Kurzbericht 

Von Grindelwald nach Brig


Publiziert von jfk , 16. November 2018 um 15:05.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Jungfraugebiet
Tour Datum:26 Juli 2018
Hochtouren Schwierigkeit: S
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-VS 
Zeitbedarf: 4 Tage
Aufstieg: 5260 m
Abstieg: 5620 m
Strecke:63 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Grindelwald
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Brig
Kartennummer:map.geo.admin.ch

Geheimtipps. In den letzten Tagen ein emotional diskutiertes Thema in diesem Forum. Du fragst dich vielleicht, weshalb ich diesen Post ebenfalls damit beginne. Der folgende Bericht beschreibt einige Routen abseits der gängigen Normalwege. Inspiriert dazu haben mich zwei Hikr. lorenzo mit dieser Tour und eugen mit seinen beeindruckenden Unternehmungen vom Bahnhof Brig aus. 

Von Grindelwald nach Brig. Einmal zu Fuss die Berneralpen überqueren. Alles den Graten nach. Der Kontrast zwischen Stadt, Kulturlandschaft und Hochgebirge. Zwischen den saftigen Alpwiesen der Alpennordseite und den Weinbergen des Wallis.

Vor drei Jahren ein erster Versuch. Ein Steigeisen in meinem linken Wädli, ein Sonnenbrillenetui ohne Sonnenbrille und ein aufkommendes Gewitter lassen unsere Tour auf dem Gross Fiescherhorn schon früh auf unrühmliche Art und Weise scheitern.
Mit der Zeit konnte ich immer mehr Teilabschnitte der Route im Rahmen anderer Touren begehen, so dass einzig der Abschnitt zwischen dem Hinter Fiescherhorn und dem Grossen Grünhorn als Unbekannte blieb. Ist die Tour so gar als Solo-Projekt zu realisieren? Kopfzerbrechen bereitet mir der Aufstieg in die Berglihütte. Von Grindelwald direkt übers Challi und Ischmeer ist für mich ohne Partner nicht zu verantworten. Bleiben also die langen Anstiege über Eiger oder Mönch. Der Nollen ist bereits zu stark ausgeapert. Der Mittelegigrat fällt ebenfalls weg. Via Ostegg & Hörnli ist's mir solo zu anspruchsvoll und der Weg übers Challi zur Mittelegihütte weist heikle Gletscherpassagen auf. Es bleibt die Eiger-Westflanke. 

Zurück zu den "Geheimtipps". Werden dank diesem Bericht bald Horden von Touristen aus Grindelwald Brig unsicher machen? Wohl kaum. Es hat meist gute Gründe weshalb Geheimtipps eben Geheimtipps sind. Und die wenigen, die sich tatsächlich für die breite Masse eignen und auch entdeckt werden, sorgen dafür, dass die Modetour von heute morgen vielleicht wieder zum Geheimtipp wird. Viel wichtiger scheint mir, dass unkonventionelle Berichte und Touren wie jene von lorenzo und eugen die eigene Fantasie für neue Unternehmungen anregen. Ich hoffe, dass ich dazu mit diesem Post ebenfalls einen kleinen Beitrag leisten kann. Denn, bei allen Mängeln, genau dieser Ideenaustausch macht für mich Hikr.org aus und motiviert mich, nach wie vor eigene Berichte zu publizieren

An einem schwülen Sommerabend Ende Juli fahre ich mit dem Zug nach Grindelwald. Voller Vorfreude, ein altes Projekt in die Tat umzusetzen. Am Bahnhof die letzten Tropfen eines kurzen, heftigen Gewitters. Schöne Abendstimmung. Etwas oberhalb des Dorfes lege ich mich in den Schlafsack.

Start um halb drei. Endlich gehts los. Der Aufstieg zum Eiger ist lang. Unter der düsteren Nordwand durch und über den Rotstock-Klettersteig gelange ich in die Westflanke und stehe pünktlich zum Sonnenaufgang unter dem Beginn der Schwierigkeiten. Die nicht ganz einfache Orientierung und der vom gestrigen Gewitter noch nasse, abwärts geschichtete Eiger-Kalk verlangen volle Konzentration. Auch wenn man sich meist in Gehgelände aufhält und nur wenige, kurze Stellen den II. Grad knapp übersteigen.
Ich fühle mich nicht besonders fit und komme nur langsam vorwärts. Die Höhe macht mir etwas zu schaffen. Der schwere Rucksack mit Seil, Biwi-Mat und Essen für vier Tage macht's auch nicht besser. Auf dem Gipfel Graupel und Nebel. Allein.

