Gratabenteuer am Vanil des Artses 1993m


Publiziert von Bergamotte , 28. Oktober 2020 um 15:12.

Region: Welt » Schweiz » Freiburg
Tour Datum:20 Oktober 2020
Wandern Schwierigkeit: T6+ - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-FR   CH-VD 
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 1650 m
Abstieg: 1550 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Les Sciernes
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Allières
Unterkunftmöglichkeiten:Restaurant Le Manoïre & Brunnen im Col de Jaman
Kartennummer:1244 / 1264

Die heutige Gratwanderung entspricht faktisch der Fortsetzung dieser *Runde über Grand Sex und Dent de Lys. Beides sind waschechte Tagestouren, aber wer genügend Zeit und Ausdauer mitbringt, kann die beiden Etappen natürlich auch kombinieren, wie dies lorenzo gemacht hat. Angenehmer Nebeneffekt: Man erspart sich die Hälfte der reizlosen Zustiege. Hat man die Krete aber mal erreicht, ist's vorbei mit der Langweile: aufregendes Gratabenteuer über Stunden und Kilometer, welches im oberen T6 anzusiedeln ist.

Den Wagen lasse ich in Les Sciernes-d'Albeuve (902m) stehen, wo's kurz nach acht Uhr losgeht. Ich spüre noch die Beine vom Vortag und die zähen Wolken drücken auf die Stimmung. Der wenig aufregende, mir bereits bekannte Zustieg Richtung Col de Lys hilft auch nicht weiter. Aber all diese Problemchen sollten sich bald verflüchtigen... Den Umweg über den Pass erspare ich mir, er markiert nicht mal den tiefsten Punkt im Grat. Stattdessen ziehe ich vom kleinen Kessel der Alp En Lys (1608m) direkt zur Folliu Borna (1849m), das ist alles gutmütiges Gehgelände. Oben empfängt mich ein kräftiger Föhn und ein toller Blick auf den Nordgrat des Vanil des Artses - einer der vielen Höhenpunkte am heutigen Tag. Die Fortsetzung bis zum dortigen Einstieg bietet keine Schwierigkeiten, wobei ein Abbruch links (östlich) umgangen wird.

Für den Nordgrat hat sich die detaillierte Beschreibung im Führer als sehr hilfreich erwiesen. Die gute Nachricht: Stellenweise hat sich so etwas wie eine Wegspur herausgebildet. Sie verbleibt im unteren Bereich direkt auf dem Grat, um dann - ganz schwach - in eine Querung nach rechts überzugehen. Hier unbedingt die Augen offenhalten, um den Abzweiger nicht zu verpassen. Man findet zwar einige blaue Punkte, die sind aber stark verblichen und kaum mehr zu erkennen. Nach kurzer Querung bis zu einem alten Haken (T5+) steigt man wieder Richtung Grat auf (T6-), mehrere Linien möglich und vereinzelt Spuren erkennbar. Der Einstieg in die zweite Querung ist offensichtlicher, auch hier hat es blaue Punkte. Sie endet bald bei einer Tanne mit Schlinge (T6, offensichtlich). Entgegen den Aussagen im Führer erlebe ich die Querungen als genussvoll, denn das Gelände ist gut gestuft. Das gilt nicht für die (fast senkrechte) Fortsetzung, in welcher man wiederum den Grat gewinnt (T6+). Auf diesem verbleibt man schliesslich bis zum Vanil des Artses (1993m) mit Kreuz; das Gipfelbuch fehlt zurzeit leider. Kurze Pause.

Der Abstieg über den Südgrat in den nächsten Sattel ist weit gutmütiger als der Aufstieg. Man kann fast durchgehend der meist breiten Krete folgen. An einer Stelle wird kurz nach rechts in die Westflanke ausgewichen (Drahtseil). Wobei, das Seil bemerke ich erst im Nachhinein, weil ich stur dem Grat gefolgt war... Der Wiederaufstieg zu Le Pila (1892m) ist kurz, steil und bietet im gut gestuften Gras wenig Schwierigkeiten. Zuoberst kraxle ich direkt über den Grat, es gäbe aber auch eine passable Wegspur (Wildwechsel?) rechtsrum. Der folgende Direktabstieg von der Pila zum schönen Verbindungsgrat erfordert einige Kletterzüge, könnte aber wiederum umgangen werden. Anschliessend im gehobenen Gehgelände äusserst genussvoll bis zum Sattel P. 1859, wo man den Wanderweg kreuzt. Von hier führt ein nicht-markiertes, aber ganz ansprechendes Weglein zur Cape au Moine (1941m) hoch.

