Hochhus Südgrat oder "Vom Hochhus ohne Lift ins Spital"


Publiziert von Alpin_Rise , 21. Mai 2011 um 15:20.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:20 Mai 2011
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: V (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-AI   CH-SG   Alpstein 
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 200 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Stauberen Talstation, cff logo Frümsen
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Bergstation
Unterkunftmöglichkeiten:Stauberen

Das Hochhus ist ein berüchtigter Berg. Letztes Jahr stürzte in der steilen, legföhrendurchwachsenen Südflanke ein hoffnungsvoller Mithikr ab, der oft im unwegsamen Steilgelände des Rheintals unterwegs war...  Nachdem Munggaloch letztes Wochenende vergebens den Einstieg in die Kletterroute in der Südwand gesucht hatte, fragte ich trotz seinem Zitat "Von meiner Projekt-Liste ist das Hochhus gestrichen" an, ob er nochmals für einen Versuch zu haben wäre: gefragt, geplant, getan!

Meine zweite Hochhus-Begehung zusammen mit Munggaloch endete beinahe in einem üblen Fiasko. Nur dank viel Glück im Unglück schreibe ich jetzt mit einem etwas ramponierten Bein den Tourenbericht über unsere Begehung der Süd(west)kante am Hochhus.

Hochhus again oder meine erste Bergtour, die im Spital endete

Der Bericht von Munggaloch, vielen Dank für die Unterstützung und den "Lift" ins Spital!

Frohen Mutes starten wir bei der Talstation der Stauberenbahn und buckeln die Kletterausrüstung via der idyllischen Alp Alpeel und über steile Schrofenhänge - ohne grosse Legföhrenpassagen - an den Einstieg, welchen wir nach gemütlichen zweieinhalb Stunden erreichen, ca. T5, einfachste Linie erfordert etwas Gespür. Eistieg mit einer ausgeblichenen Bandschlinge markiert auf einem Band etwa 40m rechts bzw. nördöstlich der Kante.

1. Sl 3+ von der Bandschlinge über wasserzerfressenen, etwas gemüsigen Fels zum ersten BH, leicht weiter zum zweiten und längere Linksquerung auf dem einfachen Band.
2. Sl 4+ ziemlich steil an schönem Fels links haltend zur Kante, dieser folgend bis zum Stand auf einem Absatz. Für mich die anspruchsvollste Sl der Route, eher 5- oder 5.
3. Sl 4+ zuerst in fantasievollen Zügen links der Kante zum ersten BH, dann in einfachem Gelände bis sich die Kante wieder aufsteilt. Nun in optisch gutem - leider nicht überall solidem, siehe Text unten - Fels zum Stand.
4. Sl 4+ hier hält sich die Route etwas rechts der Kante in plattigem Gelände, am Schluss wieder auf die Kante hinauf.
5. Sl 5 spannend einem Pfeiler folgend, diesen bald rechts verlassend und in leichterem Gelände zum Stand.
6. Sl 4 etwas inhomogen an der einen oder anderen Legföhre vorbei, dazwischen immer wieder schöne Kletterstellen im typischen, rauen Schrattenkalk. Dort wo die Kante abflacht, Stand (gut 50 m!)

Alle Längen im Vorstieg. Mit den Bewertungen bin ich grosso modo einverstanden, obwohl mich die Schlüsselseillänge z.b. nicht schwieriger als die zweite dünkte.

Nun in netter Kraxelei, den Legföhren manchmal ausgesetzt nach Norden ausweichend zum Gipfel, erstaunlich wenig Kampf mit den grünen Biestern, dank gezielt abgeschnittenen Ästen, T5.

Vom Gipfel bzw. unmittelbar nördlich darunter seilt man an solid sanierten Abseilstellen in 1 x 25m, 1x20m und 1x 15m (oder 1x 40m und 1x 15m) bis zum Hochhusfuss unmittelbar über dem Wanderweg Stauberen - Saxer Lücke ab. Von dort am bequemsten in einer halben Stunde zur Stauberen Bahn zum wohlverdienten Bier oder...

