Gross Grünhorn


Publiziert von frmat , 3. August 2018 um 15:56.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Jungfraugebiet
Tour Datum:29 Juli 2018
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2700 m
Abstieg: 2050 m
Strecke:ca. 30km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz Talstation Eggishorn-Bahn, Auffahrt mit der Gondel zur Mittelstation Fiescheralp

Momentan bietet Mitteleuropa nicht gerade viel Raum der sommerlichen Hitze zu entfliehen. Selbst die höchsten Höhen der Alpen bekommen kaum nächtlichen Frost. Keine Idealbedingungen, wenn man Hochtouren unternehmen mag.
Um dennoch der Sommerfigur ein wenig auf die Beine zu helfen und gleichzeitig die Seele ein paar Tage baumeln zu lassen, machen wir uns auf ins Gebiet des Großen Aletschgletschers. Die Region Aletsch-Jungfrau lässt nicht nur Geographenherzen höher schlagen. Jeder begeisterte Berggänger wird sich immer wieder dabei ertappen, wie er stehenbleibt, die Landschaft genießt und über die Dimensionen dieser gewaltigen Eis- und Felsszenerie staunt.
Bereits vor sechs Jahren haben wir hier die *Fiescherhörner und das *Finsteraarhorn besucht, höchste Zeit also, um wieder einmal vorbeizukommen und den einen oder anderen vakanten 4000er zu besteigen.


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Vorab noch kurz ein paar Sätze zu Gehzeiten, Entfernungen und Höhenmeterangaben:
Die Berner Alpen, insbesondere das Aletschgebiet mit seinen Randgletschern, sind ungemein weitläufig. Man muss bei jeder Tour noch etliche Höhenmeter und Kilometer Wegstrecke hinzuaddieren, da man auf den Gletschern immer wieder zu teils beträchtlichen Umwegen gezwungen wird. So macht man allein beim Aufstieg zur Konkordiahütte ca. 1000Hm Aufstieg, obwohl es netto von der Fiescheralp nur 640Hm sind. Der Aufstieg zum Tälli (ca. 180Hm) und die Strecke über den Aletschgletscher (etwa das gleiche nochmal) erklären das Plus in der Vertikaldistanz. Gleiches gilt für das Gross Grünhorn, bei dem man zweimal 150Hm auf der Stahtreppe und zweimal 100Hm beim Grünegghorn (=> 500Hm extra, bei nur 1200Hm netto zwischen Hütte und Gipfel) mehr zu absolvieren hat.

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Ablauf, Schwierigkeiten und Gehzeiten im Einzelnen:

Teil 1: Gross Grünhorn

1. Tag: Anreise und Aufstieg zur Konkordiahütte
  • Bergbahn zur Fiescheralp
  • Fiescheralp - Einstieg Gletscher: T1, später T2; 1:30h
  • Einstieg Gletscher - Konkordiahütte: T4, L; 3:50h
  • Gesamt: 1000Hm Aufstieg, 350Hm Abstieg; ca.14km; 5:20h (netto 4:30h)

2. Tag: Konkordiahütte - Gross Grünhorn - Konkordiahütte
  • Konkordiahütte - Abstieg zum Grüneggfirn: Stahltreppe, 20Min
  • Grüneggfirn - P. 3475: WS, zuletzt 7m 50°; 3:10h
  • P. 3475 - Grünegghorn SW-Gipfel: WS, bis 35°; 1h
  • Grünegghorn SW-Gipfel - Grünegghorn: WS, I; 20Min
  • Grünegghorn - Gross Grünhorn: ZS-, II, ca. 50m 50°; 1:40h
  • Gross Grünhorn - Konkordiahütte: Schwierigkeiten wie oben; 5:15h
  • Gesamt: 1700Hm Aufstieg, 1700Hm Abstieg; ca. 16km; 11:45h (netto 9:30h)
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Teil 2: *Aletschhorn

