Guffert Nordwestrinne - eine Klettertour für warme Sommertage


Publiziert von Herr_Hase , 1. November 2023 um 20:13.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Rofangebirge und Brandenberger Alpen
Tour Datum: 1 Juni 2022
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1250 m
Abstieg: 1250 m
Strecke:ca. 12 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Achenkirch Richtung Steinberg fahren bis zum Parkplatz beim Gasthof Waldfrieden bzw. mit dem Bus zur gleichnamigen Haltestelle. Kleingeld für Parkautomaten nicht vergessen!

Der Guffert Westgrat zählt inzwischen zu meinen Lieblings-Klettertouren. Aufgrund zahlreicher Tourenberichte, die den südseitigen Zustieg durch die Latschen als grausam beschreiben, habe ich mich auf die Suche nach einer Alternative dazu gemacht - und bin damit noch nicht fertig.

Herausgekommen ist aber fürs Erste eine weitgehend eigenständige Klettertour in zwei Varianten, die ich hier vorstellen möchte. Vor allem an warmen Sommertagen ist sie eine gute Alternative, da sie auf der steilen Nordwestseite des Guffert relativ lange im Schatten liegt. Sie folgt der schon von Weitem sichtbaren Rinne, die dort die Latschenzone durchzieht. Wo diese sich teilt, hält man sich rechts. Die Steilabbrüche werden seitlich umgangen, der erste rechts, der zweite links. 

Im oberen Bereich gibt es zwei Varianten: Die linke (nördliche) ist einfacher und trifft erst bei bzw. nach der Reitgrat-Stelle auf den Westgrat, also dort, wo er auf einer Höhe von ca. 2090 m mehr oder weniger endet und der Gipfelaufbau des Westgipfels beginnt. Die rechte ist etwas schwieriger und mündet bereits auf ca. 2000 m auf den Westgrat. Man hat dann noch die angebliche Schlüsselstelle, die rötliche Verschneidung und eben den Reitgrat vor sich. Da soll es sich zum Teil um IIIer Stellen handeln, doch dazu unten mehr.
 
Zustieg:
Von der Bushaltestelle "Waldfrieden" bzw. dem angrenzenden Parkplatz ca. 3,5 km vor Steinberg folgt man ca. 2,7 km und 350 hm weit dem Steig Richtung Issalm, je nach Tempo ca. 45 Minuten bis gut eine Stunde lang. Der Weg erreicht auf einer Höhe von ca. 1350 m den Rand der zweiten Schlucht, die er überquert. Man hört bereits das Wasser darin rauschen, sieht es aber noch nicht. Jetzt heißt es genau auf den rechten Wegesrand achten: Dort beginnt ein Jagdsteig, der einem im Vorbeigehen sonst kaum auffällt, ungefähr an der Position N 47.553522 O 11.771668. Dieser leitet in ca. 5 Minuten zu einer gut 100 m südlich versteckt im Wald stehenden Jagdhütte. Hier ist auch ein Brunnen, der allerdings in längeren Trockenperioden versiegt. 

Nun die üblichen Hinweise: Unmarkierte Tour, gutes Orientierungsvermögen im alpinen Steilgelände erforderlich. Beschreibung nach bestem Wissen und Gewissen, Wiederholung auf eigene Gefahr!

Wer seine Kletterfähigkeiten richtig einschätzt, für die oder den besteht die größte Gefahr auf dieser Tour durch Steinschlag in der Rinne, ausgelöst in der Regel durch Gemsen. Ich habe einmal erlebt, wie eine Gemse oberhalb des zweiten Steilabsatzes herumgeturnt ist, also quasi kurz nach Beginn der rechten Variante. Zum Glück habe ich die Gefahr erahnt und mich hinter einem Felsblock in Sicherheit gebracht. Erst war eine Geröllbewegung zu hören, nach ein paar Sekunden gab es ein Heulen in der Luft,  und wenig später flog ein vielleicht handballgroßer Stein in atemberaubender Geschwindigkeit vorbei. Seitdem versuche ich die Tiere durch Pfiffe und Klatschen möglichst frühzeitig zu vertreiben.

