Die Schenkung des Pirminslandes: Entlang einer Grenze aus dem Jahr 828. Tag 1


Publiziert von Nik Brückner , 25. April 2019 um 10:46. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Westliche Mittelgebirge » Pfälzerwald
Tour Datum:21 April 2019
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 550 m
Abstieg: 500 m
Strecke:22,5km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Wir fuhren morgens nach Hinterweidenthal, stellten das Auto dort am Bahnhof ab, und fuhren mit dem Zug nach Rinnthal, zum Start der Tour.

Vor 1200 Jahren, im Jahr 828, schenkte die fränkische Adelige Wiligarta dem heiligen Pirmin, vertreten durch sein Kloster Hornbach, ein Gebiet im Pfälzerwald. Die Schenkungsurkunde ist erhalten geblieben, mit ihr die entsprechende Grenzbeschreibung, und in dieser über 1200 Jahre alte Flurnamen. Dieser Grenze wollte ich an Ostern 2019 entlangwandern.

Im Text ist ihr Verlauf durch eine Kette von Flurnamen repräsentiert, von denen ein Teil verschwunden ist, ein anderer sich aber bis heute erhalten hat. Allerdings zumeist nicht mehr in der Form, in der sie in der Urkunde stehen. Diese 1200 Jahre alten Namen mit heutigen Punkten in der Landschaft zu identifizieren, und sie dann im Gelände wiederzufinden, ist der Reiz dieses kleinen Abenteuers.


Solche Grenzgänge sind spannend, und nicht minder lehrreich. Sie brauchen aber einiges an Aufwand und Zeit - zur Vorbereitung, wie zur Wanderung selbst. Am Odenwaldlimes war ich vor einigen Jahren vier Tage lang unterwegs, die Grenze der Schenkung von 828 ist in etwa 52 Kilometer lang, daher musste ich sie auf zwei Tage aufteilen: Am ersten Tag von Rinnthal über Hauenstein nach Hinterweidenthal (das ist die Südgrenze des Gebiets), am zweiten Tag von Hinterweidenthal über den Hermersbergerhof nach Rinnthal (das ist die Nordgrenze). Rinnthal und Hinterweidenthal sind durch eine Bahnstrecke verbunden, was Hin- bzw. Rückfahrt einfach macht: Man fährt morgens an, stellt das Auto an das jeweilige Ziel, und fährt mit dem Zug zum Start der jeweiligen Tour.

Und am ersten Tag war ich nicht allein: Die Waldelfe war mitgekommen, um mit mir zusammen einer uralten Grenze nachzuspüren... Und so fuhren wir eines schönen Morgens in den Pfälzerwald, im Auto das Album "Spheres Aligned" der Lost World Band.

Am 16. April 828 schenkten also Wiligarta (sexy Name übrigens!) und ihr Neffe Werinher (schon wieder sexy!), die laut der Urkunde aus dem vornehmen Geschlecht des Wernher stammten, den Hof Wiligartawisa nebst Kirche und Wald dem heiligen Pirminius bzw. seinem Kloster Hornbach. Dieses Besitztum des Klosters ist später Pirmins-/Pirmannnsland genannt worden, heute findet man auch die Bezeichnung "Pirminiusbezirk".

An Wiligarta erinnern heute noch die Namen des Ortes Wilgartswiesen, der sich inzwischen aus dem Hof Wiligartawisa entwickelt hat, und der - allerdings neuzeitliche - Name der Wilgartaburg. Beide kann man z. B. auf dieser schönen Tour erwandern, oder am Abend einer der beiden Etappen dieser Grenzwanderung mit dem Auto anfahren; bei der Umwanderung der Schenkung von 828 berührt man sie nicht.
 