... humpelnd ab ins Spital Grabs, aus dem Bier wurde leider nix. In der 3. Seillänge passiert's: eine solid wirkende, leider nur schlecht verwachsene, kühlschrankgrosse Platte löste sich bei Belastung unvermittelt und verabschiedet sich Richtung Rheintal, mit einem kurzen Umweg an meinem Bein vorbei... Erst der Schreck, dann ein kurzer Check: Seil wie durch ein Wunder unversehrt, Sicherungsmann unverletzt ausserhalb der Falllinie, Kopf, Hände, Oberkörper ganz, nur die Hosenbeine sind ziemlich zerfetzt und einiges an Blut an Fels und Hosenrest... und ein auf den ersten Blick ziemlich übel aussehendes, etwa 10 cm grosses Loch in der Wade, die Haut hängt herunter. Optionen: herunterklettern zum letzten Stand oder hoch zum nächsten, sicherer ist hoch zum nächsten. Also über die Ausbruchsstelle, zum Stand, Munggaloch nachgesichert. Jetzt die Entscheidung: ausfliegen oder per Pedes über den Gipfel in die Stauberen? Ich beschliesse nach einer ersten notdürftigen Verarztung die Klettervariante auf den Gipfel zu probieren; das Bein funktioniert noch und die Wunde blutet nicht mehr stark. Zügig klettern wir gen Gipfel, durch die Legföhren zum Steinmann und seilen nach einer kurzen Konsultation des Gipfelbuches - ein trauriges Lesen - die drei Längen ab zum Stauberenweg.
Zum Glück fährt auf Stauberen gleich eine Bahn runter, zweieinhalb Stunden nach dem Unfall liege ich auf einem Schragen im Notfall Spital Grabs, Anamnese - aha, Hochhus, ist da nicht letztes Jahr jemand abgestürzt? In dem Moment bin ich erstmals richtig froh, dass ich mir keine weiteren Blessuren oder Schlimmeres zugezogen habe...  Eine halbe Stunde später kümmert sich ein Assistenzarzt um mich, er zieht kurz den Oberarzt zum Rate -  gut Glück sei der Muskel praktisch nicht betroffen.  Der nette, erst etwas ratlose Assistenzarzt macht sich zu Werke und eine gute halbe Stunde später ist die ziemlich zerfetzte Haut mit 6 Stichen wieder annähernd dort, wo sie in etwa war und man hofft nun auf gute Heilung...

EDIT: erst nach einem guten Monat war die Wunde den Verhältnissen entsprechend sauber verheilt und  kleine Bergausflüge wieder schmerzlos möglich, nach drei Monaten ist abgesehen von einer gröberen Narbe nichts Weiteres zu befürchten - wieder voll auf Touren! Nach etwa einem Jahr kehrt auch die Sensibilität in der Narbe teilweise zurück und abgesehen davon ist von den Unfallfolgen nichts mehr zu spüren - Glück gehabt!
Zur Bewertung: ein ZSCH war das schon...


Fazit: der Südgrat bzw. die Südwestkante am Hochhus ist eine schöne, exklusive Klettertour in wilder Umgebung. Mit 1200 Hm ist der Zustieg nicht jedermanns Sache, dazu ab Alpeel weglos und mühsam. Dafür entschädigen die 6 langen, gut abgesicherten Seillängen (wir benötigten kein weiteres Sicherungsmaterial) in rauem Schrattenkalk für die Mühen - die Route ist jedoch mit einem geschätzten Dutzend Begehungen alles andere als abgeklettert bzw. ausgeräumt, eine gute Portion alpine Erfahrung und Vorsicht gehört hier dazu!

Für das Topo und die Zustiegsskizze wende man sich an den Erstbegeher longo. Die Route ist im Kletterführer Alpstein nicht aufgeführt, was ich aus Wildschutzgründen - da keine weiteren Routen in der Umgebung existieren - für gerechtfertigt halte.

Tourengänger: Alpin_Rise, MunggaLoch


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T5 V

Kommentare (16)


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xaendi hat gesagt:
Gesendet am 21. Mai 2011 um 15:42
Gute Besserung!
xaendi

alpstein hat gesagt:
Gesendet am 21. Mai 2011 um 15:44
Von mir ebenfalls gute Besserung. So schnell ist was passiert, aber doch noch Glück im Unglück gehabt.

