Ruchi, Hausstock und Muttenchopf


Publiziert von cardamine , 20. September 2023 um 22:22.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum:17 September 2023
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   Hausstockgruppe   CH-GL 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2100 m
Abstieg: 3000 m
Strecke:30 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Linthal - Parkplatz Seilbahn (gratis!) - Kalktrittli Bergstation Selbstbedienungsbetrieb von 7 bis 18 Uhr, bei Schlange auch länger ;)
Unterkunftmöglichkeiten:Muttseehütte SAC 2500 m

Der Hausstock ist eine der markanten Glarner Berggestalten. Er wird meistens von der Muttseehütte oder über den Ostgrat vom Panixerpass bestiegen. Eigentlich hatten wir eine Überschreitung ins Auge gefasst, aber der logistische Aufwand (kein ÖV nach Tierfed!)  war uns der bröslige Ostgrat dann doch nicht wert, zumal wir den schönen Weg vom Panixerpass nach Wicheln schon von der Vorab-Überschreitung kannten. So entschieden wir uns, lieber mit wenig Gepäck von der Muttseehütte zu gehen und dabei noch zu erforschen, was an dem Instagram-Hotspot "Muttenchopf" wirklich dran ist.

Survival Tipps: Die Mutsseehütte schon ein halbes Jahr im Voraus buchen, auch wenn man unter der Woche kommen will. Beim Abstieg am Wochenende genug Luft für zusätzliche 1000 Höhenmeter Abstieg lassen. Vorsichtige nehmen für das Drahtseilfurggeli einen Gurt und Bandschlinge mit. Im Spätsommer sind Steigeisen, Pickel und Seil nur unnötige Last. Wer die Überschreitung machen will, wählt am Wochenende besser den Ostgrat als Abstieg (je nach Können muss dann doch ein Seil ins Gepäck) und vermeidet so das Anstehen an der Seilbahn, unter der Woche für mehr Genuss besser andersrum. Wer allergisch auf Instagrammer ist, übernachtet sowieso besser in der Panixerpasshütte.

LSB Seilbahn - Muttseehütte (T3, 750 Hm, 5 km)
Die LSB-Seilbahn von Tierfed erleichtert den Anstieg zum Muttsee von 1900 auf 750 Influencer-taugliche Höhenmeter. Der Weg wurde zwar gut ausgebaut, trotzdem ist der Teil durch das Chalchtrittli und Muttenwändli exponiert und erfordert gewisse Bergerfahrung. An P. 2531, dem ersten Fotospot, entdeckten wir «nur» zwei Zelte und warfen einen Blick auf den Limmerensee. Der Fotospot auf dem Muttenchopf ist aber schöner, weil man von da die Staumauer nicht sieht. Beim Aufstieg haben wir einige Gämsen gesehen, die sich von den vielen Menschen nicht stören liessen, wohl aber von einem Hund, der nicht angeseilt (!) versuchte, Jagd zu machen. Wie wäre es denn mit Leinenpflicht? Die Muttseehütte war trotz des Massentourismus ein positives Erlebnis und kam unseren bergsteigerischen Interessen auch mit einem früheren Frühstück (Standard ist 7 Uhr) entgegen.

Ruchi & Hausstock (T5, 1100 Hm, 12 km)
Von der Hütte querten wir in der Dämmerung weglos hinüber zu dem Pfad, der oberhalb des Muttsee-Westufers verläuft (schmal, abschüssig, nicht Instagrammer-tauglich). Es geht zwischen dem Obersee und Muttsee hindurch und dann den Geröllhang Richtung Hintersulzlücke hinauf. Steinmänner helfen bei der Orientierung. Anfangs gibt es viele grosse Blöcke zu übersteigen, bald aber findet man einen recht sauberen Pfad. Dieser leitet nun nicht zur Hintersulzlücke hinauf, sondern quert über einen Felssporn in den Kessel, wo einstmals das Unter Ruchifirn weilte. Hier führen mehrere Wegspuren durch das steile, aber feine und gutgriffige Schiefergeröll hoch zum Ruchi-Nordwestgrat (T4). Eine sehr deutlich Wegspur leitet zu dem mit zwei grossen Steinmännern markierten Übergang auf die Ruchi-Nordflanke. Wir stiegen erst noch kurz über einfache Felsen zum Ruchi hinauf. Der hat die bessere Aussicht auf den Tödi und Clariden.

