Landschaftliches Kleinod im Schatten der Klammspitzen: Der Brunnenkopf-Westgrat


Publiziert von Nik Brückner , 7. Juni 2020 um 16:26.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Ammergauer Alpen
Tour Datum: 2 Juni 2020
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 4:15
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1000 m
Strecke:12km
Unterkunftmöglichkeiten:Zahlreiche im Tal.

Erstmal:

Heit kimmt der Hans zu mir,
g'freit si die Lies.
Ober aber über Oberammergau
oder aber über Unterammergau
oder aber überhaupts net kimmt,
dees is net g'wiess.
   

Aaaaaaaaaaaaaaah! Das ist er, der Killerohrwurm. Vier geschlagene - nein, nicht Stunden - Tage lang hatte ich den im Ohr! Aaaaaaaaaaaaaah!

Ich kam übrigens über Oberammergau...


Schnell den Ohrwurm killen. Vielleicht ja mit "Yamai" von る*しろう*.

Also los, ab zum Bergsteigerparkplatz Linderhof (960 m), und rauf zu den Brunnenkopfhäusern.

Nur: Was machen? Eigentlich stand die Klammspitzüberschreitung auf der Liste, aber auf die habe ich schon seit Jahren keinen Bock. Jetzt wurz aber mal Zeit, oder? Muss man sich halt mal zwingen.

Ich wanderte den Normalweg hinauf, eine breite, im unteren Teil ziemlich schotterige Wanderautobahn. Beim ersten Querweg (dem Kohlbachweg), an einem Hüttl, stieg ich dann aber nicht weiter auf.

Bergsteigerparkplatz Linderhof - Hüttl am Kohlbachweg: markierter Wanderweg, T1, 40 Minuten


sondern hielt mich geradeaus, auf einem breiten Holzabfuhrweg (Kohlbachweg) Richtung Westen. Der führt steil den Hang hinauf. Kurz vor seinem Ende zweigt rechts ein unbezeichneter Steiig in den Wald hinauf. An einer kaum noch als solche zu identifizierenden Y-Kreuzung wieder rechts, dann dreht der Steig auf einen Rücken, wo man sich erneut rechts, bergwärts wendet.

Immer noch überlegte ich, was ich wohl machen könnte. Auf die Klammspitzüberschreitung hatte ich nämlich tatsächlich - wieder - keinen Bock. Wühlerei im Ammergauer Bruch? Nää.

Bald kamen links über mir die Brunnenkopfhäuser in Sicht. Man quert eine Lichtung, ein kleines Waldstück, und landet schließlich wenige Meter westlich der Brunnenkopf-Diensthütte (1570 m) am Grat. Dort traf ich wieder auf die Wanderautobahn, die mich in wenigen Minuten zu den Brunnenkopfhäusern (1602 m) brachte.

Hüttl am Kohlbachweg - Brunnenkopfhäuser: breiter Holzabfuhrweg, T1, unbezeichneter Wanderweg, T2, am Grat markierter Wanderweg, T1, 45 Minuten


Brunnenkopfhäuser... Brunnenkopfhäuser.... Hm. Ich war noch nie auf dem Brunnenkopf. Könnte ich vielleicht ja mal machen. Und ich hatte vage eine vage Tourenbeschreibung vom Westgrat des Brunnenkopf in Erinnerung. Ein T6-Grat! Das wäre doch was!

Also nichts wie rauf auf den Brunnenkopf (1718 m).

Brunnenkopfhäuser - Brunnenkopf: Markierter Wanderweg, T2, 10 Minuten

Der Brunnenkopf ist der perfekte Gipfel für Coronaläugner: Schmal, eng, und voller schwitzender und schnaufender Leute. Ich hielt mich dort also nur ganz kurz auf (hier sind die Corona-Regelungen des DAV), solange bis ich ausgeschwitzt und ausgeschnauft hatte, und sah mich kurz um: Da ist im Osten der Am Zahn, dahinter der geil benannte Bayerische Schinder (yep, den gibt's wirklich), das Estergebirge, gegenüber Notkarspitze und Kieneckspitz, dahinter der Wetterstein mit Alpspitze, Jubi und Zugspitze, die man gerade so sehen kann, weil Kuchelberggrat und Kreuzspitze sich davor erheben, Daniel und Upsspitze lugen zwischen Kreuzspitze und den Geierköpfen hervor. Dann, im Westen, die Hochplatte und ganz nah die Klammspitzen mit der Sefelwand darunter.