Von der Jagdhütte aus führt ein Steig waagrecht nach Süden zu einer Art Holzplatz. Dort biegt man halblinks ab bzw. steigt den Hang nun schräg nach rechts hinauf, um auf einer Höhe von ca. 1480 m über eine Gamsspur in die Rinne hinabsteigen zu können. Deren Flanke ist ober- und unterhalb steiler oder die Latschen schwerer zu durchqueren, so dass man die richtige Stelle finden sollte.

In der Rinne sind ein paar steilere Absätze (II) in schöner Kletterei zu überwinden, meist geht es im Gehgelände bergauf. Oben weitet sich die Rinne, dort lässt sie sich zunächst in der Mitte gut begehen, an der Teilung hält man sich rechts und am Ende (unterhalb des ersten Steilaufschwungs) steigt man über Platten nach rechts hinaus auf Graspolster. 

Man umrundet eine Latschengruppe rechts, geht auf einem Grasband zurück an den Rand der Rinne und steigt über den Felssporn an deren Rand höher (II). Über eine weitere kleine Platte geht es wiederum rechts von Latschen höher, bis man oberhalb zurück nach links in die hier wieder flache Rinne queren kann. Man steigt darin zunächst im Zickzack höher, die leichteste Linie wählend, bis man vor dem nächsten Steilaufschwung ein gutes Stück nach schräg links ausweicht. Man befindet sich nun genau mittig über dem großen Latschenfeld, das die beiden Rinnenäste teilt, und steigt auf dessen gedachter Mittellinie geradeaus weiter hoch über plattigen, ziemlich steilen Fels. Hier lohnt es sich, mit Geduld nach guten Griffen zu suchen, dann bleibt das Ganze meiner Meinung nach ein IIer. Wer sich unwohl fühlt, kann auch 2 Meter weiter rechts die Latschen zur Hilfe nehmen.

Ca. 30 Meter über der Spitze des Latschenfeldes muss man sich zwischen der rechten und der linken Variante entscheiden: Die rechte führt unmittelbar oberhalb des Steilabbruchs ziemlich ausgesetzt, aber im Auf- wie im Abstieg problemlos gangbar, schräg rechts aufwärts in etwas flacheres Gelände. Hier folgen noch einige Höhenmeter wunderschöne Kletterei (II) geradeaus bergauf, bis das Gelände zur Rechten so weit abflacht, dass man auf den Westgrat hinüberqueren kann.

Zu diesem gibt es so viele Berichte, dass ich nicht allzu viele Worte verlieren will. Die vermeintliche "Schlüsselstelle" (ausgesetzte Querung nach rechts / Süden ab einem Ringhaken) wird zu einer entspannten II+, wenn man bereits zwei Meter unterhalb des Ringhakens nach rechts ausquert und dann an großzügigen Griffen und auf nicht allzu schrägen Tritten gerade hinaufklettert.

Die rötliche Verschneidung kratzt vielleicht am III. Grad, bleibt aber unproblematisch. Der Reitgrat ist klettertechnisch ebenfalls unproblematisch, nur aufgrund seiner Ausgesetztheit nichts für schwache Nerven. Ca. 15 m vor der Stelle kann man aber im IIer Gelände nach links / Norden eine Etage tiefer klettern und die Stelle so umgehen.

Nun zur linken Variante: 
Ca. 30 m oberhalb der Spitze des Latschenfeldes hält man sich halblinks aufwärts durch die Latschen. Bald öffnet sich eine Art Gasse zwischen Latschen links und steileren Felsen rechts. Darin ist eine unproblematische Kletterstelle zu überwinden, dann führt sie in freies Gelände. Man behält die Richtung bei, folgt beinahe Pfadspuren, wahrscheinlich von Gemsen, und umrundet dabei linkshaltend den Berg, bis die Nordwand des Westgipfels zu sehen ist. Ab hier geht es mehr oder weniger geradeaus den Hang hoch durch schrofiges Gelände bis zur Grathöhe, wo beide Varianten wieder zusammentreffen.

