Ausgepsycht am Schijenstock


Publiziert von Nik Brückner , 24. Juli 2019 um 22:18.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum:29 Juni 2019
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   Schilt-Mürtschengruppe 
Zeitbedarf: 4:45
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m
Strecke:11km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Mollis aus auf schmaler, aber guter Straße hinauf zum Naturfreundehaus Fronalp.
Unterkunftmöglichkeiten:Naturfreundehaus Fronalp

Manchmal passiert was. Meistens geht es gut. Manchmal kann man's ignorieren, und einfach weitergehen. Manchmal nicht. Dann muss man abbrechen, egal wie es objektiv läuft, einfach weil die innere Stimme "nein" sagt.

Ich gebe nicht viel auf "innere Stimmen", ich denke nicht mit dem Bauch und ich fühle mit dem Bauch - na, allenfalls Hungergefühle. Aber manchmal...

Meine Idee war es gewesen, den Fronalpstock zu besteigen, und dann den Grat nach Norden von der Fronalpscharte bis zum Nüenchamm zu begehen. Ossi hatte meine Vermutung bestätigt, dass der Grat in dieser Richtung wohl etwas einfacher zu begehen sei, und ich hatte die Schneide schon vom Tal aus in Augenschein genommen, insbesondere den schwierigen Teil zwischen Fronalpscharte und Fedensattel. Eine spannende Tour, mit einem besonders gruseligen Abschnitt: dem Aufstieg aus der Fronalpscharte zum Mittagstöckli - dem Grund dafür, dass ich die Tour von Süd nach Nord gehen wollte. Geht schon. Ich kam da gut hoch. Aber...


Ich fuhr in aller Früh los, Neal Morses "The Great Adventure" im Player, und parkierte am Naturfreundehaus Fronalp (1389m), wo früh am Morgen noch ein Plätzchen frei war. Dann machte ich mich auf den (breiten Fahr-)Weg Richtung Fronalppass. Zunächst geht's hinauf zur Alp Mittler Stafel (1583m), und von dort aus steil hinauf zur Alp Ober Stafel (1816m). Von dort aus ist es nicht mehr weit zum Fronalppass.

Unterwegs traf ich zwei Mountainbiker, mit denen ich ins Gespräch kam. Sie fragten, was ich vorhätte, ich berichtete von meiner Tour, und vom Vortag, an dem ich durchs Täli auf den Wiggis gestiegen war, und den Grat zum Schijen überschritten hatte. Da entpuppte sich einer als Insider: Den Aufstieg zum Rautispitz über das Schnüerli sollte ich mal ausprobieren. Er hatte das schon gemacht, und zeigte mir bereitwillig den Routenverlauf, den man von unserer Position aus gut erkennen konnte.

Am Fronalppass (1852m) pauste ich erstmal eine Runde. So herrlich ist es hier - da kann man nicht einfach weiterlaufen. Ich genoss die Sonne, die Luft, und sah den beiden Bikern nach, die auf der anderen Seite verschwanden. Dann machte ich mich auf zum Fronalpstock.

Der Weg ist zunächst recht einfach. Es geht hinauf auf einen Rücken und auf diesem Richtung Gipfelaufbau. Dann quert man die linke Flanke, teils ein bissl ausgesetzt, und es geht steil und zunehmend felsig hinauf zu einer seilversicherten Rinne.

Hier setzte ich meinen Helm auf. Es war viel Betrieb hier, und die Steine flogen nur so in alle Richtungen, vorwiegend aber nach unten. Natürlich war ich mit Helm der Exot, aber auch sicher, und schnell war ich die Rinne hinaufgestiegen. Das Seil braucht man nicht unbedingt, im Fels macht's mehr Spaß (I+), aber es sichert Vielen ein schönes Gipfelerlebnis.

Vom Ausstieg aus wandert man nun die letzten Höhenmeter auf einem guten Weg - oder irgendeinem andern - hinauf zum Gipfel des Fronalpstocks (2124m).

Naturfreundehaus Fronalp - Fronalpstock: Markierte Wanderwege, eine Passage T4/I+, sonst leichter, 1:50h


Ein toller Aussichtsberg! Ich genoss den Rundblick zum Mürtschenstock im Osten, zu Magerrain und Bützistock, und natürlich zum Tödi, im Südwesten zum Glärnisch, ganz hinten war der Mieserenstock und der Druesberg zu sehen, der Grat vom Wiggis zum Schijen direkt gegenüber, daneben Brünnelistock, Plattenberg und Schiberg - tja, und dann öffnete sich sogar der Blick zu den Vogesen und zum Schwarzwald, wo ich sogar Grand Ballon und Gazon de Faite sowie Belchen und Feldberg ausmachen konnte! Im Norden dann war die Schneide des Speers zu sehen, der Alpstein mit dem Säntis und dem Altmann, und natürlich die Churfirsten. Was für ein schöner Ausblick.

