Überschreitung Balmhorn und Altels (Wildelsigengrat)


Publiziert von Bergamotte , 4. August 2023 um 17:36.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Frutigland
Tour Datum: 3 August 2023
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-VS 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 2830 m
Abstieg: 2090 m
Strecke:22km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Kandersteg, Talstat. Sunnbüel
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Sunnbüel
Unterkunftmöglichkeiten:Balmhornhütte SAC
Kartennummer:1267 Gemmi

Das Balmhorn wird - zu recht - häufig begangen. Der Ausgangspunkt ist aus der Region Bern schnell erreicht und das hochalpine Ambiente schlicht grossartig. Dabei bleiben die Schwierigkeiten auf dem Zackengrat überschaubar. Wer's einsamer und anspruchsvoller mag, wählt eine der übrigen Gratrouten, sei's der Gitzigrat oder der Wildelsigengrat. Ersterer übersteigt meine Fähigkeiten (als Solist), letzterer hingegen fällt genau in mein Beuteschema: wild, weit, abwechslungsreich, technisch gutmütig. Rundum eine wunderbare Route, welche mehr Aufmerksamkeit verdient, auch wenn das Gestein nicht dem Geschmack typischer Hochalpinisten entsprechen mag.

Geplant war der Abstieg über die Normalroute, doch dem verlockenden Übergang über den aussichtsreichen Grat zum Altels konnte ich nicht widerstehen. Die Schwierigkeiten hängen hier stark von den Bedingungen am Firn ab. Tatsächlich fand ich eine Blankeisstelle vor, welches ich heikel umgehen musste. Der Abstieg zur Spittelmatte über die Normalroute war dann schnell geschafft, dank Geröll à discretion.


Erst kurz vor halb acht starte ich vom Parkplatz bei der Talstation Sunnbüel. Das hat sich gelohnt, alle Wege und Felspartien konnten nach den abendlichen Niederschlägen wieder abtrocknen. Der Hüttenweg führt zunächst durchs Gasteretal und windet sich anschliessend geschickt die abweisende Flanke hoch. Die sympathische Teilzeitwartin der Balmhornhütte SAC (1956m) begrüsst mich mit einer Tasse Tee, doch ich bin kein Tagesgast und kann nicht bleiben. Zeit für ein Schwätzchen bleibt trotzdem. Im Weiterweg zum Gasterespitz (2821m) läuft die Pumpe bereits auf Hochtouren, der Weg ist streckenweise arg und ineffizient steil. Der Gipfel mit Kreuz und Buch bietet eine tolle Aussicht und vermittelt dank Nähe zum Balmhorngletschers ein hochalpines Flair. Wer sich solches zutraut: eine T6-Route führt durch die wilde Ostflanke via Gfelalp zurück ins Gasteretal.

Ich hingegen habe nur Augen für den Wildelsigengrat, der sich direkt vor mir in seiner voller Länge auftürmt. Die Vorfreude ist riesig. Steinmänner und schwache Wegspuren leiten mich vorerst recht zielsicher. Derart lässt sich auch die kurze Querung in die Ostflanke kaum verfehlen, findet sich doch gar ein verblasster Pfeil. Einmal rund ums Eck und bereits erblicke ich den grossen Steinmann am Fuss der Couloirs, auch hier ein alter Pfeil. Zunächst halte ich mich an die Rippe, schöne Kletterei bis III-. Man prüfe die Griffe, aber das Gestein ist weit besser, als es die zahlreichen Klagen vermuten lassen. Irgendwann wechsle ich nach links in die Rinne, welche zugegebenermassen recht steinschlägig ist (dafür max. II); als Solist bereitet er mir kein Kopfzerbrechen. Und mit meinem prall gefüllten T6-Rucksack erlebe ich die Führe als reines Vergnügen. Alles ist relativ im Leben. Und in den Bergen. Übrigens, an der Rippe / im Couloir sind mehrere Muniringe eingebohrt.

