Tag 86: Monte Orsiera


Publiziert von Nik Brückner , 5. April 2023 um 18:20. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Italien » Aostatal
Tour Datum: 3 August 2015
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1650 m
Strecke:19 Kilometer
Unterkunftmöglichkeiten:Alpe Toglie, Bivacco Orsiera, Usseaux

Wien - Monaco, 2015. 1832 Kilometer, 102.000 Höhenmeter. Herrlich war's! Viele schöne Höhepunkte dabei: Der Großglockner, der Piz Boe, der Gran Paradiso, die Melone. Und auch ein paar unverhoffte. Einer davon: Der Monte Orsiera, Hauptgipfel der Orsiera-Rocciavrè-Gruppe.


Wir starteten gemütlich nach dem Frühstück an der Alpe Toglie (1534 m), einer der einfachsten Unterkünfte auf unserer Tour. Seit Susa waren wir um einen Michael angewachsen, der (und nicht zuletzt weil er) die großartigste Kartoffelsuppe zwischen Wien und Monaco kocht. Aus Kartoffeln, das stelle man sich mal vor. Mit ihm als Gesellen (von "(Schlaf-)Saal") und nun auch Gefährten (von "Fahrt") zusammen wanderten wir nun hinauf zum Monte Benetto (1706m), einem unscheinbaren Gipfelchen im Nordgrat des Monte Rognone. Auf diesem Gratrücken wendet sich der Pfad nach Süden, und es geht den Rücken hinauf zum Monte Genta (1883 m). Hier verließen wir den Wald und den Gratrücken, und wanderten fast eben hinüber zu dem Kar, das nördlich des Monte Orsiera liegt. Hier steht eine alte Hirtenhütte, der Bivacco Orsiera (1931 m), an dem wir die erste Pause des Tages einlegten.

Der Bivacco ist viel schöner als die Alpe Toglie, und wir waren uns einig: Wir hätten lieber dort übernachtet. Und damit ist der Bivacco Orsiera unser Geheimtipp für alle gta-ler!

Der weitere Aufstieg zum Colle ist nun wirklich sehr schön - und wäre es auch für uns gewesen, wenn wir uns dabei nicht durch eine Kuhherde hätten kämpfen müssen, die zum nächsthöheren Boden aufstieg, um dort zu weiden.

Stellte sich heraus: Kühe pfurzen (yep, mit p-) beim Bergsteigen - und mit was man da aus den Pfützen vollgespritzt wird, will man lieber auch nicht wissen. Ist auch egal, denn in Usseaux gibt's Duschen.

Es geht von der Hütte weg über die Böden, dann eine vegetabile Rampe hinauf. Oben wendet sich der Weg dann nach links, die letzten Meter hinauf zum Colle dell'Orsiera (2580 m).

Am Colle entdeckten wir Mauern und Schützengräben. Judith und Michael lehnten sich gegen ebendiese, und beschlossen, hier die zweite Pause des Tages einzulegen. Für mich dagegen eröffnete sich die Möglichkeit, auf den Monte Orsiera zu steigen. 

Der 2886 Meter hohe Monte Orsiera ist immerhin der Hauptgipfel der Orsiera-Rocciavrè-Gruppe, zwischen dem Val di Susa, dem Val Chisone und dem Val Sangone.


Da Judith noch krank war, schickte sie mich allein auf den Monte Orsiera. Ein Weg ist in der Karte eingezeichnet, existiert aber nicht. Ich wanderte zunächst übers Gras hinüber zum Gipfelaufbau und stieg dort mühsam eine schieferig-splittrige Rinne hinauf in den 2835 Meter hohen Colletto dell'Orsiera, eine kleine Scharte zwischen Südgipfel und Hauptgipfel. Hier angekommen, gelangte ich linkswärts über einige ausgesetzte, aber nicht schwierige Passagen auf Felsplatten in wenigen Minuten zum Gipfel des Monte Orsiera (auch Punta Nord, 2886 m).

Der Hauptgipfel der Orsiera-Rocciavrè-Gruppe! Die Aussicht ist entsprechend fantastisch. Im Norden zu sehen: La Grande Casse, Pointe du Lamet, natürlich die Rocciamelone, Croce Rossa, Punta Sulè und Monte Lera.
 
Im Osten, über dem Lago Ciardonnet, erheben sich die nähergelegenen Gipfel der Orsiera-Rocciavrè-Gruppe: Rocca Nera, Punta Pian Paris, Punta Cristalliera, Monte Rocciavrè und Monte Roubinet.
 