Ans Eingemachte! Der für uns Wanderer interessante Teil der Schenkungsurkunde ist die Grenzbeschreibung, in der festgehalten ist, um welches Gebiet es sich bei der Schenkung genau handelt. Interessant ist er auch deshalb, weil er zahlreiche Flurnamen in althochdeutscher Form (von mir gefettet) enthält. Der Abschnitt lautet:


„... De huorunhusun sursum in queycha fluvium, de queicha sursum in Walesqueicha, de     Walesqueicha     sursum in    Wydendail   ,   Wydendail   sursu  m usque in cacumen   ryntbergess  , per cacumen  rintbergess  usque in fluuiolum   spurchineb ach  ,  spurchinebach  sur sum in  elungessigun , elungessigun sursum in montem no dic, per cacumen nodinc in  Musseberc , per  cacumen mussberc in public am plateam, per plateam deorsum usque in Wadebrunnu n, Wadebrunnun deorsum in fluuium luthera, luthera sursum usque in  Wyseluthera , Wyseluthera sursum in Otterbach, Otterb ach sursum usque hereboldesberc, quem incole vocant gelengi, de gelengi deorsum in chaldenbach, chaldenbach deorsum in queicha, queicha deorsum in mylebach, mylebach sursum usque in vallem aquosum, Wasserdail sursum in almmersberc, de almmersberc per plateam in langenberc, de langenberc in dungelendal, dungelendal in fluuium queicha.“

 
Man sieht: Einige Namen sind heute noch zu erkennen, die queicha zum Beispiel heißt heute Queich, der ryntberg Rindsberg. Andere dagegen sind ziemlich rätselhaft, und wollen erst einmal entschlüsselt werden: "Wydendail" zum Beispiel, "elungessigun" oder "gelengi". 

Der Text ist außerdem nicht mehr ganz original: Die Quelle von 828 ist nämlich nur in einer Abschrift von 1430 erhalten. Sie enthält deshalb nicht die reinen althochdeutschen Formen von 828, es liegen einige Einflüsse aus der Zeit von 1430 vor.

 
In deutscher Übertragung, unter Beibehaltung der alten Formen der Ortsnamen (in verdeutlichender Schreibung) lautet die Grenzbeschreibung:
 

„...von Huorunhusun aufwärts in den Fluß Queicha, von der Queicha aufwärts in die Walesqueicha, von der Walesqueicha aufwärts ins Widendal, vom Widendal hinauf bis auf den Gipfel des Rintberges, über den Gipfel des Rintberges bis zum Flüßchen Spurchinebach, vom Spurchinebach aufwärts in Elungessigun, von Elungessigun hinauf auf den Berg Nodic, über den Gipfel des Nodinc auf den Musseberg, über den Gipfel des Mussberg auf die publica platea, über die platea abwärts bis zum Wadebrunnun, vom Wadebrunnun abwärts in den Fluß Luthera, von der Luthera aufwärts bis in die Wisluthera, von der Wisluthera hinauf in den Otterbach, den Otterbach hinauf bis zum Hereboldesberc, welchen die Einwohner Gelengi nennen, vom Gelengi abwärts in den Kaldenbach, den Kaldenbach hinab in die Queicha, die Queicha hinab in den Milebach, den Milebach aufwärts bis in das wasserreiche Tal, das Wasserdal hinauf auf den Almmersberc, vom Almmersberc über die platea auf den Langenberc, vom Langenberc in das Dungelendal, vom Dungelendal in den Fluß Queicha.“

 
Unsere Wanderidee war es, wie gesagt, die Grenze der Schenkung von 828 im Gelände nachzuvollziehen. Dazu mussten wir die Namen erst einmal entschlüsseln, und dann auf einer Karte wiederfinden, um sie dann im Gelände anlaufen zu können. Dabei half uns ein Text von Ernst Christmann, "St. Pirminius und Pirminiuslande im Licht der Namenforschung", aus dem Jahr 1953, in dem der Autor Licht in die alten Namenformen gebracht, und damit den alten Grenzverlauf nachvollziehbar gemacht hat. Diesem Text hat Christmann auch eine Karte beigefügt, in die er Kürzel für die in der Schenkungsurkunde genannten Grenzpunkte eingetragen hat (ich habe diese Kürzel für diesen Text übernommen, so finden sich die Stellen auf Christmanns Karte leicht wieder). Damit ließen sich die Grenzpunkte auf einer aktuellen Wanderkarte bzw. im Gelände ganz gut wiederfinden. Ein wenig suchen mussten wir hin und wieder aber doch...


