Die Eisheiligen waren da: zum Sonnenaufgang durch frischen Schnee auf die Obergrind (1091 m)


Publiziert von Schubi , 14. Mai 2020 um 16:47.

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Schwarzwald
Tour Datum:12 Mai 2020
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Aufstieg: 504 m
Abstieg: 504 m
Strecke:13,1 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz Mummelsee an der Schwarzwaldhochstraße.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:s.o.
Unterkunftmöglichkeiten:Berghotel Mummelsee

Für die Nacht von Montag auf Dienstag sagte die Wetterprognose einen kleinen Temperatursturz inklusive Schneefall in den höheren Lagen voraus. Ganz so, wie es die Eisheiligen in der ersten Maihälfte halt gerne machen. Und Grund genug für mich, den Wecker zu stellen und die langen Unterhosen rauszulegen.

Südöstlich der allseits bekannten und geschätzten Hornisgrinde (1164m) liegt die wenig niedrigere und weithin unbekannte Obergrind (1091 m) sozusagen im Ruhmesschatten ihrer Nachbarin. Auf Letzerer war ich nun schon recht oft, so auch zu den *Eisheiligen 2019. Zwischen beiden Bergen führt ein Pfad mit Ostblick entlang, den ich tlw. schon von früheren Touren her kenne und mag. Ideal für eine morgendliche Runde in Richtung des Sonnenaufgangs also. Ausserdem erstreckt sich zwischen den beiden Grinden-Bergen das tiefe Kar des Biberkessels. Den hat zu Eiszeiten ein von der Hornisgrinde ausgehender kleiner Gletscher ins Gebirg gehobelt. So entstand eine für Nordschwarzwald-Verhältnisse doch recht imposante Karwand. Kessel und Karwand tangiere ich auf dieser Runde aber nur kurz, demnächst (hoffentlich) widme ich ihnen mal eine eigene Tour. Bisher hatte ich immer nur von oben in den Kessel geblickt (klick und klack), denn auf dem Plateau der Hornisgrinde führt ein Weg kurz an die Kante heran.

Das Kartenmaterial sagt mir, dass auf und um die Obergrind so einige (wohl teilweise aufgelassene) Wanderpfade zu finden sind, und das Satellitenbild zeigt, dass ihr Gipfel zum Glück nicht komplett zugewaldet ist. Höhenlinien und Satellitenbild erzählen mir weiterhin, dass es ggf. Sinn ergäbe, von der höchsten Stelle der Obergrind (sie ist, wie soviele Nordschwarzwälder, eher flach gewölbt und daher wohl nicht so fernsichtig) ein bissel weglos durchs Unterholz rüber zu ihrem steilen Nordhang zu stapfen, denn dort könnte ein schöner Panoramablick zu den Nachbarbergen auf mich warten. Gleichfalls am Nordhang, weiter unten, entdecke ich auf der topographischen Karte noch zwei ggf. interessante Tobel mit namenlosen Bächen darin sowie kleinere Felsformationen. Das alles will ich mir mal anschaun.


Und – hey ho – die Obergrind wird sogar eine Hikr-Erst-„Besteigung“ :-)

Ein GPX-Track ist schnell zusammengeschustert, er ist auch hier bei Hikr hinterlegt. Wer’s nachwandern will: hilfreich bei den weglosen Passagen sind Handschuhe und ggf. Wanderstöcke.

Als Soundtrack für Anfahrt, Rückfahrt oder zum Betrachten der Bilder hier empfehle ich das morgendlich entspannte "Morning Side Of Love" von Chico Hamliton.

Zu nachtschlafener Zeit geht es los. Schliesslich will ich idealerweise den offenen Südosthang der Hornsigrinde erreicht haben, wenn die Sonne im Osten den Horizont übersteigt. Der Wagen wird bei drei Grad minus am Parkplatz Mummelsee abgestellt. Den See lasse ich aber sprichwörtlich links liegen und hebele meine kalt-müden Knochen direkt rechts den Südhang der Hornsigrinde hoch, zunächst auf einem Stück Wirtschaftsweg, der aber bald schon zum Pfad wird. Der nächtliche Schneefall war nicht überreich, aber eine nette Stimmung hat er schon doch über Wald und Landschaft gezaubert. Weil es vor dem Schnee noch geregnet hatte, haben die Minusgrade mitunter auch zu etwas Eisguss auf die Vegetation geführt.