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Wir beginnen unsere Fünftagestour ins Herz der Aletschregion mit der Auffahrt der Eggishorn-Bahn zur Fiescheralp, 2212m. Dies erschien uns ein gelungener Kompromiss zwischen Mogeln und Fränkli zu sein, denn die Eggishorn-Bahn kostet nur 27 SFr retour und verlangt uns noch einen ordentlichen Hüttenaufstieg ab. Bekanntermaßen kann man die Konkordiahütte auch vom Jungfraujoch her erreichen, hat dann nur noch 2h Abstieg zu leisten, muss dafür aber ein vielfaches an Geld einsetzen. Andererseits: Alles aus dem Tal zu laufen würde 4h mehr bedeuten und macht uns so gar nicht an, daher wird per Bergbahn gemogelt. Sei's drum.

Über den breiten Wanderweg geht's gemütlich am Hang entlang, leicht wellig und insgesamt sanft ansteigend zum Tälligrattunnel und fröstelnd durch diesen hindurch. In der Mitte steht eine Mutter Gottes, wo wir noch eine Kerze anzünden und für eine heile Rückkehr beten. Geistig so gestärkt kann nichts mehr schief gehen, sodass wir gut gelaunt an den Märjelenseen vorbei zum Einstieg in den Großen Aletschgletscher, 2230m, bummeln (T1 und T2; 1:30h).

Wir betreten den Gletscher und überqueren ihn bis zur (hier und im Folgenden immer in Gehrichtung) zweiten Mittelmoräne. Kurzzeitig sind Steigeisen notwendig, danach geht's wieder ohne. Im Bereich der zweiten Moräne steigen wir den Gletscher hinauf, meist am linken Rand der Moräne, wobei rechts besser gewesen wäre. Immer wieder sind kleinere Spalten unschwierig zu überspringen. Zahlreiche geographische Highlights wie Gletschermühlen oder Gletschertische gestalten die Tour trotz der aufkommenden Monotonie spannend. Beeindruckend ist es so oder so: Die Dimensionen dieses Eistromes sind schlicht gigantisch. Auf ca. 2600m queren wir nach rechts zur schon ewig sichtbaren Konkordiahütte, 2850m. Besser wäre es gewesen, bereits auf 2500m diagonal zu queren. Dort befinden sich gegenwärtig einige markante Gletschermühlen, hier muss man rechts weg. Leider finden wir diesen Weg erst beim Übergang zum Mittelaletschbiwak und gönnen uns daher noch einige Höhenmeter und Umwege extra (T4, L; 2:40h). Über den Südweg erreichen wir nach abschließenden 30Min im teils seilversicherten Fels- und Bröselgelände dennoch gut gelaunt die Konkordiahütte (T4).

Das nette Hüttenteam empfängt uns gleich mit dem Abendessen, anschließend genießen wir noch den Sonnenuntergang auf der Terasse und machen den Kasper für alle auf Trab haltenden Hüttenkinder. Da um 3 Uhr bereits der Wecker klingelt geht's aber früh in die Heia.

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Der Montagmorgen beginnt mit flotten Beats aus des Kollegen Handywecker, klassischer Manic monday. Leicht grunzend schäle ich mich widerwillig aus dem Baumwollkokon, in dem ich schwitzend die Nacht im brütendheißen Lager verbracht habe. Trotz fehlender Akklimatisation, Enge und dem üblichen Hüttentrara haben wir erstaunlich gut geschlafen. Mit uns frühstückt noch eine schwedische Seilschaft, die wie wir das Gross Grünhorn ins Visier genommen hat. Abmarsch kurz nach 4 Uhr.

