Guffert Westgrat - Alternativzustieg über die Nordwestrinne


Publiziert von Herr_Hase , 1. August 2024 um 21:51.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Rofangebirge und Brandenberger Alpen
Tour Datum:30 Juli 2024
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m
Strecke:11 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Achenkirch Richtung Steinberg fahren bis zum Parkplatz Waldfrieden ca. 5,3 km nach der Abzweigung von der B181 bzw. mit dem Bus zur gleichnamigen Haltestelle. Kleingeld für Parkautomaten nicht vergessen!

Der Guffert Westgrat ist eine wunderschöne Klettertour. Zwei Punkte aber mindern ihre Attraktivität, wenn man von Steinberg aus startet: Die lange Latschenquerung über einen ziemlich verwachsenen Steig durch die Südflanke im Zustieg und der Umstand, dass der Abstieg über den südseitigen Normalweg an Sommernachmittagen zu einem eineinhalbstündigen Saunagang mit Latschenkieferaufguss wird.

Auf der Suche nach Alternativen wählte ich als Startpunkt die untere Bergalm bzw. die Bushaltestelle "Waldfrieden" oder den angrenzenden Parkplatz und stieg über die Nordwestflanke des Berges auf, die am Vormittag angenehm lange im Schatten liegt. So entstand die leichte Klettertour "Nordwestrinne" in zwei Varianten, deren unterer Teil für den hier vorgestellten Alternativzustieg zum Guffert Westgrat genutzt wird. Als Rückweg bietet sich dann der Nordabstieg Richtung Issalm an - ein Nordhang heizt sich auch im Sommer wesentlich weniger auf - und inzwischen für Leute mit ausreichend Kraftreserven auch "mein" kürzerer, aber knackigerer Abstieg durch die Nordflanke. 

Soweit die Vorgeschichte...
Rund zwei Jahre nach meinem ersten Versuch, einen Durchstieg von der Nordwestrinne zum Westgrateinstieg zu finden, war es an der Zeit, die Sache weiterzuverfolgen. Eigentlich wollte ich an diesem Juli-Nachmittag endlich zum zweiten Mal die linke Variante der Nordwestrinne begehen. Beim ersten Mal hatte ich einen Abstecher Richtung Westgrateinstieg gemacht, war aber nach vielleicht knapp 100 m Querung nicht mehr weitergekommen und wollte auch nicht zuviel Energie darauf verwenden - schließlich hatte ich keine Ahnung, was mich bei dem unbekannten Nordwest-Aufstieg noch erwartete.
 
Vorgestern dann traf ich nahe der Jagdhütte völlig zufällig auf Gerold. Wir unterhielten uns sehr gut und hätten das stundenlang fortsetzen können, wären nicht für mich und meine Pläne die Sonnenstunden so langsam knapp geworden - es war ja schon 16:30 Uhr. Also stieg ich frisch motiviert weiter und entschied mich in der Nordwestrinne, statt der linken Variante (die er an dem Tag gemacht hatte) und des Nordwestturms erstmal den Westgrateinstieg anzupeilen - diesmal mit Erfolg.
 
Update 4.9.24
Es geht noch wesentlich einfacher und direkter:
(Zum Aufstieg haben Gerold -geroldh- und Carsten -frecar- ihre Ideen beigesteuert, die Querung habe ich heute vereinfacht)
Dem Steig Richtung Issalm ca. 30 bis 35 min folgen, bis er von einer "Baumschleppspur" überquert wird.
Hier ist rechter Hand ein Kahlschlag und man sieht sehr gut hinauf zu den Felsen.
Der Schleppspur aufwärts folgen über fast die gesamte Lichtung.
Gegen Ende links in den Wald wechseln und noch ca. 50 hm über das Ende der Lichtung hinaus aufsteigen.
Dann auf ca 1370 m üNN über eine Wildspur nach links in die Nordwestrinne steigen.
Dieser folgen bis auf ca. 1450 m, hier dem rechten Rinnenast folgen.
In diesem bis kurz vor die Felswand aufsteigen. Wenn man rechts den Steinmann sieht wie im Bild 29, ist man richtig.
Vom Steinmann ziemlich waagrecht queren, bis sich nach rund 30 m eine Felsrippe in den Weg stellt.
In dieser Querung ist gleich zu Beginn eine etwas schwierigere Stelle, die sich aber untenrum umgehen lässt.
Die Felsrippe ca. 5 m absteigend umgehen (das ist die mit dem Klemmblock). Fun fact: Ca. 10 m unterm Klemmblock lässt sich das ganze Ding völlig problemlos umgehen, die Ergebnisse meines Getüftels unter Zeitdruck vom letzten Mal sind komplett fürn Eimer.
Danach ca. 15 m schräg ansteigen zu einem Latschendurchschlupf.
Nach dem Latschendurchschlupf weitere 10 m ansteigen, um ein Latschenfeld zu umgehen.
Jenseits 3 m hinunter, dann kurzer Anstieg zu einer Platte.
Über die Platte (III oder mit Latschenhilfe) hinauf, dann ca. 15 m queren zum Westgrateinstieg.
Die ganze Querung dauert jetzt nur rund 5 bis 7 Minuten.