Über eine Abkürzung stiegen wir vom Ruchi auf das flache Schuttfeld in der Nordflanke ab und wanderten zum Drahtseilfurggeli, der Schlüsselstelle der Tour. Vorsichtshalber legten wir den mitgebrachten Gurt mit Bandschlinge an, zum Einsatz kam sie dann aber nicht. Zunächst steigt man entlang einer stabilen Kette erst direkt auf dem Grat, dann nordseitig, mit mehreren Absätzen zu Pause machen ab, überquert ungesichert ein exponiertes Messer und klettert dann wieder entlang von Ketten auf der Südflanke im plattigen Fels zum Chli Ruchi hinauf. Hier sollte man unbedingt einzeln klettern, es ist unmöglich, keinen Stein loszulösen! Ab dann ist es wieder einfach: Über den sehr breiten Rücken geht es leicht abwärts an den Fuss des Hausstock-Südwestgrates. Vorher muss noch ein scheinbar ganzjährig vorhandenes flaches Firnfeld passiert werden. Steinmänner weisen den besten Weg auf den Grat, dieser überschreitet nie die Schwierigkeit T4: Anfangs leichtes Gekraxel, dann wieder Gehgelände und zum Schluss nochmal ein steile bröslige Felsstufe, wo es mindestens 3 Varianten (Pfade, Steinmänner) gibt. Gerade rechtzeitig, bevor die Föhnmauer überschwappte, erreichten wir den Gipfel und konnten zumindest noch den herrlichen Ausblick auf die Voralpen geniessen.

«Wer beim Genuss bleiben will kehrt besser auf der gleichen Route zur Muttseehütte zurück» empfiehlt der Hochtouren Topoführer Urner, Glarner, Tessiner Alpen. Ein Genuss ist die Geröllflanke des Ruchi wahrlich nicht, aber immerhin der Ausblick auf die türkisblauen Seen ist schön, auch wenn die Staumauer am Muttsee das Bild stört. Naja irgendwo muss der Strom ja herkommen.

Muttenchopf und Abstieg nach Tierfed (T3, 250 Hm auf, 1900 ab, 13 km)
Nach einer Pause auf der Muttseehütte wollten wir dem Instagram-Hotspot Muttenchopf einen Besuch abstatten. Auf den Graskopf hat sich mittlerweile ein formidabler Wanderweg gebildet, fehlt nur noch die Markierung. Schön ist, dass nicht das ganze Gelände erodiert wurde, sondern alle brav auf dem Weg bleiben. Lediglich ganz vorne an der Klippe wuchs kein Gras mehr. Insgesamt war ich aber positiv überrascht, dass kein Müll herumlag und übel roch es auch nicht, obwohl die Hütte ja einige Minuten weit weg steht.

Weil wir nicht durch den Tunnel gehen wollten, stiegen wir wieder zur Hütte auf und wanderten auf dem Hinweg zurück. Erst später fiel mir auf, dass auf der Schweizer Karte noch Wegspuren parallel zum Tunnel an der Oberfläche eingezeichnet sind. Weiss jemand was darüber?

Als wir die Türe der Bergstation öffneten, grosse Überraschung: An die 80 Leute waren dort am Anstehen! Da brauchte ich gar nicht gross zu rechnen, um zu wissen, dass ein Fussabstieg schneller wäre als warten. Ohnehin kam mir als Seilbahnophobikerin diese Ausrede ganz gelegen. Zahlreiche andere Leute waren offenbar zu dem gleichen Schluss gekommen, denn auf dem Wanderweg waren für die Uhrzeit sehr viele Leute unterwegs. Alle waren sich anscheinend nicht darüber im Klaren, was zusätzliche 1000 Höhenmeter Abstieg bedeuten. So kam es zu besorgniserregenden Szenen wie z.B. ein Mädel, das von ihrem Freund Huckepack getragen werden musste. Abgesehen von der Unfreiwilligkeit des Abstiegs war der Wanderweg sehr schön, mit tollem Ausblick auf den Tödi. Nach 1:20 h erreichte ich den Parkplatz in Tierfed und musst noch einige Zeit auf meinen Partner warten, der die Seilbahn nehmen wollte.

