Wilder Ritt über den Wasserberg


Publiziert von Tobi , 9. November 2013 um 19:39.

Region: Welt » Schweiz » Schwyz
Tour Datum: 8 November 2013
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SZ 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 2050 m
Abstieg: 2050 m
Strecke:17.8km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Muotathal, hintere Brücke
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Muotathal, Post

Wie eine Rückenplatte des Stegosaurus erhebt sich der Wasserberg über dem Muotatal. Und genauso wild wie ein Ritt auf dem urzeitlichen Tier gestaltet sich die Überschreitung dieses Kamms. Zugegebenermassen habe ich das Unterfangen etwas unterschätzt und befand mich plötzlich in einer misslichen Lage…
 
In Muotathal (624m) marschiere ich von der Haltestelle cff logo Muotathal, hintere Brücke der Strasse entlang nach Hürital. Weiter auf dem Bergweg durch den Wald an den beiden Alpen Feden vorbei über Leiteren nach Wallis (1328m). Nun auf dem rot-weiss markierten Weg bis Wegscheidi und dort auf der Fahrstrasse zur Hütte bei Pt 1470. Ein Trampelpfad führt in südöstlicher Richtung zu einer Rinne. In dieser wandere ich der kalten Zugluft entgegen in die Höhe. Beim Abstecher auf den Höch Gütsch (1577m)mache ich zum ersten Mal Bekanntschaft mit der unübersichtlichen und überwachsenen Karstlandschaft.
 
Im gleichen Stil, also im Slalom um Karstlöcher und kleinere Schluchten geht es weglos weiter durchs Alpenrosendickicht aufs Arfelstöckli (1726m). Kein richtiger Berg, eher der Abschluss eines Grates, bevor dieser steil abbricht. Aber vom Tal unten könnte dieser Punkt durchaus einen imposanteren Eindruck machen. Ich markiere ihn mit einem morschen Stecken, vielleicht ist er nun von unten besser erkennbar.
 
Ich folge weiter der Abbruchkante in die Höhe. Besser wäre aber einige Duzend Meter links davon, so muss nicht jede Erhebung be- und vor allem wieder abgestiegen werden. Ab ca. 1500m wird der Schnee intensiver. Dies ist in diesem Gelände insbesondere mühsam, da man nun die Löcher nicht mehr sieht. Vorsicht ist deshalb geboten. Das Böllenstöckli (1885m) gewinnt man am einfachsten, wenn man sich an der nordöstlichen Kante orientiert.
 
Entlang dieser steige ich nach dem Gipfelbesuch auch wieder etwa 40 Höhenmeter ab und finde dort eine Schwachstelle, über die ich meinen Weg nach Süden fortsetzen kann. In ziemlich direkter Linie erreiche ich den Vorgipfel des Lauiberg (2035m). Auf diesem thront ein Gipfelkreuz samt Büchlein. Weiter auf dem breiten Rücken und über die Westkante (T5) auf den Hauptgipfel des Lauiberg (2138m). Hier steht ebenfalls ein Gipfelkreuz mit Büchlein. In diesem finde ich auch einen Hinweis zu einer Überschreitung des Wasserberges, allerdings in umgekehrter Richtung.
 
Der Abstieg erfolgt ebenfalls über den Westgrat. Anschliessend traversiere ich unter den Abbrüchen in der Nordflanke zum Änggen Tor (ca. 2100m). Von dieser Lücke quert ein Gemspfad ausgesetzt auf einem Grasband unter den Felsen nach Südwesten zu einem Sporn. Über diesen (T6) gelangt man auf den steilen Westgrat, auf dem zunächst über Steilgras und gegen Ende durch eine felsdurchsetzte Rinne der Pt 2271 des Wasserbergfirsts erreicht wird.
 
Ich balanciere weiter auf dem luftigen Grat bis zur Wetterstation. Für den anschliessenden Abstieg in die Scharte weicht man etwas in die Südflanke aus (T5+). Nach dem Gegenanstieg und weiteren genüsslichen Gratmetern werden die Pfadspuren immer deutlicher und ich stehe auf dem höchsten Punkt des Wasserbergfirst (2340.9m). Hier geniesse ich eine etwas längere Pause und sauge das fantastische Panorama auf.
 