Dann ging's los! Schon der Blick vom Gipfel nach Westen verheißt Gutes: schmale Nadeln aus Nagelfluh und steilstes Gras statt Bruch und Latschen - das war genau das, was ich jetzt brauchte! Ich stieg also ein paar Meter ab, und folgte dann einem dünnen Spürl, das nach rechts hinunter in einen Sattel unterhalb des Gipfels führt. Fantastisch, der Blick zum Brunnenkopf von hier aus.

Das dünne Wegspürl führt noch ein wenig auf der Kante nach Westen, und überschreitet dabei einige kleine, recht schmale Köpfl. Irgendwann geht's dann nicht mehr weiter, und man muss in die linke Flanke ausweichen. Und das bedeutet: steiles Gras. Eigentlich mein Wohlfühlgelände, doch das Gelände ist schlecht gestuft, das frische Gras war Anfang Juni noch nicht ganz raus, das strohige Vorjahresgras darunter war ziemlich rutschig, und meine Vibrams nicht mehr die allerbesten. Ich musste also ziemlich aufpassen. Zudem verläuft unterhalb der vielbegangene Wanderweg von den Brunnenkopfhäusern zur Klammspitze, da darf man auf keinen Fall etwas lostreten. Und so brach ich prompt einen ersten Versuch ab, mich verfluchend, weil ich den Pickel im Auto gelassen hatte. Erstmal einbroten.

Der zweite Versuch klappte dann. Ich stieg im steilen Gras hinunter, und folgte der hier kaum noch vorhandenen Spur in eine Rinne hinein. Sobald ich diese nach rechts (Westen) verlassen konnte, tat ich das, und schob mich nun Meter um Meter direkt an den steilen Wänden der Felszacken entlang vorwärts. Natürliche Absätze, von Bäumen gebildet, boten zwischendurch sichere Standplätze.

Wenn man am Grat einen Dreizack sieht, steigt man wieder hinauf: Zwischen drei Felszacken sind zwei schmale, grasige Scharteln eingeschnitten. In der rechten steht ein kleiner, in der linken ein winziger Baum. Auf diesen hält man nun zu.

Die Hangquerung ist im weiterhin schlecht gestuften Gras mühsam, und bei diesen Frühjahrsbedingungen heikel. Wer hier ausrutscht, landet in den Armen eines armen, nichtsahnenden Wanderers. Also aufpassen. Zuletzt steigt man direkt in der Fallinie des linken Schartels hinauf - dann ist es geschafft, und die größten Schwierigkeiten sind überwunden.

Drüben geht es einen vergleichweise mäßig steilen Hang hinunter, dann zeigt ein Wechsel der Vegetation einen Wechsel der Felsqualität an. In dem Sattel davor pausierte ich erst einmal, dann ging es weiter. Der Grat wird ziemlich schmal, dann geht es in brösligem Fels ein paar Schritte hinauf, und links in einer kurzen, breiten Gras- und Schrofenrinne hinauf. Tierspuren helfen.

Unmittelbar danach ist der Grat kurz noch einmal schmal, dann aber meist breit, und von kleinen Bäumen bestanden. Man findet immer wieder mal Spuren, kann sich aber im Grunde durch die Bäume schlängeln, wie man möchte. Ein Latschenkampf ist dabei nicht zu befürchten. Mal ist es breiter, mal schmaler. Schließlich folgt, ausgerechnet an der letzten schmalen Stelle, die technisch anspruchsvollste Passage: Ein Latschengerippe versperrt den Weg auf dem Grat, man muss es links umgehen. Dazu hält man sich vorsichtig an den alten, abgestorbenen Ästen fest, und benutzt einige Tritte in der Flanke, deren erster nicht so aussieht, als wäre er sehr zuverlässig. Er hielt.

