Überschreitung Pilatus-Manndli: Tomlishorn bis (fast) Kulm


Publiziert von Tobi , 27. November 2014 um 21:09. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Obwalden
Tour Datum:26 November 2014
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Pilatusgebiet   CH-NW   CH-OW 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1100 m
Strecke:11.5km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Auto zur Lütoldmatt
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito

Ein weiteres Juwel aus der Reihe „Vergessene Pilatus-Gipfel“. Für dessen Überschreitung müssen allerdings die Verhältnisse passen. Das Wichtigste: Die Wanderautobahn vom Kulm zum Tomlishorn sollte gesperrt oder sonst auf eine Weise menschenleer sein. Man klettert nur wenige Meter über diesem Wanderweg und Steinschlag ist bei einer solchen Aktion fast vorprogrammiert. Da aktuell wegen der Baustelle auf dem Pilatus-Kulm alles ruht, konnte ich dieses lang gehegte Projekt endlich getrost in die Tat umsetzen.
 
Noch etwas geschwächt von der Erkältung gönnen wir uns heute die Anfahrt mit dem Auto bis zur Lütoldsmatt  (1149m). Von hier gemütliches Einlaufen über die Fahrstrasse zur Alp Fräkmünt (1449m). Beim Abzweiger zum Birchboden steigen wir querfeldein hoch zur Alp Tumli (1681m).
 
Damit nicht nur ich, sondern auch meine charmante Tourenbegleitung auf ihre Kosten kommt, wählen wir als Zustieg aufs Tomlishorn den Ostgrat. Der ideal dosierte Kraxelspass für meine Frau, für mich ein perfektes Aufwärmen für die folgende Herausforderung. Wir empfinden die Bergdohlen als äusserst anhänglich, wenn nicht gar aufdringlich. Diese Vögel scheinen die Touristenscharen richtig zu vermissen. Was sie nun wohl essen mögen? Die riesige Steinbock-Herde, die im Kessel der Tumli-Alp äst, scheint die ungewohnte Ruhe am Pilatus jedoch zu geniessen.
 
Auf dem Tomlishorn (2128m) trennen sich unsere Wege. Während meine Frau gemütlich auf dem breiten Wanderweg Richtung Kulm flaniert, versuche ich strikt der Gratkante zu folgen. Anfänglich noch grasig, folgt bald die erste Felsstufe (T5 II). Kurz darauf die erste Schlüsselstelle in Form eines zwei Meter langen Mini-Reitgrates und anschliessend ein ebenso kurzes Wändchen (II-III). Der Grat nähert sich nun wieder bedrohlich dem Wanderweg. Man kann allerdings knapp darüber zum nächsten Aufschwung balancieren. Dieser sieht anfänglich brüchig aus, erweist sich aber als ziemlich solide und einfach zu erklimmen. Es folgt die unausweichliche und definitive Annäherung des Grates an den Wanderweg. Den sich auf der Gegenseite auftürmenden Gratzacken schenke ich mir und steige auf dem breiten Pfad die Treppen hinunter zum Ausstieg des sogenannten „Lehrbubentomli“.
 
Ab hier beginnt das eigentlich Abenteuer. Über die Grasflanke führt ein überraschend gut zu erkennender Pfad hoch zur ersten Erhebung. Man kraxelt weiter dem Grat entlang über den nächsten Aufschwung und schon steht man auf dem Manndli (2091m). Ein absolut unspektakulärer Gipfel, vielleicht wird er auch deswegen so selten bestiegen. Der Abstieg in die folgende Scharte ist etwas anspruchsvoller als der Aufstieg, geht aber meines Erachtens nicht über ein sehr moderates T5 II hinaus. Von diesem Einschnitt könnte man über eine Grasflanke zum Wanderweg absteigen. Aber ans Absteigen denke ich noch lange nicht, der Grat geht weiter…
 
Nun wird es etwas anspruchsvoller und felsiger, aber immer noch im Genussbereich eines T5 II. Allerdings nur bis zum ersten tiefen Einschnitt. Ich bleibe hart am Grat, muss dann aber erkennen, dass es wegen dem glatten Felsen nicht mehr weiter geht. So klettere ich in einem Riss einige Meter südseitig ab, bevor ich mich wieder auf den Grat bugsieren kann (III-). Nun folgt weitere genüssliche Kletterei im zweiten Grat, teils weicht man in die Nordflanke aus. Und in der Zeit, als der SAC-Führer – aus dem ich diese Tourenidee habe – geschrieben wurde, turnte man wohl noch in dieser Manier weiter dem Grat entlang bis zum Oberhaupt. Heutzutage machen einem allerdings Radarstationen und Spritzbeton einen Strich durch die Rechnung…
 
Und bevor ich noch einen Militäreinsatz auslöse, gebe ich mich geschlagen. Ich weiss auch nicht, wie gesundheitlich unbedenklich es wäre, sich nur wenige Meter neben der Radarantenne am Zaun entlang zu hangeln. Vielleicht ist es kein Zufall, dass ich beim Erreichen der ersten Radarstation leichte Kopfschmerzen verspüre? Von hier kann man ohne gröbere Schwierigkeiten (T5 II) in der grasdurchsetzten Felsflanke – oder umgekehrt – an den Bullaugen vorbei absteigen. Neben einer Alpen-Goldrute erreiche ich schliesslich wieder den Wanderweg.
 
Wenige Minuten später stehen wir auf der Baustelle Pilatus-Kulm. Es herrscht touristische Stille, dafür dominiert der Baulärm. Das Gastronomieangebot beschränkt sich auf einen Getränkeautomaten. Dementsprechend kurz gestaltet sich unser Aufenthalt.
 
Der Abstieg führt uns an den Chilchsteinen (1865m) vorbei. Da ich wegen der nicht ganz durchgezogenen Gratüberschreitung noch genügend Energie in den Armen habe, erklettere ich den höchsten von diesen. Meines Erachtens ist dies der südliche der beiden auffälligen Brocken an der Nordost-Ecke des Felsenfeldes. Vom Grasboden zwischen diesen beiden Steinen sind es nur ein paar Kletterzüge im zweiten Grad auf den „Gipfel“.
 
Der weitere Abstieg auf der Fahrstrasse an den Alpen Laub, Fräkmünt und Schwandi vorbei gestaltet sich unspektakulär ohne weitere Klettereinlagen. Im Bergbeizli Lütoldsmatt gönnen wir uns Kaffee und Tee mit Kägi fret. Auch dem zum Verkauf angebotenen Bergkäse können wir nicht widerstehen…

 
Fazit: Eine der wenigen Gelegenheiten für diese Tour beim Schopf gepackt. Allfälligen Nachahmern möchte ich nochmals ans Herz legen, diese Überschreitung nur zu unternehmen, wenn der Wanderweg darunter menschenleer ist. Also entweder im Winter, wenn dieser offiziell gesperrt ist, oder alternativ im Sommer in den frühen Morgenstunden. Ansonsten gibt es auch im Pilatus genügend andere spannende Grate als Alternativen zum Herumturnen.
 

Tourengänger: Tobi, Lagopus


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