Nadelgrat ohne -Horn, dafür mit Steck-
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Nadelgrat nennt sich die Zusammenfassung der vier nördlichsten Viertausender der Mischabelkette. Genau dieser Zusammenzug hoher Gipfel macht den Reiz der Nadelgrat-Traverse aus. Wobei die eigentliche Überschreitung mit Schwierigkeiten um WS relativ einfach ist, liegt die Crux doch im Zugang. Dieser wurde früher häufig über das Dirrujoch ausgeführt. In diesen Sattel zieht von Osten ein steiles, berühmt-berüchtigtes Couloir, das schon oft Bühne tragischer Ereignisse war. Ein solch trauriges Kapitel erzählt uns WoPo1961 so wortgewandt wie hautnah.
Sieben Berichte beschreiben dato auf hikr.org den Nadelgrat oder Teile davon. Nur gerade zwei, nämlich oben erwähnter von WoPo und jener der Alpinos kürzlich beinhalten den (notabene kürzesten) Zugang zum Nadelgrat über das Dirrujoch-Couloir. Beide enden - wenn auch in der Tragweite nicht vergleichbar - in einem Unfall. Ich schreibe diesen Bericht unter anderem, um eine besser Einschätzung der Gefahr zu ermöglichen bzw. um zusätzliche Entscheidungsgrundlagen zu liefern.
Die grandiose, klassische Überschreitung mit nicht ganz harmlosem Zustieg
Wie praktisch jede Hochtour beginnt auch diejenige zum Nadelgrat mit dem Hüttenzustieg. Immerhin ist jener zur Bordierhütte einer der schönsten, den ich kenne und unbedingt empfehlenswert, auch wenn lediglich die Hütte Ziel ist.
Die Unterkunft ist aufgeräumt, strukturiert geführt und im Vergleich zu den Hütten um Zermatt ein Ruhepol in der Hochtourenlandschaft. Erste Ungereimtheiten gab es erst, als wir gerne vor der offiziellen Frühstückszeit um 3 Uhr essen wollten. Sowas gebe es hier nicht, so die kompetent wirkende und bestimmte Antwort der freundlichen Hüttenwartin - gleichzeitig bestätigte sie uns gute Verhältnisse im Couloir. Woher Sie wohl um diese wusste? Auf jeden Fall trafen wir etwas anderes an... Auch der Hinweis auf die Sicherheit und die Sonneneinstrahlung im Couloir war für den Hüttenwart kein gültiges Argument für einen früheres Frühstück..!
Mitten in der Nacht waren die Ersten doch schon um 2.15 Uhr auf den Beinen, ein Führer mit Gast schon weit vor 3 am Tisch. Meine freundliche Nachfrage beim Hüttenwart bezüglich Frühstückszeit urde unwirsch abgeschmettert, wir sollen nun gefälligst essen - wir taten wie geheissen, nur vom vergärten Orangensaft tranken wir nicht... das restliche Morgenbuffet war jedoch ausserordentlich reichhaltig. Hier hat ein Hüttenwart augenscheinlich seinen Beruf etwas anders aufgefasst als ich das tue - ich hoffe, die Sektion Genf handelt hier demnächst oder wir hatten wirklich ein Ausnahmeerlebnis!
So kamen wir dann schlussendlich um 3:25 Uhr auch aus der Bordierhütte. Nach der Moräne bald auf dem Gletscher folgten wir der Spur der klassischen Balfrin-Überschreitung durch den kleinen Gletscherbruch, darauf ins grosse Becken des Riedgletschers. Dort kamen wir dank gut gefrorenem Schnee zügig und direkt voran - besonders in der Passage unter den Séracs des Hohbärghorns wird besser nicht getrödelt. So standen wir nach 2:15 h am Couloirfuss und der Weiterweg - von grossen Lawinenbahnen zerfurchter und geröllübersäter Firn - sah nicht einladend aus.
Um 5.45 Uhr stiegen wir ins Couloir zum Dirrujoch ein; kein Trittschnee mehr vorhanden, nebst eisigen Lawinenrinnen schroffe Rippen mit einer etwas weicheren, dünnen Schneeauflage, darunter eisharter Firn oder gar Blankeis, in der steilsten Partie deutlich über 50°. Wir arbeiteten uns möglichst ohne Steinschlag auszulösen die 250 Hm nach oben, was uns doch über eine Stunde kostete.
