Vom Württemberger Haus zur Augsburger Hütte - Abbruch im Schneesturm (8. Tag von Garmisch - Vaduz)


Publiziert von Nik Brückner , 21. Januar 2015 um 21:00.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Lechtaler Alpen
Tour Datum: 9 August 2011
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   Parseiergruppe 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1650 m
Strecke:13,5km
Unterkunftmöglichkeiten:Württemberger Haus, Memminger Hütte

Eine Etappe meiner Weitwanderung von Garmisch nach Vaduz 2011 führte mich und meine zeitweilige Begleiterin Rijke zum Württembergerhaus, von wo aus wir am nächsten Tag über Seescharte und Patrolscharte zur Augsburger Hütte weiter wollten. Als Königsetappe der Route war anschließend der Augsburger Höhenweg geplant. Doch manchmal kommt es anders, als man denkt...

Durchwachsenes Wetter war angesagt. Und durchwachsen wurde es.... Wir hatten: Sonnenschein, Regen, Hagel, Schneefall und am Ende, unter der Patrolscharte, Schneesturm. Aber dazu später mehr.


Los gings am  Württemberger Haus (2220m), einer meiner Lieblingshütten in den Lechtalern. Zunächst quert man die riesigen Schutthalden des Medriolkopfs hinauf ins Obermedriol. Hier wird es ein letztes Mal halbwegs flach, bis es dann engültig hinaufgeht auf den Grat, der Schieferspitze und Großbergkopf verbindet. Dort, wo dieser Grat fast einen 90°-Knick vollführt, kommt man heraus auf die Höhe. Der Aufstieg ist steil und nicht ganz ohne, aber schwierige Passagen sind versichert und damit deutlich entschärft.

Ein paar Meter nur sind's bis zur Großbergspitze (2635m), deren Name zwar nach einem großen, spitzen Berg klingt, die aber eigentlich nur eine von vielen Graterhebungen ist. Das Gipfelkreuz schaut entsprechend selbstgebastelt (und darum gerade besonders sympathisch) aus.

Hier oben hat uns der Sturm erwischt, erste Schneeflocken dabei, und wir waren kaum oben, hat's uns die ins Gesicht gepeitscht. Aber genauso schnell wie er aufkam, war er schon wieder vorbei, und wie Ihr auf den Fotos sehen könnt, kam auch schnell wieder die Sonne heraus. Und so konnten wir kurz auch die Rundsicht genießen.

Der Blick fällt zunächst nach Süden, wo die gegenüberliegende Kette vom Rauen Kopf über Wannenkopf, Blankahorn, Simeleskopf, Gatschkopf und Parseierspitze den Blick dominiert. Im Westen dominiert die (höhere) Kleinbergspitze. Rechts davon taucht die Saxerspitze auf, die Tajaspitze, dann folgen bereits die Allgäuer Alpen. Los geht's mit dem Widderstein und dem Biberkopf, dann folgt das Hohe Licht. Den Blick auf die Hochfrottspitze verstellt die Oberlahmsspitze, Mädelegabel und Trettachspitze sind aber wieder zu sehen.
 
Den Nordwesten markiert der Krottenkopf, dann folgt die Marchspitze, die Kreuzkarspitze und die Urbeleskarspitze. Direkt im Norden steht der nur 600 Meter entfernte Gipfel der Schielerspitze. Weiter Richtung Nordosten folgt die Kogelseespitze und, näher, Bittrichkopf und Muttekopf. Der markante Bergwerkskopf fällt ebenfalls auf. Weiter Richtung Südosten verstellen die Spiessrutenspitzen den Blick, den Südosten selbst markiert dann die Verpeilspitze. Daneben erheben sich Watzespitze und Wildspitze.


Von der Großbergspitze aus geht es auf dem Grat entlang bis zum Großbergkopf (2612 m), das ist die nächste kleine Erhebung auf dem Grat. Das ist ein bissl Kraxelei, aber sehr ausgesetzt oder sehr schwierig wird es nicht. Über T4 geht es nicht hinaus.

Gleiches gilt für den Abstieg hinunter ins Großbergjoch (2492 m). Hier bestehen Abstiegsmöglichkeiten nach Norden ins Röttal oder nach Süden zur Oberlochalpe. Obwohl es sich hier wieder zugezogen hatte, vertrauten wir weiter in das Wetter und gingen weiter in Richtung Seescharte. Hier quert man die riesigen Schutthänge unterhalb von Kleinbergspitze und Seeschartenspitze. An dieser Stelle kam plötzlich Steinschlag auf uns herab! Schnell gegen den Berg gelehnt, zum Glück unter einem Felsvorsprung. Was war los? Eine Steinbockfamilie war über uns unterwegs. Für uns bestand die Frage: Fotografieren und dabei eventuell getroffen werden, oder unter dem Vorsprung bleiben und dadurch die Steinböcke verpassen? Wir haben dann einfach beides gemacht! Und es sind schöne Fotos dabei entstanden.

