Klettertour zum Monte Granero


Publiziert von Nik Brückner , 14. September 2024 um 14:24. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Italien » Piemont
Tour Datum: 3 September 2024
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 6:15
Aufstieg: 1250 m
Abstieg: 1250 m
Strecke:12 Kilometer
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Auto von Crissolo hinauf zum Parkplatz am Pian del Re
Unterkunftmöglichkeiten:Pian del Re

Unternehmen Monviso '24! WoPo1961 und ich waren nach Crissolo gekommen, um diesen faszinierenden Berg zu besteigen. Den "König aus Stein", wie man den höchsten Cottischen dort nennt. Zuvor standen allerdings erst einmal ein paar Eingehtouren auf dem Programm.

Wir starteten unsere erste Tour in dieser wunderschönen Gegend am Pian del Re (2020 m). Während der Fahrt liefen italienische Klassiker. Allen voran - natürlich! -: "Made in Italy" von Ricchi e Poveri.
 
(WoPo: Grundsätzlich teile ich ja die musikalischen Genüsse meines Begleiters. In DIESEM Fall jedoch wollte Nik wohl eine Fortsetzung des Buch-Klassiker "die neuen Leiden des jungen W" schreiben. Leute, stellt euch vor: es ist noch keine 7 Uhr in der Frühe und an euren Ohren dringt Ricchi e Poveri!!!! DAS kann Einen schon echt fertig machen. Gut, das es nur 9 km von Crissolo bis Pian del Re sind.)
 
Da muss ich dir Recht geben, WoPo. Ein guter Geschmack ist beim Genuss dieser Musik eher hinderlich.


Hier hat es einen mittelgroßen Parkplatz, ideal für Wanderungen, Bergtouren und Klettereien. Pauschalpreis: 10 Euro pro Tag. Es gibt einen Parkscheinautomaten, der Bargeld nimmt, und kein Rückgeld gibt. 

Viele Wege starten hier. Wir liefen taleinwärts auf der rechten Seite hinauf, der Beschilderung Richtung Colle delle Traversette folgend. Den ersten Abzweig Richtung La Sellaccia ignorierten wir. Danach teilt sich der Weg, es gibt eine obere und eine untere Variante (am Bach entlang), beide kommen ca. zwei Kilometer weiter vorn aber wieder zusammen. Ein Stück weiter oben dreht der Weg dann nach links, wir ignorierten auch den nächsten Rechtsabzweig (Richtung Colle Amoine), und folgten weiterhin der Beschilderung Richtung Colle delle Traversette. Der Weg dreht weiter nach links, bis er sich ein weiteres Mal gabelt. Hier wählten wir nun den Rechtsabzweig (links geht's zum Rifugie Giacoletti) und stiegen hinauf in ein Schuttkar, oberhalb dessen geradeaus eine verfallene Grenzbaracke unterhalb des Colle delle Traversette zu sehen ist. Zu dieser stiegen wir noch hinauf, dann verließen wir den Weg zum Colle delle Traversette, und bogen rechts ab, hinauf zum Passo Luisàs (3028 m).

Pian del Re - Passo Luisàs: markierte Wanderwege, T2, 2:30h


Von hier aus ist ein veritabler Dreitausender leicht zu haben: der Monte Meidassa (3105 m), zu dem man in zehn Minuten hinaufgewandert ist.

Vom Pass aus ein gutmütiger Rücken, fällt der Gipfel nach der anderen Seite steil ab. Wilde Wolken kamen hier herauf, von den grünen Böden mit dem blauen See darunter war nichts zu sehen.

Wir blieben einige Minuten auf dem weiten Gipfelplateau, dann stiegen wir wieder hinunter zum Passo del Luisas (3028 m).

Passo Luisàs - Monte Meidassa - Passo Luisàs: kurzer Abstecher auf einfachem Weg, T1, 20 Minuten


Und hier begann dann das Abenteuer Monte Granero. Dazu ist zunächst einmal zu sagen, dass die hier beschriebene Route auf vielen Karten gar nicht eingezeichnet ist. Sie ist aber vorhanden und sogar markiert, jedenfalls bis zum Gipfel, und damit irgendwie eine Verbindung zwischen Passo Luisàs und Colle delle Traversette; wenngleich sicherlich nicht die offizielle, denn es handelt sich um eine Kletterroute. Das zeigen schon die Markierungen, die hier von Rot-weiß auf gelb switchen.

WoPo fragte noch "wo soll es denn da raufgehen?" und wir waren unterwegs.

(WoPo: Zugegeben, ich hatte mich nicht so richtig in Nix Tourvorschlägen eingelesen. Und deshalb bin ich auch von einem normalen Wanderweg ausgegangen, der vom Passo Luisas hinüberführt zum Monte Granero. Als Nik mir dann einen Riss zeigte, der sich an einer Felswand hinauf zog und sagte: " DAS ist dann gleich unser Weiterweg."...... hab ich meinen Begleiter im 1. Moment gar nicht ernst genommen. Er ist ja gerne mal für ein Späßchen zu haben....

