Kreuz und quer durch das "schönste Gebirge der Welt"


Publiziert von marmotta , 2. August 2009 um 22:06.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum: 1 August 2009
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-AI   Alpstein   CH-SG 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 2200 m
Strecke:Wildhaus - Flürentobel - Alp Tesel - Alp Grueb - Gätterifirst (P. 2095) - Mutschen - Kreuzberg VIII - Roslenalp - Saxer Lucke - Bollenwees - Stiefel - Marwees - Bogartenlücke - Wasserauen
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Wildhaus, Post
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Wasserauen
Kartennummer:LK 1115 Säntis (1:25.000)

Der Alpstein - für mich seit jeher der Inbegriff von Bergheimat. Ein wunderschönes und unverwechselbares Gebirge, über dessen Charakter Ruedi Schatz in seinem Säntisführer schreibt:

...Es gibt kühnere, höhere, vielleicht schönere Berge als die unseren. Aber es gibt keinen Alpstein mehr, kein Bergland wohl, das alles besitzt, was sein Wesen ausmacht. Im Alpstein sind Mensch und Natur eine einzigartige und unauflösliche Bindung eingegangen. So schroff die Wände oft zum Himmel ziehen, stehen sie doch in grünen Wiesen, und vom Gipfel aus sieht man stets irgendwo hin in fruchtbares Menschenland. [...] Diese Berge haben sich eine fest geformte Ordnung gegeben: die Gipfel gefaltet und gegliedert nach strengem Bauplan, und wenn sie kühn sind, dann machen sie nie den Eindruck einer überwältigenden, ungeschlachteten Masse, die alles Menschliche erdrückt und zu nichts macht.[...] Ein geschlossenes Ganzes ist der Alpstein, mit eindeutigem Anfang und Ende, deutlich gegliedert in feste Linien und Täler und Ketten, im Gesamten überschaubar [...] Grauer Kalk, weite Alpweiden, Tannenwälder, Seen, die Sprache und Lieder der Appenzeller, ihr scharfer und doch freundlicher Humor, die Ordnung der Natur und die Sauberkeit der Menschen und Häuser und vieles mehr, das alles bildet ein Ganzes, und nur der, der dieses Ganze kennt und liebt, weiss, was im Wort Bergheimat für Schätze liegen. 
Mögen recht viele, die in unsern Bergen wandern und klettern, diese Schätze heben und sich von ihnen beglücken lassen. Das wird allen jenen gelingen, die ihn wirklich lieb haben, unseren Alpstein."


So wollte ich also heute einen weiteren verborgenen Schatz dieses wunderschönen Gebirges heben, in dessen Schönheit ich mich bereits vor über 30 Jahren verliebt habe, als mich meine Eltern auf die ersten Touren in den Alpstein mitnahmen, der für mich inzwischen längst zur zweiten Heimat geworden ist. Zusammen mit meinem Bergkamerad Berglurch wollte ich eintauchen in die Welt der ausgesetzten und zerklüfteten Kalkgipfel und -grate der südlichsten Alpsteinkette, abseits markierter und bevölkerter Wanderwege...
 
Wildhaus - Alp Tesel - Mutschensattel (T2)

Start in Wildhaus um 7.35 Uhr bei fast wolkenlosem Himmel und (noch) angenehmen Temperaturen. Da sich Berglurch einen straffen Zeitplan auferlegt hatte, legte er gleich ein forsches Tempo vor, so dass ich bereits vor der Alp Grueb (1752 m) "abreissen" lassen musste. Auf dem für einmal trockenen Bergweg ging es an einigen aufgeschreckten Murmeltieren und anderen Vierbeinern vorbei Richtung Mutschensattel. Kurz unterhalb des Mutschensattels querten wir den steilen Rasenhang hinüber zum Kamm zwischen Mutschen und Gätterifirst, unserem ersten Tagesziel. 1h 45 min ab Wildhaus.

