Chüngeliinsel und etwas JJR (keine Soapopera!)


Publiziert von Henrik , 30. März 2015 um 16:56.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Bern Mittelland
Tour Datum:29 März 2015
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 1:15
Aufstieg: 60 m
Abstieg: 60 m
Strecke:Kloster - Erlach
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV
Zufahrt zum Ankunftspunkt:ÖV
Unterkunftmöglichkeiten:www.st-petersinsel.ch/
Kartennummer:JJR

... Mittagsrasten auf der Petersinsel, das war die Bitte. Dazu entgegnete ich Claudia, dass das nicht ganz günstig sei! Das war vor ca. einem Jahr. Wir vermuteten für den heutigen Sonntag, dass bei solcherlei Witterung wie Gischt und Sturmböen eigentlich kaum Reisende anzutreffen sein werden – Fehlanzeige. Mit dem ICN reisten wir nach Biel. Beidseits der Jurafalten verschoben sich die Wolken eilends und rauf und runter. Vereinzelte Tropfen schlugen sogar „hörbar“ an die Pano-Fenster „meines“ Traum-Zuges. Die Fahrt durch den Grenchenbergtunnel ist insofern ein „Erlebnis“, es ist der einzige mir bekannte Tunnel in der Schweiz, bei dem der sprichwörtliche Durchzug drinnen den Fahrtenwind einen ins Gesicht schlägt und zweitens es hörbar „gruusig“ braust – noch eine Randnotiz: das Trassee ist einspurig.
 
... in Biel führten die Treppen in den Untergrund, hinaus auf den Bahnhofsplatz Süd, der seit dem Bahnhofsumbau von 2002 den Namen eines Schweizer Literaten trägt: Robert-Walser-Platz – mir fehlt dazu die Empfindsamkeit, hier etwas von der sprachlichen Grösse sozusagen aufzusaugen, stattdessen sind Bahngeräusche zu hören und vom Wind vor sich her getragener Abfall in Form von rollenden Dosen jeglicher Couleur und Kunststoffen, kurz, wenig Lieblichkeit!
 
... die Passage hinunter zur Schiffanlegestelle kenne ich auch photographisch - erneut zwickt es in den Fingern, so entsteht wieder mal ein Grau-Bild mit viel Leere. Aber unsere Städte brauchen das – und der Widerstand dagegen formiert sich erstaunlich selten. Nicht mal für Marmortürme geht der Urbane heute auf die Strasse, seine Kommentare finden sich wie Brosamen hin und wieder mal in den Onlinespalten der Tageszeitungen, aufgrund der Hast der Zeit sind diese im Heute schon morgen fast vergessen.
 
... wir sind fast am Hafen angelangt, weht uns Gischt ins Gesicht. Der Bielersee wird von Neptun aufgemischt, draussen sind Unentwegte auf ihren Boards unterwegs. Noch kann der Gast nicht zusteigen, steht er im Wind und zieht seinen Kragen etwas höher. Andere sind dabei wie verstörtes Hinterhofgefieder zwischen den Gischttropfen wilde Wasser in den Fotokasten abzulegen – allerdings auch mit Erfolg!
 
... um 10.40 sticht die „Chasseral“ in See – das einschraubige Schiff hat Mühe bei Beaufort 4 – 5 aus dem Hafen zu kommen, es schlägt mehrmals ungewollt am Quai an, das kracht so, dass sich die Fahrgäste fast ein wenig ängstlich anblicken... um aus dem piergeschützten Hafen hinauszugelangen, fährt das Motorschiff zuerst rückwärts in den See, bittet die Fahrgäste aufgrund des starken Windes, beim Wendemanöver einen Sitzplatz einzunehmen (...), und stemmt sich schliesslich dann korrekt  mit dem Bug in die aufgewühlte See – so haben Claudia und ich den Bielersee noch nie erleben dürfen, wir sind während des Manövers nicht drinnen geblieben, sondern auf dem Hinterdeck, dem Gischt und den Spritzern ausgesetzt, was uns Spass bescherte.


... die Fahrt zur Petersinsel führt zuerst am orografisch linken Seeufer entlang, hier finden sich auf engstem Raum in und zu den Siedlungen verschiedene Verkehrsträger wieder: Fusswege entlang des Bielersees, die alte Kantonsstrasse, die teils in Tunnels untergebrachte Schnellstrasse (einspurig), die Jurasüdfuss-Doppelspur der SBB Biel – Neuchâtel und daran anschliessend die südausgerichteten Weinrebenkulturen – später kredenzen wir genau einen solchen von dort her rührenden Sauvignon Blanc ... eine Wucht! Noch was zu den Namen der Ortschaften: in Wingreis hat die Abtei Engelberg in historischer Zeit Reben gekauft, eine der Anlegestelle dort schmückt sich noch heute mit dem Namen Engelberg! Twann dürfte allgemein bekannt sein – bei hikr.s und Schulklassen wie Weinliebhabern.
 
