Die Schenkung des Pirminslandes: Entlang einer Grenze aus dem Jahr 828. Tag 2


Publiziert von Nik Brückner , 25. April 2019 um 10:47.

Region: Welt » Deutschland » Westliche Mittelgebirge » Pfälzerwald
Tour Datum:22 April 2019
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 800 m
Abstieg: 850 m
Strecke:30km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Ich stellte mein Auto am Bahnhof in Rinnthal ab, und fuhr mit dem Zug nach Hinterweidenthal.

Vor 1200 Jahren, im Jahr 828, schenkte die fränkische Adelige Wiligarta dem heiligen Pirmin, vertreten durch sein Kloster Hornbach, ein Gebiet im Pfälzerwald. Die Schenkungsurkunde ist erhalten geblieben, mit ihr die entsprechende Grenzbeschreibung, und in dieser über 1200 Jahre alte Flurnamen. Dieser Grenze wollte ich an Ostern 2019 entlangwandern.

Im Text ist ihr Verlauf durch eine Kette von Flurnamen repräsentiert, von denen ein Teil verschwunden ist, ein anderer sich aber bis heute erhalten hat. Allerdings zumeist nicht mehr in der Form, in der sie in der Urkunde stehen. Diese 1200 Jahre alten Namen mit heutigen Punkten in der Landschaft zu identifizieren, und sie dann im Gelände wiederzufinden, ist der Reiz dieses kleinen Abenteuers.


Solche Grenzgänge sind spannend, und nicht minder lehrreich. Sie brauchen aber einiges an Aufwand und Zeit - zur Vorbereitung, wie zur Wanderung selbst. Am Odenwaldlimes war ich vor einigen Jahren vier Tage lang unterwegs, die Grenze der Schenkung von 828 ist in etwa 52 Kilometer lang, daher musste ich sie auf zwei Tage aufteilen: Am ersten Tag von Rinnthal über Hauenstein nach Hinterweidenthal (das ist die Südgrenze des Gebiets), am zweiten Tag von Hinterweidenthal über den Hermersbergerhof nach Rinnthal (das ist die Nordgrenze). Rinnthal und Hinterweidenthal sind durch eine Bahnstrecke verbunden, was Hin- bzw. Rückfahrt einfach macht: Man fährt morgens an, stellt das Auto an das jeweilige Ziel, und fährt mit dem Zug zum Start der jeweiligen Tour. Im Auto hat man am Besten ein Album eines lokalen Musikers, ich hörte "SubTerraMachIneA" von Gerd Weyhing - der unmittelbar an der Wanderstrecke wohnt.

Am 16. April 828 schenkten also Wiligarta (sexy Name übrigens!) und ihr Neffe Werinher (schon wieder sexy!), die laut der Urkunde aus dem vornehmen Geschlecht des Wernher stammten, den Hof Wiligartawisa nebst Kirche und Wald dem heiligen Pirminius bzw. seinem Kloster Hornbach. Dieses Besitztum des Klosters ist später Pirmins-/Pirmannnsland genannt worden, heute findet man auch die Bezeichnung "Pirminiusbezirk".

An Wiligarta erinnern heute noch die Namen des Ortes Wilgartswiesen, der sich inzwischen aus dem Hof Wiligartawisa entwickelt hat, und der - allerdings neuzeitliche - Name der Wilgartaburg. Beide kann man z. B. auf dieser schönen Tour erwandern, oder am Abend einer der beiden Etappen dieser Grenzwanderung mit dem Auto anfahren; bei der Umwanderung der Schenkung von 828 berührt man sie nicht.
 