Gätterifirst Ostgipfel, P. 2095 (T5+, I)

Von der leichten Einsattlung (P. 2048) auf dem Kamm zwischen Mutschen und Gätterifirst zieht sich ein scharfer, teilweise grasdurchsetzter Felsgrat hinüber zum Hauptgipfel des Gätterifirsts. Einen ersten grasigen Kopf umgeht man am besten auf der Nordseite, dann hinauf auf den Vor - bzw. Ostgipfel, entlang der gutgriffigen und festen Felskante - immer rechtshaltend. Bereits dieser Abschnitt des Gätterifirst-Grats ist ziemlich ausgesetzt und absolut nichts für schwache Nerven. Was sich einem aber präsentiert, wenn man den Vorgipfel (2095 m) erst einmal erreicht hat, ist an Ausgesetztheit kaum mehr zu überbieten. Messerscharf zieht sich der Gipfelgrat nun von einer Scharte, die man über Steilgras auf der Nordseite unschwierig erreicht, zum Hauptgipfel (2099 m) hinauf. Nachdem der vorauseilende Berglurch - durch einen 5-m-Sturz in die Scharte vor dem eigentlichen Gipfelgrat stark verunsichert- nach wenigen Metern wieder zurückgekrebst kam, verzichtete ich auf einen Versuch. Die Kletterei (II+) entlang der Schneide (der Fels ist hier durchwegs sehr gut) zum Hauptgipfel hätte ich wohl bewältigen können, aber man muss ja auch irgendwie wieder runterkommen (Sich vom Heli abholen lassen ist wohl nicht wirklich eine Alternative). Da wir keinerlei Sicherungsmaterial dabeihatten, schied auch ein Abseilen an den vorhandenen Sicherungsstangen aus. Und ungesichert Abklettern bei dieser Ausgesetztheit mit gewaltigen Tiefblicken rechts und links der Bergschuhe - No thanks!

Also kletterten wir vom Vorgipfel wieder entlang der Kante hinunter - auch hier fühlte ich mich nicht besonders wohl, was nicht nur daran lag, dass ich meine (schützende) lange Hose noch im unten deponierten Rucksack hatte und darauf bedacht war, ja nicht mit den Beinen am Fels entlang zu schrammen... Schade, hat es nicht geklappt mit einem Gipfelerfolg am Gätterifirst - haben doch gerade mal 4 (!) Höhenmeter gefehlt. Oder gilt der Ost"gipfel" des Gätterifirst -auch ohne Gipfelkreuz oder -steinmann per Definition ebenfalls als Gipfel?? Ja nun, eigentlich ist´s auch egal, der Weg ist schliesslich das Ziel, und der war auch bis hierhin sehr eindrücklich!

 P. 2048 - Mutschen (T3)

Über den teilweise leicht ausgesetzten Kamm (hier ist übrigens auch der Ausstieg aus dem Mutschen-Südanstieg, eine -vor allem im Spätherbst, wenn man über die wärmende Sonne in der Südflanke froh ist- überaus lohnende Variante) ohne Schwierigkeiten zum Gipfel des Mutschen (2121 m) mit Gipfelkreuz und Gipfelbuch. Abstieg weglos nach Nordosten über steilen Rasen bzw. einer kleinen Geröllrinne in den Rasensattel zwischen Mutschen und Kreuzberge.

VIII. Kreuzberg (T5, I-II)

Vom Rasensattel Abstieg auf der Südseite (Rheintal) über Steilgras (T4) zum Beginn einer Felsschlucht, die über 2 kaminartige Absätze zum Sattel zwischen K VIII und K VII führt. Von dort nach rechts über ein Felsband und durch einen weiteren Kamin (Stelle II) auf den Gipfel (Gipfelbuch). Die Kletterei ist sehr leicht und nirgends ausgesetzt, daher ist der achte Kreuzberg auch weniger Geübten zu empfehlen. Die grösste Gefahr stellt das lose Gestein und Geröll in der Felsschlucht dar, es empfiehlt sich das Tragen eines Helms und bei mehreren Personen ein zeitversetzter Auf- und Abstieg, da das Lostreten von Steinen kaum vermeidbar ist. 

Berglurch wollte unbedingt seine Pendenzenliste weiter abarbeiten und nahm anschliessend vom zuvor erwähnten Sattel noch den Kreuzberg Nr. VII in Angriff. Dieser ist etwas schwieriger (II+) als der achte und an einer Stelle auch ziemlich ausgesetzt. 

Abstieg jeweils auf der Aufstiegsroute.

Roslenalp - Saxer Lucke - Bollenwees - Bogartenlücke (T2)

Einfache, doch landschaftlich reizvolle Bergwanderung mit tollen Ausblicken auf die Nordwände der Kreuzberge und ins Rheintal. Eine genaue Beschreibung dieser markierten Route erübrigt sich, handelt es sich doch um eine veritable Wanderautobahn, auf der man -insbesondere an Wochenenden und bei schönem Wetter- kaum alleine ist.