... wir nähern uns der St. Petersinsel Nord, seeseitig sind keine Gebäude zu entdecken, lediglich auf der Anhöhe der graue Pavillon. Das gesamte Gebiet der Insel ist ein NSG des Bundes. Das vorgelagerte Ried kontrastiert zum grau-schwarzen Knüppelwald. Wir umrunden zuerst den Nordspitz, steigen hinauf zum Pavillon und besuchen die Badestelle am Nordzipfel. Die Natur ist sich hier selbst überlassen. Dann stemmen wir uns dem Wind entgegen, der noch mehr aufdreht. Zusätzlich schlägt uns jetzt auch Regen ins Gesicht – noch ein paar Schritte, dann ist der Gasthof erreicht.
 
... über die geologische Entstehung findet sich einiges, auch mal eher trockenes, insbesondere für Laien – bekannt sein dürfte eher der Umstand, dass JJR hier, allerdings nur sehr kurz, gewirkt hat (...). Das Geschichtsbild ist daher etwas verklärt! Klar ist der Wein, den wir bestellen: zuerst einen heimischen Chardonnay und später zur Mahlzeit den Twanner Sauvignon Blanc. Wir sind erfreut, den Raum nur mit wenigen andern Gästen teilen zu müssen – es macht halt einfach mehr Spass in kleiner Runde in historischer Umgebung zu dinieren, die  Preise sind moderat höher als (exgüsi) vor zuletzt 19 Jahren, als wir hier zuletzt dinierten. Zwischenzeitlich ist allerdings der Gasthof ge“updated“ worden und im Sommer ist die Petersinsel nicht unbedingt zu empfehlen – sie ist heute weit über die CH hinaus bekannt!
 
... wir verlassen das Gut unter dem Südtorbogen und wandern auf breitem Mergelweg nach Erlach. Es beginnt zu regnen und der Wind frischt auf. Die veranschlagte Stunde und 10 Minuten halten wir genau ein. Ich rate von einer Weiterwanderung ab, da eine graue Regenwand auf uns zueilt. Wir finden gerade wieder einen Tisch auf der „Chasseral“, die um 15.15 am Steg in Erlach anlegt und präzise um halb fünf in Nidau am Pier eintrifft. Geschoben durch Windböen. Wir staunen über die Masse der Fahrgäste, das Schiff ist gerammelt voll – an einem sehr regnerischen Sonntag, für uns ziemlich unüblich.
 
... gerade mal 7 Minuten brauchen wir für die Wegstrecke von der Anlegestelle bis zum Gleis 3. Dort  wartet der ICN nach Basel – mein „Zug“, meine Traum-„Schlange“!
 
... so haben wir einerseits einheimischen Wein genossen, haben versteckt Robert Walser Reverenz erwiesen, haben JJR heimlich verehrt und schliesslich etwas Beaufort erlebt. Man mache das uns mal nach!

Der Schief- bzw. Schrägstand gewisser Bilder rührt vom starken Wind her, dem es zu trotzen galt!


Mehr als nur Gourmessa mit Claudia

"Auf dieser einsamen Insel wird mich niemand finden und ich werde hier die glücklichste Zeit meines Lebens verbringen. Ich bin gerettet!" ...soll JJR ausgerufen haben, bevor er weggewiesen wurde!


Tourengänger: Henrik
Communities: Touren und Tafeln


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

T1
T1
6 Mai 18
St. Petersinsel · Mo6451
T1
17 Sep 17
Rund um den Bielersee · poudrieres
T1
2 Mär 14
Erlach - St. Petersinsel mit Kind · alpinbachi
T1
19 Jun 09
Die Insel, die keine mehr ist · Omega3
T4 II L

Kommentare (2)


Kommentar hinzufügen

Felix hat gesagt:
Gesendet am 30. März 2015 um 19:19
ein fantastisches "Elaborat" - ich danke dir.

mit liebem Gruss

Felix

Henrik hat gesagt: RE:
Gesendet am 30. März 2015 um 22:06
Schreiben ist ja meine Leidenschaft und die korrekte Schreibweise auch, da lege ich eben WERT drauf!


Kommentar hinzufügen»