Ans Eingemachte! Der für uns Wanderer interessante Teil der Schenkungsurkunde ist die Grenzbeschreibung, in der festgehalten ist, um welches Gebiet es sich bei der Schenkung genau handelt. Interessant ist er auch deshalb, weil er zahlreiche Flurnamen in althochdeutscher Form (von mir gefettet) enthält. Der Abschnitt lautet:

 

„... De huorunhusun sursum in queycha fluvium, de queicha sursum in Walesqueicha, de Walesqueicha sursum in Wydendail, Wydendail sursum usque in cacumen ryntbergess, per cacumen rintbergess usque in fluuiolum spurchinebach, spurchinebach sursum in elungessigun, elungessigun sursum in montem nodic, per cacumen nodinc in Musseberc, per cacumen mussberc in publicam plateam, per plateam deorsum usque in Wadebrunnun, Wadebrunnun deorsum in fluuium luthera, luthera sursum usque in Wyseluthera, Wyseluthera sursum in Otterbach, Otterbach sursum usque hereboldesberc, quem incole vocant gelengi, de gelengi deorsum in chaldenbach, chaldenbach deorsum in queicha, queicha deorsum in mylebach, mylebach sursum usque in vallem aquosum, Wasserdail sursum in almmersberc, de almmersberc per plateam in langenberc, de langenberc in dungelendal, dungelendal in fluuium queicha.“

 
Man sieht: Einige Namen sind heute noch zu erkennen, die queicha zum Beispiel heißt heute Queich, der ryntberg Rindsberg. Andere dagegen sind ziemlich rätselhaft, und wollen erst einmal entschlüsselt werden: "Wydendail" zum Beispiel, "elungessigun" oder "gelengi". 

Der Text ist außerdem nicht mehr ganz original: Die Quelle von 828 ist nämlich nur in einer Abschrift von 1430 erhalten. Sie enthält deshalb nicht die reinen althochdeutschen Formen von 828, es liegen einige Einflüsse aus der Zeit von 1430 vor.

 
In deutscher Übertragung, unter Beibehaltung der alten Formen der Ortsnamen (in verdeutlichender Schreibung) lautet die Grenzbeschreibung:

 

„...von Huorunhusun aufwärts in den Fluß Queicha, von der Queicha aufwärts in die Walesqueicha, von der Walesqueicha aufwärts ins Widendal, vom Widendal hinauf bis auf den Gipfel des Rintberges, über den Gipfel des Rintberges bis zum Flüßchen Spurchinebach, vom Spurchinebach aufwärts in Elungessigun, von Elungessigun hinauf auf den Berg Nodic, über den Gipfel des Nodinc auf den Musseberg, über den Gipfel des Mussberg auf die publica platea, über die platea abwärts bis zum Wadebrunnun, vom Wadebrunnun abwärts in den Fluß Luthera, von der Luthera aufwärts bis in die Wisluthera, von der Wisluthera hinauf in den Otterbach, den Otterbach hinauf bis zum Hereboldesberc, welchen die Einwohner Gelengi nennen, vom Gelengi abwärts in den Kaldenbach, den Kaldenbach hinab in die Queicha, die Queicha hinab in den Milebach, den Milebach aufwärts bis in das wasserreiche Tal, das Wasserdal hinauf auf den Almmersberc, vom Almmersberc über die platea auf den Langenberc, vom Langenberc in das Dungelendal, vom Dungelendal in den Fluß Queicha.“

 
Meine Wanderidee war es, wie gesagt, die Grenze der Schenkung von 828 im Gelände nachzuvollziehen. Dazu musste ich die Namen erst einmal entschlüsseln, und dann auf einer Karte wiederfinden, um sie dann im Gelände anlaufen zu können. Dabei half mir ein Text von Ernst Christmann, "St. Pirminius und Pirminiuslande im Licht der Namenforschung", aus dem Jahr 1953, in dem der Autor Licht in die alten Namenformen gebracht, und damit den alten Grenzverlauf nachvollziehbar gemacht hat. Diesem Text hat Christmann auch eine Karte beigefügt, in die er Kürzel für die in der Schenkungsurkunde genannten Grenzpunkte eingetragen hat (ich habe diese Kürzel für diesen Text übernommen, so finden sich die Stellen auf Christmanns Karte leicht wieder). Damit ließen sich die Grenzpunkte auf einer aktuellen Wanderkarte bzw. im Gelände ganz gut wiederfinden. Ein wenig suchen musste ich hin und wieder aber doch...