Nun steht man schon recht nah vor der Kleinen Klammspitze. Scharten verleiten zum Abstieg, richtig ist man aber erst, wenn man den gesamten Hang vom Grat bis hinunter zum Wanderweg einsehen kann. Hier stieg ich ab, erneut mit großer Vorsicht, denn hier hat die Erosion viele lose Steine freigelegt.

Brunnenkopf-Westgrat: Weglose Gratüberschreitung, Steilgras, T6, 1:10h

Wieder am Weg angekommen, wanderte ich zurück zu den Brunnenkopfhäusern (1602 m), weiter zur Brunnenkopf-Diensthütte (1570 m), und nahm diesmal die Wanderautobahn zurück zum Schloss Linderhof, weil ich die noch nicht kannte. Ein Fehler, wie sich herausstellte: Ein todlangweiliger Weg, super nervig. Umso mehr als ich meine Beine vom Vortag spürte, an dem ich nach einer langen Runde eine Skipiste runtergelaufen war... Ich war froh, als ich wieder am Bergsteigerparkplatz Linderhof (960 m) ankam. Aber was soll's: Super war's oben am Grat, genau die richtige Tour für diesen Tag.

Zurück zum Parkplatz: Markierte Wanderwege, T1, 1:30h


Fazit:

Kurz, nett, würzig. Pickel mitnehmen!

A propos kurz! Am übernächsten Tag öffnete Herr Kurz kurzerhand die Grenzen Österreichs - etwas, das zuvor wochenlang für den 15. 6. angekündigt war. Noch schnell bissl Geld mitnehmen, hm? Danke, ÖVP, für die Verlässlichkeit. Na was soll's - das Wetter wurde eh wieder schlecht.

Tourengänger: Nik Brückner


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Kommentare (4)


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derMainzer hat gesagt: Brunnenkopf - Westgrat / Lumix
Gesendet am 8. Juni 2020 um 08:23
Griaß di Nik,

warum hast du die Kleine Klammspitze nicht noch mitgenommen. Von dort, wo du wieder vom Brunnenkopf Westgrat abgestiegen bist, ist es nicht mehr weit bis zum Einstieg in die schwarze Aufstiegsrinne. Man geht bist in die Scharte zwischen dem Gratausläufer der Kleinen Klammspitze und dem rechter Hand vorhandenen Felsmassiv, was als Alpeck hier auf hikr bezeichnet wird. Dieser Gipfel existiert übrigends nicht im Bayernatlas. Man braucht dann nur noch im Gehlände über die Wiese links in der Flanke hinauf bis zur schwarzen Rinne. Die Kletterei auf die Kleine Klammspitze hält sich mit II in Grenzen. Das wäre bei deinem bisherigen Tourenprogramm kein Problem für dich gewesen. Der quacamozza wird dir das bestätigen, außer du willst von der Kleinen auf die Große Klammspitze weiter gehen. Da habe ich an der Platte am Grat beim Abstieg zum Stemmkamin hin einen Rückzug angetreten. Das war mir zu heftig. Die Tritte und Griffe sind relativ schmal und klein. Übrigens, hast du am Brunnenkopf Westgrat irgendetwas schwarzes eckiges, was einer Digitalkamera gleich kommt gesehen? Ich bin die Tour im letzten Jahr zweimal gegangen, da ich am Westgrat meine Lumix verloren habe. Die habe ich dann geschlagene zwei Stunden in der steilen Südseitigen Flanke oberhalb vom Wanderweg zur Großen Klammspitze erfolglos gesucht.

Pfiat di
derMainzer

Nik Brückner hat gesagt: RE:Brunnenkopf - Westgrat / Lumix
Gesendet am 8. Juni 2020 um 11:25
Servus Mainzer,

tja, warum bin ich nicht weitergegangen? Ich hatte schlicht und einfach keine Lust. Ich hatte es mir schon überlegt, noch auf die Kleine Klammspitze zu steigen - aber die Klammspitzen reizen mich einfach nicht besonders. Mal sehen, irgendwann mal, vielleicht.

Deine Kamera hab' ich leider nicht gesehen, tut mir Leid!

