Von Grindelwald zur Grimsel
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Für den schnellsten Weg nach Worb nehmen wir bekanntlich das "blaue Bähnli", und von Grindelwald zur Grimsel gelangen wir wohl am Schnellsten über die Grosse Scheidegg mit dem "gäube Wägeli" . Welches ist aber der schönste Weg von Grindelwald zur Grimsel? In Frage kämen etwa die langen Gletschertouren über den Lauteraarsattel, den Strahleggpass oder das Finsteraarjoch, bei denen aber der Klettergenuss eindeutig zu kurz kommt, und die zudem wegen der zunehmenden Ausaperung und dem Rückgang und der Zerschrundung der Gletscher v.a. im Hoch- und Spätsommer nicht mehr ganz unproblematisch oder sogar unpassierbar sein dürften. Also erübrigt fast nur der Umweg über das Schreckhorn und das Lauteraarhorn, der vermutlich noch schöner und sicherer und eine richtige Klettertour, dafür aber nicht ganz leicht ist.
Das Schreckhorn hatte ich vor 15 Jahren mit einem Kollegen erst im zweiten Anlauf geschafft, ebenso das Lauteraarhorn vor 6 Jahren alleine, wobei mich ein Führer auf den rechten Weg neben einem Wasserfall zurückpfeiffen musste, weil ich infolge Ausaperung des S-Wand-Couloirs im Hitzesommer 2003 bei stockdunkler Nacht den Einstieg verpasst hatte. Blieb als Terra incognita der Abstieg über den SE-Grat zum Schrecksattel und der legendäre, von den beiden Pionierinnen der Engelhörner Helene Kuntze und Gertrude Bell mit ihren Führern bereits am 24.7.1902 in je entgegensetzter Richtung erstbegangene Lauteraargrat, laut Hüttenwart Hans Balmer "en uversichtigi Chlätterii". Konnte ich diese Traumtour wirklich verwirklichen, oder würde ich schon auf dem Weg dorthin den Gaagg in den Hosen haben?
23.8. 2009: Auf dem zwischen Bäregg und Bänisegg neu angelegten Hüttenweg (T4, 3-4h) traf ich unterhalb des Roten Gufers gegen Mittag zwei junge Walliser, die sich bereits auf dem Abstieg vom Schreckhorn befanden und über perfekte Verhältnisse (gute Spur auf dem Gletscher, trockene Felsen) berichteten. Entsprechend fanden sich in der Schreckhornhütte (2529m) neben zahlreichen weiteren RückkehrerInnen auch viele neue AspirantInnen aus mehreren Kantonen und Nationen ein, obwohl Sonntag und damit das Wochenende schon fast vorüber war. Die Bewirtung durch das Hüttenwartsehepaar war wie immer vorzüglich und liess nichts zu wünschen übrig.
24.8.2009: Tagwacht um 2 Uhr und Abmarsch um 2 Uhr 30. Lustlos stapfte ich, so schnell ich konnte, den leidigen Weg zum Gaagg hoch und fluchte dabei vor mich hin, weil ich mir schon mehrmals geschworen hatte, hier nie mehr einen Fuss hinzusetzen. Auf Felsen unterhalb des Firnbands liessen sich dessen erste zwei Drittel bequem umgehen. Hier überholte mich eine Führerseilschaft, die ebenfalls die Ueberschreitung im Sinn hatte. Die beiden schlugen ein zügiges Tempo an, so dass ich kaum mithalten mochte. Auf einer ausgetretenen Spur war der Schreckfirn bald erreicht und gequert. Nach dem gut gestuften Bergschrund ging es über ein Felsband und einige Firnreste nach links zur Rampe (wo wir die Steigeisen für den Rest der Tour verstauen konnten), und weiter mit Stirnlampe und rasenden ca. 140bpm über diese (I-II, BH) und den SW-Grat (Stellen III, BH) auf das Schreckhorn (4078m), wo ich um 6 Uhr 45 bei Sonnenaufgang wie aus einer Trance erwachte (ZS+, 4-7h).