Also los! Ich stellte mein Auto am Bahnhof in Rinnthal, meinem Tagesziel, ab, und fuhr mit dem Zug nach Hinterweidenthal.

Vom Bahnhof Hinterweidenthal (240m) aus überquerte ich auf der schrecklichen neuen Fußgängerbrücke die B10 und wanderte drüben ein Stück nach Osten, bis man durch einen Tunnel die Bundesstraße nordwärts unterqueren kann. Dann stand ich im Tal der Wieslauter.

In der Schenkungsurkunde wird der Grenzverlauf an dieser Stelle so beschrieben: "Wyseluthera sursum in Otterbach", also "von der Wisluthera hinauf in den Otterbach". Oder besser: in die Otterbach, in der Pfalz ist das Wort "Bach" nämlich feminin.


Ich folgte also der Wieslauter nach Norden. Das kann man auf beiden Talseiten tun, ich wählte die linke, die mir schöner zu sein schien. Das bedeutete zwar, dass ich später irgendwie über die Bach hinüber musste, aber das würde ich schon irgendwie bewerkstelligen können. Der Weg ist mit einem roten Balken markiert.

Das Tal ist schön, und die Wieslauter mäandert munter mitten hindurch. Ich folgte ihr bachaufwärts bis zu der Stelle, an der das Tal, kurz vor dem Wieslauterhof, nach links biegt. Hier verließ ich den roten Balken, stieg die Böschung hinunter, fand schnell einen umgestürzten Baum, auf dem ich über die Bach hinüberbalancierte, und wanderte hinüber zur anderen Talseite. Dabei passierte ich die Einmündung der Scheidbach.


Die Scheidbach heißt ja schon so!: Heute scheidet sie als Grenzbach die Gemeinden Wilgartswiesen und Merzalben, daher ihr Name. Die Scheidbach ist die Otterbach von 828: Das lässt sich deshalb vermuten, weil es in rund 537m Höhe nördlich ihrer Quelle einen Otterfelsen gibt - und dort droben kann der namengebende Fischotter nicht gelebt haben. Wohl aber unten an der Bach. Der Name muss also von der Bach zum Felsen aufgewandert sein, wo er sich bis heute gehalten hat, während die Bach später umbenannt worden ist. Allerdings dokumentiert der neue Name "Scheidbach" die alte, bis heute fortdauernde Funktion als Grenzbach.


Ich folgte also nun der Scheidbach, die sich langsam nach Osten kehrt. Es ist noch ein weiter Weg bis in den Talschluss, und hier hinten wird es bald sehr, sehr einsam. Menschliche Spuren werden immer weniger...

Die interessanteste ist wohl die gemauerte Begradigung der Scheidbach, vermutlich diente sie dem Zweck, den Abtransport von Baumstämmen aus dem Wald zu ermöglichen.

Irgendwann gelangte ich dann an die Quelle der Scheidbach, ganz hinten im Talschluss, etwa 9,5 Kilometer vom Bahnhof Hinterweidenthal. Die Grenze der Schenkung von 828 zog hier geradewegs hinauf auf die Höhe beim Hermersbergerhof. Die heutigen Waldwege allerdings vollführen ein aufwändiges, weit ausschweifendes Zickzack. Ursprünglich hatte ich vorgehabt, ihnen zu folgen, doch als ich sah, dass der Tobel nicht allzu steil ansteigt, entschloss ich mich, weglos im Tobel anzusteigen, und damit dem alten Grenzverlauf exakt zu folgen.

Prompt stieß ich auf eine Reihe alter Grenzsteine. Von denen geht natürlich keiner auf das Jahr 828 zurück, die ältesten sind aber doch immerhin auf das Jahr 1778 datiert.