Und so brachen die Waldelfe und ich eines schönen Morgens in queycha fluvium auf, um in zwei Etappen das Pirminsland zu erwandern, das Wiligarta dem Kloster Hornbach einst schenkte.

Start des ersten Tages war der kleine Ort Rinnthal (190m), der eigentlich recht malerisch unter Felskanzeln im Queichtal liegt, heute aber unter der Bundesstraße leidet (und das nicht nur ästhetisch), die über ihn hinwegzieht. Hierher gekommen waren wir mit dem Zug, nachdem wir das Auto am Bahnhof von Hinterweidenthal, unserem Tagesziel, abgestellt hatten.

Der Name Rinnthal ist eigentlich Rind-Tal. Der Ort ist nach dem Rindsberg benannt, der seinen Namen schon trug, lange bevor Rinnthal entstanden ist: In der Schenkungsurkunde von 828 wird der Ort nicht erwähnt.
 

In der Grenzbeschreibung heißt es nun "de Walesqueicha sursum in Wydendail", also "von der Walesqueicha aufwärts ins Widendal". Heute fließt zwar die Queich durch Rinnthal, von einer Walesqueich ist aber keine Spur mehr zu finden. Vermutlich handelte es sich dabei um einen vom Hauptlauf der Queich abzweigenden, und für eine Weile parallel neben ihm fließender Nebenarm. Die Suche nach ihm konnten wir uns also sparen.


Stattdessen überquerten wir wenige Meter nördlich des Bahnhofs die Schienen, und wanderten, der Beschilderung Richtung Spirkelbach/Buchholzfelsen folgend, in den Wald hinauf. Besonders behielten wir die hölzernen Schilder im Auge, die zum Mühlfelsen weisen.

Der nächste Grenzpunkt von 828 wird als " Wydendail ", also "Widendal" bezeichnet. Das kann ein Weidental sein, oder ein weit es Tal. Oder auch eine Dell, so nennt man in der Pfalz einen Tobel - und davon gibt es hier viele. Das Widendal ist heute nicht mehr zu identifizieren. Allerdings ist in einem Weistum aus dem Jahr 1591, in dem das Pirminsland noch einmal erwähnt wird,  vor dem Widendal ein weiterer Grenzpunkt erwähnt: Der "Eberstein (so ein Fels ist)".


Als Weistümer (aus ahd. wistuom 'Weisheit', zu ahd. wisen 'belehren') werden Rechtsquellen des Mittelalters oder der Neuzeit bezeichnet, die in der Regel mündlich überliefert oder nach Verhandlungen protokolliert wurden. Weistümer sind überwiegend ländliche Rechtsquellen, die durch die Auskunft (Weisung) rechtskundiger Personen über einen bestehenden Rechtszustand in einer hierzu einberufenen Versammlung entstanden sind. Sie dienten vorwiegend zur Klärung strittiger Fragen im Rechtsverhältnis von Grundherren und Bauern.


Wenn die Grenze des Pirminslands schon 828 über diesen 1591 erwähnten Felsen führte, dann dürfte sich dieser Grenzpunkt wiederfinden lassen. Das Problem: Dort oben stehen drei Felsen - und keiner davon trägt den Namen Eberstein!

Wir beschlossen daher, alle drei anzuwandern: Den Mühlfels, den Rinnthaler Falkenturm, und den Buchholzfelsen, und uns dort umzusehen. Einer davon würde schon mit dem Eberstein von 1591 zu identifizieren sein.