Der Wald tritt zurück und ich habe nun einen schönen Blick nach Süden, während der Himmel schon Helligkeit bekommt und in der Ferne ein pastellgelbes Schimmern den Sonnenaufgang ankündigt. Dann geht es noch links auf der besagten Südostnase der Hornisgrinde steiler und sehr felsig durch das weiche Licht der Morgendämmerung (also kurz vor Sonnenaufgang) in die Höhe. Allerdings steige ich hier nicht hoch bis zum Gipfelplateau, sondern zweige auf ca. 1130 m rechts auf einen Pfad ab, der nun am östlichen Hang entlang führt undFernblicke weit über die bewaldeten Höhen bietet. Und jep: mein Timing ist ziemlich gut: während ich in einem Moment noch den hellgrünen, eisüberzogenen Blattaustrieb von Vogelbeersträuchern bewundere,übersteigt im nächsten Moment hinten im Osten endgültig die Sonne die Höhenlinien des Schwarzwalds. Direkt davor liegt die Kuppe der Obergrind, die nun das erstes Etappenziel sein wird. Gutgelaunt, jetzt auch wirklich wach, geht es hinunter zum Sattel Kieneck zwischen den Grinden.

Weil ich neugierig bin und das Morgenlicht so super ist, beschliesse ich hier, erstmal links ein Stück des Wegs zu gehen, der in den Biberkessel hinunterführt. Nur ca. 300 m auf einem wiederum herrlich felsigen Pfad reichen um ein paar schöne Blicke in das Kar zu erhaschen, man sieht auch den SWR-Funkturm und das Windrad, die oben auf der Hornisgrinde stehen. Später komme ich bei dieser Rundwanderung erneut auf diesem Pfad hoch. Nun aber wieder zurück zum Kieneck-Sattel und dann östlich hinauf auf den Rücken der Obergrind. Hier werde ich von der schnee-verzuckerten Vegetation recht dicht bedrängt, der Pfad scheint nicht mehr oft begangen geschweige denn unterhalten zu werden. Heidelbeersträucher und Latschenkiefern dominieren hier, dazwischen auch viel Vogelbeere, Birken, Fichten und Unmengen wind- wie schneegebrochenes Totholz. Der Pfad ist nicht sehr steil und bald schon bin ich am höchsten Punkt der Obergind auf 1091 Meter NN. Hier steht auch ein alter Grenzstein aus Zeiten des Großherzogtums Badens und des Königreichs Württemberg. Um mich herum eine wilde und frisch verschneite Szenerie, die von den vielen umgeworfenen und abgebrochenen Bäumen geprägt wird. Stellenweise ist es hier auch etwas moorig, das ist ja auch auf so einigen anderen „Grinden-Bergen“ im Norschwarzwald der Fall.

Wie im Intro angerissen, habe ich mir für die Route einen weglosen Unterholz-Abstecher zum Nordhang der Obergrind vorgenommen. Leider liegt hier jede Menge morsches, von den Heidelbeeren verdecktes Totholz herum und so muss ich mich da mit ziemlicher Akrobatik  durchbalancieren. Die Obergrind scheint schon länger nicht mehr beforstet zu werden, soviel ist klar … aaaber dafür werde ich dann auch mit dem erhofften Fernblick belohnt: rüber zum Plateau der Hornisgrinde, runter in das Bibertal, und zu den bewaldeten Höhen im Norden und Osten. Nur ist das Durchkommen durch und über die Vegetation halt echt eine Wurschtelei, erst recht, als ich den Nordhang aus Perspektiv-Neugier heraus noch etwas hinuntersteige. Direkt gegenüber nördlich liegt btw. der Hundsrücken (1080 m), auf dem wir noch im Januar waren. Seine Höhe und die Stimmung auf ihm sind sehr ähnlich zur Obergrind.