Die Steine markieren die Nordgrenze der Gemarkung Wilgartswiesen, die an seiner schmalsten Stelle über den Hereboldesberc (worauf das heutige Hermersbergerhof zurückzuführen ist) führt. in der Schenkungsurkunde heißt es: "Otterbach sursum usque hereboldesberc, quem incole vocant gelengi", also "den Otterbach hinauf bis zum Hereboldesberc, welchen die Einwohner Gelengi nennen", also "Gelänge". Das Wort bedeutet 'das lang sich Hinziehende, das lang ausgedehnte Gelände', und meint die Hochfläche hier oben, die die Grenze aber kaum berührt. Denn gleich heißt es weiter: "de gelengi deorsum in chaldenbach", also "vom Gelengi abwärts in den Kaldenbach".


Es geht drüben also gleich wieder hinunter. Doch bevor ich ins nächste Tal abstieg, sah ich mir den Dreiherrenstein (534m) an, auf den ich praktisch direkt zulief.

Der zwischen dem Hermersbergerhof und dem vom Luitpold-Turm bekrönten Weißenberg an der engsten Stelle des Bergrückens gelegene Dreiherrenstein ist eine historische Grenzmarkierung, direkt an der K56. Es handelt sich um einen flachen Felsblock, der die an dieser Stelle im Jahr 1773 bestehende Grenzsituation dokumentiert: Hier berührten sich die Gebiete der Wittelsbacher Herzöge von Pfalz-Zweibrücken, der Grafen von Leiningen-Hardenburg-Dagsburg und der zur Markgrafschaft Baden gehörenden Herrschaft Gräfenstein. In den Stein sind die entsprechenden Wappen sowie die Grenzverläufe der historischen Waldgemarkungen eingemeißelt. Deutlich zu erkennen sind das Wappen von Pfalz-Zweibrücken mit seinen Rauten und dem Zusatz "PZ" und das badische Wappen mit den Buchstaben "MB". Die Buchstaben "KW" stehen für "Königlicher Wald" und wurden erst nach 1831 während der bayerischen Herrschaft in der Pfalz angebracht. Sie dienten zur Markierung des bayerischen Staatswalds. Das Kürzel "PWV" und die Bezeichnung "Dreiherrenstein" gehen auf den Pfälzerwaldverein zurück.

Die Grenze von 828 verlief vermutlich etwas nördlich des Dreiherrensteins ziemlich genau ostwärts einen heute weglosen Tobel hinunter zur Kaltenbach. Allerdings war in meiner Karte im Tobel südlich des Dreiherrensteins ein Weg eingezeichnet, und so wich ich aus Bequemlichkeit kurz vom alten Grenzverlauf ab. Ich wanderte vom Dreiherrenstein aus ein paar Meter nach Süden, Richtung Hermersbergerhof. Dabei folgte ich dem blauen Plus bis zu einem Wegweiser, an dem Weg 2 Richtung Hermersbergerhof und PWV Hain angeschrieben ist, und wechselte dort auf diesen. Weg 2 führte mich kurz darauf zu einer Stelle, an der rechterhand eine Wiese beginnt, oberhalb derer die ersten Häuser der kleinen Ortschaft zu sehen sind. Genau hier beginnt ein felsiger Tobel, in dem der besagte Weg hinunter ins Tal führen sollte. Doch der Weg ist nur noch in Resten vorhanden. Ich gab meinen Plan auf, und stieg einfach weglos im Grund des Tobels hinunter. Unten angekommen, trat ich auf eine hübsche Lichtung hinaus, auf der ich gleich eine kurze Pause einlegte. Dabei lief das großartige "In Amazonia" von Isildurs Bane & Peter Hammill, das mich auf der gesamten Tour begleitete.

Hier im Talschluss stand einst die Wiesmiel, auch Wüstmühle, von der allerdings nichts mehr zu sehen ist. An ihrer Stelle steht heute ein kleines Gebäude, das der Wasserversorgung der Gemeinde Annweiler dient.

