Lauteraarhon - SW-Grat


Publiziert von danueggel , 17. August 2016 um 20:36.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Jungfraugebiet
Tour Datum:16 August 2016
Hochtouren Schwierigkeit: SS
Klettern Schwierigkeit: V+ (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m
Strecke:Schreckhornhütte - Strahleggpass - Finsteraarhorn - Strahleggpass - Schreckhornhütte
Unterkunftmöglichkeiten:Schreckhornhütte oder Aarebiwak

"Wäre dieser Grat an einem gut zugänglichen Zwei- oder Dreitausender, dann wäre er wohl ein sehr beliebter grosser Klassiker und möglicherweise längst 'plaisirmässig' abgesichert. Aber er befindet sich nun einmal am Lauteraarhorn und ist ein ganz grosses, anspruchsvolles Unternehmen", so die 3. Auflage des Topoführers der Berner Alpen aus der Feder von Silbernagel/Wullschleger. Als wäre das nicht schon genug, um das Herz jubilieren zu lassen, verspricht die 3. Auflage des Auswahlführers Berner Alpen: "Höchst selten begangen". Damit ist alles ausgedrückt, was eine Tour unwiderstehlich macht.

Doch vor den Kletter- und Gipfelfreuden hiess es - nach der bombastischen Tour vom gestrigen Tag - abermals um 01.45 Uhr aufzustehen. Nun denn, was macht man nicht alles für eine grosse Hochtour! Gegen 02.30 Uhr zottelt es sich schlaftrunken zusammen mit den Schreckhorn-Aspiranten hinab auf das "Obers Ischmeer", um dann nach einigen hundert Metern - hoffentlich - im Scheinwerferlicht das kleine Fähnchen zu erblicken, das den Beginn der Wegspuren zum "Gaagg" kennzeichnet. Für das Menü "Schreckhorn" führt der Weg dann vom "Gaagg" über den "Schreckfirn" an den Bergschrund des Schreckhorns, für uns auf den "Strahleggpass", welcher den Beginn des SW-Grats markiert.

Der Grat gliedert sich in drei Teile:

Teil I:
Zuerst kraxelt es sich einfach auf eine erste Anhöhe, von wo aus die Gratschneide sichtbar wird und das Abenteuer beginnt. Meistens hält man sich auf der Gratschneide, mitunter auch über Bänder links, teils rechts. Ganz so banal wie in der Führerliteratur ist dieser Abschnitt dann doch nicht, an einzelnen Stellen ist doch ein knapper IIIer zu klettern. Aufgrund des gestrigen Gewitters am Nachmittag sind die Felsen zu Beginn noch etwas glitschig. Eine erste Wolke präsentiert sich als Vorbote des angekündigten nachmittäglichen Kurzgewitters - glücklicherweise stellt es sich als ein falscher Alarm heraus.

Teil II
Der zweite Aufschwung gestaltet sich steiler und anspruchsvoller, so dass manchmal in Seillängen sogar ansatzweise geklettert werden kann (max. III+). Näheres dazu hier und da.


Teil III
Nun sind 2/3 der Wegstrecke zurückgelegt und die eigentliche Krönung steht bevor. Zu Beginn des dritten Teils verlassen die ohnehin schon spärlich an diesem Grat anzutreffenden Seilschaften normalerweise den SW-Grat, um via Schraubengang auf den SO-Grat zu schwenken und dann weiter auf der Normalroute zum Gipfel zu gelangen. Diese wahnwitzige Idee lehnen wir jedoch entschieden ab, sind wir doch genau wegen dem dritten Gratteil hier.

Diese "Pièce de Résistance" beginnt auf knapp 3800müM, führt direkt auf den Gipfel und verspricht einige steile Seillängen in nun bestem und trockenen Fels. Auch die Verhältnisse an diesem schattenexponierten Hang scheinen nach den gestrigen Niederschlägen in Ordnung. Um die mitgebrachten (Kletter-)Handschuhe, die ich im gesamten Anstieg anbehalte, bin ich denn auch dankbar, zu unangenehm wäre es, mit klammen Fingern zu klettern.

