Mürtschenstock mit Biwak


Publiziert von Bergamotte , 11. September 2016 um 15:12.

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum: 7 September 2016
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GL   Schilt-Mürtschengruppe 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2650 m
Abstieg: 2650 m
Strecke:28.5km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:PW bis Hüttenberge (P. 1035)
Kartennummer:1154 Spitzmeilen

Ich hab nun schon einige Gipfelbiwaks erlebt, allesamt eindrücklich und wiederholenswert. Doch die Übernachtung auf dem Härdöpfelacher auf der Nordseite des Fulens übertrifft alles bisher Erlebte. Man verbringt eine Nacht auf 2400müM inmitten der wilden Felsformationen am Mürtschenstock. Gleichzeitig ist der aussichtsreiche Biwakplatz äusserst grosszügig und verfügt gar über einen weich gepolsterten Schlafplatz. Wer mag, besucht am nächsten Tag noch den Ruchen-Gipfel, sei's direkt über die brüchige Gchasseten-Route oder - etwas umständlich - über die Normalroute von Westen, wobei man in diesem Fall den Mürtschenstock komplett umrundet.

Um 13:00 laufe ich vom kleinen Parkplatz auf den Hüttenbergen (1018m) los. Es ist drückend heiss und der Rucksack wiegt schwer. So bin ich dankbar um die zahlreichen Waldpartien im Aufstieg zum Meerenboden. Allerspätestens hier werden einem die Ausmasse des Mürtschenstocks bewusst. Robmen (1741m), der Übergang zur Mürtschenalp, ist dann schnell erreicht. Für den Aufstieg Richtung Nachtlager ist es mir noch zu früh. Also deponiere ich den Rucksack für einen kurzen Abstecher zum Alpbigligenstöckli (1958m). Der Gipfel selber ist unscheinbar, von Westen sowieso. Er bietet aber einen der schönsten Blick auf den Mürtschenstock und wird im Winter im Rahmen der bekannten Schilt-Abfahrt nach Mühlehorn ("Fünflibertour") überschritten.

Zurück auf Robmen lasse ich einen Liter Wasser für den nächsten Tag zurück und steige über schwache Wegspuren nach Ober Bigaas auf. Hier, im riesigen Geröllkessel, befindet man sich definitiv im Banne des Mürtschenstocks. Unschwierig, aber etwas mühsam (T4), gewinnt man den nächsthöheren Kessel, Gchasseten. Interessiert studiere ich die wenig begangene Route zum Ruchen: Die sieht erstaunlich gut machbar aus, da werde ich zweifellos wiederkommen. Für morgen lauten meine Pläne allerdings anders.

Aber zurück zum Fulen: Am oberen Ende von Gchasseten folgt man Wegspuren und Steinmannli nach Norden. Ab hier ist ein Helm nicht verkehrt, gerade am Wochenende, wenn andere Berggänger unterwegs sind. Verschiedentlich hab ich von grösseren Schwierigkeiten bei der Routenfindung gelesen. Auch wenn das Gelände in diesem Bereich nicht gerade übersichtlich ist, kann ich das nicht vollauf bestätigen. Mit genug Aufmerksamkeit und Geduld wird man durch Trittspuren und Steinmannli (zugegeben, recht grosszügige Abstände) in die Scharte zwischen Ruchen und Fulen geführt. Das Gipfelriff liegt nun bereits zum Greifen nah und man folgt bis dorthin am besten dem Grat. Den länglichen Aufschwung kann man an verschiedener Stelle gewinnen, ich mach's ganz im Süden, meist hält man sich weiter nördlich. 