Der Weiterweg bleibt logisch, wie fast immer auf dieser Tour... einfach dem Grat nach. Im Abstieg finden sich ein paar leichtere Kletterstellen, je nachdem wird früher oder später in die Westflanke ausgewichen. Unten im Sattel kreuze ich einen Berggänger in Turnschuhen, der in einem Schneefeld am Rumeiern ist. Prinzipiell wäre diese Tour für einen technisch versierten, erfahrenen Trailrunner durchaus machbar. Persönlich bevorzuge ich in rauem, anspruchsvollen T6-Gelände weiterhin die schweren Stiefel. Kurz darauf begegne ich einer Zweiergruppe in voller Ausrüstung - ja, so ist die Risikowahrnehmung in den Bergen ganz unterschiedlich.

Der Corbé-Nordgipfel wird zunächst rechtsseitig durch die steile Westflanke mit ihren markanten Lawinenverbauungen umgangen. Auch hier malt der Führer ein fürchterliches Bild - wieder zu unrecht, würde ich meinen. Ja, das Grasgelände ist steil, aber gut gestuft und die Verbauungen sind nützliche Haltehilfen (moderate T6). Ich gewinne den Sattel zwischen Süd- und Hauptgipfel, ersterer lässt sich in wenigen Schritten einfach gewinnen. Der Aufschwung zum Mittelgipfel des Corbé (1898m) ist deutlich steiler, aber nicht übermässig ausgesetzt und mit schwachen Trittspuren versetzt (T6-). Hier wird es Zeit für eine ausgiebige Mittagsrast mit herrlichem Blick über die Genfersee; die Sonne hat sich längst durchgesetzt.

Für den Weiterweg nach Süden verbleibt man zunächst auf dem gutmütigen Grat. Wenige Meter nach einer eingerichteten Abseilstelle bricht der Grat plötzlich senkrecht ab. Genau auf Höhe der Schlinge steige ich nach rechts in die Westflanke ein. Hoppla, das ist fast senkrecht, immerhin einigermassen gestuft (trotzdem T6+) - im Abstieg entsprechend unangenehm. Einfachere Varianten wären weiter nordwärts zu finden. Auf dem schönen Verbindungsgrat zu Les Coursis (1864m), der wider Erwarten durchgehend und genussvoll zu begehen ist, kreuze ich eine weitere Gruppe in Vollmontur. Im Aufstieg zum Gipfel darf schliesslich nochmals richtig zugepackt werden, kurze IIer Stellen.

Der Abstieg zum Col de Jaman (1512m) ist dann fast geschenkt, sprich reines Wandergelände. Am schönsten ist, man verbleibt in Nähe des Südgrats. Wer des Blickes auf den Lac Léman überdrüssig geworden ist, darf natürlich auch direkt die SE-Flanke oder den Ostgrat runterstechen... Die Einkehr in der Buvette schenke ich mir und belasse es beim Auffüllen der Wasservorräte. Ohnehin lässt sich ab hier der Bahnhof in Les Cases (1090m) zügig erreichen, sofern man die zahlreichen Serpentinen abkürzt. Da ich etwas zu früh dran, ziehe ich - kein Freund der Warterei - weiter zur nächsten Station in Allières.


Zeiten (kum)
1:35  Folliu Borna
2:30  Vanil des Artses
3:15  Cape au Moine
3:40  Corbé
4:25  Les Coursis
5:25  Allières

Tourengänger: Bergamotte
Communities: T6, Freiburg


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Kommentare (7)


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Zaza hat gesagt:
Gesendet am 28. Oktober 2020 um 17:00
Sehr schön! Bei diesem Rhythmus hast du die würzigen Routen in Freiburg schon bald abgeklappert und musst weiterziehen ;-)

Lg zaza

Bergamotte hat gesagt: RE:
Gesendet am 28. Oktober 2020 um 17:50
Das BEO liegt ja ebenfalls in Griffweite...

Zaza hat gesagt: RE:
Gesendet am 28. Oktober 2020 um 18:02
Hat aber etwas wenig Steilgras...

BaumannEdu hat gesagt:
Gesendet am 29. Oktober 2020 um 14:10
Bravo ! Supertour und grosses Engagement.

Felix hat gesagt:
Gesendet am 29. Oktober 2020 um 17:07
auch "Bravo"!

hast du eigentlich nie mulmige Gefühlen bei deinen extremen Steilgras- und -schrofengeländetouren?

Bergamotte hat gesagt: RE:
Gesendet am 29. Oktober 2020 um 20:28
Kommt vor, aber nur noch selten. Dieses T6-Zeugs ist halt vor allem eine Kopf- und Erfahrungssache. Aber wenn mir mulmig wird, bin ich eigentlich schon zu weit gegangen.

Felix hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. November 2020 um 14:50
Danke; gut formuliert!


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