Ich wurschtele mich zurück zum Pfad und gehe auf ihm östlich weiter. Es folgt eine kleine Neugierde-Schleife am Obergrind-Südhang, die erst südwestlich, dann östlich bis rüber zu einem Aussichtspunkt des hier entlanglaufenden Seensteigs geht. Von da wieder hoch zur (eben schon passierten) Wegkreuzung weiter oben auf der Obergrind-Ostnase. Dort rechts und runter auf den Pfad am Nordosthang. Hier hängen so einige Fels-Trümmer aus Buntsandstein im Wald. Ein besonders großer (etwas links ab vom Pfad) hat einen beträchtlichen Überhang unter dem sich eine höhlenartige Nische befindet. Sozusagen ein Unterstand mit geschätzt 40 Tonnen Fels darüber. Ich staune nicht schlecht, als ich hier sowohl eine Feuerstelle als auch ein Felsenbuch finde, samt einer gefüllten Flasche Rotwein daneben. Ich lese im Buch, dass ich hier am „Rotweinfelsen“ bin! Man solle doch gerne den Rotwein bechern, dann aber idealerweise auch ein neue Flasche da lassen. Sympathisches Konzept!

Von hier aus geht es zunächst noch weiter auf dem Pfad bergab, unten über den Wegpunkt Balzgänger dann über Forstweg-Zickzack in einem Gewann mit dem schönen Namen "Unterer Tanzplatz" zum nächsten Etappenziel: zwei namenlosen Wasserläufen, die laut Topo-Karte durch kleine Dobel den Hang herabkommen. Das könnte doch interessant werden. Ich erreiche den Ersten, aber er ist leider trockengefallen. Ein Resultat des regenarmen Frühjahrs? Immerhin kann ich so direkt im Bachbett und darin über die Felsbrocken sowie die querliegenden Baumstämme kraxeln und die kleine Wildnis ganz gut erkunden. Nach dieser Gelenkübung dann wieder zurück und auf dem Forstweg kurz westlich weiter. Schon bin ich bei der zweiten Mini-Schlucht. Hier plätschert zum Glück tatsächlich ein munteres Bächle herab. Rechts an ihm entlang schlage mich hier ebenfalls ca 100 Meter durch die Bäume. Es gibt eine kleine Fallstufe zu entdecken und vom Wasser flachgeschliffene Sandsteinfelsen. Zwei Bachtobel, zwei schöne wilde Orte.

Ein erneutes Forstweg-Zickzack führt mich wieder etwas in die Höhe und weiter westlich überquere ich nun auch den Bachlauf der Biberach, die dem nahen Biberkessel entspringt. Noch weiter oben treffe ich sie erneut und begleite sie bis zur Biberkessel-Schutzhütte. Hier müsste ich eigentlich links, aber die Neugierde treibt mich noch auf dem Weg geradeaus ein Stück in den Biberkessel hinein. Strengenommen in den „Großen Biberkessel“ (direkt nördlich folgt noch der Kleine). Ich stehe hier in einem wirklich beeindruckenden Kesselrund: die Karwand entspricht sozusagen der Ostflanke der Hornisgrinde, sie ist 150 bis 160 Meter hoch, teilweise sicherlich sechzig/siebzig Grad steil, in ihr hängen auch interessante felsige Partien. Zu erkennen sind weiterhin einige Lawinenschneisen, die von den abgehenden Wächten geschlagen werden, welche sich winters oben an der Ostkante des Hochplateaus der Hornisgrinde bilden. Früher dürfte die Wand noch baumfreier gewesen sein, sichtbar z.B. auf diesem antiquarische Fundstück. Aber die schneearmen Winter der letzten Jahrzehnte zeigen leider ihre Wirkung und die Vegetation wuchert vieles zu. Nichtsdestotrotz zählt die Grinde aber noch immer (zusammen mit dem Allgäu) zu den niederschlagsreichsten Orten Deutschlands.

