Hochberg oder Gras ist nicht gleich Gras- Teil I


Publiziert von Nyn , 31. Juli 2023 um 20:55.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Lechquellengebirge
Tour Datum: 9 Juli 2023
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 13:30
Aufstieg: 1250 m
Abstieg: 100 m
Strecke:s. Wegpunkte und Karte bei Teil II

Die Bewertung von "Steilgrastouren" bleibt für mich, der ich schon einige Highlights wie den Feuerstein oder die am Zwölfer/Elfer durchleben durfte, recht schwierig. Die Faktoren wie Hangrichtung/neigung, Stufung des Untergrunds (stufig oder plattig/schiefrig/abschüssig), Feuchtigkeit, Gras"dichte" und -"Länge", Vorhandensein/ggf. Brüchigkeit der Schrofenanteile und Absätze - können sehr stark wechseln.

Auch Sichern, wie es bei Felstouren üblich ist, ist im steilen Gras oftmals nicht möglich. Deshalb sind Skills wie Trittsicherheit, Gleichgewicht, mentale Stabilität und "Unerschröcklichkeit" oft wichtiger als die rein technische Kletterfertigkeit oder Fingerkraft. Auch wenn ausrüstungstechnisch Anleihen vom Eiskletterns (wie Steigeisen und Pickel) möglich sind und für die extremeren Sachen dringend empfohlen werden - bleibt das Ganze doch ein sehr von den "Verhältnissen" abhängiges Abenteuer.

Im Gegenzug sind Blumenpracht und nicht planbare Adrenalinschübe vielmals von hoher Güte.

Bei meinem  - nennen wir es mal "Verhauer" - an der Ostgratschulter des Hochberg lasse ich mich von der zunächst geringen Hangneigung (um 35Grad) und der scheinbaren Kürze des zum Grat hoch zu überwindenden wandartigeren Abschnitts nach der kraftsparenden, bachtobligen schiefrigen Rinne darunter verleiten, direkt hoch zu kraxeln, anstatt zum erfahrungsgemäß wahrscheinlich besser gestuften und trockeneren stumpfen "Rücken" weiter rechts zu wechseln, als es noch problemlos gegangen wäre.

Das Lamentieren hilft nichts. Ich steh' bereits zu hoch und mittendrin im Massel. Der Kurzpickel ist im Rucksack, den ich hier nicht mehr abnehmen kann, weil ich alle 4e fürs Gleichgewicht dringend benötige.
Ich Idiot!!!
Die Folge meiner Strategie(fehler?) ist, dass ich nun im ungestuften und abschüssigen Gelände die Flucht nach oben antreten muss. Das wird mit der Aufsteilung bis etwa 45 Grad, der lokalen Rest-Nässe des Untergrunds und für diese Bedingungen schon grenzwertig abgelaufenen Schuhen (kaum Kante, mehrfach rutsche ich fast weg!) richtig heikel! Welch ein krasser Unterschied zur erheblich steileren, aber deutlich besser gestuften Steilgrastour am Glattmar.

Ich kralle alles an wenigem Gras, was geht und setze sämtliche Schiebe-, Gewichtsverlagerungs- und Stütztechiken ein, um mein Gewicht auf soviele wie mögliche der zweifelhaften abschüssigen Haltepunkte zu verteilen und überhaupt voran zu kommen- weil waagrechte Tritte oder ausgeprägte Griffe gibt es überhaupt nicht. Ganz wenige eingelagerte Steine sind fast alle lose oder abschüssig....MAaaaaaaan!!!, was n'  Sch.....

Dieser selbst verschuldete Eiertanz über etwa 20 Minuten psycht mich total aus. Eine überaus brüchige Stufe (technisch ca I-II ) vom schließlich völlig atemlos und zitternd erreichten Grat zum Hochpunkt der Schulter rechts davon gibt mir endgültig den Rest. Da will ich nicht erneut drüber...
Ich entschließe mich, die Fortsetzung über den Ostgrat (lt. Nikbrueckn T6, II) abzubrechen. Das würde heut' nix werden mit so wackligen Knien und (m)einer so labilen Unerschröcklichkeit...