Nach einer Viertelstunde mache ich mich an den Abstieg über den Südgrat und die Eigerjöcher. Die Sonne drückt langsam durch. Ich treffe auf zwei Japanische und eine Welsche Seilschaft. Die letzten Menschen, die ich bis zur Märjele sehe. Die Kletterei in festem Gneis zwischen den beiden Jöchern ist ein Genuss. Etwas anspruchsvoller als in der Westflanke aber weniger ernsthaft und heikel. 
In der Berglihütte taucht man in eine längst vergangene Zeit ein. Damals, als Seile noch aus Hanf geflochten wurden und die Betten auf Stroh lagen. Ich mag nichts essen, die Höhe macht mir immer noch zu schaffen.
Am nächsten Morgen schlafe ich aus, stehe mit der aufgehenden Sonne auf. Gemütliches Zmörgele. Der Weg über den Walchergrat aufs Gross Fiescherhorn ist immer wieder schön. Besonders bei so perfekten Bedingungen wie heute. Ab dem Hinter Fiescherhorn für mich dann Terra incognita. Der wilde und luftige Grat übers Kleine aufs Grosse Grünhorn. Ein abenteuerlicher Ritt über dutzende Gendarmen, Rippen und Couloirs. 
Der steile Aufstieg zum Kleinen Grünhorn gelingt in der NW-Flanke leichter als erwartet. Dafür fordert der Nordgrat aufs Grosse Grünhorn umso mehr. Luftige und brüchige Kletterei im III. und IV. Grad. Ein kurzer Quergang in 65° steilem Eis treibt meinen Puls in die Höhe. Puh, das war heikel.

Nach dem Grünegghorn richte ich am Grat mein Biwak ein. Was für ein Tag, was für eine Stimmung, was für eine Landschaft. Nur Essen kann ich immer noch nichts. Das Zmorge von der Berglihütte und zwei Riegel sind für das bisher Geleistete klar zu wenig. Aber ich bringe einfach nichts runter. So entscheide ich mich am nächsten Morgen für die etwas eintönige aber unter diesen Umständen vernünftigere Variante dem Aletschgletscher entlang. Die Walliser Fiescherhörner konnte ich ja bereits einmal bei einer früheren Gelegenheit überschreiten. Nebenbei, für mich eine der schönsten Touren in den Berneralpen. 

Mit dem Zusätzlichen Sauerstoff kommt zum Glück auch der Hunger wieder, so dass ich mir bei der Märjele für eine währschafte Portion Gulaschsuppe einen kurzen Abstecher in die Gletscherstube gönne. Mjamm! 
Es wäre noch genug Zeit am Nachmittag hinunter nach Brig zu laufen. Ich nehm's lieber gemütlich und richte noch einmal ein Biwak über dem Aletschgletscher ein. Zum Glück. So habe ich am nächsten Tag genug Zeit für ein gemütliches Raclette in der Riederfurka und kann bei einem aufziehenden Gewitter die magische Stimmung im Aletschwald und auf dem Massaweg geniessen. Gut 20 Hirschkühe mit Kälbern, eben so viele Gämsen und viele Insekten, Eidechsen, Blumen, verknorzte Lärchen und alte Arven versäumen mich auf dem Weg nach Brig. Dann die Weite des Rhonetals und die Bausünden des Walliser Talbodens bis zum Bahnhof. Was für ein Kontrast zur einsamen Hochgebirgswelt!

Route
Karte

Ich habe mich bei dieser Tour grösstenteils an die Routen 302.13, 302.10, 04.1, 402.1, 402.4, 401.1a, 404.3, 406.1, 406.4, 407.3, 407.1, 408.1 & 11.2 aus dem SAC-Führer Jungfrau Region von Karl Hausmann sowie an das Kartenmatrial von Swisstopo gehalten.




Tourengänger: jfk


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