(Ironie der Tourenplanung: auf diesem Bild aus 2019 entdecke ich gerade noch eine Windwurf-Lichtung auf der Obergrind, wo man den aller-perfektesten Biberkessel-Blick haben müsste … Mist, hätt ich mir mal meine alten Bilder angeschaut. Aber: ich will ja eh nochmal in den Kessel ...)

Nun also wieder zurück und dann im Zickzack steil hoch durch diesüdlichen Kurve des Kar-Runds. Ein herrlich geführter Felspfad mit fast alpinen Qualitäten führt mich hier nach oben (im oberen letzten Stück dieser Passage war ich ja frühmorgens schon). Ich erreiche erneut den Sattel Kieneck zwischen den Grinden und laufe ab hier deckungsgleich zum Hinweg wieder zurück zum Startpunkt meiner Rundwanderung.

Nicht ohne allerdings voher noch rechts einen Abstecher zum Moor auf dem Hochplateu der Hornisgrinde, vorbei am Wegpunkt Dreifürstenstein, zu machen. Inzwischen ist der Vormittag vorangeschritten und die kräftige Mai-Sonne hat den Schnee tatsächlich fast überall weggeleckt. Ich gehe noch ein Stück auf dem Bohlenweg duchs Moor und nehme den Blick rüber zum SWR-Fernsehturm mit. Dann drehe ich um, um das letzte Stück Rückweg zu machen. Leider habe ich in dem Moment ganz vercheckt noch bis zu dem Aussichtspunkt vorzulaufen, an dem man einen schönen Tiefblick runter in den Biberkessel hätte, um dort sozusagen noch ein Gegenschuss-Foto zu machen. Darum an dieser Stelle nochmal der Hinweis zu den oben verlinkten Kessel-Bildern und auf meine *vorjährige Eisheiligen-Neuschnee-Runde.

Der Rückweg zum Auto bringt mich dann wie der Hinweg über den schönen Fels-Pfad entlang von Südostnase und Südseite der Hornisgrinde hinunter zum Parkplatz am Mummelsee.

Fazit: wie schön, dass die Eisheiligen immer noch regelmässig ihre Pflicht erfüllen. Das Beieinander von frischgrüner Frühlings-Vegetation und frischweißem Schnee hat schon was. Ausserdem merke ich immer mehr, wieviel Spaß ich am Planen von Touren habe, die ich mithilfe von Satellitenbild und Topokarte zusammenzimmere und die mich zu (womöglich) interessanten Erkundungs-Orten auch mal abseits der markierten Wanderwege führen.

Tourengänger: Schubi


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Kommentare (4)


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alpstein hat gesagt:
Gesendet am 14. Mai 2020 um 18:47
Hallo Frank,

seit Du vom Nordschwarzwald berichtest, sehe ich den mit ganz anderen Augen. Du setzt ihn mit den Fotos auch wirklich gut in Szene.

Danke auch für Deine Mühe mit den umfänglichen Erläuterungen und Bildbeschreibungen.

Beste Grüße
Hanspeter

Schubi hat gesagt: RE:
Gesendet am 14. Mai 2020 um 18:56
Guten Abend Hanspeter.

Merci für dein schönes Lob!
Naja, die durchwachsenen Ecken im Nordschwarzwald muss man manchmal bissel abseits der Forststraßen suchen. Aber es gibt noch genug zu tun :-)
Jo, eigentlich nehm ich mir jedemal vor, nicht mehr arg so viel zu texten. Aber irgendwie will ich's dann doch wieder zu einer runden Sache machen.

Schönen Gruß, Frank

Nyn hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. Juni 2020 um 13:24
Tolle Bilder, Frank!
Das Lesen des kompletten Textes spare ich mir für ein verregnetes Wochenende auf :D

Schubi hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. Juni 2020 um 18:53
Danke dir, Markus! Jo, mach das ;o)


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