Die Welt ist klein und das Appenzellerland ist noch kleiner. Wieder einmal etwas planlos fuhren wir heute Richtung Alpstein mit einem Ziel irgendwo zwischen Öhrli und Säntis, je nach Verhältnissen, Lust und Laune. 100 Meter vor der Abzweigung nach Herisau entschieden wir uns, die Schwägalp anzusteuern und den Aufstieg über die Nasenlöcher zum Öhrli unter die Füsse zu nehmen.
Schattig, windig und eiskalt präsentierte sich die Hochebene unter der Säntiswand, als plötzlich eine Stimme wie aus dem Nichts rief: "Ivo!!!!!!". Niemand war zu sehen, also kämpften wir uns frierend weiter, als unvermittelt mein Bruder Roland vor uns auftauchte, ausgerüstet mit lediglich einer Trinkflasche und einigen Power-Food-Riegeln in der Tasche. Jahrelang hatten wir immer wieder miteinander von der legendären Chammhaldenroute gesprochen und nie sollte sich bis heute ein passender Tag dazu finden. So werteten wir dieses überraschende Aufeinandertreffen als gutes Omen und entschieden uns nach kurzer Beratung und vor allem auf den innigen Wunsch von
Lena, die wieder einmal ihren einzigartigen Hundeblick aufsetzte, die Chammhaldenroute hochzusteigen. Zwei Männer - von den Waffen einer Frau geschlagen.
Aufgrund der Feuchte am Boden waren doch einige Zweifel angezeigt, ob wir die richtige Wahl getroffen hatten. Den Entscheid erleichterte aber auch der Umstand, dass wir bis zum Einstieg der eigentlich geplanten Nasenlöcherroute noch eine längere Strecke mit etwas Auf und Ab entlang der schatten- und kältespendenden Alpsteinnordwand entlang hätten marschieren müssen. Die Chammhaldenroute kennt jedoch nur eine einzige Richtung: Nach oben..
Im unteren Teil des Aufstiegs präsentierte sich der meist sehr gut ausgeprägte Pfad oft als ziemlich schlammig. Wir gewannen in der durchwegs steilen Route schnell an Höhe und kämpften so erfolgreich gegen die unangenehme Kälte an. Ungewohnte Tiefblicke öffneten sich; die Chammhaldenroute ist wirklich ein toller Säntiszustieg mit einigen schönen Kletterstellen. Der obere, felsige Teil der Route war dann glücklicherweise vorwiegend trocken und erlaubte ein genussvolles Hochklettern, wobei einige Stellen ganz schön ausgesetzt sind.
Jenseits des Hüenerbergsattels trifft man dann auf die viel begangene Wanderroute, welche über den Blau Schnee zur Himmelsleiter und zum gigantischen Gipfelgebäude führt. Die Drahtseilsicherungen im Zustieg zum Girenspitzsattel wirken fast surreal, wenn man zuvor durch die Chammhaldenroute gestiegen ist. Wenig neben der markierten Wanderroute bieten sich aber prächtige Varianten zum Hochklettern an in bestem, kleingriffigen Fels. Noch grösser wird der Kulturschock bei der Ankunft auf dem Säntis, wo man - kurz zuvor noch in wildestem Gelände - plötzlich in den dort üblichen Rummel eintaucht.
Die Luftseilbahn auf dem Säntis hat aber auch ihr Gutes: Sie bringt einen gelenk- und kräfteschonend, aber nicht ganz umsonst, sanft zurück ins Tal. Dieser Versuchung konnten wir nicht widerstehen.
Der heutige Tag hat uns ganz unverhofft eine unvergessliche Bergtour beschert. Die Chammhaldenroute ist es Wert, wieder einmal begangen zu werden. Dann aber hoffentlich bei wärmeren Temperaturen mit warmen Felsen unter den Fingern. Roli, der die Chammhaldenroute im Schlaf kennt, danken wir für die kundige Führung und die schönen Fotos, die er von uns geschossen hat.
Routenbeschreibung:
Neben anderen Hikrn hat
alpstein die Chammhaldenroute hier gut beschrieben . Die Route ist sehr gut markiert und im unteren Teil sind fast durchgehend gute Wegspuren und Tritte vorhanden. Es dürften sich keine Orientierungsprobleme ergeben.
Der Aufstieg erfordert Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Man bewegt sich sehr oft in ausgesetztem, abschüssigen Gelände.
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