Bei meiner Ankunft auf dem Fulen (2410m) - mit Kreuz und Buch - dominiert für einmal nicht die Freude über den Gipfelerfolg, sondern den wunderbaren Biwakplatz. Direkt auf der Nordseite des Gipfelriffs liegt der Härdöpfelacher, ein grosszügiges Plateau inmitten des wilden Mürtschenstock-Massivs. Man erreicht es am einfachsten direkt über die Verlängerung des Gipfelgrats. Alternativ kann man zurück in die Ostflanke absteigen und erst dann nach Norden traversieren. Auf einem kleinen Flecken Gras installiere ich mein Nachtlager. Um die weiche Unterlage werde ich diese Nacht noch speziell froh sein, denn mein Mätteli muss auf der letzten Tour einen spitzigen Stein erwischt haben... Auf einer grasigen Kuppe gegenüber vom Stock-Gipfel geniesse ich mein Abendessen und den Sonnenuntergang. Übrigens, die Aussicht nach Osten und Westen, das A und O für alle Gipfelbiwakierer, ist hier oben gänzlich unverstellt. Anschliessend verziehe ich bald mich Richtung Schlafsack, denn um diese Jahreszeit auf dieser Höhe wird es rasch empfindlich kalt.

Das fortgeschrittene Jahr hat aber auch Vorteile, namentlich einen deutlich späteren Sonnenaufgang als anfangs Sommer. Diesen geniesse ich - gemeinsam mit dem Frühstück - direkt auf dem kleinen Felsvorsatz hinter meinem Nachtlager. Es windet kaum und die Sonne mag die nächtliche Kälte innert Kürze vertreiben. Auf dem Rückweg runter nach Robmen (1750m) studiere ich nochmals die Gchasseten-Route zum Ruchen, folge aber schlussendlich meinem ursprünglichen Plan. Kurz unterhalb vom Pässchen passiere ich eine Viehtränke. Nun, hätte ich das gewusst, wär mir gestern viel Wasserschlepperei erspart geblieben. Item. Die Querung zur Mürtschenfurggel (1840m) rüber zieht sich und beinhaltet auch einen kurzen Anstieg von 100Hm. Auf der anderen Seite verbleibe ich zunächst auf dem Wanderweg, welchen ich erst auf ca. 1740m Richtung Westrinne verlasse. Eine frühere Traverse macht aufgrund des mühsamen Geröllgeländes wenig Sinn. 

Unter einem Felsklotz inmitten der riesigen Geröllhalde deponiere ich den Rucksack und nehme nur etwas Wasser und Zucker mit. Da ich bereits recht hoch starten konnte, ist die Westrinne zügig erreicht. Diese bietet anstrengende, aber genussreiche Kraxlerei der gehobenen Sorte. Im Gegensatz zu anderen Hikrn erachte ich keine Linie als zwingend. Man richte sich hier nach den eigenen Vorlieben und wähle den gewünschten Cocktail aus Schutt, Schrofen, Steilgras und Fels. Die anzupeilende Scharte im Südgrat erkennt man bereits von weit unten, die Orientierung deshalb einfach. Vorsicht, die Steinschlaggefahr in der Rinne ist beträchtlich, vor allem wenn andere Berggänger zugegen sind.

Unterhalb der Scharte treffe ich auf die zwei Sektionen Drahtseil. Der untere Teil erscheint mir eher überflüssig, oben bei einer plattigen Felsstelle greife ich aber gerne darauf zurück. Ab Scharte führen Wegspuren geschickt durch die grasige Ostflanke, entfernen sich aber nie weit vom Grat. Einzelne Steinmannli helfen zusätzlich bei der Orientierung. Bei trockenen Verhältnissen erachte ich das für einen erfahrenen Alpinwanderer als äusserst genussvolle Route. Bereits weit oben führen die Wegspuren zurück zum Grat (mit Steinmann). Man weicht nun ca. fünf Minuten in die zuerst felsige, dann schrofige Westflanke aus und gewinnt den Grat etwa beim Vereinigungspunkt von Süd- und Ostgrat. Ab hier in drei Minuten unschwierig über den felsigen Hauptgrat zum Ruchen (2441m). Im Buch entdecke ich einen Eintrag von Mueri und stockloch, welche diesen August den Ostgrat mit dem Abstieg nach Gchasseten kombiniert haben. Den Mürtschenstock besteigt man des Mürtschenstocks wegen. Aber natürlich lohnt auch das Panorama hier oben. Wobei heute die Hochalpen, sprich die ganze Südseite, in einer grauen Wolkendecke stecken.

"Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen", sagt der Volksmund. Der Bergsteiger weiss es besser; vor allem wenn er auf dem Ruchen steht und via Talalpsee zurück in die Hüttenberge will... Ich erspar Euch die Details meines Abstiegs über Westrinne und Geröllhalde. Nur so viel: Ist diese Plackerei endlich geschafft, verbleiben nochmals x-Kilometer Wanderweg runter zum Spannegg- und weiter zum Talalpsee. Dort, in der gleichnamigen Alpbeiz, gibt's einen Zwischenhalt mit Fridolin Kundert und Wurst-Käse-Salat - da ist die Welt wieder in Ordnung. Zum Schluss in gut zwanzig Minuten zurück auf die Ostseite des Mürtschenstocks in die Hüttenberge (1018m).


Zeiten
1:50  Alpbigligenstöckli
2:10  Fulen
1:00  Robmen
2:05  Ruchen
2:25  Hüttenberge

Tourengänger: Bergamotte


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Kommentare (9)


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Mueri hat gesagt:
Gesendet am 11. September 2016 um 18:02
Hoi Bergamotte

Das nehme ich dir schon fast etwas böse, dass du mir in diesem Projekt zuvorgekommen bist - träume ich doch schon lange von einer Nacht im Biwak auf dem Härdöpfelacher;-)

Tolle Aufnahmen, die mein Vorhaben nun noch etwas mehr pushen!

Bergamotte hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. September 2016 um 09:37
Du musst das unbedingt mal nachholen, als Mürtschen-Experte sowieso.

Was hast du sonst noch so für Projekte dieses Jahr?

Beste Grüsse

Flylu hat gesagt: Beneidenswert ......
Gesendet am 11. September 2016 um 19:37
.... dieser genialer Biwakplatz!!

Gratuliere dir zu diesem schönen Unternehmen und Tour

Voralpenschnüffler hat gesagt: RE:Beneidenswert ......
Gesendet am 11. September 2016 um 19:46
... genial auch, dass man nichts zu essen mitnehmen muss, einfach im Härdöpfelacher stechen:-)! Dafür muss man das Wasser weit hoch schleppen... Fand's aber vor rund 10 und 7 Jahren (s. http://www.hikr.org/tour/post16332.html) auch genial!

Flylu hat gesagt: RE:Beneidenswert ......
Gesendet am 11. September 2016 um 20:08
... das ist ja super, dann kann man ja noch Folienhärdöpfel mit Sauerrahm machen ;-))

Dieser Härdöpfelacher reizt mich schon auch als Biwakplatz, werde deine Berichte auch noch lesen, vielen Dank.

Gruss, Lucia

Bergamotte hat gesagt: RE:Beneidenswert ......
Gesendet am 12. September 2016 um 09:29
Ja, ein Biwakplatz mit Wiederholungspotenzial. Leider etwas viele Höhenmeter, um meine Partnerin mit hoch zu schleppen... Hatte deinen Berich vorgängig natürlich gelesen.

Delta Pro hat gesagt:
Gesendet am 12. September 2016 um 07:39
Sehr schön!
Ist der Begriff "Härdöpfelacher" eigentlich auf diese Bildunterschrift zurückzuführen, oder kommt sie aus parallelen Quellen? Passend auf jeden Fall.
Gruss Delta

Bergamotte hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. September 2016 um 09:33
Es scheint sich um einen eingebürgerten Begriff zu handeln, da er auch im vorletzten Clubführer verwendet wird.

tricky hat gesagt: Supi und gratuliere
Gesendet am 12. September 2016 um 13:05
Sehr schön, werde ich mir wohl auch mal anschauen gehen :-)


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