Der Mühlfelsen ist leicht zu finden, er ist schon kurz nach dem Bahnhof ausgeschildert (auf Holzschilder achten! Auch die blaue Beschilderung, die zum Höhenweg führt, leitet am Mühlfelsen vorbei). Wir wanderten also den Berg hinauf, zunächst auf breiten Wegen, dann auf einem schmalen Wanderpfad, immer auf die Beschilderung achtend. Durch herrlichen Bergwald gelangten wir schließlich auf einen breiten Waldweg. Dem folgten wir nach links. Von ihm aus sind Mühlfels, Rinnthaler Falkenturm und Buchholzfelsen über schöne Pfade zu erreichen. Zum Mühlfelsen (335m) geht es sofort links ab.

Und schon bei ersten der drei Felsen wurden wir fündig: Der Mühlfelsen ist geradezu übersät von Grenzsteinen. Natürlich stammt keiner davon aus dem Jahr 828, aber wie sich bald herausstellen sollte, ist die Grenze des Pirminslands bis heute äußerst stabil geblieben: Sogar die heutigen Gemeindegrenzen folgen noch weitgehend ihrem Verlauf. Und da wir beim Rinnthaler Falkenturm und beim Buchholzfelsen keine Grenzsteine vorfanden, vermuten wir, dass es der Mühlfelsen ist, der 1591 als Eberstein Erwähnung fand. Christmann hat ihn in seine Karte des Pirminslandes mit einem e eingezeichnet.

Es lohnt sich übrigens, ganz vor zu laufen. Der Tiefblick nach Rinnthal ist schwindelerregend! Und man sieht genau in das in der Schenkungsurkunde erwähnte Dungelendal hinein, das heutige Dingental (ein weiteres Indiz dafür, dass der Eberstein von 1591 mit dem Mühlfelsen zu identifizieren ist: Die Grenze verlief das Dingental hinunter, und drüben geradewegs den Berg hinauf: Zum Mühlfelsen). Nur Mut, der kleine Riss zwischen dem Hauptfelsen und dem vorderen Fels ist mit einem kühnen Sprung schnell überwunden!

A propos Riss: Wer auf der Nordseite des Felsens unterhalb der Wand nachforscht, wird ein Messgerät entdecken. Es misst die Größe des Spalts. Bricht der vordere Teil des Mühlfelsens ab, ist der darunter liegende Ort gefährdet.


Wir statteten auch dem Rinnthaler Falkenturm einen Besuch ab, ein unscheinbarer Felsen, der kaum Aussicht bietet. Ganz anders der Buchholzfelsen (350m), einer meiner Lieblingsfelsen in der Pfalz.

Von hier aus hat man eine herrliche Sicht hinunter ins Tal, hinüber nach Annweiler, und zu den drei Burgen Trifels, Anebos und Scharfenberg.

Vom Buchholzfelsen aus wanderten wir nun, der blauen Beschilderung des Höhenwegs folgend, den Berg hinauf. Bald stießen wir auf die ersten von zahllosen Grenzsteinen, die gleich mehrere vom Mühlfelsen heraufkommende Grenzen aus unterschiedlichen Zeiten markieren. Heute grenzen hier die Gemeindegebiete von Rinnthal, Annweiler und Wernersberg aneinander.


Das Widendal ist, wie gesagt, heute nicht mehr zu identifizieren. Es dürfte einer jener Tobel sein, die hier von links oder rechts aus dem Tal zum Rindsberg hinaufziehen. Wie der Eberstein wird es auch 1591 erwähnt, und noch einmal 1701. In Christmanns Karte ist seine ungefähre Lage mit einem W gekennzeichnet.

In der Schenkungsurkunde von 828 heißt es nun weiter:

 

"Wydendail sursum usque in cacumen ryntbergess, per cacumen rintbergess usque in fluuiolum spurchinebach", also "vom Widendal hinauf bis auf den Gipfel des Rintberges, über den Gipfel des Rintberges bis zum Flüßchen Spurchinebach".