Hinüber zur Seescharte (2540 m) ist's dann einfach: Man quert einfach den Schotterhang, und am Ende geht es steil hinauf. Kraxelig ist es nur für ein paar Meter direkt in der Scharte. Aber die Stelle ist mit einem Seil gesichert und damit auch bei Schnee gut zu meistern - wie wir am nächsten Tag gemerkt haben.

In der Seescharte besteht eine Abstiegsmöglichkeit nach Nordwesten zur Memminger Hütte oder nach Osten zur Oberlochalpe (auf dem E5). Wir sind Richtung Nordwesten weitergegangen und sind dann auf nicht markierten Wegspuren hoch über dem Oberen Seewisee hinüber zur Wegscharte (2585 m) gequert. Dort hat uns dann ein heftiger Duscher erwischt. Erst als der einigermaßen vorüber war, sind wir aus der Wegscharte auf deren Südseite abgestiegen.

Bei Nässe ist die Wegscharte nicht ohne. T4, steil, kraxelig, und teils ausgesetzt. Gut, dass sie mit stabilen, dicken Stahlseilen gesichert ist. Schon im Abstieg war das hilfreich, weil der Fels nass war, im Aufstieg sollten sich die Seile als unverzichtbare Hilfe entpuppen. Aber dazu gleich mehr.

Unten angekommen, quert man auf dem hervorragend hergerichteten Spiehlerweg wieder weite Geröllhänge. Schwierigkeiten gibt es hier keine. Dann führt der Weg über eine gelbe Felsrippe, die vom Nordgrat der Parseierspitze abzweigt. Die seilgesicherte Passage nennt sich "Parseierjoch" (2505 m). Und dieses stellte sich für uns als Umkehrpunkt heraus: Denn die glatten Felsen waren mit einer noch glatteren Eisschicht überzogen: Nach dem Regen war die Temperatur gefallen, und es hatte sich Eis gebildet. Ich stieg drüben noch hinunter, ein äußerst heikles Unternehmen, und besah mir den Aufstieg in die Patrolscharte: Bei diesen Bedingungen eine 300 Meter hohe, schwarze Wand, komplett vereist, oben überzogen mit Schnee. Dann zog es sich zu, Wind kam auf, und es begann, Schneeflocken herunter zu peitschen. Keine Chance, hier würden uns keine zehn Pferde hinaufkriegen. Also wieder zurück? Oder weglos nach Osten hinunter zur Oberlochalpe? Wir beratschlagten, und kehrten um: Die Memminger Hütte war der nächstgelegene Fluchtpunkt, weitaus näher als Zams, 2000 Meter weiter unten im Tal.

Gute Entscheidung, denn das Wetter machte keine Anstalten, sich zu bessern. Nur die Wegscharte machte mir einige Sorgen. Aber mit - wie nennt man das? - beherztem Griff ans Seil waren die mittlerweile auch dort spiegelglatten Felsen einigermaßen zu überwinden.

Der Rest war dann glücklicherweise ein Kinderspiel. Meist über Schotter geht es am Oberen (2469 m), Mittleren (2424 m) und am Unteren Seewisee (2224 m) vorbei hinunter zum Plateau, auf dem die Memminger Hütte (2242 m) steht. Über uns taten sich immer wieder Wolkenlöcher auf, ein Blick in Richtung Freispitze bleib uns allerdings verwehrt.

Die Hütte bot an diesem Tag vielen Geflüchteten Schutz, trotzdem bekamen wir ohne Probleme Schlafplätze. Ist halt eine Orgafrage, so eine stark frequentierte Hütte. Gut, dass es sie gibt.

Als wir auf dem Weg zu den Duschen die Steinböcke am Seekogel gesehen haben, sind wir dann aber doch nochmal hinaus. Und beim Aufstieg auf den letzten Gipfel des Tages (2412m) gab es nicht nur ehrfurchtgebietendes Steinwild zu sehen, sondern auch kuschelwuschelgebietendes Murmelwild. Im Ganzen also doch eine tolle Tour!

Am nächsten Tag war dann alles zugeschneit, an eine Fortsetzung Richtung Augsburger Hütte und Augsburger Höhenweg war nicht zu denken. Und so hab ich die auf später verschoben, und wir sind erst einmal ins Tal abgestiegen - auf einer der schönsten Routen, die ich überhaupt kenne.

P. S.: Ein Jahr später bin ich die Strecke von der Augsburger Hütte zum Württemberger Haus komplett gegangen. Trotz Platzregens an der Wegscharte (da hab ich irgendwie immer schlechtes Wetter...) sechs Stunden. Tolle Tour - und der Abstieg aus der Patrolscharte ist wild!


Tourengänger: Nik Brückner


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