Gemäss dem Führer von Silbernagel führen 5 SL (4c/4b/4a/4c/5a) auf den Gipfel des Lauteraarhorns, wobei v.a. die 3. SL bei Schnee und Vereisung heikel sei. Um es vorwegzunehmen: Die Beschreibung ist für uns wenig hilfreich, doch spielt dies keine Rolle, wenn man mit so einem starken Alpinisten wie Peter unterwegs ist: Zu Beginn folgen wir noch der ersten 4c-Länge, doch dann verlockt der Fels, eine einleuchtende Linie und noch vorhandener Restschnee, sich eher an der Gratkante zu orientieren. So geniessen wir einige prächtige und athletische Seillängen in gutgriffigem Fels und umgehen so auch die angeblich heikle 3. SL. Ganz vereinzelt trifft man auf Schlaghaken, wobei es sich manchmal auch um Verhauer handelt. Diese Variante ist sicherlich etwas schwieriger, als die von Silbernagel / Wullschleger vorgeschlagene, aber definitiv eine wunderbare Sache; die prächtige Schlüsselseillänge enthält sicherlich einen "scharfen" V er. Ganz zum Schluss wartet noch eine kurze, plattige Stelle, bevor dann die Kletterei direkt auf dem Gipfel endet.


Und dann, deutlich vor der Mittagszeit und perfekt innerhalb des angestrebten Zeitfensters, ist es so weit: Der Gipfel des wohl einsamsten 4000ers ist erklommen - keine Menschenseele weit und breit! Allzu lange bleibt nicht Zeit, dass Gipfelglück zu geniessen, denn es gilt den Abstieg unter die Füsse zu nehmen, solange das Südwandcouloir noch bei einigermassen guten Schneebedingungen hinuntergegleitet werden kann und uns das Wetter freundlich gesinnt ist, was dann auch gut vonstatten geht.

Über den Strahlegggletscher führte unser Weg über brüchigen Fels (II-III, Sicherungsstangen) wieder zum Strahleggpass. Vor- und Rücksicht wegen der losen Steine ist geboten, wenn sich noch eine andere Seilschaft in der Route befindet, z.B. für Personen, die vom Pass auf den Firn abseilen wollen, um ins Aarebiwak zu gelangen. Auf dem Pass angekommen, eilt es sich wieder hinunter via "Gaagg" und dann vom "Obers Ischmeer" - mit einem Gegenanstieg als kleines "Schlussbouqet" - wieder zur Schreckhornhütte.

In der Hütte nach einer fantastischen Tour eingekehrt, heisst es erstmal, eine Portion "Älplermakaronen" hinunterzuschlingen und dann zufrieden über die Tour zu räsonieren.

(Epilog: Am nächsten Morgen hat das Wetter umgeschlagen, mir ist aber die Ehre zuteil geworden, mit Vonti den Rückweg unter die Füsse zu nehmen, der gerade den wohl schwierigsten Teil seines 4000er-Projekts hinter sich gebracht hat und in Bälde dessen krönenden Abschluss feiern darf - Gratulation!)

Danke Peter für diese wahrhaft geniale Tour, mein persönliches Saisonhighlight!

Anmerkungen:
  • Gemäss Silbernagel / Wullschleger SS- 5a (E5)
  • Gemäss SAC-Auswahlführer SS V mit optionaler Variante V+
  • Von uns gewählte Variante bis V +++
  • Gehzeiten: Aufstieg (7-9h), Abstieg (6-7h); realistische Zeitangaben bei guten Verhältnissen
  • Alles selber zu legen, in der Regel genügend Sicherungsmöglichkeiten (Felszacken, "Friends")
  • Keile werden nicht gebraucht
  • 50m-Einfachseil genügend
  • Schattenexponiert
  • weitere nützliche Infos und Bilder hier, da und dort

Tourengänger: danueggel


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Kommentare (1)


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Maisander hat gesagt:
Gesendet am 15. September 2016 um 13:37
Super Bericht, Danke!


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