Damit ist die Grenze von 828 von nun an ganz leicht zu verfolgen: Bis unmittelbar vor dem Ort Spirkelbach verläuft sie direkt über den Bergrücken des Rindsbergs, der schon in der Grenzbeschreibung diesen Namen trägt - also seit mindestens 1200 Jahren. Und auch ein Grenzberg ist er mindestens ebenso lange. Die ältesten heute noch vorhandenen Grenzsteine stammen aus dem Jahr 1777. Der Rindsberg ist in Christmanns Karte mit einem R gekennzeichnet.

Auf dem schönen, felsigen Pfad wanderten wir hinauf zum höchsten Punkt der Rindsbergs (437m), der, wie so oft in der Pfalz, von einem roten Sandsteinfelsen gekrönt ist. Das eigentliche Highlight folgt aber erst kurz danach: Der Felsentisch "Wackelstein" (430m): Einer jener bizarren Tischfelsen, für die die Pfalz berühmt ist.

Hier pausten wir, und ließen den Blick in die Gegend südlich von Hauenstein schweifen. Die würde unsere heutige Tour noch streifen. Unterhalb, im Südhang des Rindsbergs, stehen übrigens neun beeindruckende Felskanzeln. Die konnten wir an diesem Tag zwar nicht besuchen, sind aber unbedingt einen Hike wert.

Danach folgten wir weiter dem schönen Höhenweg, der nun hinunter zu einer Wegkreuzung an einem Hüttl führt (Alte Rödern). Der Spirkelbacher Weg Nummer 5 läuft sie ebenfalls an, in einem spitzen Winkel. Wir nahmen nun die rechte 5 (die linke führt südseitig ins Tal hinunter), und wanderten auf dem zunächst breiten, dann bald wieder schmalen Weglein hinunter zu unserem nächsten Grenzpunkt.


Die Bezeichnung "Spurchinebach" meint den heutigen Spirkelbach. Oder besser: die heutige Spirkelbach. Denn Bäche sind im Pfälzischen feminin: Die Bach. Und eigentlich heißt es "spurchîne bach", "spurchîn" ist ein althochdeutsches Adjektiv, und bedeutet 'mit Wachholder bewachsen'. Es ist vom Substantiv "spurch" abgeleitet, das 'Wachholder' bedeutet. Die Spurchinebach, die heutige Spirkelbach, ist also eine mit Wachholder bewachsene Bach.

Das Dorf Spirkelbach (240m), das heute hier gelegen ist, hat 828 noch nicht existiert, sonst wäre es in der Schenkungsurkunde sicherlich erwähnt worden. Die Grenze des Pirminslandes stieß, vom Rindsberg her kommend, etwas nördlich des heutigen Dorfs auf die Bach und folgte ihr aufwärts, also nach Süden, bis zu einer Stelle namens Elungessigun, südliches des Dorfs. 
 

Wir durchquerten den Ort südwärts, und versuchten dabei, möglichst nahe an der Bach zu bleiben. So gelangten wir zu einem schönen, parkähnlichen Gelände, durch das der Wanderweg wieder aus dem Ort hinausführt. Die Spirkelbach wird überquert, dann wandert man auf ihrer linken Seite durch schöne Wiesen bachaufwärts. Folgt man der Spirkelbacher Rauberg-Tour (rote Beschilderung), ist man genau richtig. An der nächsten Brücke geht es wieder zurück auf die andere Bachseite, und dort links, an letzten Häusern vorbei, nach Süden. Der Wanderweg schlägt auf der Wiese einige kleine Haken, dann führt er auf einen Waldrand zu. Hier befindet sich der St. Pirmannsborn (244m).
 

