Falscher Berg - Scheidstöckli statt Rüchi


Publiziert von rhenus , 20. Oktober 2022 um 16:23.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum:18 Oktober 2022
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   Hausstockgruppe 
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1000 m

"Falsche" Berge sind im Gegensatz zu "richtigen" Bergen eine rare Spezies, doch etwa alle 10 Jahre passiert es Urs und mir, dass wir den "falschen" Berg erwischen. So auch vorgestern, als wir die Überschreitung vom Rüchi zum Nüschenstock oberhalb des Glarner Muttsees planten. An Stelle des vermeintlichen Rüchi kraxelten wir an der Südostwand des Scheidstöckli herum, was so gar nicht zu den beiden Hikr-Berichten zum Rüchi passen wollte (siehe hier und hier). Etwa 20 m unter dem Gipfel des Scheidstöckli warfen wir die Flinte ins Korn, da wir ohne Seil unterwegs waren und nicht wussten, ob die von uns gewählte Route überhaupt bis zum Gipfel kletterbar war.

Der Tag begann verheissungsvoll, als Urs und ich die krasse und vollautomatisch betriebene Seilbahn vom Tierfehd zum Chalchtrittli bestiegen. Die gewählte Zustiegsroute zur Muttseehütte führte uns vorerst über den nasskalten Stollen ins Limmerental, da wir uns beim Aufstieg entlang dem Muttenbach mehr Sonne erhofften. Das tiefeingeschnittene Tal mit den über 1000m hohen Wänden zum Selbsanft macht immer wieder einen gewaltigen Eindruck. Nach dem Picknick beim Wegkreuz erleichterte ich in der Muttseehütte meinen Rucksack, da ich in der Hütte übernachtete. Urs hingegen musste gleichentags zeitig wieder ins Tal. Da er über das Chalchtrittli absteigen wollte, fassten wir die Überschreitung vom Rüchi zum Nüschenstock mit Abstieg über dessen Westgrat ins Auge. Nachdem wir kurz den Westgrat des Nüschenstocks in Augenschein nahmen, wanderten wir auf gutem Pfad am westlichen Ufer des Muttsees entlang zum Muttsee-Obersee. Von dort stiegen wir in ziemlich genau nördlicher Richtung zur Gratlücke 2646m südöstlich des Scheidstöcklis, den wir irrtümlicherweise für den Rüchi hielten. Von unserem Standort aus überblickten wir den Locherligrat bis zum Nüschenstock. Die Bemerkung von Urs, vor dem Nüschenstock sei ja auch noch ein Gipfel, wischte ich mit der Bemerkung zur Seite, dies sei nur eine kleine Graterhebung und sicher kein eigentlicher Gipfel. Doch es war der Rüchi, wie ich am Abend in der Muttseehütte feststellte. Vom Sattel 2646m stiegen wir auf dem Südostgrat im Flyschschutt bis ca. 2760m an die Südostwand des felsigen Scheidstöckli (T4). Hier stieg Urs etwa 30m in recht solidem Fels durch die linke, schräge Rampe hinauf. Da nicht einsehbar war, ob der Weiterweg kletterbar war, warfen wir das Handtuch. Dies war nicht unklug, denn gemäss dem Clubführer "Glarner Alpen" von 1963 hätten wir nämlich das rechte, markante Kamin nehmen sollen (Route 647). Ebenfalls machbar gewesen wäre die in Wandmitte gelegene Südostwandroute mit Einstieg am tiefsten Punkt der Felsbastion, wie auch von Bergamotte hier in Wort und Bild dargestellt (Route 646 Clubführer Glarner Alpen von 1963).

"Not amused" stiegen wir nach unserem Rückzug den steilen Hang zum Obersee hinab, gingen dann zum Wanderweg zurück und erfreuten uns an den blauen Bergseen. Für Urs war es jetzt Zeit, ins Tal abzusteigen, während ich den Aussichtspunkt 2531m oberhalb der Muttenwand sowie den Muttenchopf besuchte. Beides sind geniale Aussichtspunkte in einer grandiosen Arena von Natur und Technik. Der Limmernsee liegt hier direkt zu Füssen und zieht sich weit nach hinten ins Tal, eingebettet in steile Bergflanken. Der zuhinterst im Tal sichtbare kleine Berg mit abgehackter Spitze ist das Kistenstöckli, den ich anderntags besuchen sollte. Beim Muttenchopf schlug eine junge Valserin mit Patagonien-Erfahrung ihr Zelt auf, als ich am Nachmittag zur Muttseehütte zurückging. Leider verpasste ich es, noch den Eingang der nahen Muttseehöhle zu besuchen. Dies ist eine ca. 200m tiefe Schachthöhle, in die vor dem Staudammbau der Muttenbach abfloss. Sie liegt ca. 1 km östlich der Muttseehütte nahe beim Wanderweg (Koordinaten 721514 / 190709).

Die sehr komfortable Muttseehütte (W-LAN, Strom, Dusche) bleibt bis 23.10.2022 offen und wird von Claudia und einem Frauenteam bewartet. Nach einem vorzüglichen Nachtessen dämmerte es mir, dass wir uns am Scheidstöckli und nicht am Rüchi versuchten, als ich im aufliegenden Clubführer "Glarner Alpen" von 1963 blätterte und etwas im Internet surfte. Die Überquerung des  Kistenpasses mit der Abfahrt zum Limmernsee und weiter ins Tierfehd wird  offenbar auch von Hardcore-Bikern gemacht, wie aus dem Erlebnisbericht des aufliegenden Ride-Magazins 01/2021 hervorging. Bei lediglich 7 übernachtenden Gästen, Adler-Bier und sehr freundlicher Bewirtung war der Hüttenabend und die Übernachtung in einem separaten Schlafraum sehr angenehm. Versöhnt schlief ich die Nacht durch und freute mich schon auf die vergnügliche Wanderung über den Kistenpass, die Urs entgehen sollte. 

Man tun gut daran, im weglosen Gelände Führerliteratur und Begehungsberichte zu studieren. Siehe hier insbesondere die grandiose "Bergfahrt rund um den Muttsee" von Bergamotte. 

Tourengänger: rhenus


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