sehen; genial! Inzwischen war auch klar, dass die Option Altels nicht wirklich eine Option war; die Schneeverhältnisse waren viel zu schlecht.
 
Ca. 30 Min. später machten wir uns an den Abstieg auf dem Normalweg. Das war dann fast schon entspannend … Unter dem Zackengrat hatte ich mir eigentlich immer einen anspruchsvollen Grat vorgestellt. Effektiv war das doch sehr harmlos; d.h. breit (nicht ausgesetzt) und eher flach verlaufend.
 
Beim «Abzweiger» erfolgte der Abstieg vom Grat zum Glück nicht im gewaltigen Geröllkessel, sondern auf einem breiten Schneefeld. Somit war auch die Steinschlaggefahr sehr minim. Bereits im untersten Bereich des Schwarzgletschers angelangt verfransten wir uns noch etwas, da wir vor lauter Gesprächen nicht mehr ganz auf die Route achteten … Wir erspähten nämlich plötzlich rechts oberhalb von uns den Wanderweg. Zum Hinaufqueren hatten wir alle keine Lust, also folgten wir einfach weiter dem Bachlauf bzw. Moräne.
 
Schliesslich gelangten wir auf den alten Wanderweg und später auf die Ebene «Spittelmatte». Nach einem letzten Gegenanstieg erreichten wir schliesslich die Bergstation Sunnbüel (1932m). In der vollgestopften Sardinenbüchse (wohl nicht ganz Corona-konform) gondelten wir hinunter nach Kandersteg; somit hatte sich der Kreis wieder geschlossen.

Fazit:
eine grossartige, alpine & urchige Tour! Dass die Überschreitung zum Altels nicht möglich war, war nicht weiter tragisch. Im Gegenteil; der Abstieg auf dem Normalweg war vermutlich um einiges gemütlicher als derjenige vom Altels …

Bemerkungen:
vom Gasterespitz bis zum Gipfel des Balmhorn halten die Schwierigkeiten an. Der Firnanteil ist relativ kurz, wogegen die Gratkletterei nicht enden will ... Wie auch das SAC-Tourenportal schreibt: nicht für Gruppen geeignet, denn der Grat ist brüchig und steinschlägig. Die Faustregel besagt, dass beim Couloir zwischen zwei Gruppen ein Abstand von ca. 30 Min. eingehalten werden soll. Keine Frage, dass hier Helm sowieso Pflicht ist!
 
Zeiten:
  • Waldhaus – Balmhornhütte: ca. 2 Std.
  • Balmhornhütte – Gasterespitz: ca. 2 Std. 35 Min.
  • Gasterespitz – Balmhorn: ca.  5 Std.
  • Balmhorn – Sunnbüel: ca. 3 ¾ Std.

Tourengänger: Linard03


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Kommentare (8)


Kommentar hinzufügen

Felix hat gesagt:
Gesendet am 16. September 2021 um 08:16
toller Bericht, tolle Tour - Gratulation!

lg Felix

Linard03 hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. September 2021 um 11:03
vielen Dank Felix!

LG, Richard

amphibol hat gesagt: Gratuliere..
Gesendet am 16. September 2021 um 14:30
zu dieser tollen Tour!

Linard03 hat gesagt: RE:Gratuliere..
Gesendet am 16. September 2021 um 19:02
Danke Dir!
War wirklich eine aussergewöhnliche & tolle Tour.

WoPo1961 hat gesagt:
Gesendet am 17. September 2021 um 07:52
Hoi Richard, na, da hast du zum Ende der Hochtourensaison nochmal richtig einen rausgehauen. Gratuliere herzlichst. Mit diesem Grat hatte ich auch schon mal lieb geäugelt, dann aber wegen der Steinschlaggefahr doch "weggeschaut".
Definitiv eine exklusive Tour und nicht überlaufen.
Kleine Frage noch... Warum konntet ihr nicht noch zum Altels? Waren die Verhältnisse im Firn zu schlecht?
Lieben Gruß vom ollen WoPo

Linard03 hat gesagt: RE:
Gesendet am 17. September 2021 um 07:59
Hoi WoPo,
vielen Dank! Ja, die Tour kann tatsächlich als exklusiv & nicht überlaufen bezeichnet werden; das trifft es gut ...
Genau - die Firnverhältnisse waren zu schlecht (ich hatte es nur in einem Nebensatz erwähnt). Jedenfalls hat der BF es so eingeschätzt - und einem BF widerspricht man ja nicht ;-).
Aber es stimmt schon: im Abstieg zum Zackengrat sind wir bereits arg eingesoffen; somit hat sich die Einschätzung des BF bestätigt.
Lieber Gruss,
Richard

Westfale hat gesagt:
Gesendet am 17. September 2021 um 15:48
Tolle Tour, hammer Fotos. Danke für die kurze Auszeit von der Arbeit :-P Gratuliere.

Linard03 hat gesagt: RE:
Gesendet am 17. September 2021 um 17:06
Danke - freut mich natürlich, wenn ich Dir eine kurze Auszeit bescheren konnte!


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