Die beiden liessen auch hier nichts anbrennen: nach einer kurzen Pause ging es um 7 Uhr weiter. Die Felsen im Gipfelbereich waren noch mit rutschigem "Biecht" beschlagen, der aber an der Sonne rasch wegschmolz. Auf dem Fels- und Firngrat einfach zum E Vorgipfel und gutgriffig den SE-Grat hinunter (II). Vor den markanten Gratzacken im unteren Gratdrittel kurze Umgehung mit Abstieg in die SW-Flanke und Wiederaufstieg auf den Grat. Die Zacken wurden NE-seitig auf brüchigen Bändern des Elliottswengli abwärts querend umgangen (heikel, Sichern oder Abseilen an Stangen möglich), bevor wieder auf den Grat auf- und auf diesem abgestiegen werden konnte. Nach einer kurzen Abseilstelle war der flache Firngrat des Schrecksattels (3914m) bald erreicht (ZS+, 1-2h).
Endlich begann das lang ersehnte Abenteuer "Lauteraargrat"! Dessen sägezahnartige Zacken und Türme aus Erstfeldergneis sind auf der NW-Seite steil und griffig, auf der SE-Seite weniger steil und plattig. Nicht müde, perfekt eingespielt, mit sauberer Seilhandhabung und knappen Kommandos drückten die beiden nochmals aufs Gas und gaben punkto Schnelligkeit klar den Tarif durch, so dass ich immer mehr oder weniger zurückblieb: auf trockenen Felsen (I-II) zum ersten Aufschwung, einer senkrechten, aber gutgriffigen Rissverschneidung (ca. 5m, III, 1 H) und ohne grössere Schwierigkeiten zur markanten Graterhebung 4015, wo die berühmte Ostwandrippe einmündet. Weiter über den Grat und absteigend zur Schlüsselstelle, einem ca. 5m hohen Turm, der abdrängend an schrägen Griffen links erklettert wird (IV, 2 H): hier musste ich mich zum ersten und einzigen Mal im Aufstieg sichern, dank einem zusätzlichem Friend und einem Keil war die Stelle aber gut und sicher zu bewältigen. Einmal in die NE-Flanke ausweichend ging es weiter über den Grat (II) zu zwei weiteren markanten Türmen (III), einem kurzen Firngrat und einem letzten Aufschwung, der direkt oder (leichter) links erklettert werden kann (III), bevor ich um 10 Uhr 30 nach den beiden Andern den Gipfel des Lauteraarhorns (4042m) erreichte (S+, 3-5h).
Abstieg vor 11 Uhr über den SE-Grat (II) bis zur Einmündung des Schraubengangs, wo sich unsere Wege trennten: herzlichen Dank für den mitreissenden und unvergesslichen Groovejet! Ich stieg rechts vom S-Wand-Couloir und weiter unten rechts vom Bach auf brüchigen Felsen und Schutt (Wegspuren, Stellen I-II) hinunter auf den Strahlegggletscher, und auf Firnresten bis zur Höhe des Aarbiwaks (2733m), das vom Gletscher aus nicht mehr sichtbar ist, ca. 14 Uhr 15 (ZS-, 3-4h). Hier wartete noch ein lange, aber eindrückliche Gletscherwanderung: auf dem aperen Finsteraargletscher (blau-weisse Stangen) zum Abschwung, dort auf die N Mittelmoräne des Unteraargletschers, auf dieser und dem Gletschervorfeld (Steinmänner, blau-weisse Stangen) zum Grimselsee (1909m) und diesem entlang zum Grimsel Hospiz (1980.2m), ca. 20 Uhr (L, 5-6h).
Nachdem das letzte Postauto um 17 Uhr 41 schon lange abgefahren war, nahm mich freundlicherweise ein Wanderer in seinem Auto mit: nach Guttannen fielen erste Regentropfen auf die Windschutzscheibe, und ab Innertkirchen und in Meiringen gingen heftige Platzregen aus einem lokalen Gewitter nieder. Wir waren beide froh, dass uns das Unwetter erst "am Schärme" erreichte, und verabschiedeten uns: herzlichen Dank! Müde und zufrieden über die gelungene Tour wartete ich auf den letzten Zug Richtung Interlaken.
