Die steilsten Perlen zwischen Matter- und Saastal; Stecknadel- und Hohbärghorn


Publiziert von danski , 6. Juni 2013 um 22:53.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum: 1 Juni 2013
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Ski Schwierigkeit: AS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 3780 m
Abstieg: 3780 m
Strecke:01.06.2013: Gasenried - Bordierhütte; 02.06.2013: Bordierhütte - Stecknadelhorn, Abfahrt NE-Wand - Windjoch - Mischabelhütte; 03.06.2013: Mischabelhütte - Windjoch - Hohbärghorn, Abfahrt NE-Wand - Gasenried

Wochenende um Wochenende verstrich, ohne dass sich ein Silberstreifen in Form eines Schönwetterfensters am Horizont abzeichnete, während der frühsommerliche Hochwintereinbruch die Alpen in ein selten dickes Schneekleid steckte. Mit dem Wissen, dass die Bedingungen für die grossen Eiswände jeweils nur kurz optimal für eine Skibefahrung sein würden, erwarteten wir mit Ungeduld diesen einen Tag. Endlich schien das erste Juni-Wochenende dieser Silberstreifen zu sein... Let's go!

01.06.2013 Bordierhütte

Intensiver Regen prasselte auf dem Weg ins Wallis gegen die Windschutzscheibe. Doch endlich waren wir unterwegs und sollten es mindestens versuchen. Kurz nach Visp drückte doch noch die Sonne durch die Wolkendecke und erhellte unsere Zuversicht. Ganz ehrlich, als wir in Gasenried, 1659m, die schweren Rucksäcke auf unsere Schultern wuchteten, brauchte es schon etwas Überwindung, den 4.5 stündigen Weg in die Bordierhütte, 2886m, anzugehen. Ausserdem zeigte die Uhr schon 17:15, was eine Ankunft bei Dunkelheit erwarten liess. Ab der Schäferhütte Alpja, 2099m, lag eine geschlossene Schneedecke. Erleichtert konnten wir nun viel Gewicht von den Schultern an die Füsse verlagern. Klebriger Neuschnee erschwerte das Spuren. Trotzdem kamen wir schnell voran und erreichten bald das Gletschrplateau des Riedgletschers auf ca. 2780m. Unter den gewaltigen Abbrüchen dieses Gletschers fühlten wir uns endgültig zurück im Hochgebirge. Eindrücklich! Mit einigen abendlichen Sonnenstrahlen kam nun endgültig die erhoffte Stimmung auf. Die Querung war dank den enormen Schneemassen absolut problemlos, anseilen noch nicht notwendig. Kurz nach 21:00 erreichten wir die tief eingeschneite Hütte. Was für ein Anblick am 1. Juni! Wir waren nicht alleine. Zwei Schneeschuhläufer, der eine ebenfalls ein hikr namens "wegener", hatten bereits eingeheizt und Schnee geschmolzen. Wir wussten es zu schätzen! Die folgende Nacht war ruhig und meine Träume prophezeiten blauen Himmel und Sonnenscheine für den kommenden Tag.