Ich hielt mich ein Weilchen am Gipfel auf, dann vertrieben mich ein Schwarm Fliegen, und Meister Tobi, der mit einem Schwarm Mädels heraufgestiegen war, um zu mansplainen und sich bewundern zu lassen. Als ich genügend der Heldentaten vernommen hatte, schnappte ich mir meinen Rucksack, und stieg auf meinem Aufstiegsweg wieder hinunter Richtung Fronalppass. Auf dem oben genannten Rücken hielt ich Ausschau nach einer bequemen nordseitigen Abstiegsmöglichkeit, und fand diese entlang eines Bächleins, das zwischen Zelsegg und Stelli nach Norden ins Tal hinunterfließt.

Fronalpstock - Verlassen des Wanderwegs: Markierte Wanderwege, eine Passage T4/I+, sonst leichter, 20 Minuten


Weglos geht es durch einfaches Gelände, und schnell kam ich auf einem schönen ebenen Boden unterhalb der Fronalpscharte an. Ein herrliches Fleckchen Erde!

Also: Nächste Pause. Ich besah mir meine Aufstiegsmöglichkeiten, und entdeckte einen offenbar nicht mehr häufig genutzten Alpweg, der an einer Baumgruppe östlich der Scharte in den Süd(ost)hang des Mittagstöcklis hinaufführt. Hier stieg ich hinauf, wandte mich dann aber dort, wo der Weg sich im Gelände verläuft, nach links, Richtung Fronalpscharte.

Ich kam etwas oberhalb auf den schönen, schmalen Felsgrat, und stieg hinunter in die Fronalpscharte (1778m). Irgendwo machte ich dann einen Schritt auf einen großen Felsbrocken, schulterbreit, auf dem ich bequem mit beiden Füßen stehen konnte -

Vom Wanderweg zur Fronalpscharte: weglos, T3, in der Scharte T5, 20 Minuten


...und der unter mir einfach den Abgang machte. Ich rettete mich mit einem Sprung, und konnte sehen, wie der große Brocken einige Meter senkrecht abging, dann aufschlug, und in mehrere Teile zerbrach, die dann lautstark zu Tal polterten. Ich atmete den typischen Brandgeruch ein, und versuchte erst einmal, runterzukommen. Psychisch, meine ich. Es war ja nochmal gutgegangen.

Ich atmete durch, zurrte meine Psyche fest, und suchte mir etwas, worauf ich mich konzentrieren konnte: Den Aufstieg zum Mittagstöckli. Also wandte ich mich wieder bergauf, und stieg nun doppelt vorsichtig die Kante Richtung Mittagstöckli wieder hinauf. Es funktionierte: Ich konnte fokussen, die Knie zitterten nicht mehr, und ich entschied mich dazu, die Schlüsselpassage der Tour in Angriff zu nehmen.

An einem Baum, schon in steilem Gelände, beginnt der anspruchsvolle Teil des Aufstiegs: Hinter dem Baum klettert man links einer markanten Rippe steil und ausgesetzt über Fels hinauf zu einem Grasfleck, wo es kurz ein bissl - öhrm - "flacher" ist. Von dort aus halbrechts über steiles Gras weiter hinauf zu einem sehr steil abfallendenen Grasband. Dort angekommen, probierte ich zuerst die rechte von zwei mir möglich erscheinenden Varianten aus: Ziemlich ausgesetzt querte ich einige Meter nach rechts zu einer Schwachstelle in der Mauer über mir, entschied mich dort dann aber dagegen, weil weiter oben Vegetation herumwächst, und ein Dach vermutlich eine unangenehme Kriecherei nötig machen würde. Also wieder zurück.

Das Umdrehen in diesem Gelände war ziemlich haarig, ich gelangte aber schließlich wieder zurück zur Kante. Dort geht es nun hinauf, nahezu senkrecht, ein oberer IIer, und dazu brüchig. Aber irgendwann kam ich dann doch oben an.

Meine Herrn! Respekt vor allen, die das im Abstieg machen...

Der Aufstieg ist Mist, weil's brüchig ist, und deshalb nicht ungefährlich. Man hat es einfach nicht hundertprozentig selbst in der Hand. Ich war froh, dass ich das hinter mir hatte, auf dem Mittagstöckli (1875m) stand, und freute mich nun darauf, eine Weile auf dem einfachen Grat weiterwandern zu können.