Zustieg (alte Version - Bericht wird demnächst überarbeitet):
Von der Bushaltestelle "Waldfrieden" bzw. dem angrenzenden Parkplatz ca. 3,5 km vor Steinberg folgt man ca. 2,7 km und 350 hm weit dem Steig Richtung Issalm, je nach Tempo ca. 45 Minuten bis gut eine Stunde lang. Bevor man ihn verlässt, führt der Weg längere Zeit durch Hochwald. Wenn sich dieser lichtet und auf der linken Seite eine Schlucht erkennbar ist, steht irgendwann auf einer Höhe von ca. 1350 m ein völlig bemooster Baum links am Weg. Jetzt heißt es genau auf den rechten Wegesrand achten: Dort beginnt ein Jagdsteig, der einem im Vorbeigehen sonst kaum auffällt, ungefähr an der Position N 47.553522 O 11.771668. Dieser leitet in ca. 5 Minuten zu einer gut 100 m südlich versteckt im Wald stehenden Jagdhütte. Hier ist auch ein Brunnen, der allerdings in längeren Trockenperioden versiegt. Gerold hat bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen: An der Hütte befindet sich eine Überwachungskamera, ein Stück vor der Hütte eine Fotofalle. Also verkleidet Euch am besten als Braunbär oder seid anderweitig kreativ, damit der Jäger was zu gucken hat.
 
Nun die üblichen Hinweise: Unmarkierte Tour, gutes Orientierungsvermögen im alpinen Steilgelände erforderlich. Beschreibung nach bestem Wissen und Gewissen, Wiederholung auf eigene Gefahr!
 
Wer seine Kletterfähigkeiten richtig einschätzt, für die oder den besteht die größte Gefahr auf dieser Tour durch Steinschlag in der Rinne, ausgelöst in der Regel durch Gemsen. Ich habe einmal erlebt, wie eine Gemse oberhalb des zweiten Steilabsatzes herumgeturnt ist, also quasi kurz nach Beginn der rechten Variante der Tour "Nordwestrinne". Zum Glück habe ich die Gefahr erahnt und mich hinter einem Felsblock in Sicherheit gebracht. Erst war eine Geröllbewegung zu hören, nach ein paar Sekunden gab es ein Heulen in der Luft,  und wenig später flog ein vielleicht handballgroßer Stein in atemberaubender Geschwindigkeit vorbei. Seitdem versuche ich die Tiere durch Pfiffe und Klatschen möglichst frühzeitig zu vertreiben.
 
Von der Jagdhütte aus führt ein Steig waagrecht nach Süden zu einer Art Holzplatz. Dort biegt man halblinks ab bzw. steigt den Hang nun schräg nach rechts hinauf, um auf einer Höhe von ca. 1480 m über eine Gamsspur in die Rinne hinabsteigen zu können. Deren Flanke ist ober- und unterhalb steiler oder die Latschen schwerer zu durchqueren, so dass man die richtige Stelle finden sollte.
 
In der Rinne sind ein paar steilere Absätze (II) in schöner Kletterei zu überwinden, meist geht es im Gehgelände bergauf. Oben weitet sich die Rinne, dort lässt sie sich zunächst in der Mitte gut begehen, an der Teilung hält man sich rechts und am Ende (unterhalb des ersten Steilaufschwungs) steigt man über Platten nach rechts hinaus auf Graspolster. 
 
Man umrundet eine Latschengruppe rechts, geht auf einem Grasband zurück an den Rand der Rinne und steigt über den Felssporn an deren Rand höher (II). Über eine weitere kleine Platte geht es wiederum rechts von Latschen höher, bis man oberhalb zurück nach links in die hier wieder flache Rinne queren könnte.

Statt dessen wendet man sich nun aber nach rechts (siehe Bild 4) und beginnt mit der Querung nach Südwesten. Nach einem problemlosen Latschendurchstieg geht es zwei Mal leicht fallend über schöne Platten weiter, bis man sich zwischen einer Latschengasse bergauf und einer bergab entscheiden kann. Long story short: Hier geht es nicht weiter. Beide sind sehr zugewachsen und der Untergrund tief erdig. Man befindet sich quasi in der rechten unteren Ecke der zweiten Platte und muss nun deren rechtem Rand nach oben folgen zu einem halbwegs begehbaren Latschendurchschlupf von wenigen Metern in der rechten oberen Ecke.