02.06.2013 Stecknadelhorn

Traumdeutung hin oder her, bei der Tagwache um 07:00 erfüllten sich meine Träume nicht, noch nicht! Als Tagesziel war die Mischabelhütte, 3335m, definiert, denn unser eigentliches Ziel war die NE-Wand der Lenzspitze. Informationen aus zuverlässigen Quellen liessen perfekte Verhältnisse in der Wand erwarten. So weit der Plan... Doch der Reihe nach. Wir brauchten nicht zu hetzen und starteten erst um 08:00. Zwischenzeitlich lichtete sich die Wolkendecke und liess die Sonne und viel blauen Himmel durchblicken. Was für ein Anblick, dieser Hochwinter im Juni! Unsere Herzen schlugen nicht nur wegen der steigenden Höhe schneller. Wir legten unsere Spur durch 20cm lockeren Pulver, hart an den gewaltigen Séracs des Riedgletschers. Einmal mehr genossen wir das Privileg, uns traumwandlerisch durch diese ergreifend schöne Hochgebirgswelt zu bewegen. Der Anblick des Nadelgrates und seiner Gipfel sah zu gut aus, um ihn einfach rechts liegen zu lassen. Statt direkt aufs Windjoch, 3845m, hoch, tasteten wir uns durch die sehr beeindruckenden Séracs. Auf abenteuerlichem Weg, aber erstaunlich mühelos fanden wir einen Durchschlupf und standen bald vor der Entscheidung Stecknadel- oder Hohbärghorn. Eines stand fest, wir konnten nur gewinnen, egal für welches Ziel wir uns entscheiden würden. In Anbetracht des etwas kürzeren Zustiegs fiel die Wahl auf das Stecknadelhorn, das mit 4241m eine nicht ganz unerhebliche Erhebung darstellt. Gestärkt mit Power Gels fellten wir bis um Bergschrund der NE-Wand, banden die Skis auf und begannen uns hochzuarbeiten. Arbeit war es allemal, denn der Schnee war tief, aber hervorragend konsolidiert. Die Höhe liess unsere Lungen auf Hochtouren laufen. Eine kurze eisige Stelle erforderte etwas Commitment. Geradewegs in den Himmel schien unser Weg zu führen. Bei einer maximalen Steilheit von 50° kommt dieses Gefühl unvermeidlich auf. Dann standen wir auf dem nicht gerade geräumigen Gipfel. Ein Moment, der bei mir immer für Hühnerhaut sorgt, aber nicht etwa wegen dem kalten Wind... Wallende Wolken liessen nur die Aussicht auf ausgewählte Gipfel zu. Allen voran Nadelhorn, Lenzspitze, Dom und das weisseste Weisshorn, das ich je gesehen habe! Wenn es einen Inbegriff für Freiheit gibt, dann ist sie für mich in diesen Momenten zu Hause... Die Ausgesetztheit und die folgende steile, exponierte Skiabfahrt liess nicht viel Zeit für Träumereien.

Routiniert rüsteten wir uns für die kommende Abfahrt. Die obersten 20m sind sehr luftig und erfordern absolute Konzentration. Jeder Turn muss perfekt kontrolliert gelingen. Doch dann verbesserte sich die Schneequalität und 50° erschienen plötzlich nicht mehr so steil. Der Moment wo die Konzentration mit dem Genuss verschmilzt! Wir sendeten wahre Kaskaden von lockerem Schnee die Flanke hinunter, was fantastisch aussah. Zu schnell waren die harterarbeiteten 350HMs vernichtet. Die körpereigene Chemiefabrik beschenkte uns mit reichlich Endorphin und liess die Müdigkeit zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten. Eile war geboten, denn die Wolken verhüllten nun zusehends auch die spaltenreiche Traverse zum Windjoch. Wiederum fanden wir einen Weg durch die sehr eindrückliche Eiswelt. Noch einmal mussten Steigeisen uns über blankgefegte Stellen am Windjoch helfen. Die Abfahrt vom Windjoch hinunter zum Hohbalmgletscher war enttäuschend. Dieseits des Windjochs wütete unser grösster Feind mit voller Kraft. Er war mit der Erwärmung wohl auch verantwortlich für das beachtliche Schneebrett, das wir auslösten. Glücklicherweise kam niemand zu Schaden. Endlich präsentierte sich die NE-Wand der Lenzspitze. Eifrig diskutierten wir die Route und kamen zum Schluss, dass es möglich sein sollte, die Wand zu durchsteigen und anschliessend abzufahren. Allerdings nicht ganz in jenen Jahrhunderverhältnissen, wie sie Samuel Anthamatten einige Tage zuvor vorgefunden hatte... Doch zuerst mussten wir die Abfahrt zur Mischabelhütte hinter uns bringen. Diese ist ziemlich exponiert und man sollte sich hier ebenfalls keine Fehler leisten, will man nicht in Saas Fee landen. Einem Adlerhorst gleich thront die Hütte des AACZ auf 3335m über Saas Fee. Die Tiefblicke sind beeindruckend und man sollte sich nachts beim Pinkeln dieser Tatsache bewusst sein... Im Innern der Hütte herrscht eine Aura längst vergangener Tage, als Hanfseile und dicke Wollpullover als "high-tech" galten. Nur schon das emailierte Blechgeschirr könnte Geschichten erzählen. Natürlich waren wir alleine und genossen die Ausblicke auf die höchsten Gipfel der Schweiz, bis die Sonne letzte Lichtgrüsse an Lagginhorn und Weissmies projizierte. Zeit fürs Bett, denn es sollte viel zu schnell 03:00 sein.