... DAS Späßchen entpuppte sich im Folgenden aber tatsächlich als unser Weiterweg. Tja, für einen Moment war der WoPo dann mal ziemlich stille und musste sich neu sortieren.)


Die Route folgt zunächst einem Riss, der sich vom Pass weg in der linken, der Südflanke hinaufzieht. Gleich der Einstieg wartet mit den (na, zumindest gefühlt) schwierigsten Kletterstellen auf, sodass man nichts zu befürchten hat, wenn man hier gut durchgekommen ist. Nach einem ersten Absatz wird's auch gleich einfacher, und man quert durch - immerhin ausgesetztes - Gehgelände. Rechts zieht die Wand ordentlich steil hinauf, und links ebenso steil hinunter.

Die Route steigt bis zum Erreichen des Normalwegs im Westen auf einer Strecke von knapp 300 Metern im Ganzen nur etwa 80, 100 Höhenmeter an, ist insgesamt also eher eine Querung der Südwand als ein Anstieg durch dieselbe.

Deshalb geht man auch immer wieder mal ein paar Meter bergab, bis die Route dann wieder ansteigt. Bald muss ein Block, der auf der Route steht, überkraxelt werden, auch dahinter folgen weitere Kletterpassagen. Wenige Meter weiter wird dann an seinem oberen Rand ein Schuttfeld gequert, dann klettert man zu einem markanten Doppelzacken hinauf. Die Route führt eine weitere Kletterpassage hinauf zu einer weiteren Schlüsselstelle: in eine Steilrinne muss ca. zweieinhalb Meter abgeklettert werden, an teilweise schräg geneigten Tritten.

Tipp: vorwärts abklettern, dann kann man unten - vorsichtig - in die Rinne springen. Oder diese Stelle obenherum umgehen, ausgesetzt, aber in festem Fels. Ich habe das erste gemacht, WoPo das zweite.

(WoPo: wer lange Beine hat, für den ist  Variante 1 kein Problem. Unsereiner bevorzugt gerne mal die etwas kürzeren Beine... da ist die Variante 2 die Angenehmere.)


Die Kletterroute zieht nun die letzten Steilpassagen hinauf zum Südwestgrat des Granero, der schnell erreicht ist. Aber hier wird es dann leichter: in einer schuttigen Rinne oder rechts davon über griffige Platten geht es die letzten 50, 60 Höhenmeter hinauf zum Gipfel. Letzte Kletterstellen überschreiten dabei kaum den ersten Grad. Dann ist der höchste Punkt des Monte Granero (3171 m) erreicht.

Passo Luisàs - Monte Granero: Markierte Kletterroute, T5/II, 45 Minuten


(WoPo: eine der schönsten Tourabschnitte der gesamten Woche. Macht riesig Spaß... wenn man Erfahrung in solch einem Gelände hat. Also nix für Anfänger bzw Neueinsteiger. Da hat der Nik eine echt tolle Tour raus gesucht.)


Kalt war's hier! Windig und neblig. Normalerweise sieht man vom Gipfel aus den Alpenbogen, und zwar als echten Bogen, vom Nordosten über den Norden und den Westen bis zum Südwesten. Das beginnt mit dem Monte Rosa, mit Vincent-Pyramide, Dufourspitze, Liskamm, Pollux und Breithorn. Links davon folgen Matterhorn, Dent d'Hérens, Gran Paradiso und die Grivola. Näher schon der Monte Orsiera und die Rocciamelone. Den Norden markieren Mont Blanc und die Grandes Jorasses.

Es folgen die zahllosen Gipfel im Nordwesten, darunter markant die Punta Rognosa, Aiguille de Scolette, Bric Froid und Grand Glaiza.
Nochmal höher: La Meije, Barre des Ecrins, Pelvoux, L'Ailefroide und der Sirac.

Im Westen erhebt sich dann die nahe Crête de la Taillante, im Südwesten der Asti. Dahinter: Bric de Rubren und Mont de Salsa. Und dann schweingt sich die Kette, zu der auch der Granero zählt, langsam über Punta Venezia und Punta Udine zum König der Cottischen Alpen auf, den alles überragenden Monviso. Jenseits davon: Italien! Mit der Poebene, die oft unter den Wolken verborgen ist - so auch an diesem Tag. Schade.


Im Abstieg ging es dann die Schuttrinne wieder hinunter. Schnell ist die Stelle erreicht, an der die eben gekletterte Route vom Passo Luisàs heraufkommt, wir folgten dieser im Abstieg nicht, sondern blieben in der Rinne. Diese läuft unten in einem weiten Schuttfeld aus, das sich nun nach rechts dreht.

(WoPo: same procedere than every year. Bin bekanntlich kein Abstiegsprofi und tue mich immer etwas schwer damit. Kommt dann noch eine Schutt- bzw. Schotterrinne dazu, bin ich in meinem "Element". In meinem Mecker-Element. Der Nik kennt DAS schon und steigt etliche Meter vor mir ab. Da hat er seine Ruhe... und ich kann in Ruhe der Schotterrinne "meine Meinung" sagen :-))


Hier könnte man nach rechts zum Rifugio Granero absteigen, wir ließen uns aber von den entsprechenden Spuren und Markierungen nicht verführen, sondern folgten Steinmännern, die die Richtung geradeaus zu einer bei guter Sicht unübersehbaren markanten Scharte im gegenüberliegenden Grat wiesen. Nach einer kurzen Abweichung von dieser Route fanden wir die Steinmänner wieder, fügten die fehlenden hinzu und stiegen schließlich problemlos in die Scharte auf - und drüben wieder hinunter. Schnell ist ein Wanderweg erreicht, der uns nun linkswärts zum Buco di Viso (2882 m) brachte.

