Nordschär Nordwand


Publiziert von ossi , 24. November 2011 um 16:05.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum: 8 November 2011
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: S
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG   Speer-Mattstock 
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Der Goggeien Hauptsattel ist 700 HM von der nächsten Postbus-Haltestelle entfernt (ca. 2 Std. von Stein).
Kartennummer:1:25000 Walensee

…oder besser: Nordostschär Nordwestwand      
 
Im Abstieg von dieser Tour hatte ich dieses Grasband in der Nordwand der Nordschär erblickt: Liebe auf den ersten Blick, ein Begehungsversuch stand ausser Frage. Für diese eher landwirtschaftlich orientierte Tour kam eigentlich nur ein Begleiter in Frage: 2bd.
 
Allgemeines: Das Grasband durchreisst beinahe die ganze Nordflanke der Nordschär und ist im gehobenen oberen T6-Bereich zu haben. Der Einstieg ins Band stellt allerdings einige weitere Anforderungen an Trittsicherheit, Klettergeschick und setzt –jedenfalls auf unserer versuchten Einstiegsvariante- eine gehörige Portion Vorstiegsmoral voraus. Im letzten Drittel wird das Grasband über einen sehr schönen und erfreulicherweise einigermassen soliden Riss auf den Westgrat verlassen. Die letzten Meter über den Westgrat bzw. den obersten Teil der Nordwand führen durch festes Gestein. Auf der Route findet man einige wenige Normalhaken sehr unterschiedlicher Qualität: Man sollte sich in jedem Fall darauf vorbereiten, die Tour über weite Strecken selber abzusichern.
 
Das Grasband ist vermutlich über verschiedene Varianten erreichbar. Wir wählen einen versteckten, grasigen Kamin, der direkt aufs Grasband hochführt. Man erreicht den Kamin, indem man vom Goggeien Hauptsattel wenige Meter in die Nordwestflanke absteigt und unter die Nordwand der Nordschär quert (5min vom Hauptsattel).
 
1. SL IV oder T8-: Botanisches Erlebnis der Extraklasse, sollte man besser nur einmal im Leben erfahren. Ein beinahe senkrechter Kamin zieht ca. 15m gerade hoch aufs Grasband. Neben brüchigem Fels findet man vor allem viel Moos, zwei Bäumchen und als Schlüsselgriffe zwei Fenchel und eine erntereife Aubergine. Zwei gute Normalhaken im unteren Teil des Kamins beruhigen das schwache Herz. Stand mit Friend und Keil in einem Riss auf dem Grasband.
 
2. SL III oder T6+: Wir beklettern das Band zuerst über die kompakte, schöne Platte. Dank eines Risses zur Linken lässt sich die Platte gut absichern. Später wechseln wir rechtshaltend in grasigeres Gelände (Baumschlingen) und dringen in reiches Buschwerk ein, wo wir schliesslich zuoberst an einem soliden Stamm Stand machen: das Dschungelcamp. Ganze SL ca. 35m. Eine Seillänge für Hobbygärtner.
 
3. SL IV, 20m: schöner Riss, der zum Westgrat hochführt. Einige rostige Normalhaken vorhanden. Der Fels ist zwar gut, man prüft Griffe und Tritte dennoch ganz gerne. Etwas fantasievoll kreierter Stand auf einer tollen Plattform auf dem Westgrat.
 
4. SL III+: ca. 10m. Zuerst kommt der bei „Nordschär-Westgrat-Besteigern“ berühmte Spreizschritt. Anstatt den letzten Aufschwung entlang des Bohrhakens zu wählen, queren wir etwa drei Meter weiter in die Nordwand zurück und besteigen den Gipfel über einen breiten, kurzen und soliden Riss.
 
Und dann der Moment, der kommen muss und den man sich dennoch nie herbeisehnt: Der erste Flug in einen selber gelegten Keil, der halten muss…
Anstelle des IV-er-Risses in der dritten SL wollte ich einen anderen, senkrecht nach oben führenden Riss klettern. Machbar schien er, auch absicherbar, weshalb also nicht versuchen. Während des erfolglosen Legens eines Friends brach unter meinem Fuss ein Tritt weg und ich krachte in einen kaum einen Meter unter mir gelegten Keil rein: Eindrücklich, dass aus dieser kurzen Distanz zur letzten Sicherung ein Sturz von etwa sechs Metern resultierte. Der Keil liess sich natürlich nicht mehr rausfummeln. Allfällige Nordwand-Aspiranten finden im erwähnten Riss ausser meinem Keil –den ich hiermit offiziell als Fixkeil der Nachwelt vermache- vermutlich keine weiteren Sicherungen.


Herzlichen Dank  2bd, dass Dein kulinarisch hochgebildeter Gaumen diese Tour zu schätzen weiss.

Tourengänger: ossi, 2bd
Communities: T6


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Kommentare (3)


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Alpin_Rise hat gesagt: Goggeietarier
Gesendet am 24. November 2011 um 18:00
Gopferteckel, wenn dir das WIRKLICH gefällt, wirst du am Haggenspitz Ostsporn deine Freude haben.

Danke für die unterhaltsame grüne Lektüre,
G, Rise

Henrik hat gesagt: ....Küche und Garten
Gesendet am 24. November 2011 um 19:13
...vielleicht sollten die Raumplaner mal in den Fels ...

Sehr amüsante Darstellung aktionreichens Unternehmens ...nichts für mich, sehr gut für andere!

Gruess

silberquäki

2bd hat gesagt: Oh ossi!
Gesendet am 20. Dezember 2011 um 16:23
Deine Schilderung unseres gemeinsamen Abenteuers ist fast so genial, wie die Tour selbst. Absolut authentisch deine Schilderung der ersten Seillänge, die dasselbe schallende Gelächter wieder hervorholt, das uns der Anblick und die Besteigung des «hängenden Gartens von Goggeien» entlockte. Das winzige Föhrelein – oder wars der Fenchel? –, dem wir zu Recht 100 pro vertrauten und uns an ihm über den Abgrund schwangen. Der zwischenzeitige Ausstieg aus dem Kamin, wo im Senkrechten Tritte und Griffe aus Moos warteten … Manche nennen das vielleicht Galgenhumor. Wir hatten jeden falls einen Mordspass (nicht wörtlich zu nehmen). Es war schlicht einmalig!


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