Lauteraarhorn 4042m Normalweg


Publiziert von bergteufel , 1. März 2019 um 12:12.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Jungfraugebiet
Tour Datum:23 Juni 2018
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2300 m
Abstieg: 2300 m
Strecke:Grimsel Stausee - Unteraargletscher - Finsteraargletscher - Aarbiwak - Strahlegggletscher - Südwandcouloir - Lauteraarhorn - und zurück
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von der Grimselpassstrasse zum Grimselstausee / Grimselhospiz abbiegen. Parkplatz. Einfach das Navi fragen.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Aarbiwak SAC 2731m

Servus Bergsteigerinnen und Bergsteiger!
 
Das Lauteraarhorn.

Einer jener Berge, der meinen Bergsteigerkollegen so locker beeindruckend über die Lippen kommt, aber Taten, ja TATEN, schaffen sie nie. Gleichwohl kennen sie dieses Juwel und finden doch keine Motivation ihre bergsteigerische Qualität daran zu testen. 
Zum Glück gibt es den unverwüstlichen Kumpel Harald. Nachdem wir unsere Form am Aletschhorn getestet hatten, war es jetzt an der Zeit die Sommersaison anzugehen.
Da sitzen Bergkumpels zu Hause und jammern, daß noch soviel Altschnee in den Routen hängt und warten. Dabei ist das die perfekte Zeit wirkliche Highlights der Alpen "relativ sicher" anzugehen. Freunde denkt um, die 70er Jahre sind lange her.

Gut, heute soll es nun in eine der abgelegensten Gegenden der Alpen gehen. Einsamkeit bin ich ja gewöhnt von meinen Dolomiten- und Karwendeltouren, aber die nächsten 2 Tage sind wir lediglich auf 2 Menschen getroffen. Wow. Da steht mitten in der Schweiz ein Berg, der sich jeglicher Erschließung verweigert, stark.