Von hier ab bildet also die chaldenbach die Fortsetzung der Grenze. Sie ist leicht zu finden, denn sie trägt auch nach 1200 Jahren immer noch den gleichen Namen: Kaltenbach. Also, um genau zu sein, heißt sie von der Quelle ab für ein paar hundert Meter noch Wüstbach. Nich ganz unkompliziert. Ich hielt mich von der Lichtung aus auf ihrer linken Seite. Dort geht es nur kurz durch den Wald, dann steht man auf einem Wendehammer. Von hier aus folgt man nun für etwa 6,5 Kilometer einem breiten Holzabfuhrweg bis zum Talausgang am Zwiesel.


Der Weg ist leicht zu finden, aber die Namensituation ist einigermaßen schwierig. Es geht also die  Kaltenbach , althochdeutsch chaldenbach entlang, und zwar bis zu ihrer Vereinigung mit der heutigen Modenbach, der ihr an der Fischerhütte (217m) von rechts zufließt. Die Kaltenbach fließt dann weiter bis zum Zwiesel, wo sie in die Wellbach mündet. Die Wellbach fließt nach Süden, und mündet nördlich von Rinnthal in die Queich. Das ist die heutige Situation.

In der Schenkungsurkunde von 828 aber heißt es: "chaldenbach deorsum in queicha, queicha deorsum in mylebach", also "die Kaldenbach hinab in die Queicha, die Queicha hinab in die Milebach". Das klingt einigermaßen verwirrend, lässt sich aber klären: Der Oberlauf der heutigen Wellbach bis zum Zwiesel hieß 828 noch Mylebach, also Mühlenbach. Demnach könnte der Oberlauf der Modenbach bis zur Vereinigung mit der Kaltenbach 828 zur Queich gerechnet worden sein, auf jeden Fall aber der Unterlauf der Kaltenbach von hier ab bis zum Zwiesel 828, und in der Folge der Unterlauf der Wellbach/Mylebach vom Zwiesel südwärts. So ergibt der Text Sinn: Die Grenze verlief die Kaldenbach hinab, bis sie in die Queicha fließt, und dann der Queicha entlang bis die Milebach hineinfließt.


Der Weg dagegen ist, wie gesagt, einfach zu finden. Und so wanderte ich das scheinbar nicht enden wollende Tal der Kaltenbach hinunter, vorbei am Theo-Leyendecker-Brunnen (285m), einigen schön gelegenen Fischteichen, an besagter Fischerhütte (217m) und an weiteren Verbauungen, die einst dem Holztransport gedient hatten.

Auch die heutige Nordgrenze der Gemeinde Rinnthal verläuft der unteren Kaltenbach entlang.

Am Zwiesel (208m) fließt die heutige Kaltenbach in die Wellbach, die 828 "Mylebach" hieß. Hier befindet sich ein großer Wanderparkplatz. Am Zwiesel angekommen, las ich weiter in der Schenkungsurkunde:


Dort heißt es "mylebach sursum usque in vallem aquosum", also "den Milebach aufwärts bis in das wasserreiche Tal". Um dieses Wasserdal zu finden, muss man also ein Stück die Wellbach/Mylebach aufwärts suchen. Aber nur ein kleines Stück: Es handelt sich um gleich den ersten Tobel, der nördlich des Zwiesels Richtung Almersberg hinaufzieht. Christmann hat das Wassertal in seiner Karte mit Wt gekennzeichnet. Dieser Tobel trägt seinen alten Namen heute nicht mehr. Nur der heutige Wässerteich östlich der Wellbach/Mylebach erinnert an ihn, und weiter oben am Hang erinnert der heutige Wässertalweg noch an den verlorenen Namen des Tals.


