Auf den Grinden ist immer Musik im Wetter


Publiziert von Schubi , 20. März 2025 um 16:17.

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Schwarzwald
Tour Datum:27 Februar 2025
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Aufstieg: 258 m
Abstieg: 258 m
Strecke:10,4 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz Mummelsee an der Schwarzwaldhochstraße
Zufahrt zum Ankunftspunkt:s.o.

Ich weiß, ich wiederhole mich :-/ Aber wie bereits im Titel eines *früheren Berichts und auch sonst bei Besuchen der  Hornisgrinde habe ich neulich erneut festgestellt: auf diesem Berg ist die Geschwindigkeit von Wetter- und Wolken-Wechsel stets beeindruckend. Vor allem in Anbetracht seiner gar nicht mal so sensationellen Höhe von 1164 m – und der Tatsache, dass er nur ein Mittelgebirgsgipfel ist. Hauptgrund dürfte wohl seine offene Exposition nach Westen sein, und Dank der Senke von Saverne drüben in den Vogesen kann das atlantische Wetter hindernisfrei "Durchfahren" bis an den Berg, sowie folgend an ihm reagieren. *An anderer Stelle bin ich darauf mal detaillierter eingegangen. Während unten in der Rheinebene sich stundenlang nix ändert, ist oben großes Kino und Drama in fünf Akten. Ganz so, wie es an einem Massiv mit Prägnanz halt zugeht ;-) Im Sinne von Abwechslung trifft man dort also fast immer auf Musik im Wetter, und das ebenso auf den benachbart-angegliederten Erhebungen  Obergrind,  Kleine Grinde und  Katzenkopf. Sehr stimmungsvoll reflektiert werden diese Wetterlaunen von der karg-zerzausten Vegetation auf ihnen, denn hier findet sich aufgrund von Höhe, Exposition und Boden die recht spezielle Landschaftsform der sog. Grinde, einer Feuchtheide. Die jahrhundertelange Viehhaltung auf den Hochflächen trug das Übrige dazu bei, dass die Plateaus nicht verwaldeten und man sich heute eher in einer skandinavischen Landschaft wähnt, denn in einer badischen. Ende Februar nun gab es in der Prognose mal wieder die Kombi Schneefall mit nachfolgender Aufheiterung (jetzt hab ich unbeabsichtigt noch ein Wortspiel verbaut ;-), also mal losgestiefelt.

Für frohe Momente auf musikalischen Bergen hat der famose Bert Kaempfert That Happy Feeling geschrieben, und also ist dies der Berichts-Soundtrack.

Ab Startpunkt Mummelsee bei tiefen Wolken zunächst recht eben nach Osten bis zum Seibelseckle-Sattel. Nach Norden gewandt, leicht ansteigend ins namenlose Kar, das zwischen Hornisgrinde und Obergrind sitzt und hoch in die Flanke der Letzeren. Zwischendurch kurze Aufhellungen, in denen die Sonne sich durch eine Wolkenlücke meldet. Schön zugeschneit ist alles, 20-30 cm feiner Pulver. Zwischen den Bäumen erste ferne Blicke. An der Wegverzweigung der Obergrind-Ostnase gen Nordwest geschwenkt und weiterhin leicht ansteigend den Buckel des Bergs herauf. Der hier in den schneefreien Monaten eh schon unauffällige Pfad ist oft kaum auszumachen im gut eingeschneiten Terrain. Ab hier wären sicherlich auch die Schneeschuhe hilfreich – ich Depp lass' sie im Kofferraum liegen :-I Über die kaum wahrnehmbare höchste Stelle der Obergind (1091 m) geht es dann bald ihre Westseite herab. Die zunehmend präsenten Latschenkiefern rücken nun immer näher an mich und den Pfad heran, nehmen schliesslich das gesamte Terrain ein. Mitunter "verschwindet" die Pfadtrasse ganz. Ich vermute das kommt dadurch, dass die Schneelast die flexiblen Latschenzweige runter drückt und so das Gewächs "breiter" macht, sprich, die eh schon schmale Latschengasse wird zugesperrt. Ohne GPS würde hier das Vorankommen in ziemliche Sucherei ausarten. So oder so ist es eine arge Durchwurschtel-, Drüber- und Druntersteigerei. Im Kieneck-Sattel dann entlang eines kleinen Hochmoors, inzwischen ist Nebel hereingezogen, tolle gespenstische Stimmung.