Bogartenlücke - Marwees (T3+)

Nach schweisstreibendem Aufstieg von der Sämtiser Ebene zur Bogartenlücke (an heissen Sommertagen nicht zu empfehlen, knallt die Sonne doch zur Mittagszeit unbarmherzig in diesen steilen Südhang hinein) trennten sich unsere Wege. Während Berglurch, der in Wasserauen das Appenzellerbähnli um 15.19 Uhr erwischen wollte, nach einem Abstecher auf den westlichen Dreifaltigkeitsturm und das Bogartenmannli den direkten Abstieg von der Bogartenlücke wählte, stattete ich der Marwees (1991 m) noch einen Besuch ab. Die weiss-blau-weisse Markierung scheint mit etwas übertrieben, wenngleich der Weg einige ausgewaschene und felsige Stellen aufweist, die bei Nässe bzw. bei Altschnee im Frühjahr nicht unterschätzt werden dürfen. Bei trockener Witterung ist aber sowohl der Aufstieg als auch die Überquerung des grasigen Kamms zum Gipfelkreuz bei P. 1991 völlig unproblematisch, die Hände werden höchstens zum Abstützen ein-, zweimal benötigt. Seltsamerweise befindet sich das Gipfelkreuz nicht auf dem höchsten Punkt des Bergkamms. Dieser befindet sich mit 2056 m ein ganzes Stück weiter westlich und wird vom markierten Weg Richtung Widderalpsattel nicht berührt. Der Gipfel ist jedoch unschwierig über steiles Gras erreichbar. Ich wanderte noch ein Stück entlang der Gratkante mit herrlichen Ausblicken zur nördlichen Alpsteinkette mit dem Säntis sowie Tiefblicken zum Seealpsee bis zu P. 1993, bevor ich umkehrte und auf dem Aufstiegsweg zurück zur Bogartenlücke stieg. Die Hitze setzte mir nun doch ziemlich zu und ich war froh, als ich kurz vor 16.00 Uhr den Bahnhof in Wasserauen erreicht hatte. Auf dem letzten Abschnitt von den Chli Hütten nach Wasserauen war dann fast so viel Betrieb wie auf der Marktstätte in Konstanz an einem Samstagnachmittag. Welch Gegensatz zu den einsamen Momenten am Gätterifirst und den Kreuzbergen! 

Tour mit Berglurch. Danke für die tolle Tourenidee! 


Tourengänger: marmotta
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Kommentare (6)


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Berglurch hat gesagt: Schön...
Gesendet am 2. August 2009 um 23:59
... war die Tour, ist Dein Bericht und Deine Fotos gelungen. Respekt!
Danke! War ein super Tag.
Und: Gute Farbe hat man auch noch bekommen....

Bolivar hat gesagt:
Gesendet am 3. August 2009 um 10:26
Einfach nur herrlich Eurer Tour und Bilder! Super!

Berglurch hat gesagt: Also da hat sich marmotta...
Gesendet am 3. August 2009 um 13:44
... wirklich selbst übertroffen mit dem Bericht!

marmotta hat gesagt: Dankbarkeit
Gesendet am 3. August 2009 um 14:07
Danke für die Blumen! Jedoch gebührt ein Teil des Lobes dem Organisator, Anstifter und Pacemaker Berglurch - und vor allem aber dem Schöpfer dieses einmaligen Stücks Natur, in der wir lustwandeln dürfen und die solche Berichte überhaupt erst möglich macht.

Es freut mich, wenn ich mit meiner "Liebeserklärung" an den Alpstein etwas von der Schönheit dieses Gebirges an Andere weitergeben konnte!

Auf hoffentlich noch viele schöne und erfolgreiche Touren im Alpstein und anderswo auf der Welt!

marmotta

Berglurch hat gesagt: Höhenluft...
Gesendet am 3. August 2009 um 14:14
... scheint manchmal selten benutzte Hirnwindungen anzuwerfen.
Ein Tag im Alpstein und marmotta ist unter die Philosophen gegangen.

Dankbarkeit ist im Gebirge nie fehl am Platz!


Nicole hat gesagt: zwei...
Gesendet am 10. Oktober 2009 um 20:04
coooooole Männer :-) 1-A Posen.....Respekt!
und natürlich 1-A-A Bericht!!!! Respekt-Respekt


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