Wir starten um 3 Uhr in München und parken beim Grimselhospiz in der Tiefgarage der Seilbahn. Fragen die Mitarbeiter der Grimselstauseegesellschaft um Erlaubnis. Alles ok., denn oben arbeiten sie auf Hochtouren und beseitigen die Winterschäden. Wir starten bei Nieselregen. Angesagt ist ein Hoch. Der Wetterprophet sagte bis 5 cm Schnee oben, kühl, leichten Wind und dann Sonne pur. Perfekt, das Weiß schnappt sich die Junisonne in ein paar Stunden und dann Rumbeltime.
Raus aus dem Parkhaus, die Treppe runterwieseln und dann über die Staumauer. Wieder eine Treppe hoch, durch den Tunnel und gemütlich den Seeweg entlang. Alles markiert, ist es doch der Weg zur Lauteraarhütte. Die Pflanzen stehen prall gefüllt mit Blütenpracht in Startposition. Du begegnest dem Gletscherweib, eine beeindruckende Geschichte. Schließlich zieht der Weg steil in Serpentinen zur Hütte hoch. Man folgt ihm, bis man nahe an die Senke zum Unteraargletscher kommt. Dort verläßt man ihn und steigt weglos runter. Heute etwas rutschig, weil total aufgeweicht. Gegenüber hoch auf die überschotterte Gletscherzunge. Dieser Mittelmoräne folgt man nun. Ab und zu ein Steinmann und das Gletschergeröll ist unangenehm zu gehen. Irgendwann tut sich der Blick zum Finsteraarhorn auf. Du verläßt die Moräne und hältst dich nach links, bis du den Finsteraargletscher erreichst. An diesem Teilungspunkt geht der Unteraargletscher in den Lauteraargletscher über. Direkt vor dir beginnt der Gebirgsstock vom Lauteraarhorn. Die Ecke, den Abschluß, bilden die Rothörner. 
Jetzt den Finsteraargletscher etwas rechts der Mitte weiter, diesem monströs wirkenden Finsteraarhorn entgegen. Hier muß man einfach mal verweilen, den Anblick eines solchen Berges geniessen. Alles menschenleer, Stille, bis auf die typischen Geräusche eines Gletschers in der Mittagssonne. Jaja, diese Junisonne. Sie beschert uns Sumpfschnee und große Wassertümpel, die man umwandern muß. Am Finsteraargletscher beginnen weißblau gestrichene Holzstützen, die den Weg zum Aarbiwak leiten. Man verläßt den Finsteraargletscher am Fuß des Rothorns und biegt nach rechts zum Strahlegggletscher ab. 15 Min. am rechten Gletscherrand weiter und man erkennt 50Hm oberhalb, in der SW-Flanke des Rothorns, das Biwak.
Das Aarbiwak 2731m war frisch befüllt, von Kocher, Gaskatuschen, Postkarten bis hin zu Getränken. Außen teilweise neu gestrichen. Machte einen gepflegten Eindruck. Es gibt ein Toilettenhäuschen und die Wasserquelle ist markiert. Diese Infos hatten wir nicht oder sich darauf zu verlassen, ist eine andere Sache. Deshalb hatten wir alles dabei. Ist ja eh nur ein Abendessen. 
Als Tourenstart wählten wir 4:30 Uhr. Die Nacht war klar, der Schnee fest. Zuerst den Höhenmesser neu justieren. Los geht`s. Zunächst etwas verzwickt vom Hüttchen auf den Strahlegggletscher hinab. Hier Ausrüstungsdepot, was man nicht braucht, und dann weiter Richtung Strahleggpaß/Lauteraarhorn. Vorgewarnt aus anderen Berichten, haben wir die Einstiegsentscheidung ins Couloir ganz ruhig gefällt. Und tatsächlich gibt es da eine einladende Schneezunge, die einen dazu verleitet vorzeitig loszupickeln. Zuletzt geht es einen kurzen, wulstigen Gletscheraufschwung hoch, der Höhenmesser zeigt 3035m und hier zur Rechten kommen 2 Schneebänder (Rinnen) runter und mittig ein Felsstreifen. Hier fangen wir an. Steigeisen ran, denn der Aufstieg über den harten Schnee war möglich, obwohl darunter Wasser rann. Sofort zeigt dir das Südwandcouloir, was dich erwartet. 2 Pickel sind ratsam. Schnell öffnet sich der Blick nach oben zum Bergkamm und gegen die aufgehende Sonne erkennt man den Gratpunkt 3910m, links neben dem markanten Felszahn. Das Etappenziel.
Schnell steigert sich die Steilheit des Geländes, nach 400Hm beginnt dann das durchgehende Ü40° Gelände. Hier sollte jetzt alles passen, du hast deinen Rhythmus gefunden, der den berühmten inneren Motor so richtig auf Leistung hält. Wunderbar, nur bei mir passte es heute nicht. Da kramte ich extra für diese Tour meine alten Kategorie D Bergstiefel aus dem Schrank und mit jedem Einschlag spürte ich meinen Zeh an der Kappe. Fazit, Gummi trocknet und schrumpft. Also ganz fest zuschnüren, was ja auch schon ein Manöver ist in diesem Gelände, geholfen hat`s nix. Auf die Zähne beißen und durch. Am Ende waren es 2 blutige Zehen, bis heute hat`s gedauert, bis der große Zehennagel wieder seine Normalform hat. Unglaublich. Mein Problem. Der Reiz der Tour ist genial, der Hügel bietet dir einen perfekten Pickelanstieg, den auch ein "Normalo-Bergsteiger", wie ich es bin, reißt. Geil, über 900Hm. Phantastisch, Drehbuch like.
Irgendwann bist du verleitet, wenn das Finsteraarhorn hinter dir, sich rötlich in der Morgensonne aalt, nach unten zu blicken. Den Gedanken "Absturzgelände" gleich wieder vergessen, das bremst, View nach oben und dem Ziel entgegen. Auf keinen Fall daran denken, wie komm ich hier wieder runter, das laß mal schön sein. Es funktioniert. Genieß es einfach, gestattet dir das Buckerle doch, daß du problemlos bis auf 3900m hochpickeln darfst. Ok, zugegeben, die Pickelei ist schon etwas stupide und monoton, aber sehr fein und sportlich.
Man kommt an einen Felsstreifen und hat die Wahl rechts oder links davon hoch. Wir wählten hoch rechts, runter links. Glaube links wird öfters genommen. Egal, alles ist eindeutig, nicht wie in den Dolomiten, wo marginale Abweichungen gleich den Gipfelerfolg gefährden.
Irgendwann erreichst du Punkt 3910m am Grat und genießt die Sonnenstrahlen. Die Steigeisen bleiben dran. Das Lauteraar stellt dir hier einen Dorn entgegen, an dem man sich pieksen kann. Diesen ersten Gratturm umsteigt man links und in der Rinne dahinter wieder hoch. Für mich die Schlüsselstelle der Tour. Brutal unangenehm und ausgesetzt. Als Schmankerl wars, weil man ja in unmittelbarer Gratnähe ist, so früh auch noch vereist.
Der Grat war schneefrei, perfekt. Wie in so manchem Führer verankert, nun schnell zum Gipfel. Tja, du schnupperst an der 4000er Marke, kraxelst im IIer (u.U. Stellen III-) Gratgelände hin und her, da joggt doch keiner, besser, ich Bergsteigerbarrique jedenfalls nicht. Im Klartext heißt das, ein Stünderl ab Punkt 3910m ist gleich futsch.
Schließlich erreichst du den kreuzlosen, ziemlich schmalen Gipfel. Oh, welch Überraschung, es gibt ein Gipfelbuch. Man hat sich wirklich Gedanken gemacht und ein Holzgestell gebastelt, das genau in einen kleinen Steinspalt passt. Herzlichen Dank dafür, klasse. Wenn man sich an den Eintragungen orientiert, es ist zwar nur ein 5 Jahres Zeitraum, wird die Zahl der 4000er Jäger der Alpen ganz schön begrenzt. Und ich dachte es wären so viele. Wahrscheinlich trägt das Gros dieser Leute sich nicht ein. Das Bücherl hat noch ein paar Jahre vor sich.
Der Rundumblick. Der Nachbar, das Schreckhorn, respektabel, auch so ein diffiziler Kandidat. Entspanntes 4000er Steigen sieht anders aus. Auf ihm war ich noch nicht. Direkt in der Nachbarschaft, das Finsteraarhorn. Der Riese gewinnt, seine Flanke mit dem sichelartigen Hängegletscher, beeindruckend. Ziemlich nahe der Eiger, stolz präsentiert er den ganzen Mittellegigrat. Und dann doch Panorama, die ganzen "Walliser".
Wir gönnen uns eine halbe Stunde am Gipfel, der Wind ist kalt, unsere Einschätzung der Lawinen- und Steinschlaggefahr im Couloir läßt das zu.
 