Danach folgt man über eine längere Strecke dem Grat, wobei zahlreiche Mini-Varianten möglich sind. Die einfachste Linie erkennt man auch an Tritt- und Steigeisenspuren. Man widerstehe der Versuchung, sich in die Flanken abdrängen zu lassen. Erst beim Schlussaufschwung, unterhalb von P. 3404, wechselt man nochmals in die Ostflanke, vor Ort recht offensichtlich. Ich wähle eine eher direkte Variante (II+), ginge auch einfacher. Oben auf dem Firngrat angekommen öffnet sich ein grandioser Blick auf die Abbrüche des Balmhorngletschers. Für eine kurze Hartschneepassage muss ich erstmals die Steigeisen montieren, anschliessend wird der Grat nochmals felsig und erfordert an Aufschwüngen Kletterei bis II+. Dann ist endlich der "firnige" Firngrat erreicht und wieder mit den Eisen geht's es aussichtsreich aufwärts. Nicht nur der Aussicht wegen bleibt man besser in Gratnähe, in der Flanke droht Blankeis. Die Steilheit ist nur mässig, aber ein Sturz würde auf der recht harten Unterlage wohl böse enden. Nach ziemlich genau fünf Stunden ist das Balmhorn (3697m) erreicht.

Eigentlich war eine längere Gipfelrast mit anschliessendem Abstieg über den Zackengrat geplant. Doch unterwegs hatte mich der luftige SE-Grat zum Altels so schön angelacht, dass ich umdisponierte. Ohnehin  kannte ich den Zackengrat von zwei früheren Touren und der Abstieg zum Schwarzgletscher ist nicht grad der Brüller. Die Passage via Vorgipfel über den Firnkamm bis zum ersten Felsturm war schnell geschafft und heute ohne Schwierigkeiten. Der Felsturm P. 3558 markiert die Fels-Schlüsselstelle dieser Route. Eigentlich überklettert man ihn direkt der Kante entlang (II+). Ich hingegen, mit meiner T6-Denke, umgehe sie über ein äusserst ausgesetztes, brüchiges Gesimse auf der Nordseite - Tiefblicke besser vermeiden. Weiter über den felsigen Gratrücken bis zu einem weiteren Aufschwung, der Firn-Schlüsselstelle. Die Ausaperung ist hier so weit fortgeschritten, dass ich zuletzt vor Blankeis stehe. Die Stelle ist zwar nur 5m kurz, aber ungesichert für mich nicht zu verantworten, schon gar nicht mit den Alusteigeisen und dem Babypickel. Ich umgehe die Stelle auf einer knusprigen Firnzunge in der Nordflanke, unangenehm (ZS). Dann ist aller Unbill geschafft. Direkt vor dem letzten Felsaufschwung quert man wenige Meter nach links (W) bis zu einem Steinmann, dort in harmloser Kletterkraxelei zurück zum Grat. Das Gipfelkreuz vom Altels (3630m) ist nun erstmals in Sichtweite und nach kurzem T5-Übergang erreicht. Zeit für eine kurze Pause. Tiefblicke ins Kander- und Gasteretal. Und Gipfel à gogo, viele bereits bestiegen.

Ein Schlussabstieg bereitet selten Freude. Doch es hätte schlimmer kommen können. Die riesige NW-Abdachung des Altels bietet Geröll à discretion und mit meinen alten Bergschuhen lässt es sich guten Gewissens absurfen. Aber Achtung, im oberen Plattenbereich erreicht man die untereT6; es sind einzelne Sicherungsstangen u.ä. vorhanden. Bei Nässe und vor allem Schnee/Eis lässt man besser die Finger davon. Eine Stunde später stehe ich bereits auf der Spittelmatte und bin zurück im sommerlichen Touri-Trubel. Das Touri-Bähnli zurück nach Kandersteg nehme aber auch ich gerne in Anspruch...


Zeiten (kum, inkl. Pausen)
1:30  Balmhornhütte
2:45  Gasterespitz
5:00  Balmhorn
6:00  Altels
7:30  Sunnbüel

Tourengänger: Bergamotte


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Kommentare (2)


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rojosuiza hat gesagt:
Gesendet am 5. August 2023 um 08:42
prachtvoll, bravo!

Camox hat gesagt:
Gesendet am 7. August 2023 um 08:31
Wieder einmal grossen Respekt vor dies bemerkenswerten Solo-Leistung! Echt Spitzenniveau!
Und auch schön zu lesen, wie du solche Touren jeweils geniessen kannst.


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