Das Wasserdal ist im unteren Bereich unwegsam. Allerdings ist der nächste Grenzpunkt der Urkunde der Almmersberc, und dieser Gipfel heißt heute noch so: Almersberg. Ich machte es mir also einfach, und stieg vom Zwiesel aus auf dem mit einem rot-weißen Balken bezeichneten, schönen Wanderweg hinauf Richtung Almersberg. Weit geht es hinauf. Immer, wenn der Weg dabei dem Grund des Tobels folgt, passiert man wieder Grenzsteine, ich war also auf dem richtigen Weg. Der Anstieg endet an einem kleinen Teich schon weit oben am Berg. Hier stößt man auf einen breiten Holzabfuhrweg, der mit "Römerweg" bezeichnet ist. Dazu gleich mehr.

Am Teich muss man den rot-weißen Balken verlasen, man wechselt auf den roten Punkt. Der führt nun hinauf auf den Almersberg (564m, Al in Christmanns Karte), und dreht oben auf dem Gipfelplateau sogar eine kurze Runde. Das sollte man auch unbedingt machen, denn sowohl der Nordost- als auch der Südwestfelsen sind einen Besuch wert: Der Nordostfelsen, weil sich hier wieder Grenzmarkierungen befinden (ein umgestürzter Grenzstein und in Felsen eingemeißelte Kreuze), der Südwestfelsen wegen seiner fantastischen Aussicht: Der Almersberg ist die höchste Erhebung weit und breit, und bietet einen großartigen Blick - in die Gegend um Annweiler, hinüber zum Schwarzwald mit der Hornisgrinde, und natürlich auch ins Pirminsland.
 
Der Name "Almersberg" bedeutet übrigens 'Berg des Almâr', "Almâr" ist eine Form des Namens "Adalmâr".

In der Schenkungsurkunde heißt es nun: "de almmersberc per plateam in langenberc", also "vom Almmersberc über die platea auf den Langenberc". Unter "platea" haben wir natürlich wieder eine publica platea zu verstehen, eine öffentliche, gepflasterte Straße. Es meint eine weitere ehemalige Römerstraße: Diese Straße zweigte zwischen Albersweiler und Queichhambach von der Talstraße ab und führte zu dem in römischer Zeit wichtigen Straßenknotenpunkt Johanniskreuz. Es handelt sich um den bereits weiter unten ausgeschilderten Römerweg. In Christmanns Karte ist die platea mit pa gekennzeichnet.

 
Ich musste also hinunter zu diesem Römerweg. Dazu folgte ich zunächst weiter dem roten Punkt, nun auf einem breiten Weg, kreuzte meinen ebenfalls rotbepunkteten Aufstiegsweg, und kam an eine Stelle unterhalb des Nordostfelsens, wo er in einer Spitzkehre westwärts den breiten Weg verlässt. Ich blieb hier auf dem breiten Weg, und folgte diesem Richtung Süden bergab, wo an einem Bergsattel der blaue Balken von Norden kommt. Diesem Weg würde ich nun für die nächsten knapp vier Kilometer folgen, genauer gesagt bis zur Kreuzung mit dem weißen Punkt. Der blaue Balken entspricht dabei weitgehend der platea der Römer - zu sehen ist davon aber leider nichts mehr.


"per plateam in langenberc" heißt es in der Schenkungsurkunde, also "über die platea auf den Langenberc". Dieser Name ist heute nicht mehr zu finden. Er bezieht sich wohl auf den langen Bergrücken, über den die Römerstraße einst führte. Allerdings passiert sie dabei ein Langental, dessen Name vermutlich im Zusammenhang mit dem alten "Langenberg" steht. Christmann hat die ungefähre Position des Langenbergs in seiner Karte mit einem L gekennzeichnet.


Wegweiser markieren mehrere Abstiegsmöglichkeiten Richtung Rinnthal. Aber es geht noch lange auf dem blauen Balken über den Langenberg weiter, zunächst durch wunderbaren Wald vorbei am Forstwart-Kühner Platz (497m).

Hier steht eine kleine Hütte. Platz und Hütte sind einem Forstwart gewidmet, der 1955 ums Leben kam, als er einem zwischen Baumstämmen eingeklemmten Fuhrmann helfen wollte. Eine Kette löste sich, die Baumstämme stürzten zu Tal, und verletzten dabei den Forstwart schwer. Der befreite Fuhrmann rannte sofort hinunter nach Gräfenhausen, um Hilfe zu holen, doch die Helfer kamen zu spät.