Vom Sattel herauf in die Südostflanke der Hornisgrinde. Am anschliessend angetroffenen Pfad bin ich etwas baff ob des (temporären) Sperrungs-Hinweis aus Wildschutzgründen, er ist für Geher aus der anderen Richtung angebracht. Auf der OSM-Karte war der Verbindungspfad vom Sattel hoch nicht als gesperrt angezeigt, lediglich ein weiterer Weg, etwas unterhalb. Am Kieneck-Sattel waren ebenfalls keine Sperrungs-Hinweise, seltsam. Weiterhin neblig hoch zum Dreifürstenstein. Ein flacher Sandsteinblock markierte hier das Aufeinandertreffen der Territorien des Strasbourger Fürstbischofs mit den badischen und württembergischen Herrschaftsgebieten. Schneefall setzt ein, ich beschliesse, erstmal geradaus durch zur Grindehütte zu gehen, und dort bei einem Heißgetränk sein Ende abzuwarten. Nach vielleicht 45 Minuten bemerke ich draussen eine Helligkeits-Änderung. Also rasch bezahlt und zum Aussichtspunkt an der Südwestecke des Hornisgrinde-Plateaus. Top Timing: direkt vor mir reißt ein Loch in die Wolken und macht den Blick runter zur Rheinebene frei :o) Über mir blauer Himmel ... 20 Sekunden später ist wieder alles zu :-/

Aber ein Anfang ist gemacht und die nächsten Stunden bis zum Ende der Tour wird mich ein steter Wechsel von Licht, Wolken und Nebel begleiten, mit Tendenz in die – haha – Aufheiterung ;o) Musik im Wetter halt. Vorbei an meinen alten Kiefern-Freunden geht es nun im Zwielicht von Nebel, durch den die Sonne drückt, herüber zur Ostkante des Plateaus. Nach dem obligatorischen Blick in das dortige Biberkessel-Kar dann entlang der Ostseite gen Norden, runter in den Sattel mit dem SWR-Funkturm drin, und mit fernen Blicken gen Nordost, weiterhin pfadig herauf auf die Kuppe der Kleinen Grinde (1136 m). Auch hier reißen die Wolken mehrmals – jedoch immer nur kurz – für einen Blick zur Rheinebene auf. Aber fast noch interessanter ist das erwähnte Zwielicht: Die in das Berg-Plateau geschobenen Wolken sind unterschiedlich dick/dicht und somit wechselt auch die Lichtstimmung ständig: in einer dicken Wolke ist, zusammen mit dem Schnee, alles hell und geht ineinander über. In einer dünnen Nebelschicht wiederum drückt die Sonne prägnant durch und gibt der Vegetation und dem Terrain eine sehr eigene Plastizität. Viele Momente des Staunens (ich schreib hier aus der Sicht des Fotografierenden, für alte Bergsteiger-Hasen ist so eine Stimmung ja nix besonderes mehr ...). Auf der Kleinen Grinde ein Wendepunkt der Tour: nun zunächst ein kurzes Stück auf Asphalt, retour in den Sattel und auf dem Fahrweg weiter südwärts, hoch zum Windrad und dahinter zum Pfad an der Westkante des Plateaus. Dieser bezaubert mit Wechsel aus offenen und waldigen Abschnitten. Auch hier kurze Blicke durch einen "Wolken-Sehschlitz" runter in die Rheinebene. Aber halt immer nur momenthaft. Dafür auch mal links hoch gestiegne auf den Felspfad an der Bergwacht. Netterweise kündigt sich ein Aufreissen ja immer mit einer Aufhellung an ... 