Im oberen Drittel dann die ersten Sonnenstrahlen: Nach Literatur und Logik sollte man das Couloir zu diesem Zeitpunkt spätestens verlassen haben, da dann oft Steinschlag einsetzt - mit der Frühstückszeit um 3 Uhr auf der Bordierhütte werden durchschnittliche Seilschaften im Hochsommer viel zu spät im Couloir sein! Wir hatten zum Glück noch keinen Steinschlag, wurden aber von der Seilschaft vor uns mit etwas Eis und kleinen Steinchen eingedeckt.
Alternativ lässt sich das Couloir ab etwa der Hälfte nach rechts (Norden) bequem zu den Sicherungsstangen verlassen und im brüchigen Fels weiter aufsteigen.
Fazit zum Dirrujoch-Couloir: objektiv gefährlich, besonders in der Phase der Ausaperung, sprich der Haupttourensaison. Es ist nur dann sicher, wenn es in der Nacht gut durchfriert und man vor Sonnenaufgang mindestens die Hälfte hinter sich hat - sind diese Bedingungen nicht gegeben, empfehle ich nicht einzusteigen.
Als gut 2 Std. längere, dafür sichere Alternative bietet sich der Nordgrat des Dirruhorns an; informativer Bericht dieser sehr langen Tour, die Emely zusammen mit Dauerläufer Eugen abgespult hat.
Nebenbemerkung: der Hüttenwart meinte, der Nordgrat des Dirruhorns sei zeitlich nicht viel länger als der Weg durch das Dirrujoch-Couloir. Die Topografie und das Gelände sprechen eine andere Sprache...
Eine weiterer, guter und zeitlich attraktiver Kompromiss ist der Zustieg über das Couloir zur Selle, beschrieben www.hikr.org/tour/post84239.html hier.
Der Rest des Nadelgrates war dann purer Genuss: ein kurzer viertelstündiger Sprint ohne Seil und Steigeisen im zwar etwas lottrigen, aber doch genüsslichen Fels über den Südgrat, WS-/II oder T5, auf das Dirruhorn, Ankunft 7:15 Uhr.
Der erste Teil des Aufstiegs zum Hohbärghorn (Ankunft 9:00 Uhr) ist ausser einer kurzen III-er Platte ähnlich leicht, dann folgt eine Firnpassage bis zum Gipfelaufbau. Dieser wird steil, meist etwas in der Nordflanke entlang von Bändern, oben wieder flacher auf der Schneide, begangen. Um WS+, allerdings in schlechter, schuttiger Felsqualität, Firn ist hier von Vorteil.
Der Abstieg ins Hohbärgjoch problemlos im Firn, die folgende Kletterei aufs Stecknadelhorn dann ein Genuss in teilweise fragil strukturiertem, aber doch festem Fels, unten wenige 3er Stellen auf dem Grat. Oben dann 2er Gelände mehrheitlich in der Südflanke, die letzten Meter wieder links des Grates. Auf dem Stecknadelhorn (Ankunft 10:15 Uhr) geniessen wir das Ambiente mit einer längeren Pause.
Wir beschliessen, das gut besuchte Nadelhorn auszulassen, beide waren wir früher schon mal oben. Die Traverse unter dem Nadelhorn zu dessen Normalroute erweist sich dann als nicht ganz trivial. Eine dünne, brüchige Schneeauflage bedeckt Blankeis, von Trittschnee sprichwörtlich keine Spur. Auch die Normalroute vom Nadelhorn hinunter ist am ausapern, die Umgehungen der Felstürmchen zeigen bereits blanke Stellen, ebenso der Weg vom Windjoch zum Hohbalmgletscher. Reine Pflichtübung ist dann der Abstieg vom Schwarzhorn über die Mischabelhütten zu den unverschämt teuren Getränken - an denen wir uns, Ankunft pünktlich um 12 Uhr zur bürgerlichen Essenszeit, bedienen.