Die Quelle ist der Ursprung der Spirkelbach. Rund 100 Meter westlich befindet sich laut Christmann der Eselsborn. 828 wird an dieser Stelle eine "Elungessigun" genannt (In Christmanns Karte mit einem E gekennzeichnet.). "Sîgun" ist verwandt mit mittelhochdeutsch "sîgen"/"sîhen", das 'tropfen, tröpfelnd fließen, sickern' bedeutet. Das heutige Wort "Seihe(r)" geht darauf zurück. Gemeint ist damit eine Stelle, an der Wasser tropfte, sickerte oder floß. Das Gelände drumherum dürfte einst einem Mann namens Elung oder Eling gehört haben, daher der Name "Elunges sîgun". Aus dem Wort "Elüngesbrunno" ist vermutlich über "Elingsbrunn", "Elesbronn", "Elsborn" das heutige "Eselsborn" geworden. Das Problem: Während der St. Pirmannsborn leicht zu finden ist, ist vom Eselsborn keine Spur zu sehen. 100 Meter westlich des St. Pirmannsborns befindet sich ein Holzlagerplatz, der notwendigerweise trocken ist. In Gräben links und rechts davon fließt heute kein Wasser mehr. Was Christmann da gesehen haben mag, konnten wir im Gelände nicht mehr nachvollziehen.

Der Weiterweg ist anhand der Grenzbeschreibung von 828 allein schwer zu finden. Hier heißt es "elungessigun sursum in montem nodic", also "von Elungessigun hinauf auf den Berg Nodic".
Aber wo ist dieser Nodic? Wurde dort das gleichnamige Walking erfunden? Dann muß er in der Nähe von ShoeCity Hauenstein liegen!

So ist das. Mit "nodic" ist der heutige Berg Neding bei Hauenstein gemeint, aber der ist weit weg. Wie verlief die Grenze bis dorthin? Hier hilft uns ein weiteres Weistum weiter, eines aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Auch hier ist der Pirmansbezierk noch einmal erwähnt. Dort heißt es:

"zu Sporckelbach lit ein born, heiszet der Pirmesborn. do weisen wir an bisz in den Eselborn, von Eselborn bisz uf die ebnet zu dem stein, vom selben stein uberein bisz inn den Wegklettengrund, vom Wegklettengrund usz bisz in die Steinbach, die Steinbach ab bisz in Waltmeswere, vom Waltmeswere das ort uf bisz uf den hohen Neding". Es geht also vom Eselborn/Elungessigun auf die Ebene hinauf zu einem Felsen, und von diesem drüben hinunter in den Wegklettengrund, wo die Steinbach fließt. Das ist leicht zu finden, denn die Steinbach gibt es noch heute.
 

Über den Hügel südlich des Raubergs, dessen Hochfläche Mitte des 15. Jahrhunderts mit "Ebnet" bezeichnet wurde, gelangt man heute nicht direkt vom Pirmansborn aus, am besten folgt man hier weiter der Spirkelbacher Rauberg-Tour (rote Beschilderung): Zwischen Pirmansborn und Eselsborn führt sie nach Süden, kurz durch den Wald und dann hinaus auf eine Wiese. Hier hält man sich am linken Waldrand entlang, bis man auf einen geteerten Fahrweg stößt. Dieser führt bisz uf die ebnet, und von dort uberein bisz inn den Wegklettengrund. Den im Weistum des 15. Jahrhunderts erwähnten Felsen ("bisz uf die ebnet zu dem stein") haben wir gesucht, aber nicht gefunden.

Statt Wegklettengrund ist sicher Weckeltergrund, also "Wachholdergrund" zu lesen. Dieser Name ist auch auf alten Karten zu finden.

Hier im Talgrund fließt, wie gesagt, die Steinbach, der wir nun nordwestwärts folgten. Das Waltmeswere, also das Wehr des Waltmann, fanden wir zwar nicht mehr vor, dafür leitete uns die Steinbach direkt bis an den Fuß des Nedings.

Am Streich wird die K 38 gequert, drüben folgt man einfach der gelbroten Markierung, die in Richtung Neding weist. Zunächst steil hinauf, rechts befindet sich ein alter Steinbruch, dann kommt linker Hand eine kleine Schafweide. Auf einem Absatz zu einem breiten Weg, und auf diesem eben in die Südflanke des Bergs. Gleich darauf folgt man dem Hauensteiner Schusterpfad (gelbe Markierung) an schönen Sandsteinfelsen vorbei hinauf zum Nedinggipfel (336m).