Ich folgte weiter den blauen Markierungen, bis diese am Kehrenkopf den breiten Weg verlassen und auf einem schönen Pfad zu einem Sattel westlich des Kehrenkopfes hinauf- und drüben wieder hinunterführen. Es folgt ein wunderschöner Wegabschnitt. Der grün-blaue Weg, der von Eußerthal heraufkommt, quert, dann geht es weiter hinunter in den nächsten Sattel. Ausgerechnet dort, wo es am Schönsten ist, heißt es hier dann absteigen: Der weiße Punkt, der von Gräfenhausen heraufkommt, führt rechts hinunter. Rinnthal ist hier angeschrieben (2,5km), und der Ort ist nicht zu verfehlen. Man steigt auf dem Waldpfad hinunter, passiert dabei einige Schikanen, die Mountainbiker gebaut haben, und landet im Talgrund, wo man auf den Herzelweg stößt. Diesem folgt man nun kurz nach rechts, und gleich wieder links, wo ein gepflasterer Weg weiter nach Rinnthal führt.


Auf der Wanderkarte ist dieses Tal heute als "Gräfenhauser Tal" verzeichnet. Aber der 393 Meter hohe Berg südlich davon trägt den Namen Dingentalkopf. Hier scheint sich der alte Name bewahrt zu haben. Auch heißt das Tal im Volksmund nicht Gräfenhauser Tal, sondern Dingetal. Hier klingt der Name Dungelendal aus der Schenkungsurkunde von 828 nach: Über "Düngelendal" und "Düngendal" wurde er im Pfälzischen Dialekt zu "Dingental" bzw. "Dingedal". Die Pälzer misse des hibsch finne. Der Name geht vielleicht auf altes "Dung", "Dunk", "Donk" zurück und bedeutet 'Tal mit kleinen Hügeln'. Christmann hat das Tal in seiner Karte mit einem D markiert.


Bald wanderte ich zwischen den ersten Häusern Rinnthals hindurch.


Doch der Ort hat 828 noch gar nicht existiert. In der Schenkungsurkunde heißt es schlicht: "dungelendal in fluuium queicha", also "vom Dungelendal in den Fluß Queicha". Rinnthal wird nicht erwähnt. Der Ort ist später entstanden, und wurde nach dem Rindsberg benannt, über den ich im Vortag gewandert war, weil auch er in der Grenzbeschreibung von 828 erwähnt wird. An der Stelle der Einmündung des Dingentals in das Queichtal ist im Text ein anderer Ortsname erwähnt: Huorunhusen. Dieser Ort ist heute verschwunden.


An der Hauptstraße wandte ich mich nach links, und folgte der Beschilderung des Bahnhofs. Bald überquerte ich die Queich.

Im Text der Schenkungsurunde heißt es: "De huorunhusun sursum in queycha fluvium, de queicha sursum in Walesqueicha", also "von Huorunhusun aufwärts in den Fluß Queicha, von der Queicha aufwärts in die Walesqueicha". Heute fließt die Queich mitten durch Rinnthal. 828 überschritt die Grenze des Priminslandes westlich der Queich noch eine Walesqueich, vermutlich ein vom Hauptlauf abzweigender und  für eine Weile parallel zu ihm fließender Nebenarm. Heute ist davon aber nichts mehr zu sehen.

Der Name "Queich", althochdeutsch "queicha", hängt übrigens mit "quick" und "keck" zusammen, und bedeutet 'die Frische, Muntere'. Ein schöner Name für eine Bach.


Kurz hinter der Queich steigt der Weg an, und ich kam direkt am Bahnhof heraus, wo mein kleines Autio stand und auf mich wartete. Das Pirminsland, die Schenkung der Wiligarta, war erwandert!