Nach einer längeren Pause, bei der ich mein inneres Gleichgewicht halbwegs wiedergewinne, pickle ich hochkonzentriert den geringfügig leichteren "Rücken" hinab, (auch nicht ganz trocken und nur leidlich besser gestuft) - bis ich weglos, aber nun endgültig leicht Richtung Hochbergsattel fortsetzen kann.

Hinweise:
Wie immer ist meine Zeitangabe incl. vieler Fotografier- und etlicher längerer Hitze-Pausen.
Anforderungen: Für meine Kombi rein technisch I-II, angesichts der angetroffenen, wenn auch teilweise reduzierbaren Stress-Faktoren vergebe ich für mich die höhere Stufe II, ebenso erhöhe ich für den wandartigen Grasanteil an der Schulter, dieser Abschnitt war für mich gefühlt T6.

Und was habe ich gelernt dabei? Erneut Demut! Des glimpflichen Ausgangs bisher kann ich mich wirklich glücklich schätzen!

Alles Weitere erzählen Euch wie gewohnt vilele Bilder.

Den Teil II meines Abenteuers habe ich als separaten Beitrag erstellt.

Tourengänger: Nyn


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (4)


Kommentar hinzufügen

Schubi hat gesagt:
Gesendet am 31. Juli 2023 um 21:41
Manmanman Markus ... pass mal bissel besser auf dich auf. Wenn ungewiss oder sonstwie nicht ganz koscher wirkt dann dreh halt besser um. Du willst dir ja das Bergsteigen möglichst lange erhalten, oder? ;-)

Nyn hat gesagt: RE:
Gesendet am 31. Juli 2023 um 22:29
Hi Frank, danke deiner Sorge.
Und völlig richtig, deine Anmerkungen! Ich hätte viel früher von der Rinne weg müssen.
Umdrehen oder ausqueren, als es wirklich heikel wurde, ging dann halt leider nicht mehr.
Hab ich meine Schutzengele und geheime Konzentrations- und Gleichgewichtsreserven stark in Anspruch genommen.
Immerhin war ich noch gestig gesund genug, den weiteren Ostgrat dann zu lassen.
*kleiner Seufzer*

pame hat gesagt: Gras
Gesendet am 1. August 2023 um 03:25
Da ich als alter Schottland-Wanderer mit vielen der von dir beschriebenen Graseigenschaften und Grasproblemen durchaus vertraut bin, freue ich mich, endlich mal einen Bericht zu lesen, der Gras in den Vordergrund stellt. Vielleicht sollten die alpinen Vereine einmal eine separate Schwierigkeitsskala für Grastouren entwickeln. Ich habe das Gefühl, das die UIAA-, SAC-Skalen, usw., die speziellen Herausforderungen im Gras nicht gerade gut abbilden.

In diesem Sinne,
noch viele, fröhliche Touren,
Gruss,
Patrick

Nyn hat gesagt: RE:Gras
Gesendet am 1. August 2023 um 15:59
Werter Patrick,
danke für die guten Wünsche. Fröhlichkeit und Frohsinn sind beim Bergsteigen elementar.

Eben da die Herausforderungen bei (Steil-)Gras sehr spezielle sind und neben anderen Faktoren mit den Jahreszeiten, der Hangrichtung und Gestaltung des "Drunter" jederzeit und überall stark differieren können, dürfte eine eigene Einteilung/Skala zwar machbar, aber in der Praxis schwierig sein.

Vielleicht etwas für Liebhaber ähnlich wie die LKKs für Latschen? (http://harry.ilo.de/projekte/berge/berg.php?tour=54)

Viele Grüße
Markus


Kommentar hinzufügen»