Am Heli-Landeplatz vorbei erreichen wir die Treppen und donnern diese hinab zum Gletscher, der derzeit bei ca. 2700m liegt. Festhalten ist auf dem ausgesetzen Stahlmonstrum übrigens kein Luxus, der Blick geht stets beeindruckend runter. Über Moränenschutt mühen wir uns im Halbdunkeln hinauf zum Beginn des Grüneggfirns, ca. 2940m, wo wir Steigeisen und bald auch das Seil montieren. Der Gletscher ist durch zahlreiche apere Stellen geprägt. Gelegentlich auf diesen, meist jedoch im weichen Firn steigen wir die Flanke zum Grünegghorn auf, bis das Couloir zu P. 3475 den ersten Flaschenhals bildet. Über leichte Felsen queren wir nach links und gelangen über eine kurze Steilstufe (ca. 7m, 50°) auf die obere Gletscherabdachung am P. 3475. Schließlich leiten uns moderate Gletscherhänge zum SW-Gipfel des Grünegghorns, 3787m, (WS) und über den einfachen Verbindungsgrat zum Grünegghorn, 3860m, (I), wo wir nach knapp 5h ankommen.

Der Abstieg am Grat in die folgende Scharte stellt für uns eindeutig die Schlüsselstelle dar: Im kombinierten Gelände sind einige Stellen im II. Grad zum bewältigen, dabei ist die Passage amtlich ausgesetzt und verzeiht keine Schnitzer. Einige Friends und Köpfl-Schlingen entpannen uns und lassen uns zügig die Scharte erreichen. Für die 280Hm Schlussanstieg bieten sich nun diverse Optionen an, je nachdem, wo man den Gratfirst des Gross Grünhorn erreichen möchte. Die vor uns steigenden Schweden haben sich für einen Aufstieg soweit wie möglich im Firn entschieden. Da wir's nicht besser wissen folgen wir ihnen. Die Flanke steilt gegen die Felsen hin zunehmend auf, ca. 50Hm sind 50° steil und durch einen kleinen Bergschrund zusätzlich gewürzt. Dies bewerten wir als zweite Schlüsselstelle und geben der Tour daher die Bewertung ZS-. Eine dritte Seilschaft wird später den Grat beinahe direkt aus der Scharte angehen und die Firnflanke auslassen. Der weite Firnaufstieg erspart uns dagegen die IIIer-Kletterei am Grat. Überhaupt ist dieser bei den aperen Bedinungen wirklich als unschwierig zu bezeichnen. Meist bewegen wir uns in der linken Flanke und müssen höchstens ein paar Kraxeleinlagen (I+) bewältigen. Im oberen Teil klettern wir wieder mehr auf dem Gratfirst selbst. Sonne, Windstille und nun auch völlige Einsamkeit machen das Steigen zum Erlebnis.  Nach 1:30h ist der Weg schließlich frei und wir legen die letzten Meter zum Gipfel des Gross Grünhorn, 4044m, zurück (Gesamtaufstieg 6:30h, 5h netto). Wie gelesen, bestätigt sich, dass der Berg einer der abgeschiedensten im gesamten Alpenraum ist. Kein einziger Talort ist zu sehen, einfach herrlich. Ein schönes Gipfelkreuz würde den tollen Platz hier oben noch einmal deutlich aufwerten. Wir genießen die Aussicht bei einer kleinen Pause und machen uns bald auf den langen Rückweg.

Der Rückmarsch vollzieht sich entlang der Aufstiegsroute, sodass eine Beschreibung obsolet wird. Die Firnstellen haben mittlerweile erheblich an Qualität eingebüßt, sodass der Abstieg hier und da etwas heikler, v.a. aber schweißtreibender wird. Dass der Gegenanstieg zur Konkordiahütte nicht gerade den Oscar für die schönste Wandereinlage dieses Bergsommers gewinnt, versteht sich. So sind wir froh, dass wir nach 5:15h (4h netto) den Flüssigkeitsverlust mit einer kalten Cola auf der Terrasse ausgleichen können. Hinter uns liegt eine ungmein lohnende und abwechslungsreiche Hochtour.

Tourengänger: frmat


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