Der Nadelgrat Bordierhütte - Mischabelhütte kostete uns mit Pausen rund 8:30 h, reine Gehzeit 7 Stunden - eine eher zügige Zeit, auch den guten Verhältnissen zu verdanken.
Bis zur Seilbahn Hannig und der wohlverdienten, kalorienreichen Stärkung macht dann der übertrieben gesicherte "Klettersteig"-Hüttenweg uns seine Begehenden die Sache doch noch etwas abwechslungsreicher.
Sieben Berichte beschreiben dato auf hikr.org den Nadelgrat oder Teile davon. Nur gerade zwei, nämlich oben erwähnter von WoPo und jener der Alpinos kürzlich beinhalten den (notabene kürzesten) Zugang zum Nadelgrat über das Dirrujoch-Couloir. Beide enden - wenn auch in der Tragweite nicht vergleichbar - in einem Unfall. Ich schreibe diesen Bericht unter anderem, um eine besser Einschätzung der Gefahr zu ermöglichen bzw. um zusätzliche Entscheidungsgrundlagen zu liefern.
Die grandiose, klassische Überschreitung mit nicht ganz harmlosem Zustieg
Wie praktisch jede Hochtour beginnt auch diejenige zum Nadelgrat mit dem Hüttenzustieg. Immerhin ist jener zur Bordierhütte einer der schönsten, den ich kenne und unbedingt empfehlenswert, auch wenn lediglich die Hütte Ziel ist.
Die Unterkunft ist aufgeräumt, strukturiert geführt und im Vergleich zu den Hütten um Zermatt ein Ruhepol in der Hochtourenlandschaft. Erste Ungereimtheiten gab es erst, als wir gerne vor der offiziellen Frühstückszeit um 3 Uhr essen wollten. Sowas gebe es hier nicht, so die kompetent wirkende und bestimmte Antwort der freundlichen Hüttenwartin - gleichzeitig bestätigte sie uns gute Verhältnisse im Couloir. Woher Sie wohl um diese wusste? Auf jeden Fall trafen wir etwas anderes an... Auch der Hinweis auf die Sicherheit und die Sonneneinstrahlung im Couloir war für den Hüttenwart kein gültiges Argument für einen früheres Frühstück..!
Mitten in der Nacht waren die Ersten doch schon um 2.15 Uhr auf den Beinen, ein Führer mit Gast schon weit vor 3 am Tisch. Meine freundliche Nachfrage beim Hüttenwart bezüglich Frühstückszeit urde unwirsch abgeschmettert, wir sollen nun gefälligst essen - wir taten wie geheissen, nur vom vergärten Orangensaft tranken wir nicht... das restliche Morgenbuffet war jedoch ausserordentlich reichhaltig. Hier hat ein Hüttenwart augenscheinlich seinen Beruf etwas anders aufgefasst als ich das tue - ich hoffe, die Sektion Genf handelt hier demnächst oder wir hatten wirklich ein Ausnahmeerlebnis!
So kamen wir dann schlussendlich um 3:25 Uhr auch aus der Bordierhütte. Nach der Moräne bald auf dem Gletscher folgten wir der Spur der klassischen Balfrin-Überschreitung durch den kleinen Gletscherbruch, darauf ins grosse Becken des Riedgletschers. Dort kamen wir dank gut gefrorenem Schnee zügig und direkt voran - besonders in der Passage unter den Séracs des Hohbärghorns wird besser nicht getrödelt. So standen wir nach 2:15 h am Couloirfuss und der Weiterweg - von grossen Lawinenbahnen zerfurchter und geröllübersäter Firn - sah nicht einladend aus.
Um 5.45 Uhr stiegen wir ins Couloir zum Dirrujoch ein; kein Trittschnee mehr vorhanden, nebst eisigen Lawinenrinnen schroffe Rippen mit einer etwas weicheren, dünnen Schneeauflage, darunter eisharter Firn oder gar Blankeis, in der steilsten Partie deutlich über 50°. Wir arbeiteten uns möglichst ohne Steinschlag auszulösen die 250 Hm nach oben, was uns doch über eine Stunde kostete.