Der Neding ist in Christmanns Karte mit einem N gekennzeichnet. Er heißt in der Schenkungsurkunde von 828 noch nodinc. Das -i- im Namen hat aus dem -o- ein -ö- gemacht, und der Pfälzische Dialekt aus dem -ö- ein -e-. Das machen die Pfälzer gern. Die finden das schee.


Auf dem schmalen Felsplateau des Nedinggipfels laden Bänke zur Pause ein. Das sollte man nutzen, denn man hat von hier an keine vergleichbare Aussicht mehr.


Die Grenze des Pirminslandes verlief 828 "per cacumen nodinc in Musseberc", also "über den Gipfel des Nodinc auf den Musseberg". Das ist ein westlich benachbarter Berg, der heute den Namen "Mischberg" führt. Um zu ihm zu gelangen, folgt man weiter dem Hauensteiner Schusterpfad.


Der Schusterpfad führt nun in die Südseite des Nedings hinunter. Unter hohen Felswänden stiegen wir auf Serpentinen über Wurzeln und Felsen hinab bis zu einem Felsentor (295m), unterhalb dessen wir wieder auf den gelbroten Weg stießen, der wir nun weiter folgten. Wir überquerten die Falkenburgstraße und wanderten drüben zum Mischberg hinauf.

Im Aufstieg sollte man auf ein weißes Schild links am Weg achten. Es weist zu einer "Backöfel" genannten Höhlung im Sandstein (254m) unterhalb des Wanderwegs, die Anwohner im zweiten Weltkrieg zum Schutz diente.

Hier am Schild verließen wir den Wanderweg und stiegen weglos den Hang zum Mischberg (324m, in Christmanns Karte mit einem M gekennzeichnet) hinauf, wo wir prompt auf weitere Grenzsteine stießen. Auf dem Gipfel steht eine Infrastruktur, ein Mast, und so kann man auf der anderen Seite bequem auf einem schönen Weg wieder absteigen.

Die nun folgende Grenzangabe "publica platea" (in Christmanns Karte mit pp gekennzeichnet) bedeutet 'öffentliche, gepflasterte Straße' und meint (wie auch an anderen Stellen in der Pfalz) eine ehemalige Römerstraße. Diese hier führte als Teil der Strecke vom Rhein durch den Pfälzerwald ins Lothringische durch das Tal von Hirtenbach und Horbach, durch das noch heute eine Hauptverkehrachse führt: die B10. Von der Römerstraße ist allerdings nichts mehr zu sehen.


Von der Stelle aus, an der der Weg vom Mischberg herunter auf die Straße führt, folgten wir Grenzgänger nun für etwa 7 Kilometer dem Radweg, der auf der linken Talseite von Hauenstein nach Hinterweidenthal führt. Das ist nicht spannend, aber wer der Grenze von 828 folgen möchte... Immerhin wartet die Route am Ende noch einmal mit einer schönen Erkenntnis auf:
 

Der im Text von 828 erwähnte Wadebrunnen ist heute nicht mehr bekannt. Allerdings fließt hier im Tal eine Bach, die westwärts zum Horbacherhof und von da ab mit der Horbach zur Wieslauter fließt. Die Einheimischen nennen sie "Woodbach" bzw. "Waadbach", und eine südlich gelegene Waldabteilung heißt "Watbach", umgedeutet zu "Wartbach". In Christmanns Karte ist sie mit Wb gekennzeichnet.


All das ist im Gelände natürlich nicht zu sehen. Aber die Straße, in die der Radweg mündet, und die uns geradewegs nach Hinterweidenthal (242m) hineinführte, heißt "Wartbachstraße". In ihrem Namen hat die Bach, die aus dem Wadebrunnen entsprang, überlebt.


