Mittellegigrat auf den Eiger (AD+, IV)


Publiziert von Eumaex , 12. August 2020 um 22:35.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Jungfraugebiet
Tour Datum:27 Juli 2020
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-VS 
Zeitbedarf: 10:30
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Nach Grindelwald und dort zum Parkplatz der Bahnstation Grindelwald-Grund. Das Auto kann dort auf dem hintersten Parkplatz (Langzeitparkplatz) abgestellt werden. Das Ticket muss dafür nicht an der Parkuhr sondern in der Bahnstation geholt werden. Weiter geht es mit der Bahn über die kleine Scheidegg zur Station Eismeer.
Unterkunftmöglichkeiten:Mittellegiehütte

Nachdem im Wallis das Wetter noch etwas wechselhaft vorhergesagt war geht es also doch zuerst zum Eiger. Am Vortag hatten aufgrund von Vereisung noch alle Seilschaften am Mittellegigrat umgekehrt, aber seither war gutes Wetter und wir bekamen auch spontan einen Platz auf der Hütte. Also dann mal schauen was er so zu bieten hat, der Eiger...



Zustieg

Nachdem wir aufgrund von Stau sehr spät dran waren erwischten wir noch die vorletze Bahn von der Kleinen Scheidegg Richtung Jungfraujoch. Wir waren auch tatsächlich die einzigen Fahrgäste im Zug. Nachdem wir dem Zugpersonal mitgeteilt hatten, dass wir an der Station Eismeer aussteigen wollten hielt der Zug dort kurz und fuhr nachdem wir ausgestiegen waren auch sofort wieder ab.
Es ist schon fazinierend wenn man dann auf einmal mitten "im Eiger" steht. Treppen führen Richtung Gletscher hinunter. Da diese bereits vereist waren zogen wir im Stollen noch die Steigeisen an und stiegen weiter bergab. Nach kurzer Zeit kommt man zum Ausgang und steht im unteren Teil der Südwand. Ziemlich faszinierend... (für mich!). Von hier aus kann man je nach Gletscherstand auf den Challifirn absteigen. Da die Randkluft bereits ziemlich groß war und der Schnee aufgeweicht haben wir hier kurz abgeseilt.
Über den teils schon ordentlich zerklüfteten Gletscher geht es auf die Gegenseite. Nach kurzer Zeit kommt man am Fels an. Hier entschärft ein Fixseil die ersten Klettermeter. Dem Fixseil schließt sich eine kurze Kletterpassage im 3. Grad an. Diese kann allerdings über die vorhandenen Bohrhaken gut abgesichert werden. Wichtig ist nicht zu früh in die Bänder nach rechts raus zu queren, sondern erst wenn man an einem Steinmann und einem leicht verblichenen roten Pfeil vorbei kommt. Nun geht es über schuttige Bänder in Richtung der gut sichtbaren Hütte. Steinmännchen und Wegspuren erleichtern die Wegfindung. Verlaufen kann man sich trotzdem ziemlich gut. Einmal muss kurz in eine Rinne abgeseilt werden (kann auch abgeklettert werden, Abseilstand ist eingerichtet). Auf der Gegenseite geht es problemlos wieder hinauf. Kurz vor der Hütte haben wir dann doch den Weg aus den Augen verloren. Nach langem Hin- und Her sind wir letztendlich unterhalb der Hütte gelandet und über schuttiges Gelände nach oben gelangt. Dies ist auch ein direkter Alternativanstieg vom Gletscher, bei dem an Eisenstangen gesichert wird. Je nach Gletscherstand ist der Übergang vom Gletscher auf den Felsen aber laut Hüttenwirtin wohl nicht ganz so ohne. Die Mittellegihütte selber liegt direkt auf dem Grat. Schöner könnte die Lage hier einfach nicht sein. 
Obwohl wir zu spät zum Abendessen angekommen sind gab es noch eine richtig ordentliche Portion Lasagne. Die Bewirtung ist herzlich. Man wird wirklich sehr freundlich empfangen. Aufgrund von Corona war das Hüttenpublikum auf der ohenhin nicht großen Hütte sehr ausgedünnt. Gerade einmal 20 Leute waren hier oben. Nach dem Essen ging es auch schon bald ins Bett. Das Ziel des nächsten Tages konnte aufgrund von Wolken ohnehin nicht komplett eingesehen werden.
Das Frühstück war von 4:30 Uhr - 5:00 Uhr für meinen Geschmack relativ spät veranschlagt. Wir gehörten zur  5:00 Uhr Gruppe. 4:30 Uhr war den Bergführern mit ihren Gästen vorbehalten. 4:45 Uhr war auch schon voll. Dies wird laut Hüttenwirtin so gehandhabt um Stau am großen Turm zu vermeiden.