Fazit:

Eine hochspannende Zweitagestour, die zwar einiges an Vorbereitung gekostet hat, darum aber umso aufschlussreicher war. Es ist faszinierend, dass sich die Grenze des 828 an St. Pirmin und sein Kloster Hornbach geschenkten Gebiets auch heute noch, nach 1200 Jahren, ganz genau feststellen lässt. Und es ist interessant, zu sehen, wie stabil diese Grenzen bis heute sind: Über zwölf Jahrhunderte hinweg sind die Grenzen einer Landschenkung fest geblieben und bestehen als heutige Gemarkungsgrenzen weiter - sie fallen weitestgehend zusammen mit den Außengrenzen der Dörfer Wilgartswiesen, Rinntal und Spirkelbach.

Ebenso faszinierend ist, wie Dörfer verschwinden, und andere entstehen. Der 828 geschenkte, inmitten des Pirminslandes gelegene Hof Willigartawisa hat sich inzwischen zu einem großen Dorf entwickelt, das bis heute seinen uralten Namen trägt: Wilgartswiesen. Rinnthal, Spirkelbach und der Hermersbergerhof sind im Pirminsland entstanden, Hauenstein und Hinterweidenthal an seinen Grenzen. 828 gab es diese Orte noch nicht. Huorunhusun dagegen ist spurlos verschwunden.

Lehrreich also, so eine Tour - aber vor allem hat sie Spaß gemacht. Einem 1200 Jahre alten Text zu folgen, und nach einzelnen Grenzpunkten zu suchen, ist wirklich spannend. Und man bekommt auch heute noch ein Gefühl dafür, wie die Menschen einst ihre Gegend wahrgenommen haben, topographisch, aber auch rechtlich. Immerhin wurde alles mitgeschenkt, was sich in dem Gebiet befand...

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (4)


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PWRunner hat gesagt:
Gesendet am 16. November 2021 um 12:36
Ich finde diese Wanderung toll. Ich glaube, ich habe zumindest teilweise schon dieselben Wege bewandert. Gibt es eine GPX-Karte dazu?
Außerdem: PW steht für Pfälzerwald, in dem ich schon sehr viele Touren gewandert bin. Würde evtl. auch Touren mit Dir zusammen machen. Ich wohne in Speyer

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. November 2021 um 13:06
Hi!

GPX gibt's leider nicht, aber Du kannst die Karte mal studieren, die auf dem letzten Bild abgebildet ist. Die sollte Dir weiterhelfen.

Zusammen mal ne Tour zu machen - gern! Ich fürchte nur, bis Weihnachten bin ich schon ziemlich verplant...

Gruß,

Nik

PWRunner hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. November 2021 um 17:40
Hallo Nik
vielen Dank für die schnelle Antwort. Die Karte habe ich gefunden. Ich muss mal noch mit meiner Wanderung (Hinterweidenthal - Hermersbergerhof - Hauenstein) genau vergleichen.
Nebenbei: Ich werde versuchen, einige meiner Touren auf hikr.org einzustellen. Ich wandere seit 2013, inzwischen mache ich Touren zwischen 20 und 25 km. Dann beginnt für mich eine Art Schmerzgrenze. Ich denke, dass ich relativ fit bin mit meinen 71 Jahren. Da ich Rentner bin, habe ich fast jeden Tag Zeit und versuche, Wochenenden zu meiden. Ich habe eine kleine Webseite, auf der etwas Privates über mich steht: www.herbertjochem.de
Viele Grüße
Herbert
PS: wer sieht das alles?

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. November 2021 um 12:02
Hallo Herbert,

Prima, dann vergleiche mal. Auf deine Tourenberichte wäre ich gespannt! Bist Du hauptsächlich in der Pfalz unterwegs, oder auch woanders? Oh! Schweiz! Sehr schön!

Das hier kann jeder lesen. Du kannst mich über Hikr aber auch "privat" kontaktieren. Auf meiner Startseite, über "Sende mir eine Nachricht".

Gruß,

Nik


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