Das war's! Damit wäre der erste Teil der Tour beendet: Die Südgrenze des Pirminslandes ist erwandert. Im Ort könnte man sich nun nach rechts wenden, und über die schreckliche neue Fußgängerbrücke hinauf zum Bahnhof gelangen. Doch Hinterweidenthal ist berühmt, und zwar für einen Felsen. Nicht irgendeinen Felsen, es ist der Felsen. Der bekannteste Felsen des Pfälzerwaldes: Der Teufelstisch. Ihm wollten wir noch einen kleinen Besuch abstatten. Denn er gehörte zwar nicht zur Schenkung der Wiligarta, aber er war schon lange zuvor hier, und hat Adlige und Kirchenleute ebenso gesehen wie Bauern und Bürger, Römer, Alemannen und Franken. Also warum nicht auch noch uns. 

Der Teufelstisch (284m) ist schnell erreicht: Man sieht ihn vom Ort aus, ausgeschildert ist er sowieso.

Der Teufelstisch ist ein 14 m hoher, an einen Tisch erinnernder Pilzfelsen, und eins der Wahrzeichen der Pfalz. Auf einem 11 Meter hohen Tischbein ruht eine etwa 50 m² große Tischplatte von 3 bis 4 Metern Stärke. Das Gesamtgewicht wird auf 284 Tonnen geschätzt.

Es gibt - natürlich - eine Sage! Der Pfälzer Heimatdichter Johann Martin Jäger (Fritz Claus, 1853–1923) erzählt sie so:

Im Kaltenbacher Tale
Ein Tisch von Felsen steht.
Dort saß der Teufel beim Mahle.
Hört, wie die Sage geht:
 
Einst schritt in jenem Walde
Durch nächt’ges Dunkel schnell
Hinauf die Bergeshalde
Ein finsterer Gesell.
 
Hell lodert in seinen Blicken
Unheimlich wilde Hast.
Nun will er sich erquicken,
Er schaut nach guter Rast.
 
Umsonst! Kein Stein zum Sitzen,
Kein Tisch zum nächt’gen Mahl.
Vor Zorn seine Augen blitzen
Hin über Berg und Tal.
 
Da – wie mit Blitzesschnelle
Packt jetzt zwei Felsen frisch
Der grimmige Geselle
Und stellt sie auf als Tisch.
 
Nachdem er dran gegessen,
Ging durch die Nacht er fort.
Den Tisch, wo er gesessen,
Den ließ er einfach dort.
      
Das war ein ängstlich Schauen
Des Morgens drunten im Tal!
Ein jeder sprach mit Grauen:
„Dort hielt der Teufel Mahl!“
 
Nur einer voller Zweifel
Die Andern hell verlacht:
„Ich geh“, spricht er, „zum Teufel
Zum Mahle dort heut Nacht!“
 
Man warnt ihn in der Runde,
Er lacht und geht. Vom Turm
Tönt laut die zwölfte Stunde –
Da! – Welch ein Wind! Ein Sturm?
 
Und jetzt? – Was ist geschehen?
Welch grässlicher Todesschrei!
Entsetzt die Lauscher stehen:
„Mit dem dort ist’s vorbei!“
 
Der Keckste nimmer weilte
Vorm Dorfe länger draus;
Er schlug ein Kreuz und eilte
Leis schauernd fort nach Haus.


Wir eilten jetzt auch nach Haus, wo wir dann heiß showerten....  Übrigens: Der Teufelstisch ist gar kein Unikum. Wir waren ja schon am Wackelstein vorbeigekommen, insgesamt gibt es im Pfälzerwald mehr als zwanzig solcher schöner Pilzfelsen. Die allermeisten sind aber wesentlich kleiner.



Tja, und wenn man ihn zur Genüge bestaunt hat, kann man auf der Westseite des Handschuhkopfs auf einem schönen Weg zum Bahnhof hinüberwandern. Und dann geht's am nächsten Tag weiter!

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


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