Der Rest ist schon in vielen Beschreibungen zum Westgrat nachzulesen:
Nun umgeht man, einem auffallenden Steinmann folgend, ein Gratstück links / nördlich, bevor man auf der Gratschneide den Westgipfel erklettern oder ihn auf einem Band südlich umgehen kann. Der Abstieg vom Westgipfel erfolgt am einfachsten Richtung Südwesten über Grasschrofen, später entlang eines nach Süden zeigenden Felssporns. Auf diesem mündet von rechts das Band ein, auf dem man den Westgipfel umgehen kann, und man muss auch von dort kommend noch "eine Etage tiefer" klettern, um auf das darunterliegende Band zu gelangen, das weiter nach Osten in die Scharte zwischen West- und Hauptgipfel leitet.

Auf diesem Band gibt es gegen Ende eine Unterbrechungsstelle. Schräge Platte für die Füße, etwas kleingriffig für die Hände, in der Regel mit III bewertet. Vermutlich lässt sie sich oben drüber im II. Schwierigkeitsgrad umgehen, das muss ich aber erst noch testen. Diese Stelle sollte auf jeden Fall Grund genug sein, die Tour nur bei sicher trockenem Wetter anzugehen. Kommt man nicht drüber, muss man die ganze Route zurück gehen und wieder abklettern, was wahrscheinlich nicht so lustig ist, oder sich Hilfe holen.

Der dann folgende Aufstieg auf den Hauptgipfel folgt einfach geradeaus dem Grat. Nachdem man sich am Gipfelpanorama sattgesehen hat, folgt man dem Normalweg nach Osten bis zum ersten Wegweiser. Hier links / nördlich abbiegen Richtung Issalm. Der Steig führt zunächst durch die schottrige Nordflanke auf eine Schulter hinunter, um dann unter den Nordabstürzen des Hauptgipfels durch eine Nische mit kurzer Seilsicherung schließlich die Wiesen oberhalb der Issalm zu erreichen. Am folgenden Wegweiser hält man sich links / westlich und wandert auf der Nordseite des Guffert mit mehreren kleinen Gegenanstiegen sehr schön und oft schattig, aber durchaus etwas länglich zurück zum Ausgangspunkt.

Viel Spaß!

Stefan

P.S.: Über Verbesserungsvorschläge und Rückmeldungen generell freu' ich mich!

Tourengänger: Herr_Hase


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Kommentare (2)


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MTM hat gesagt:
Gesendet am 2. November 2023 um 12:58
Danke für den spannenden Bericht. Schiebe ist den guffert westgrat schon lange vor mir her für den Herbst und immer bin ich am Ende zu spät dran.
Die plattige III am Schluss sollte man auch über brüchige 2er Kletterei direkt vom Westgipfel umgehen können. Ist die Frage was am Ende weniger haarig ist und das ist wahrscheinlich die kurze, angebliche 3.

Vg

Herr_Hase hat gesagt: RE:
Gesendet am 2. November 2023 um 13:37
Danke für Deinen Hinweis! Den Ostgrat vom Westgipfel runter habe ich mir im Juni mal angeschaut, aber der Kommentar dazu fehlt im Bericht noch. Das wäre zwar die direkte und logische Verbindung zwischen West- und Hauptgipfel, aber ich kann nur davon abraten: Die schwierigste Stelle an der Gratschneide sieht zwar machbar aus, aber die Kombination aus gelblichem, brüchig erscheinendem Gestein und großer Ausgesetztheit hat mich umdrehen lassen. Eine südliche Umgehung dieser Stelle ist möglich, aber für meinen Geschmack schon im Aufstieg grenzwertig. Würde ich im Abstieg auf keinen Fall empfehlen. Insofern ist die kurze, angebliche 3 an der Unterbrechungsstelle sicher die bessere Wahl. Wenn die sich als IIer überklettern lässt, dann allenfalls kleinräumig. Das will ich testen, ergibt sich wahrscheinlich aber erst nächstes Jahr.


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