Verwendetes Material: Helm, 50m Zwillingsseil (1 Strang; für Seilschaften besser ca. 40m Einfachseil), einige Schlingen, 4 Express, 3 mittlere und grosse Friends und Kk-Sortiment zusätzlich zu üblicher Hochtourenausrüstung.
Das Schreckhorn hatte ich vor 15 Jahren mit einem Kollegen erst im zweiten Anlauf geschafft, ebenso das Lauteraarhorn vor 6 Jahren alleine, wobei mich ein Führer auf den rechten Weg neben einem Wasserfall zurückpfeiffen musste, weil ich infolge Ausaperung des S-Wand-Couloirs im Hitzesommer 2003 bei stockdunkler Nacht den Einstieg verpasst hatte. Blieb als Terra incognita der Abstieg über den SE-Grat zum Schrecksattel und der legendäre, von den beiden Pionierinnen der Engelhörner Helene Kuntze und Gertrude Bell mit ihren Führern bereits am 24.7.1902 in je entgegensetzter Richtung erstbegangene Lauteraargrat, laut Hüttenwart Hans Balmer "en uversichtigi Chlätterii". Konnte ich diese Traumtour wirklich verwirklichen, oder würde ich schon auf dem Weg dorthin den Gaagg in den Hosen haben?
23.8. 2009: Auf dem zwischen Bäregg und Bänisegg neu angelegten Hüttenweg (T4, 3-4h) traf ich unterhalb des Roten Gufers gegen Mittag zwei junge Walliser, die sich bereits auf dem Abstieg vom Schreckhorn befanden und über perfekte Verhältnisse (gute Spur auf dem Gletscher, trockene Felsen) berichteten. Entsprechend fanden sich in der Schreckhornhütte (2529m) neben zahlreichen weiteren RückkehrerInnen auch viele neue AspirantInnen aus mehreren Kantonen und Nationen ein, obwohl Sonntag und damit das Wochenende schon fast vorüber war. Die Bewirtung durch das Hüttenwartsehepaar war wie immer vorzüglich und liess nichts zu wünschen übrig.
24.8.2009: Tagwacht um 2 Uhr und Abmarsch um 2 Uhr 30. Lustlos stapfte ich, so schnell ich konnte, den leidigen Weg zum Gaagg hoch und fluchte dabei vor mich hin, weil ich mir schon mehrmals geschworen hatte, hier nie mehr einen Fuss hinzusetzen. Auf Felsen unterhalb des Firnbands liessen sich dessen erste zwei Drittel bequem umgehen. Hier überholte mich eine Führerseilschaft, die ebenfalls die Ueberschreitung im Sinn hatte. Die beiden schlugen ein zügiges Tempo an, so dass ich kaum mithalten mochte. Auf einer ausgetretenen Spur war der Schreckfirn bald erreicht und gequert. Nach dem gut gestuften Bergschrund ging es über ein Felsband und einige Firnreste nach links zur Rampe (wo wir die Steigeisen für den Rest der Tour verstauen konnten), und weiter mit Stirnlampe und rasenden ca. 140bpm über diese (I-II, BH) und den SW-Grat (Stellen III, BH) auf das Schreckhorn (4078m), wo ich um 6 Uhr 45 bei Sonnenaufgang wie aus einer Trance erwachte (ZS+, 4-7h).
Die beiden liessen auch hier nichts anbrennen: nach einer kurzen Pause ging es um 7 Uhr weiter. Die Felsen im Gipfelbereich waren noch mit rutschigem "Biecht" beschlagen, der aber an der Sonne rasch wegschmolz. Auf dem Fels- und Firngrat einfach zum E Vorgipfel und gutgriffig den SE-Grat hinunter (II). Vor den markanten Gratzacken im unteren Gratdrittel kurze Umgehung mit Abstieg in die SW-Flanke und Wiederaufstieg auf den Grat. Die Zacken wurden NE-seitig auf brüchigen Bändern des Elliottswengli abwärts querend umgangen (heikel, Sichern oder Abseilen an Stangen möglich), bevor wieder auf den Grat auf- und auf diesem abgestiegen werden konnte. Nach einer kurzen Abseilstelle war der flache Firngrat des Schrecksattels (3914m) bald erreicht (ZS+, 1-2h).