Der Mittellegigrat

Nach schlechtem, unakklimatisiertem Hüttenschlaf wurde es um kurz nach 4 Uhr bereits unruhig im Schlafraum. Die ersten packten und richteten sich bereits, also standen wir ebenfalls auf und richteten unsere Sachen her. Um 4:50 Uhr konnten wir bereits an die freien Tische und uns nochmal kurz stärken bevor es um kurz nach 5 Uhr los ging. Da es bereits hell war konnten wir uns immerhin die Stirnlampen sparen. 
Die Bergführer mit ihren Kunden waren bereits uneinholbar voraus. 
Wir liefen mit 3 Seilschaften im Gleichschritt auf den ersten unschwierigen Metern. Hinter uns kamen noch jeweils eine Zweier- und eine Dreierseilschaft. Es konnte problemlos ohne Steigeisen geklettert werden.
Bereits nach kurzer Zeit kommen die ersten Kletterstellen. Hier kam es auch bereits zum ersten kleinen Stau.
Was nun folgte war wunderschöne Kletterei mit einer Aussicht die ihregleichen sucht. Nach rechts schaut man ins Grüne nach Grindelwald runter, nach links auf die Gletscher- und Bergwelt. Hinter uns ging die Sonne auf. Vor uns der Grat. Und das am Eiger. Muss man erlebt haben.
Bereits vor dem großen Turm mussten wir aufgrund von Schnee und Eis die Steigeisen anziehen. Der kurze Wintereinbruch vor 2 Tagen hatte doch seine Spuren hinterlassen. Die weitere Kletterei war schön und wurde immer wieder durch Fixseile entschärft. Nach und nach hatte sich auch das Stauproblem gelöst und die Menschenansammlungen waren so entzerrt dass wirklich jede Seilschaft für sich in ihrem angenehmen Tempo klettern konnte. Auch wenn der Gipfel immer sehr nah aussieht, zieht sich der Aufstieg. 
Wir erreichten den Gipfel des Eiger schließlich nach ca. 4,5 Stunden. Die Bergführer und ihre Kunden sind natürlich deutlich schneller und oben nicht mehr zu sehen. Hinter uns kamen immernoch 4-5 Seilschaften, die teilweise auch noch einiges vor sich hatten. Wir haben viel am laufenden Seil mit 2 Sicherungen zwischen uns geklettert. Mit Vor- und Nachstieg über den gesamten Grat wird man vermutlich um die 6-7 Stunden alleine im Aufstieg brauchen.
Und auch wenn die Freude am Gipfel groß ist, wird einem schnell bewusst was einem noch bevorsteht. Der komplette Abstieg über die Eigerjöcher ist schließlich von hier oben einsehbar. Aus diesem Grund (und aufgrund des kalten Windes) fällt die Gipfelrast relativ kurz aus.


Der Abstieg

Vom Gipfel gibt es die Möglichkeit entweder durch die Westflanke oder über die Eigerjöcher abzusteigen. Für uns war von Anfang an klar gewesen, dass wir den Abstieg über die Eigerjöcher in Anspruch nehmen. Dieser ist nicht nur landschaftlich und klettertechnisch reizvoller, sondern auch von der Wegfindung eindeutig. Von der Westflanke wird im Allgemeinen eher abgeraten, da man sich hier ohne Kentnisse über Sicherungen und Abseilstellen sehr schnell verirren kann. Im Frühjahr ist dies allerdings ein sehr schöner Firnanstieg, der auch häufig solo begangen wird.
Vom Gipfel geht es über mehrere Abseilstellen den Grat hinab. Am Ende geht es über ein unschwieriges Schneefeld. Die folgende Kletterei ist super. An den wichtigen Punkten sind Bohrhaken plaziert und es macht nochmals richtig Spaß. Aufgrund von Schnee und Eis klettern wir auch hier mit Steigeisen. Die Spur ist durch andere Seilschaften bereits perfekt getreten. Eine kurze Schlüsselstelle geht um einen Felssporn relativ ausgesetzt herum. Ein kleiner Tritt muss hier gut angetreten werden (ohne Steigeisen deutlich einfacher als mit) und der nächste Griff im Anschluss blind um den Sporn ertastet werden (kurz 3a). Danach wird das Gelände sofort wieder einfacher. Die restliche Kletterei überstiegt den II-ten Grat eigentlich nie
Wie das bei Graten so ist, sieht auch dieser wieder kürzer aus als er ist, aber irgendwann geht Fels in Firn über und man betritt den Gletscher. So schön die Tour auch ist freut man sich auch, dass man die Psyche mal entspannen kann und aus dem ausgesetzten Gelände raus ist. Allerdings sind wir schon nach kurzer Zeit ziemlich entnervt, weil wir teilweise bis zur Hüfte im sulzigen Mittagsschnee einbrechen. Somit ist der Weg zur Mönchsjochhütte nochmal kraftraubend. Im Anschluss geht es mit den Massen zum Jungfraujoch und mit der Bahn zurück ins Tal.