Den Süden dominiert der unglaubliche Monviso, allein, das ist sein Recht. Erst im Südwesten zeigt sich weitere Prominenz: Pic de Bonvoisin, Les Bans, Mont Pelvoux, der coole Pic Coolidge, die Barre des Écrins, Pic Bourcet und die Grande Ruine, Pic Gaspard und La Meije. Was für ein fantastischer Rundblick!
 
Nach genossenen Aussichten und geschossenen Fotos stieg ich wieder hinunter in den Colletto dell'Orsiera (2835 m), dann die Schotterrinne runter auf die Matten. In wenigen Minuten war ich wieder zurück am Colle dell'Orsiera (2580 m).

Hier stieß ich und wieder auf Judith und Michael, die inzwischen eine gemütliche Pause eingelegt hatten. Nun konnte es weitergehen. Klar, Aufstiegshöhenmeter waren für heute keine mehr vorgesehen.

Wir machen uns auf den Weg und stiegen gemeinsam ab. Auch die Südseite vom Colle dell'Orsiera wartet mit einer wunderschönen Landschaft auf, und wir genossen den Abstieg sehr.

Eigentlich hatten wir ja geplant, die Befestigungsanlagen von Fenestrelle zu besichtigen. Der Ort ist für seine zwischen 1728 und 1850 errichtete Gebirgsfestung bekannt, mit der man das gesamte Val Chisone beherrschen und notfalls abriegeln konnte. Errichtet wurde die Anlage vom Festungsbaumeister Ignazio Bertola zur Abwehr einer möglichen französischen Invasion des Piemonts. Der Komplex ist der größte seiner Art in Europa und besteht aus einer durch Treppen und Wege verbundenen Kette von Festungsanlagen, die sich einen Ausläufer des Monte Orsiera hinaufziehen. Die Verbindungstreppen haben insgesamt über 6500 Stufen - die wir eigentlich hinuntersteigen wollten. 

Aber wir hätten von Fenestrelle aus sechs Kilometer auf der Straße laufen müssen. Und dazu hatten wir keine Lust.


Es dauerte keine eineinhalb Stunden, da langten wir in einem der dürftigen, aber hübschen Dörfchen an, von denen es hier so viele gibt: Puy (1605 m), in dessen Dorfbrunnen wir uns auch gleich wuschen. Kein Mensch war hier zu sehen. Kein Wunder, in vielen dieser Dörfer lebt schon lange niemand mehr.

Ganz anders Pequerel (1692 m), das nächste Dorf. Hier haben die Leute einige der alten Häuschen restauriert und nutzen sie, wenn nicht als Wohnsitz, so doch zumindest als Wochenendhäuser.

Von Pequerel ist es dann nicht mehr weit zu unserem Etappenziel Usseaux. Eine Stunde waren wir unterwegs, auf einem wieder sehr hübschen Weg. Zuletzt stiegen wir auf dem Sentiero della Lepre hinunter, begleitet von Tafeln mit klugen Sprüchen, die jemand am Weg aufgestellt hatte. Dann standen wir auf dem Platz von Usseaux (1439 m).

In Usseaux haben wir einen tollen, urigen Posto Tappa erwischt, das Pitz Rei, beim Holzschnitzer Claudio. Er hat die Unterkunft bunt bemalt, und die bunten Farben übertragen sich sofort auf die Stimmung seiner Gäste. Und auf die der Schwalben, die ebenfalls am Haus wohnen.

Sieben Gäste sind wir gewesen: Judith, Michael und ich, dazu die "Ostlinge", Sylvia und Andi, Brigitte und Reinhard. Wir alle (s)aßen zum Abendessen beisammen. Es gab die unglaubliche Hackfleischtorte.




Fazit:

Wunderbare Tour, Michael, der sich schon als netter Mitbewohner und großartiger Kartoffelsuppermann erwiesen hatte, entpuppte sich auch als ebensolcher Mitwanderer. Wir haben heute noch Kontakt. Liebe Grüße an Dich, Michael!

Schade war's um 
Fenestrelle, dafür war der Monte Orsiera ein ebenso echter wie unverhoffter Höhepunkt.

Tourengänger: Nik Brückner, Judith7


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Kommentare (2)


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georgb hat gesagt: für die Geschichtsbücher
Gesendet am 5. April 2023 um 22:31
>Wien - Monaco, 2015. 1832 Kilometer, 102.000 Höhenmeter. Herrlich war's!

legendär

Nik Brückner hat gesagt: RE:für die Geschichtsbücher
Gesendet am 6. April 2023 um 08:39
Georg, herzlichen Dank! Das ist wirklich nett von Dir!

Liebe Grüße,

Nik


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