Fronalpscharte - Mittagstöckli: Gratkletterei in brüchigem Fels, steiles Gras, T6/II+, 20 Minuten


Aber sobald die Konze ein wenig nachlassen konnte, drängte sich mein Erlebnis mit dem weggebrochenen Fels wieder in meine Psyche. Ich ignorierte das, versuchte es jedenfalls, ertappte mich in der Folge aber dabei, dass ich nach Abstiegsmöglichkeiten vom Mittagstöckli suchte. Und bald fand ich auch eine, eine steile Rinne an einem Bäumchen, durch die offenbar Gämsen auf- und absteigen. Die wäre begehbar...

Doch ich wollte immer noch meine Überschreitung durchführen. Und so wanderte ich auf dem Grat weiter, bis er sich in mehreren Abschwüngen in die Scharte zwischen Mittagstöckli und Schijenstock senkt. Ich stieg drüben sogar noch den ersten Zacken hinauf - dann bemerkte ich, dass ich umdrehte, und beobachtete mich dabei, wie ich zu der steilen Rinne an dem Bäumchen zurückging. Offenbar hatte ich beschlossen, die Tour abzubrechen.

Mittagstöckli - Scharte und zurück: wegloser Grasgrat, T4, 20 Minuten


Ich kehrte also zu der Grasrinne zurück, und stieg dort ab, was trotz des steilen Geländes auf hervorragenden Tierspuren bei entsprechender Vorsicht kein Problem war. Die Route zirkelt sich in einem Linksbogen nach unten und endet auf dem hier nur mäßig steilen Süd(ost)hang des Mittagstöcklis.

...wo ich mich plötzlich wohl fühlte. Ich hatte es gar nicht bemerkt, aber oben war mir offenbar einfach nicht mehr wohl gewesen. Und bevor ich mich bewusst zur Umkehr entscheiden konnte, hatte mein Körper das für mich erledigt.

Erstmals seit der Fornalpscharte hatte ich wieder Spaß. Ich genoss die Umgebung, kehrte auf dem alten Alpweg, den ich schnell erreicht hatte, wieder zurück zu dem wunderschönen Boden, auf dem ich zuvor schon gepaust hatte, und machte dort gleich noch eine Pause.

Abstieg vom Grat - Talboden: weglos über steiles Gras, T4+ und leichter, 20 Minuten


Dann stieg ich zum Fronalppass (1852m) hinauf, bestens gelaunt....

Hinauf zum Fronalppass: weglos über wenig steile Grashänge, T3, 25 Minuten


...und kehrte über Ober Stafel (1816m) und Mittler Stafel (1583m) wieder zum Naturfreundehaus Fronalp (1389m) zurück.

Fronalppass - Naturfreundehaus Fronalp: Markierte Wanderwege, T2 und leichter, 45 Minuten


Unterwegs überholte ich dann eine Gruppe von vier Mädels, dann sie mich, dann wieder ich sie. Am Naturfreundehaus quatschten sie mich an, und es stellte sich heraus, dass sie eine MfG ins Tal suchten. Und so schrumpfte ich meinen ganzen Kram auf die Größe eines Atomkerns, und lud die Damen in mein Kloines Auto. Alles Physiotherapeutinnen. Was sonst! Ich lerne in der Schweiz nur Physiotherapeutinnen kennen... Hey, Ihr vier, ich hoffe, Ihr seid alle gut heimgekommen!


Fazit:

Kein Bedauern. Das Richtige gemacht. Der Berg steht noch ein paar Jahre, und jetzt, wo ich diese Rinne kenne, kann ich auch den brüchigen Grat auslassen, wenn ich will. Mal sehen. Ist eine schöne Tour, soweit ich sehen konnte. Also werde ich wohl irgendwann nochmal zurückkommen.


Ausrüstung:

- Helm
- Pickel (hab' ihn nicht gebraucht, im Aufstieg zum Mittagstöckli kann er aber nützlich sein)
- Stecken
- C-Schuhe, unbedingt

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (2)


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DonMiguel hat gesagt: Fronalp Nordwand
Gesendet am 26. Juli 2019 um 12:50
Dachte anfänglich schon du seist durch die Nordwand abgestiegen, da wäre ein T6 ll ziemlich daneben..:) Mir ging letztes Jahr auch ein ca. 1,2 x 1 x 1m fetter Stein ab, bei denen ist der Halt noch schwieriger festzustellen, zum Glück war ich nicht im ausgesetzten Gelände unterwegs. Gute Touren weiterhin! Gruss Micha

Nik Brückner hat gesagt: RE:Fronalp Nordwand
Gesendet am 26. Juli 2019 um 13:36
Servus Micha!

Da haben wir beide Glück gehabt! Hoffen wir, dass es weiterhin immer gutgeht.

Auch Dir wünsche ich tolle Touren!

Gruß,

Nik


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