Der Zeitbedarf:

Bergführer und ihre Kunden brauchen für den gesamten Grat mit Abstieg 6-8 Stunden. Für eine solche Zeit muss man sich schon ganz schön ranhalten. Wir waren mit Pausen in eigentlich zügigem Tempo ca. 10-11 Stunden unterwegs, konnten aber Kletterei und Aussicht gut genießen. Als Zweierseilschaft kostet natürlich auch das Abseilen Zeit. In unserem Führer stand der Zeitbedarf bei ca. 10-12 Stunden angegeben. Hinter uns kamen noch andere Seilschaften die teilweise bestimmt noch 1-2 Stunden länger gebraucht haben. Auch die Rega war im Einsatz und holte eine Seilschaft im Aufstieg vom Berg, während wir schon fast beim nördlichen Eigerjoch waren. Den Grund kenne ich allerdings nicht.


Anforderungen:

Der Mittellegigrat wird häufig mit D bzw. S bewertet. Aufgrund der Fixseile, die zwar ordentliches Zupacken verlangen, aber die schwierigsten Kletterstellen deutlich entschärfen, trifft dies nicht ganz zu. Hirnloses "hochziehen" macht aber keinen Spaß. Treten kann man meistens gut, gesichert werden kann an den Verankerungsstellen der Taue. Bei uns war der Schlussanstieg ordentlich vereist, sodass wir über die Seile sehr dankbar waren. Auch wenn man immer wieder ohne Seilkontakt klettern kann ist es gut wenn man einfach mal "nach draußen fassen" kann. Zugegebenermaßen ist man an 3-4 leicht überhängenden und trittarmen Stellen dann auch dankbar, weil dann doch mal das oben noch kritisierte "Zupacken und Hochziehen" zum Einsatz kommt...
Trotzdem darf die Tour auch aufgrund des sehr langen und anstrengenden Abstiegs nicht unterschätzt werden. Man muss sich auch nach einigen Stunden Kletterei noch gut konzentrieren können, da man sich durchgehend in Absturzgelände befindet. Da macht auch der Gipfel keine Ausnahme. Ausrutscher oder unsicheren Tritt wird der Berg nur an sehr wenigen Stellen verzeihen.
Auch wenn sich die Kletterschwierigkeiten entschärft im maximalen Bereich des III-IV Grates abspielen ist der Eiger mit seinen nach unter geschichteten Platten ein griffarmer Berg. Es muss sehr häufig mit gutem Tritt gearbeitet werden, was meist auch hervorragend funktioniert. Von daher ist die Bewertung mit AD+ aus meiner Sicht die richtige, ohne die Taue wäre D zutreffend.


Fazit:

Ich habe seit einigen Jahren von dieser Tour geträumt. Der Eiger hält was er verspricht. Eine grandiose hochalpine Tour. Kletterei und Aussicht sind traumhaft. Für mich eine der schönsten Touren überhaupt.

Wenn Wetter, Bedingungen und Können mitspielen ein wirklich unvergessliches Erlebnis .  


Tourengänger: Eumaex


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

S IV
12 Jul 11
Eiger via Mittellegigrat · Christian1
S IV
ZS III
S IV
16 Aug 13
Eiger - Mittellegigrat · Sherpa
T6 S V K2-
S V
14 Aug 16
Eiger, Mönch, Kulturschock · Maisander
S V+
9 Jul 23
Eiger Integral · 3614adrian

Kommentare (1)


Kommentar hinzufügen

Linard03 hat gesagt:
Gesendet am 13. August 2020 um 19:34
sehr schöner Bericht, man kann die Tour miterleben; merci.
Wäre auch mal noch so ein Traum ...

Gruss, Linard


Kommentar hinzufügen»