Grüße
Hp

Henrik hat gesagt: ..oha, bitte keine weitern
Gesendet am 21. Mai 2011 um 19:35
Blessuren, der Sommer beginnt ja erst...
Blyb und wird emol xund, gäll.

Herzlich

Henrik

Tobi hat gesagt: Auch von meiner Seite...
Gesendet am 21. Mai 2011 um 20:37
...gute Besserung!

Gruss Tobi

MunggaLoch hat gesagt: Naja...
Gesendet am 21. Mai 2011 um 23:12
...au nomal guati Besserig!
A paar Föteli sind aber würkli besser als erwartet, was "Steilheita" betrifft... Mal luaga, was i mora no finda...

Bombo hat gesagt:
Gesendet am 21. Mai 2011 um 23:23
Was sind denn das wieder für News, wo ich da vernäh muess... hei gottlobseidank isch nöd meh passiert. Ich wünsche Dir en guete und rasche Gnesigsverlauf, gueti Besserig!

Gruess
Bombo

Alpin_Rise hat gesagt: Besserung!
Gesendet am 22. Mai 2011 um 15:44
Danke Jungs für die Wünsche, ich hoffe, mein Bein nimmt sich diese zu Herzen!

Bis bald wieder on the road,
Rise

kopfsalat hat gesagt:
Gesendet am 22. Mai 2011 um 18:48
da hast du ja nochmal glück gehabt.

gute besserung

gruess
dani

Ray hat gesagt:
Gesendet am 22. Mai 2011 um 19:45
Gute besserung.

Ivo66 hat gesagt: Gute Besserung
Gesendet am 22. Mai 2011 um 19:57
...auch von unserer Seite. Und an gleicher Stelle einen herzlichen Dank für Deinen guten Bericht zum Toggenburger Hundstein, der uns zu dessen Besteigung animierte und uns begeisterte. Den Gipfelerfolg widmen wir Dir.

Beste Grüsse, Ivo und Lena

Alpin_Rise hat gesagt: RE:Gute Besserung
Gesendet am 23. Mai 2011 um 11:29
Danke! Der Toggenburger Hundstein ist wirklich eine Tour wert; schöner Bericht!

Mein Projekt "alle Gipfel im Alpstein" zieht sich in die Länge, je nach Auflösung eine unendlich Aufgabe... es gäbe da noch alle Freiheittürme, alle Dreifaltikeiten, Amboss, Föhrenkante...

G, Rise

Ivo66 hat gesagt: RE:Gute Besserung
Gesendet am 23. Mai 2011 um 22:17
...die Föhrenkante kannst Du locker mal mitnehmen nach dem Bogartenfirst. Es gibt gemäss SAC-Führer aber auch Kletterrouten in wohl herrlichem Fels. Auf jeden Fall viel Spass!

Gruss Ivo

tschiin76 hat gesagt:
Gesendet am 23. Mai 2011 um 11:26
Heb Sorg und gueti Besserig!

adrian hat gesagt: Hallo Rise
Gesendet am 23. Mai 2011 um 19:51
Wünsche Dir von meiner Seite gute Besseung und dass Du bald wieder hoch kannst!
Ganz ohne Rest-Risiko wird es nie gehen, wie auch ich leider erleben musste.
Bin froh für Dich/Euch, dass es glimpflich abgelaufen ist, das hätte auch anders Enden können.
Wenn es heilen kann dann ist es ja gut und das Glück war auf Eurer Seite.
Wünsche Euch in Zukunft tolle und unfallfreie Touren!
Viele Grüsse
Adrian

Baldy und Conny hat gesagt: etwas verspätet
Gesendet am 23. Mai 2011 um 20:09
auch von uns gute Besserung
Gruss Angelo und Conny

dani_ hat gesagt:
Gesendet am 18. Juli 2011 um 23:17
Hoi Alpin_Rise,

Nach deinem Kalender zu urteilen, müsste die Verletzung nun wieder ausgeheilt sein. Das freut mich. Ich wünsch dir noch viele schöne Bergtouren.

LG dani_


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