Kumpfkarspitze (2393 m) - einsamstes Karwendel


Publiziert von 83_Stefan , 10. November 2013 um 17:07. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum:27 Oktober 2013
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1650 m
Abstieg: 1650 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Über die B2 von Mittenwald in Richtung Scharnitz. Noch vor der Grenze kleiner Parkplatz (kostenfrei) rechts der Straße. Die Parkgebühr-Wucherei in Scharnitz (6 Euro pro Tag!!!) ist eine Frechheit und wird von mir boykottiert.
Kartennummer:AV-Karte 5/1 - Karwendelgebirge West.

Auf den meisten Gipfeln tief im Inneren des Karwendelgebirges ist nicht gerade viel los - zu weit ist die Anreise, zu anstrengend ihre Besteigung. Dazu kommt dann auch noch die für diese Gebirgsgruppe typische Brüchigkeit des Gesteins, was gewisse Anforderungen an die Besteiger stellt. Einige wenige Gipfel werden sogar fast nie bestiegen und ein solcher ist die markante Kumpfkarspitze, die der Inntalkette nördlich vorgelagert ist. Jedem, der mit dem Rad ins Gleirschtal hinein fährt, fällt dieser wuchtige Felsberg sofort auf, aber die anspruchsvollen Anstiege reduzieren die Anzahl der Gipfelaspiranten drastisch und so kommt es, dass die Kumpfkarspitze nur alle paar Jahre Besuch erhält. Bergsteigen wie anno 1870 findet man dort, so wie man es sich in diesen bewegten Zeiten wünscht...

Von Scharnitz geht es mit dem Radl auf guter Schotterstraße an der Isar entlang bergauf bis zur Gleirschhöhe. Dort nach rechts abzweigend, bringt einen der Fahrweg hinunter zur Isar, die auf einer Brücke gequert wird. Jenseits steil bergan, bis an der Einmündung des Steigs in die Gleirschklamm das Gröbste überstanden ist. Von nun an leitet der Weg nur mehr schwach ansteigend im Gleirschtal weiter, an der Möslalm vorbei, bis zur Engstelle Bei der alten Sag, wo die Schotterstraße das Tal in einer Kehre verlässt, um die Engstelle zu umgehen. Ab hier wird's deutlich steiler. In der nächsten Kehre wird der Hauptweg verlassen und man folgt einem weiteren Forstweg bergan; dieser überquert das Angerbachl und führt in einigen Kehren hinauf ins Mannltal. Nach einer Rechtsschleife ist mit einer großen Wiese unterhalb des Steinkars nach langer Auffahrt das Radldepot erreicht.

Jetzt beginnt der ruppige Teil der Unternehmung, denn man muss ganz weit hinauf ins Steinkar. Am besten gelingt der Anstieg, wenn man sich unten in der Latschenzone rechts hält und unter dem Nordgrat der Kumpfkarspitze die Schuttströme zu einem markanten Baum quert, der mitten  in einer Schuttzunge fußt. Von dort über Grasrippen und Blockwerk in den hintersten Teil des Steinkars, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.

Wem auf dem Weg in den Kargrund rechter Hand eine steile Schuttreisse auffällt, dem sei zur Beruhigung gesagt, dass diese nicht zu steil für einer Begehung ist. Weniger beruhigend dürfte allerdings die Tatsache sein, dass man dies gleich selbst testen darf, denn genau da geht es auch hinauf. Dem Kumpfkarspitz-Aspiranten muss definitiv eine gehörige Portion Leidensfähigkeit innewohnen! Also steil hinauf durch die Schuttwüste, unten geht's einigermaßen gut, oben könnte man - je nach Gemüt - durchaus das eine oder andere Mal ins Fluchen kommen. Am Ende der Rinne müssen noch ein paar Meter auf steilen Schrofen zurückgelegt werden und man hat endlich die Kumpfkarscharte (Gedenktafel) erreicht. Erstaunlich ist, dass im oberen Teil der Reisse uralte, rote Farbpunkte zu finden sind, die den Weg zur Scharte weisen.