Monte Granero - Buco di Viso: weglos durch Schutt, nur teilweise markiert, T4 und Kletterstellen I, 1h


Der Buco di Viso gilt als der älteste Alpentunnel. Er wurde in weniger als zwei Jahren zwischen 1479 und 1480 gebaut. Ludovico II., Markgraf von Saluzzo, war der Geldgeber und Förderer der Arbeiten in Zusammenarbeit mit dem französischen König Luigi XI., dem Herrn der Provence und dem Markgrafen von Monferrato. Das Hauptziel des Tunnelbaus war die Erleichterung des Handelsaustauschs, insbesondere im Hinblick auf das Salz aus den Lagunen von Berre und Aigues Mortes in der Provence sowie auf Wein, Reis, Hanf und wertvolle Stoffe aus der Gegend von Saluzzo. Auf dem Monginevro-Weg, der unter der Kontrolle Savoyens stand, konnten Karawanen, die Salz nach Turin transportierten, bis zu drei Wochen sparen! Der Tunnel war 75 Meter lang und „so hoch wie ein Mann, der auf einem Maultier reitet (2 m)“ und „breit genug, um einem Esel mit zwei hängenden Salzladungen (2,5 m) die Durchfahrt zu ermöglichen“, sodass die Karawanen dem riskanten Traversette-Pass mit seinen steilen, verschneiten Hängen entgehen konnten. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der antike Tunnel seit dem 16. Jahrhundert sowohl für kommerzielle als auch für strategische Zwecke genutzt, wobei er ab und zu geschlossen und wieder geöffnet war, bis er 1997 dank der gemeinsamen Anstrengungen der öffentlichen Verwaltungen und Verbände Italiens und Frankreichs wiedereröffnet wurde.
 
All diese Anstrengungen sind ein Beweis für die Bedeutung des Buco di Viso für die Poebene und Queyras, die als gemeinsames kulturelles Erbe gelten. Bevor der Tunnel ausschließlich für Wanderer genutzt wurde, wurde er bis in die 50er Jahre für Schmuggelverkehr, Viehtransport und saisonale oder dauerhafte Migrationen zwischen der Poebene, Queyras und Frankreich im Allgemeinen genutzt.


Wir durchquerten den Grat und gelangten auf der anderen Seite bald hinunter zu der verfallenen Grenzbaracke, an der wir im Aufstieg schon vorbeigekommen waren. Von hier aus folgten wir zunächst unserem Aufstiegsweg, aber nur für etwa 20 Minuten, dann nahmen wir den Abzweig Richtung Süden (Rifugio Giacoletti), um noch ein paar Wege mehr kennenzulernen. Die schöne, teils ausgesetzte Route quert den Nordosthang der Punta Venezia, unseres morgigen Ziels, und stößt dann in einer mit Ketten und Klammern versicherten Rinne auf den Hüttenzustieg zum Rifugio Giacoletti, auf dem wir nun die letzten zwei Kilometer zu unserem Ausgangspunkt am Pian del Re (2020 m) abstiegen.

Buco di Viso - Pian del Re: markierte Wanderwege, T3, 1:45


...wo wir noch im Rifugio Pian del Re (2024 m) einkehrten. Ein 3841 zur Einstimmung auf den Monviso und ein Lemonsoda!
 
(WoPo: womöglich tönt der letzte Satz "Ein 3841 zur Einstimmung auf den Monviso... etwas unverständlich. Aber da helfe ich gerne weiter! ;-)) 3841 ist nicht nur der Monviso hoch, sondern so heißt dort auch ein in der Nähe hergestelltes Bier, was ich hier als Empfehlung weiter gebe.)


Niks Fazit:

Wunderbare Tour, und durch den doch größeren Weganteil ü3000 sowie die schöne Kletterei am Granero eine perfekte Eingehtour für den Monviso. Allerdings machte uns das Wetter Sorgen: Für den übernächsten Tag war die Schüttung angesagt, sprich: Neuschnee am Monviso. Wir zweifelten, ob wir unser eigentliches Vorhaben würden durchführen können...


WoPos Fazit:

Ich hab`s schon im Bericht weiter oben erwähnt. Der Übergang vom Passo Luisas zum Monte Granero hat super Spaß gemacht. Würde ich glatt auch ein 2. Mal begehen. Und ist ein gutes Training für den Monviso. Da hatte der Nik das richtige Näs`chen und uns eine tolle Tour ausgesucht. Merci vielmal.



....und am nächsten Tag ging es dann auf die Punta Venezia und die Punta Udine.

Tourengänger: WoPo1961, Nik Brückner


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