Im oberen Drittel dann die ersten Sonnenstrahlen: Nach Literatur und Logik sollte man das Couloir zu diesem Zeitpunkt spätestens verlassen haben, da dann oft Steinschlag einsetzt - mit der Frühstückszeit um 3 Uhr auf der Bordierhütte werden durchschnittliche Seilschaften im Hochsommer viel zu spät im Couloir sein! Wir hatten zum Glück noch keinen Steinschlag, wurden aber von der Seilschaft vor uns mit etwas Eis und kleinen Steinchen eingedeckt.
Alternativ lässt sich das Couloir ab etwa der Hälfte nach rechts (Norden) bequem zu den Sicherungsstangen verlassen und im brüchigen Fels weiter aufsteigen.
Fazit zum Dirrujoch-Couloir: objektiv gefährlich, besonders in der Phase der Ausaperung, sprich der Haupttourensaison. Es ist nur dann sicher, wenn es in der Nacht gut durchfriert und man vor Sonnenaufgang mindestens die Hälfte hinter sich hat - sind diese Bedingungen nicht gegeben, empfehle ich nicht einzusteigen.
Als gut 2 Std. längere, dafür sichere Alternative bietet sich der Nordgrat des Dirruhorns an; informativer Bericht dieser sehr langen Tour, die Emely zusammen mit Dauerläufer Eugen abgespult hat.
Nebenbemerkung: der Hüttenwart meinte, der Nordgrat des Dirruhorns sei zeitlich nicht viel länger als der Weg durch das Dirrujoch-Couloir. Die Topografie und das Gelände sprechen eine andere Sprache...
Eine weiterer, guter und zeitlich attraktiver Kompromiss ist der Zustieg über das Couloir zur Selle, beschrieben www.hikr.org/tour/post84239.html hier.
Der Rest des Nadelgrates war dann purer Genuss: ein kurzer viertelstündiger Sprint ohne Seil und Steigeisen im zwar etwas lottrigen, aber doch genüsslichen Fels über den Südgrat, WS-/II oder T5, auf das Dirruhorn, Ankunft 7:15 Uhr.
Der erste Teil des Aufstiegs zum Hohbärghorn (Ankunft 9:00 Uhr) ist ausser einer kurzen III-er Platte ähnlich leicht, dann folgt eine Firnpassage bis zum Gipfelaufbau. Dieser wird steil, meist etwas in der Nordflanke entlang von Bändern, oben wieder flacher auf der Schneide, begangen. Um WS+, allerdings in schlechter, schuttiger Felsqualität, Firn ist hier von Vorteil.
Der Abstieg ins Hohbärgjoch problemlos im Firn, die folgende Kletterei aufs Stecknadelhorn dann ein Genuss in teilweise fragil strukturiertem, aber doch festem Fels, unten wenige 3er Stellen auf dem Grat. Oben dann 2er Gelände mehrheitlich in der Südflanke, die letzten Meter wieder links des Grates. Auf dem Stecknadelhorn (Ankunft 10:15 Uhr) geniessen wir das Ambiente mit einer längeren Pause.
Wir beschliessen, das gut besuchte Nadelhorn auszulassen, beide waren wir früher schon mal oben. Die Traverse unter dem Nadelhorn zu dessen Normalroute erweist sich dann als nicht ganz trivial. Eine dünne, brüchige Schneeauflage bedeckt Blankeis, von Trittschnee sprichwörtlich keine Spur. Auch die Normalroute vom Nadelhorn hinunter ist am ausapern, die Umgehungen der Felstürmchen zeigen bereits blanke Stellen, ebenso der Weg vom Windjoch zum Hohbalmgletscher. Reine Pflichtübung ist dann der Abstieg vom Schwarzhorn über die Mischabelhütten zu den unverschämt teuren Getränken - an denen wir uns, Ankunft pünktlich um 12 Uhr zur bürgerlichen Essenszeit, bedienen.
Der Nadelgrat Bordierhütte - Mischabelhütte kostete uns mit Pausen rund 8:30 h, reine Gehzeit 7 Stunden - eine eher zügige Zeit, auch den guten Verhältnissen zu verdanken.
Bis zur Seilbahn Hannig und der wohlverdienten, kalorienreichen Stärkung macht dann der übertrieben gesicherte "Klettersteig"-Hüttenweg uns seine Begehenden die Sache doch noch etwas abwechslungsreicher.
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