Von der Scharte geht's - einen Grataufschwung umgehend - auf der Westseite hinüber zu einer Seitengratscharte und von dort auf deutlichen Spuren durch die Westflanke weiter, bis der Hauptgrat durch begrünte Schrofen erreicht wird (Ende der vereinzelten roten Markierungen). Auf ihm weiter (bis I+), bis ein Grataufschwung den Weiterweg versperrt. Dort linkerhand einen Kamin hinauf (III-, brüchig), der auf einen Absatz führt. Über einen Plattenriss (III) nach rechts weiter hinauf und westlich unterhalb der Grathöhe weiter, wobei ein scharfer Seitengrat überstiegen und eine Schlucht auf einem Klemmblock überquert wird (bis II). Anschließend nach rechts auf den Hauptgrat hinauf und ausgesetzt mit reichlich Luft unter den Sohlen über einige Gratzacken hinweg (bis II+), bis der Grat senkrecht zu einer scharf eingeschnittenen Scharte abbricht. Einige Meter nach Westen absteigend gelangt man auf ein schmales Felsbändchen, von dem man über die glatte Wand in die Scharte absteigt (III+). Von der Scharte zieht eine Schlucht nach links unten, der man so lange bergab folgt, bis man unter der Felswand nach rechts in eine Rinne queren kann, die man nach oben verfolgt (bis II, brüchig, sehr steinschlaggefährdet). Wenige Meter nordwestlich des Gipfels erreicht man den Grat, über den man die Signalstange (mit Gipfelbuch) erreicht. Der höchste Punkt befindet sich ein paar Meter weiter südöstlich und lässt sich verhältnismäßig unschwierig erreichen (II). Passend zur Anstiegsroute zeigt sich hier oben ein wildes Ambiente - zackige Türme, tief eingerissene Scharten und mächtige, senkrecht aufgestellte Kalkplatten fesseln das Auge und auch die Aussicht ins Karwendel und zum Wettersteingebirge weiß zu überzeugen. Man könnte ewig hier oben bleiben, wenn der Rückweg nicht wäre!

Der Abstieg verläuft auf der Anstiegsroute. Vor allem im Kamin ist wegen des brüchigen Gesteins nochmal volle Konzentration gefragt. Der Abstieg von der Kumpfkarscharte ins Steinkar gleicht einem Abflug, denn im oberen Bereich ist der Schutt für eine Abfahrt ausgezeichnet geeignet, unten wird's dann blockiger. Die Rückfahrt nach Scharnitz ist dann - mit Ausnahme des Gegenanstiegs zur Gleirschhöhe - nur noch ein Genuss. Eine wilde, schöne Tour liegt hinter uns!

Schwierigkeiten:
Von Scharnitz zum Beginn des Steinkars: L (stets gut fahrbar).
Via Steinkar und Südgrat zur Kumpfkarspitze: T6, III+ (Gelände meist nicht übermäßig heikel, durch die technischen Schwierigkeiten aber hart an der Grenze zu T6+).

Fazit:
Eine unvergessliche 4*-Tour in wildem Ambiente. Bereits im Steinkar fesselt die düstere Atmosphäre, die die umliegenden, zerrissenen und aus teils senkrecht geschichteten Kalkplatten bestehenden Wände erzeugen. Der Gipfelanstieg führt durch ein wahres Felslabyrinth und verlangt sehr gutes Orientierungsvermögen - hier kann man sich böse versteigen. Aufgrund der langen Anfahrt, dem sehr anstrengenden Anstieg zur Kumpfkarscharte und der technischen Anforderungen wird die Kumpfkarspitze sicherlich nicht zur Modetour werden. Eine Unternehmung mit Einsamkeitsgarantie!