In einem wilden und teilweise sehr ausgesetzten Auf und Ab folge ich weiter der Krete nach Osten. Bei der nächsten tiefen Kerbe muss ich in der Südflanke ziemlich weit absteigen, um die schneegefüllt Rinne zu umgehen. Im folgenden Aufstieg zurück auf den Grat entdecke ich einige verblühte Edelweisse. Der wilde Ritt auf dem Kamm geht weiter, Pt 2307 wird überschritten. Vor dem Pt 2220 muss ich nochmals etwas weiter absteigen und dafür in die Nordflanke ausweichen. Diese schattige Seite ist fast vollständig schneebedeckt. Die oberste Schicht ist dabei pickelhart gefroren, so dass ich nur mit vollem Krafteinsatz Tritte schlagen kann. Dafür sind diese umso solider. Der Gegenaufstieg zum Pt 2220 ist dann wieder unproblematischer.
 
Doch nun geht es fast 150m steil hinab in die nächste Scharte, dem Wit Tor. Auch hier liegt Schnee, doch dieser ist weich und tief. Vorsichtig taste ich mich abwärts. Dabei versuche ich mich eher an die aperen Stellen zu halten, wo ich an Stauden wieder sichereren Halt finde. Stellenweise treffe ich auch wieder auf hart gefrorenen Schnee. Es folgt eine heikle Querung im tiefen Schnee. Schon dabei habe ich ein mulmiges Gefühl. Im folgenden Abstieg wird der Schnee aber wieder pickelhart. Dies stimmt mich zunächst etwas zuversichtlicher, dass nun die Verhältnisse besser werden. Doch dann haue ich beim Schlagen eines Trittes plötzlich ein tiefes Loch in die Decke. Erst jetzt begreife ich, in welch heikle Situation ich mich manövriert habe! Die Schneedecke ist nicht wegen dem Untergrund gewellt. Ich befinde mich auf einer grossen abgerutschten Schneeplatte, welche keine feste Verbindung zum Untergrund hat! Eigentlich hätte mich schon das Fischmaul einige Meter neben mir misstrauisch machen sollen. Sofort blase ich zum Rückzug und verlasse die Gefahrenzone.
 
Es bleibt mir nichts anderes übrig als den Grat nochmals Revue passieren zu lassen. Und da ich keine Lust mehr auf weitere Abstiege ins Ungewisse habe, wandere ich zurück bis zur tiefen Scharte östlich des Hauptgipfels. Hier ist fast die gesamte Südflanke einsehbar und ich kann ohne weitere bösen Überraschungen direkten zum Träsmerenseeli (2049m) absteigen.
 
Ganz abgeschrieben habe ich aber die Gesamtüberschreitung doch noch nicht. Auf der Karte erkenne ich ein Band, auf welchem man das Wit Tor erreichen könnte. Vom Sattel beim Seelein quere ich über das Geröllfeld leicht absteigen bis auf ca. 2030m zu den Südabbrüchen des Wasserbergs. Dort kann ich auf das Band hochkraxeln. Ganz oben unter den Felsen treffe ich auf Wildwechsel. Diese sind bei der folgende Querung über die teilweise schneebedeckten Steilgraswiesen und Geröllfelder äusserst hilfreich. Nun steigt die Spannung. Nur noch eine Biegung und ich stehe in der Rinne, welche sich zum Wit Tor (2046m) hochzieht. Und diesmal ist mit der Wasserberg wohlgesonnen, mein Plan geht auf: In diesem Couloir kann ich tatsächlich bis in den Einschnitt hochklettern (T5, II).
 
Von hier aus ist der Geissstock (2086m) über die Nordflanke rasch erklommen. Dabei erhalte ich auch Einblick in die steile Gratflanke, in welcher ich umkehren musste. Auch wenn ich dort weitergekommen wäre, ganz in die Lücke hätte ich es wohl nicht geschafft. Am Ende hätte mich eine etwa 20m hohe feuchte Felswand erwartet. Wohl ein T6 der grimmigen Sorte!
 