Jenseits geht es ein paar Meter nach rechts, dann folgt wieder ein Aufstieg im Zickzack über die nächste Platte (in Bild 2 nicht genau gezeichnet!). Das zu querende Gelände ist sicher auf verschiedenen Wegen begehbar. Grundsätzlich gilt: eher bergauf als bergab halten, wenn man Latschenkampf vermeiden will. Zum weiteren Wegverlauf bitte die Bilder beachten! Irgendwann kommt man zu einem Klemmblock und muss davor ein ca. 3 m tiefes "Loch" (Ansatz einer Rinne) durchklettern. Sieht erst ungut aus, geht dann doch, bringt aber nichts! Denn jenseits des Klemmblocks geht es ein paar Meter zu wild bergab - jedenfalls für mein Kletterkönnen. Die Lösung war, einige Meter (vielleicht 10 bis 20) zurückzugehen, bis eine steile schrofige Flanke aufwärts führt zu einer charakteristischen Nische in der Felswand darüber, siehe Bild.

Diese Flanke war - neben der Aussicht auf meinen ersten Abstieg durch die Nordflanke, wenn ich es noch zum Gipfel schaffe - der zweite Grund, an diesem Tag nicht mehr nach einem Zustieg zum Nordwestturm zu suchen. Denn dazu hätte ich sie wieder abklettern müssen und das wirkte von oben nicht so angenehm. Wer sich eventuell über diese Stelle wieder zurückziehen muss, weil der Westgrat zu schwierig wird, sollte vorsichtshalber ein Seil mitnehmen (Latschen sind oberhalb vorhanden). Das gehört für eine erste Westgratbegehung aber sowieso ins Gepäck. Es muss nicht gleich 60 m lang sein und 10 oder wieviel Normstürze vertragen, aber 20 m Halbseil oder dergleichen sind nicht verkehrt.

Die Schwierigkeiten bei der Querung erreichen bereits den 3. Grad. Allerdings nicht in der Weise, dass man sich auf einen einzelnen Griff zwingend verlassen muss, weil das Gelände abdrängend wäre. Eine schöne Plattenstelle, die man absteigt, ist vielleicht sogar eine 3+. Sie dürfte sich wahrscheinlich umgehen lassen. In jedem Fall sind Schuhe mit guter Haftung auf den Platten und trockenes Wetter ein Muss, aber das trifft ja auf diese Tour immer zu.

Bezüglich des Aufstiegs am Westgrat an sich sei auf viele andere Berichte verwiesen. Was mir dazu einfällt, steht in meinem Bericht über die Nordwestrinne.

Waren letztes Mal (beim Aufstieg durch die Nordflanke) die Schafe auf dem Hauptgipfel eine neue Erfahrung für mich, so haben die Tiere mich diesmal noch mehr in Staunen versetzt, indem sie mir bereits im Abstieg vom Westgipfel "aufgelauert" haben ;-) Wie die da wohl hinkommen? Ohne es zu wollen, trieb ich sie über das Grasband auf die plattige 3er Stelle zu und war gespannt, was passieren würde..... Nichts! Die gehen da einfach drüber, als ob nichts wäre! :-) Allerdings schön eines nach dem anderen, jedes einzelne hat schön diszipliniert gewartet, bis es an der Reihe war - und ich hab mich brav hinten angestellt und fotografiert.

Abgestiegen bin ich dann über die Nordflanke, siehe Nachtrag im entsprechenden Bericht.

Viel Spaß!

Stefan

P.S.: Über Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge freu' ich mich!

 

Tourengänger: Herr_Hase


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Kommentare (2)


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bj147 hat gesagt:
Gesendet am 2. August 2024 um 13:19
Mega!
Danke für deinen Bericht zum alternativen Zustieg.
Der Latschenkampf ist tatsächlich etwas nervig auf Dauer :)

geroldh hat gesagt: + Alternativzustiege "Westrücken" und "Westrinne"
Gesendet am 12. August 2024 um 17:01
Die hier vorgestellte Route "Alternativzustieg über die Nordwestrinne" könnte (habe die Verbindung Rinne-Grat noch nicht getestet) - abgesehen vom Umweg via der Jagdhütte - derzeit die angenehmste Variante hinauf zum "Einstieg" des Westgrats sein. Das kurze Stahlseil und die ersten Kraxelstellen aus dem Topo befinden sich jedoch etwas tiefer als der erwähnte "Einstiegssteinmann" von Bild #20.

Info: Ich habe mich kürzlich weiter vorne am Berg nach einer alternativen (und kürzeren) Möglichkeit umgesehen. Einerseits wurde der untere Westausläufer des Westgrats als logische Verlängerung untersucht und andererseits die engere Westrinne gleich daneben. Fazit: Beide Möglichkeiten sind auch nicht optimal und der logische Westrücken würde oben heraus etwas Arbeitseinsatz mit der "Latschensäge" benötigen...

Habe hierzu "Nachbereitungszeit" investiert und einen (Erlebnis-)Bericht geschrieben:
06./07.08.2024: Brandenberger Alpen: 2x Guffert-Westgrat und mehr...
https://www.roberge.de/index.php/topic,13638.0.html

PS: Ich mache keine einfachen "Nachlatsch-Berichte für Berg-Legastheniker", aber geübte Abseitsgeher bzw. Wildwanderer können aus meinen Berichten noch ergänzende Infos heraus lesen und wissen ergänzendes Kartenmaterial zu nutzen...


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