Mit auf Tour: ADI, Uwe und Yeti69.

Anmerkungen:
Die Route hat Uwe bei seinem Besuch auf der Kumpfkarspitze im Sommer gefunden. Ihm hat die Tour so gut gefallen, dass er sie unbedingt nochmal in diesem Jahr gehen wollte. Gut für uns, so mussten wir die Route nicht lange suchen. Vielen Dank, lieber Uwe!
Auch Otto Melzer war um 1900 an der Kumpfkarspitze unterwegs... und hat dort einen Kameraden verloren!
In älteren Karten und im AV-Führer hat die Kumpfkarspitze eine Höhe von 2375 m.
Kamerazeit = Sommerzeit (MEZ+1).

Kategorien: Karwendel, bike and hike, 4*-Tour, 2300er, T6.


Tourengänger: ADI, 83_Stefan, Yeti69


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Geodaten
 18532.kml Tourenskizze (kein GPS)

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Kommentare (9)


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trainman hat gesagt:
Gesendet am 10. November 2013 um 18:47
Schöne Bilder aus einer bizarren Welt, wegen der offensichtlich enormen Schwierigkeiten für mich aber nicht zugänglich. Bis zur ersten Scharte würde ich wohl noch kommen, dann wäre Endstation.
Grüsse Emil

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. November 2013 um 07:24
Hallo Emil, vielen Dank für deinen Kommentar! Es handelt sich genau wie du sagst um eine bizarre Landschaft dort oben mit vielen Türmchen und Nadeln. Aber sei beruhigt - es gibt auch andere schöne Ecken und man muss schließlich nicht überall gewesen sein! Viele Grüße vom Kochelsee!

Bergfex78 hat gesagt:
Gesendet am 12. November 2013 um 20:51
Eine tolle Tour! Zu so einer schönen Unternehmung kann man nur gratulieren!

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. November 2013 um 15:17
Vielen Dank! War schon eine schöne Sache!

Nic hat gesagt:
Gesendet am 13. November 2013 um 09:27
Tolle Leistung! Schöner Bericht über einen der letzten unbekannten Gipfel im Karwendel. Nun fehlen ja nicht mehr viele und der Adi hat sie alle voll. Klasse! Wie habt ihr gesichert? Waren Haken vorhanden? Auf Grund der Brüchigkeit wohl eine große Herausforderung...Für mich als Leser das persönliche Highlight des Jahres.

Weiter so! VG Nico

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. November 2013 um 15:19
Hi Nic! Danke! Wir haben nur an wenigen Schlüsselstellen ein Seil befestigt und jeder konnte entscheiden, ob er's verwendet oder nicht. Es gibt eigentlich überall ausreichend natürliche Sicherungsmöglichkeiten, Haken gibt's nicht. Für wen denn auch... da geht ja kein Mensch hin ;-) !

Chiemgauer hat gesagt: Selbst zum ersten Mal im Gleirschtal
Gesendet am 13. November 2013 um 17:25
und dann verpasst man sich mal wieder nur um einen Tag. Ich habe allerding ein deutlich gemütlicheres Ziel gleich zu Talbeginn gewählt.

83_Stefan hat gesagt: RE:Selbst zum ersten Mal im Gleirschtal
Gesendet am 15. November 2013 um 15:20
Hallo Chiemgauer! Aber wenigstens hast du dann den sonnigeren Tag erwischt. Bei uns war das Wetter nicht mehr so der Renner...

antenberg hat gesagt: Grandiose Tour ...
Gesendet am 30. März 2017 um 22:42
... und super Bilder! Bin zufällig auf diese Tour gestoßen, war als Student mal im Karwendel und war begeistert. Nun will ich mit meiner Brigitteendloch mal hin, ist aber von Reichenhall ein ganzes Stück Anfahrt. Aber solche Bilder... ;-)
Grüße aus dem Rollatorparadies ;-)


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