Wieder zurück beim Wit Tor beginnt der teilweise mühsame Abstieg über das Geröllfeld nach Norden. Nur wenige Höhenmeter kann ich auf den Schneefeldern knieschonend hinuntergleiten. Über das Chüebändli erreiche ich die Alp Gigen (1713m). Bei der Hinderist Hütte (1596m) treffe ich auf den markierten Bergweg. Ich folge diesem durch die Heuplangg am Laueli (1212m) vorbei bis zum Brustgraben. Hier zweige ich auf die Fahrstrasse nach Siten (965m) ab. Von hier fliege ich flotten Schrittes über den Pfad durch den Sitenwald. Das Eindunkeln und der laubbedeckte Boden gestalten die Wegsuche nicht gerade einfach. So erwische ich auf ca. 780m einen falschen Abzweiger. Statt bei der Bushaltestelle cff logo Muotathal, Balm lande ich wieder beim Weiler Hürital. Von hier kenne ich wenigstens den Weg zurück nach Muotathal.
 
Zum Abschluss der Tour unterläuft mir aber nochmals ein Fehler, wie er nur einem Auswärtigen passieren kann: Da ich den Bus um wenige Minuten verpasst habe, wandere ich noch der Hauptstrasse entlang zur Konditorei bei der Post. Hier möchte ich mich mit Höllochchräpfli eindecken, doch die Verkäuferin belehrt mich, dass es diese nur bei der Konkurrenz gibt. Für die nächste Aktion im Muotathal lasse ich mich wohl besser von einem Local begleiten…
 
 
Fazit: Der Wasserberg hat mich positiv überrascht. Mit einer solchen Wildheit habe ich ehrlich gesagt nicht gerechnet. Die Gesamtüberschreitung ist mir zwar nicht zu 100% gelungen, aber die Umgehung von Süden her über das Grasband in das Wit Tor war eine elegante Notlösung. Meines Erachtens ist eine Überschreitung am ehesten bei absolut trockenen Verhältnissen vom Wit Tor her zum Änggen Tor möglich.
Alles in allem ein wirklich abwechslungsreicher Tag bei prächtigstem Herbstwetter. Einzig die nassen Füsse waren etwas unangenehm. Aber dies lässt sich wohl nicht vermeiden, wenn man einen ganzen Tag an einem Wasserberg herumwandert…
 

Tourengänger: Tobi
Communities: T6


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Kommentare (5)


Kommentar hinzufügen

Alpinist hat gesagt:
Gesendet am 9. November 2013 um 20:16
Hey Tobi.

Gratuliere zur Tour.
Du scheinst ja ein richtiger Fan von unserem schönen Muotital zu sein, ds schönscht Tal ämul Wält wiit......

Wänn widr äisch ä T6 Bergtour suächsch im Tal so hätt ich dä schönu diä äint und ander Tour für dich, mäld dich.

Zersch chund ez äisch dr Schnee, jupii, Erinnerungen an die Wasserberg Nordabfahrt klick hier

Tobi hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. November 2013 um 16:58
Hallo Cornel

Vielen Dank für die Gratulation und dein Angebot. Werde bei Bedarf gerne darauf zurückkommen. Im Muotatal gibt es wirklich noch einiges für mich zu entdecken. Aber zuerst kommt nun wohl definitiv der Schnee, und damit mein Winterschlaf - zumindest was das Alpinwandern betrifft...

Gruss Tobi

Henrik hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. November 2013 um 19:57
> mein Winterschlaf

Das werden wir wohl mit TuTen zu verhindern wissen!

TeamMoomin hat gesagt: Tolle
Gesendet am 11. November 2013 um 12:47
Tour hast du da gemerkt ist schon mal fürs nächste Jahr gespeichert, merci!

Lg Oli und Moomin

Tobi hat gesagt: RE:Tolle
Gesendet am 16. November 2013 um 10:18
Hallo zusammen

Bitte, gern geschehen und gleichfalls: Eure Touren ein paar Kilometer südöstlich davon habe ich mir fürs nächste Jahr auch gemerkt :-)

Gruss Tobi


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