Herzlichen Gruß,

Nik

Nic hat gesagt: RE:Brunnenkopf - Westgrat / Lumix
Gesendet am 8. Juni 2020 um 16:51
Der Abstieg am Westgrat ist nicht besonders schwer. Der Kamin ist nicht ganz einfach, ja. Meinst du die kurze IIer Stelle unmittelbar vor dem Kamin? Ist recht ausgesetzt aber eigentlich nicht schwerer alw der Ostgrat.

VG Nico

derMainzer hat gesagt: Abstieg Westgart Kleine Klammspitze
Gesendet am 9. Juni 2020 um 15:42
Griaß di Nic,

die Stelle die ich meine, ist die Platte am Abstieg zum Stemmkamin hin. Bei eurer Tour vom 10. Mai 2020, sieht man zum ersten mal die deutliche Ausgesetztheit auf einem Bild (Bild Nr. 12). Das war im Internet bisher nicht so zu sehen gewesen. Als ich im letzten Jahr davor gestanden habe, war mir klar, das man hier nur mit der Vierpunktregel zum Stand am Kamineinstieg kommt. Für mich heißt das dann ein III im Abstieg über die Platte bei kleinen Griff- und Trittflächen. Vielleicht nicht schwer, aber mit einen schweren Rucksack (Solo Tourengänger) doch ein deutliches Risiko wegen dem verlagerten Gesamtschwerpunkt. An der Kante unterhalb der Platte bricht es senkrecht in die Tiefe hinab. Ich habe damals ca. 100 bis 120 m Tiefe geschätzt, also bei einem Abrutschen keine Chance das zu überleben. Bei euren Bericht vom 16. Oktober 2017 hat der quacamozza mit seinem Körper die kleinen Trittflächen verdeckt. Dein Bergkamerad mit der dunklen Mütze zeigt deutlich im neuen Bild, was ich auch damals so an der Abstiegsstelle wahrgenommen habe. Der Daniel Schroeer schreibt in Internet über die Stelle: „Hinter dem Gipfel führt eine sandige Rinne ein kurzes Stück hinunter zu einem recht schmalen Gratabschnitt, der noch einige Meter fast waagerecht in Richtung zur Großen Klammspitze verläuft. Dann kommt ein steiler Abbruch. Hier findet sich ein einzelner Normalhaken, der ausweislich recht neuer Reepschnüre noch zum Abseilen verwendet wird. Ich bin zunächst etwas ratlos. Geradeaus scheint es überhängend hinabzugehen, rechts ebenfalls. Nach links könnte man plattig, schwer und sehr exponiert zu einem leichter aussehenden Band queren. Keine Option ist attraktiv. Hinterher lese ich, dass man wohl doch rechts durch eine Art Kamin abklettern kann. Ich jedoch steige wieder ein kurzes Stück zurück bis oberhalb des Abseilhakens und klettere dort weniger schwer nach (in Blickrichtung zur Großen Klammspitze) links ab, bis ich das schon erwähnte Band erreiche. Über dieses und anschließende Schrofen gelange ich in die Scharte zwischen den Klammspitzen.“ (Zitat s. Homepage Daniel Schroeer). Diese Beschreibung hatte ich damals als Ausdruck mit dabei, aber die Stelle, wo der Daniel links abgeklettert ist, fand ich nicht. Deshalb besser einen Rückzug antreten, bevor man die Bergwacht unfreiwillig beschäftigten muss. Die Kleine Klammspitze ist auf dem Normalweg für geübte Bergsteiger, welche sich im grasigen heiklen T5/T6 Schrofengelände auskennen, bei Trockenheit sicher kein Problem. Der Gratübergang von der Kleinen zur Großen Klammspitze stellt bei einem Seilfreien Übergang, eine alpinistische Herausforderung dar. Deswegen ist nach dem altem Ammergauer Alpenvereinsführer der Normalweg mit II (bisher noch) und der Gratübergang zur Großen mit III genau nach den Bergsteigerischen Schwierigkeiten klassifiziert. Über den Stemmkamin kann ich gar nichts aussagen. Da bin ich ja noch nicht gestanden bzw. konnte ich den Abstieg bisher nicht testen.

Pfiat di
derMainzer


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