03.06.2013 Hohbärghorn anstatt Lenzspitz NE

Es ist immer wieder ein Kampf sich frühmorgens aus den warmen Wolldecken zu schälen. In diesem Momenten muss man funktionieren wie eine Maschine und sich keine Sekunde mit dem Gedanken, warum man sich das antut, herumschlagen. Der Porridge wird lustlos heruntergewürgt und man ist froh, wenns endlich losgeht. Vorteilhaft erweist sich die exponierte Lage der Mischabelhütte, denn vom ersten Schritt weg muss man konzentriert einen Fuss neben den anderen setzen. Mit Steigeisen und aufgebunden Skis meisterten wir rasch die 300HM bis zum Hohbalmgletscher. In der Dämmerung des anbrechenden Tages mussten wir leider mehr Wolken als prognostiziert erkennen. Mit einem epischen Sonnenaufgang konnten wir also nicht rechnen. Am Wandfuss der Lenzspitze bestätigten sich unsere Befürchtungen, dass wir um einen Tag zu spät waren. Der Wind hat über Nacht einen Grossteil des Schnees ausgeblasen und die Wand zeigte nun wieder ihr abweisendes Gesicht. Etwas konsterniert wandten wir uns ab und erklommen das Windjoch mit aufgebundenen Skis. Doch es gab keinen Grund, schlechter Laune zu sein. Das Hohbärghorn, 4219m, bot sich als komfortables "Trostpflaster" an. Mit 150m weniger Wandhöhe als die Lenspitze NE, aber vergleichbarer Neigung konnte sie dafür mit bestem Schnee punkten. Auf unseren Spuren vom Vortag gelangten wir zügig zum Wandfuss. Mittlerweile besserte sich auch das Wetter. Der Bergschrund war abermals kein Problem doch die Schneetiefe schon beinahe grenzwertig. Langsam setzten wir Schritt um Schritt in die Wand und bald machte sich eine gewisse Monotonie der Bewegungen breit. Doch die Luftsäule unter unseren Allerwertesten wuchs kontinuierlich. Wie erwartet wurde die Schneeauflage mit steigender Höhe dünner. Zwei Eisgeräte und die Frontzacken unserer Steigeisen leisteten gute Dienste. Leider verdüsterte sich der Himmel kurz vor Ankunft auf dem Gipfel und der Wind blies unangenehm. Kein genussvoller Moment. Die Sichtverhältnisse waren äusserst ungünstig für eine solche Skiabfahrt.

Es hielt uns nichts auf dem Gipfel und so setzten wir die ersten turns in die Wand. Es lief trotz schwierigem und dünnen Schnee im oberen Teil erstaunlich gut und das Wetter besserte sich zusehends. Dann folgten 2/3 mit bestem Powder! Wir lösten nun alle die Handbremse und praktizieren Freeriding in 50° auf 4000m. Best of the best! Und noch war nicht Schluss, denn die anschliessende Fahrt durch die Sérac-Zone des oberen Riedgletschers bot noch einmal die passende Kulisse für einige lässige Powderturns. Kurz darauf schlugen wir uns mit üblem Bruchharst herum der bald durch schönen Sulz abgelöst wurde. Bis Alpja zeichneten wir noch so manchen turn. Wieder im Frühling angekommen, jubelten wir erst einmal, denn was wir gerade erlebt hatten, war absolut grandios!

Durch lichten Lärchenwald und mit etwas weniger schweren Rucksäcken gings nun definitiv dem Walliser Frühsommer entgegen. In Gasenried weckten Rauchschwaden unsere Aufmerksamkeit. Und tatsächlich in der "Alpenrose" wurde gerade Raclette vom offenen Feuer vorbereitet. Wir konnten unser Glück nicht fassen! Mit Sicht auf die die gleissenden NE-Wände des Stecknadel- und Hohberghorns genossen wir Walliser Gastfreundschaft made in East Germany. Von da nämlich stammte der Raclette Master...

Life rocks with the Swiss-Canadian-Finnish Boys!

Tourengänger: nprace, danski


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Kommentare (4)


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Bombo hat gesagt:
Gesendet am 7. Juni 2013 um 00:37
Gratuliere Euch, wild crazy boys! Fantastisch, ich bin sprachlos.

Paljon terveisiä,
Bombo

jfk hat gesagt:
Gesendet am 7. Juni 2013 um 00:55
Well done! Mir gehts gleich wie Bombo. Unglaubliche Wände seit ihr da abgefahren!

Dino hat gesagt:
Gesendet am 7. Juni 2013 um 18:26
Fantastisch!

IridePow hat gesagt:
Gesendet am 11. Juni 2013 um 20:48
Fantastisches outing. Chapeau!


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