Dann geht`s alles wieder runter. Inzwischen ist die Rinne beim ersten Turm angetaut. Noch bescheidener. Dann das Südcouloir, klar ist, es geht nur rückwärts runter. Erster Schlag, da war doch noch was, ohja, auah. Mit jedem Meter nach unten wird der Schnee weicher, der Zeh pelziger. Wir schaffen es nicht vorwärts runter zu stapfen. Erst bei 3400m gelingt uns das, verrückt. Zuletzt die Steigeisen weg und die Felsen beim Zustieg einfach abkraxeln.
Zeit für ein Päuschen, Zeit für den Gipfelschnaps. Ein Blick auf die Uhr verheißt nichts Gutes. Wir hatten uns Quartier in Innertkirchen gebucht. Wie soll das gehen, stehen doch noch 18km bis zum Auto an. Kurz, mir gelingt es um 21 Uhr am Anfang vom Grimselsee (hier gibt es Empfang) den Hotelwirt zu erreichen, er deponiert uns einen Schlüssel. Wir erreichen um 22:30 Uhr das Auto. Die eingelagerten Essvorräte kommen zum Einsatz. Was für ein Tourentag schließt sich hier. Um Mitternacht sind wir im Hotel, erst hier wage ich es die Socken abzuziehen.
Eine "Supergeile Tour", einsam, faszinierend. Wenn die Schote nicht so anstrengend wäre, dann würde ich es nochmal machen. Bitte diesen Hügel nicht unterschätzen, es gibt ganz ganz viele Fallen, in die man tapsen kann.

Danke dir Harald, wir waren wieder mal ein tolles Team. Auf neue Taten.
 
Habe die Ehre, Berg Heil,
der Bergteufel

Heute möchte ich mal explizit erwähnen, dies ist ein emotionaler Tourenbericht und keine standardisierte AVbeschreibung, die gibts ja schon.

Tourengänger: bergteufel


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Kommentare (1)


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DHM123 hat gesagt: Klasse Tour
Gesendet am 21. September 2023 um 13:43
Respekt. Wenn man noch einen Tag auf der Unteraarhütte auf der Rückkehr verbringt, würde sich die Tour doch deutlich erleichtern, oder? Tolles Projekt


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