Tourengänger: Toni Montaña, cardamine


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Kommentare (7)


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justus hat gesagt: weg ochsenplangge
Gesendet am 21. September 2023 um 08:20
Gratulations zum Hausstock.

Am Anfang der Wegspur via Ochsenplangge steht momentan ein Verbotsschild. Denke wegen Steinschlag/Bauarbeiten. Habe es nur am Sonntag auf dem Weg zur Hinter Schiben vom See aus gesehen. Der Wanderweg war also die richtige Wahl.

(Und der Fussabstieg war auch die richtige Wahl. Habe von 18:00 bis 19:40 gewartet und bin dann mit der vorletzten Gondel ins Tal)

Gruess,
/justus


kopfsalat hat gesagt: RE:weg ochsenplangge
Gesendet am 21. September 2023 um 12:59
> Erst später fiel mir auf, dass auf der Schweizer Karte noch Wegspuren parallel zum Tunnel an der Oberfläche eingezeichnet sind. Weiss jemand was darüber?

In einem alten SAC-Führer ist dieser Weg durch die Ochsenplanggen noch beschrieben.

Gehe davon aus, dass die Sperrung damit zu tun hat, dass es sich hier mittlerweilen um ein Insta-Touri-Gebiet handelt und sie nicht andauernd bergunerfahrene Leute aus der Wand retten wollen.

cardamine hat gesagt: RE:weg ochsenplangge
Gesendet am 21. September 2023 um 13:30
Danke justus und kopfsalat.

Vermutlich geht es wirklich mehr darum, dass die Touris nicht überall rumlatschen und die Tiere stören. Kann mir nicht vorstellen, dass dieser Weg mehr Steinschlag gefährdet ist als der am Ostufer des Limmerensees...

justus hat gesagt: RE:weg ochsenplangge
Gesendet am 21. September 2023 um 14:05
denke eher das er wegen der bauarbeiten ist. anfangs august als ich das letzte mal dort war, war das schild noch nicht dort.

denke auch dass es nicht wegen der selbstgefaehrdung ist. auf dem weg den see entlang hatte es einige stellen wo ziemlich grosser frischer steinschlag auf dem weg lag. und exponiert ist es ja zt auch.

gruess /justus

kopfsalat hat gesagt: RE:weg ochsenplangge
Gesendet am 21. September 2023 um 17:15
War Anfang September in der Muttseehütte. Da gabs keinerlei Bauarbeiten mehr.

Ist wohl wie mit allen "Verbots"-Tafeln in den Bergen, dadurch wollen Gemeinden, Alpkorporationen oder hier Kraftwerkbetreiber die Haftung ablehnen, falls etwas passiert.

Es gilt somit das, was auf jeder alpinen Wanderung gilt: Begehen auf eigene Gefahr.

justus hat gesagt: RE:weg ochsenplangge
Gesendet am 21. September 2023 um 21:18
dann warst du wohl nicht unten am see. und hast auch die tafeln bei der seilbahn uebersehen.

> Aufgrund von Prüf- und Wartungsarbeiten ist die Staumauer Limmernboden zwischen Anfang Juni und Ende Oktober 2023 für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Die Wanderwege sind von den Arbeiten nicht betroffen und können normal genutzt werden.

kopfsalat hat gesagt: RE:weg ochsenplangge
Gesendet am 21. September 2023 um 21:51
nein, wir sind übers Chalchtrittli rauf und über den Kistenpass nach Brigls.

Besten Dank für die Info.


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