Weiter zur nächsten Wegspinne, wieder im Wald drin. Und wie immer den informellen Pfad rüber zum Katzenkopf (1123 m) genommen. Angekommen an seinen Felsblöcken hängt da zunächst noch Nebel drin, durch den aber die Sonne als diffuse Kontur warmes Licht schiebt, inzwischen steht sie schon tief. Da kündigt sich doch wieder was Dramatisches an?!? Fix auf den höchsten Block gestiegen und jep: nun folgt ein Drama aus schnellem Licht-Wolken-Nebel-Wechsel, wie ich es lange nimmer erlebt hab – ein wirkliches grandioses Schauspiel. Den Rahmen dafür bilden die frisch verschneiten Felsen und Fichten. Über mir und im Süden ist der Himmel schon aufgerissen und schimmert blau. Wunderschön, wie der Wind nun Wolken neben und unter mir vorbeischiebt, golden und rötlich von der nun schon tiefstehenden Sonne gefärbt. Ich komme mit dem Staunen und Fotografieren kaum hinterher. In einem Moment ist der ferne Blick in die Rheinebene da und alles strahlt farbkräftig, im nächsten stehe ich wieder im dichten, pastell-goldenen Wolkennebel. Der Katzenkopf ist schon eine der schönsten, wetterigsten Stellen im Schwarzwald. Die Wolken ziehen hier ggf. auch deswegen schneller durch, weil direkt nebenan der Seibelseckle-Sattel ins Einzugsgebiet des Murgtals überleitet. Vor lauter Staunen merkt man gar nicht, wie langsam die Füße auskühlen ... aber wurscht, das hier ist ganz großes Natur-Kino und ich bleibe eine ganze Weile auf dem Block. Wie erwähnt geht trotz allem Wechsels die Gesamtrichtung des Wetters ins Aufklarende und unter einem sattblauen Abendhimmel stiefle ich dann doch mal weiter, durch das urige Ambiente dieser Bergnase auf den Sonnenuntergang zu, er wird wie immer gerahmt von den Höhenzügen der Vogesen drüben im Westen. Toll auch, wie der Rhein in seiner breiten Ebene das Himmelslicht aufspiegelt. Hinter dem Startpunkt der Gleitschirmflieger den kurzen, aber steilen Steig herab zum markierten Pfad genommen. Schliesslich unten um den Katzenkopf-Steilhang herum und ganz herab zum Ausgangspunkt der Tour am Mummelsee.

Fazit: was soll ich groß schreiben ... auf den Grinden ist halt immer Musik im Wetter :-)

Tourengänger: Schubi
Communities: Photographie


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Kommentare (4)


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F3ttmull hat gesagt:
Gesendet am 20. März 2025 um 16:35
Wunderschöne Fotos, Schubi! Die Hornisgrinde kenne ich nur aus dem Sommer, im Winter war ich dort bisher nicht. Da ist mir der Kniebis doch lieber mit seinen Loipen :)
Aber für eine kurze Winterwanderung bin ich meist bei Bad Wildbad unterwegs.

Schubi hat gesagt: RE:
Gesendet am 20. März 2025 um 19:37
Ganz herzlichen Dank! Dein Lob geb ich gerne weiter an Berg und Wetter ;-)

detlefpalm hat gesagt: Kämpfert
Gesendet am 21. März 2025 um 20:33
Da hast du ja einen Schinken aus der Versenkung gezogen, von 1962. Alle Achtung - das war schon 25 Jahre vor Graceland von Paul Simon!

Schubi hat gesagt: RE:Kämpfert
Gesendet am 22. März 2025 um 07:44
Na, für Wetterlaunen und easy Mittelgebirgsgipfel passt der Track halt gut :-)
Der Sound von Kaempfert erinnert mich iwie an meine Kindheit in den Siebzigern.
Er war ja eine der Größen des Genres Easy Listening, kam aber eigentlich aus dem Jazz. Was beim Hören seiner Stücke als leichtgängig-eingängig ankommt, war bei Kaempfert tatsächlich ziemlich ausgefuchst komponiert und aufwendig arrangiert.


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