Endlich begann das lang ersehnte Abenteuer "Lauteraargrat"! Dessen sägezahnartige Zacken und Türme aus Erstfeldergneis sind auf der NW-Seite steil und griffig, auf der SE-Seite weniger steil und plattig. Nicht müde, perfekt eingespielt, mit sauberer Seilhandhabung und knappen Kommandos drückten die beiden nochmals aufs Gas und gaben punkto Schnelligkeit klar den Tarif durch, so dass ich immer mehr oder weniger zurückblieb: auf trockenen Felsen (I-II) zum ersten Aufschwung, einer senkrechten, aber gutgriffigen Rissverschneidung (ca. 5m, III, 1 H) und ohne grössere Schwierigkeiten zur markanten Graterhebung 4015, wo die berühmte Ostwandrippe einmündet. Weiter über den Grat und absteigend zur Schlüsselstelle, einem ca. 5m hohen Turm, der abdrängend an schrägen Griffen links erklettert wird (IV, 2 H): hier musste ich mich zum ersten und einzigen Mal im Aufstieg sichern, dank einem zusätzlichem Friend und einem Keil war die Stelle aber gut und sicher zu bewältigen. Einmal in die NE-Flanke ausweichend ging es weiter über den Grat (II) zu zwei weiteren markanten Türmen (III), einem kurzen Firngrat und einem letzten Aufschwung, der direkt oder (leichter) links erklettert werden kann (III), bevor ich um 10 Uhr 30 nach den beiden Andern den Gipfel des Lauteraarhorns (4042m) erreichte (S+, 3-5h).
Abstieg vor 11 Uhr über den SE-Grat (II) bis zur Einmündung des Schraubengangs, wo sich unsere Wege trennten: herzlichen Dank für den mitreissenden und unvergesslichen Groovejet! Ich stieg rechts vom S-Wand-Couloir und weiter unten rechts vom Bach auf brüchigen Felsen und Schutt (Wegspuren, Stellen I-II) hinunter auf den Strahlegggletscher, und auf Firnresten bis zur Höhe des Aarbiwaks (2733m), das vom Gletscher aus nicht mehr sichtbar ist, ca. 14 Uhr 15 (ZS-, 3-4h). Hier wartete noch ein lange, aber eindrückliche Gletscherwanderung: auf dem aperen Finsteraargletscher (blau-weisse Stangen) zum Abschwung, dort auf die N Mittelmoräne des Unteraargletschers, auf dieser und dem Gletschervorfeld (Steinmänner, blau-weisse Stangen) zum Grimselsee (1909m) und diesem entlang zum Grimsel Hospiz (1980.2m), ca. 20 Uhr (L, 5-6h).
Nachdem das letzte Postauto um 17 Uhr 41 schon lange abgefahren war, nahm mich freundlicherweise ein Wanderer in seinem Auto mit: nach Guttannen fielen erste Regentropfen auf die Windschutzscheibe, und ab Innertkirchen und in Meiringen gingen heftige Platzregen aus einem lokalen Gewitter nieder. Wir waren beide froh, dass uns das Unwetter erst "am Schärme" erreichte, und verabschiedeten uns: herzlichen Dank! Müde und zufrieden über die gelungene Tour wartete ich auf den letzten Zug Richtung Interlaken.
Verwendetes Material: Helm, 50m Zwillingsseil (1 Strang; für Seilschaften besser ca. 40m Einfachseil), einige Schlingen, 4 Express, 3 mittlere und grosse Friends und Kk-Sortiment zusätzlich zu üblicher Hochtourenausrüstung.
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