Alle Klettersteige der Vogesen an einem Tag


Publiziert von Nik Brückner , 30. Oktober 2023 um 16:31.

Region: Welt » Frankreich » Vogesen
Tour Datum:23 Oktober 2023
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K2 (WS)
Wegpunkte:
Geo-Tags: F 
Zeitbedarf: 1:15
Aufstieg: 300 m
Abstieg: 300 m
Strecke:3,5 Kilometer

Seit 2014 gehe ich immer wieder mal alle Klettersteige einer Gegend an einem einzigen Tag.

Warum?

Nun, zum einen möchte ich sehen, ob das geht. Es geht. Zum zweiten finde ich es lustig: Dinge, die eines großen Aufwands bedürfen, aber einen minimalen Ertrag (oder gar: Sinn) erbringen, haben mich schon als Kind fasziniert. Und: Viele der Klettersteige sind gar keine, heißen aber so. Womit wir beim dritten Grund wären: Dem Klettersteigboom. Dem man vernünftigerweise nicht anders als kritisch gegenüberstehen kann. Erst recht wenn dieser Boom dazu führt, dass irgendwer irgendwo Metallstäbe in den Waldboden steckt, damit man einen Klettersteig zum vermarkten hat. Oder irgendjemand im Internet "Klettersteig!" ruft, weil man im Wald Eisen gesehen hat.

Das Ganze hat also auch eine ironische Dimension. Der Aufwand ist nämlich bei einigen Touren ziemlich groß - allein, was das Auffinden mancher Klettersteige angeht, im Netz wie im Gelände. Oft wissen die Wissenden vor Ort nicht einmal, dass es in der Gegend einen Klettersteig gibt (oder was das ist). Wenn dann die Erlebnisausbeute gering ist, ist meine Gier nach minimalem Ertrag bei maximalem Aufwand gestillt - meine Freude an der Ironie ebenso, und ggf. ist dann ein weiterer "Klettersteig" gebustet. Aber man erlebt auch Überraschungen, sehr schöne sogar. Es sind nämlich ein paar ganz fantastische Wege dabei - ob Klettersteig oder nicht.

Der absurde Kampf, den sich Gemeinden, Hütten, Sektionen, Vereine und Firmen in diesem Bereich liefern, bringt also Blüten hervor, die in mehr als nur einer Hinsicht absurd sind. Die lustigsten, und zugleich harmlosesten, sind die "Klettersteige", die sich als Metalltreppen auf Aussichtsfelsen entpuppen, oder die, bei denen man Metallstäbe in einen Wanderweg gesteckt hat. In anderer Hinsicht seltsam wird es, wenn man unbedingt den schwierigsten Klettersteig der Region, des Landes, der Welt beheimaten muss - und der dann ausgerechnet in einen vollkommen uninteressanten Steinbruch hineingezwungen wird.

Meine persönliche Geschmacksgrenze? Klettersteige, die in Staumauern, Fabrikwände und sonstige Architektur gebohrt wurden. In dieser Hinsicht war Paris ein echter Augenöffner. Bis dahin hatte ich nämlich gedacht, dass nur die Breissn sowas hinkriegen. Wer da die Grenze des Sinnhaften, des Schönen nicht bemerkt...



Die Touren

2014 hatte ich mit den Odenwälder Klettersteigen begonnen, 2016 ging es mit den Schwarzwälder Klettersteigen weiter. 2017 folgten alle Klettersteige am Mittelrhein und im Hunsrück, im Herbst dann sämtliche Klettersteige am Main. Im April 2018 konnte ich die Reihe mit allen acht Klettersteigen an der Mosel fortsetzen - alle jeweils an einem einzigen Tag. Die vermeintlich letzte Tour ging ich im Juni 2018: Olle Gledderschdaiche in Franggng. Im Juli dann die Überraschung: Auch in Paris gibt's einen Klettersteig. Also alle Klettersteige in Paris... Tja, und dann: Alle drei Klettersteige im Urdonautal an einem Tag.

Danach half der Zufall: In Kobern-Gondorf an der Mosel hat man zwei Klettersteige ausgewiesen. Keine richtigen, aber Komplettisten muss das egal sein. Der Mosel-Klettersteigmarathon ist jetzt also noch länger. Dann ging ich alle Klettersteige an der Saar an einem Tag. Das ist gar nicht schwer, es gibt nämlich nur einen. Danach kam die Schwäbische Alb an die Reihe: Drei Klettersteige, keiner davon ein Klettersteig. Ganz anders ist das in 
Thüringen: Dort gibt es zwar nur einen einzigen Klettersteig, der ist aber ein ordentlicher, Kategorie C/D sogar.


Die Mosel und ihre Klettersteige

Wie man sieht, hat es mich immer wieder an die Mosel gezogen: 2017 war ich sämtliche Klettersteige am Mittelrhein und im Hunsrück an einem Tag gegangen und hatte dabei, weil noch Zeit war, entlang der Mosel alle abgeklappert, die noch in den Tag gepasst hatten. Damals waren immerhin sechs Mosel-Klettersteige zusammengekommen. Hätte der Tag 25 Stunden, und ich noch den Kletterweg Erdener Treppchen bei Erden und den Klettersteig Riol-Mehring drangehängt hätte, hätte ich an diesem Tag alle acht Klettersteige geschafft, von denen ich damals wusste. Die musste ich dann halt in ein neues Projekt stecken: Alle Moselklettersteige an einem Tag.

Oder?

Die an der deutschen Mosel haben's nämlich mit ihren Klettersteigen. Dort treibt der Wahnsinn wilde Blüten: 2023 habe ich zwei weitere entdeckt:
Die Klettersteige Niederburg und Grittebasje in Kobern-Gondorf. Die allerdings im ansonsten sehr lax mit seiner Definition umgehenden Forum Klettersteige von klettersteig.de nicht besonders ernst genommen werden. Andererseits ist auch das "Sieben-Fußfälle"-Ding in Alken nur mit viel Alk zu den Klettersteigen zu zählen. Also was soll's - bin ich die halt auch noch gegangen. Separat, weil - gerüchteweise - noch einer eröffnet wurde. Das wären dann - elf? In einer Gegend, die nicht einmal ein Gebirge vorzuweisen hat? Wie gesagt, an der Mosel treibt der Wahnsinn wilde Blüten.

Aber selbst wenn man die alle schafft, sämtliche Klettersteige an der Mosel wird man trotzdem nicht in einen Tag kriegen. Es gibt nämlich noch einen weiteren Mosel-Klettersteig, einen richtigen diesmal, dafür aber 300 Kilometer weit weg vom südlichsten in Riol-Mehring. Das ist so weit, wie es nur irgend geht, denn dieser Klettersteig befindet sich direkt an der Quelle der Mosel. Und so heißt er auch: Rando Ferrata de la Source de la Moselle.

Das war's also mit meiner Idee, sämtliche Klettersteige an der Mosel an einem Tag zu gehen. Es ist nicht möglich. Aber wo eine Tür zugeht, geht die nächste auf: Der 
Rando Ferrata de la Source de la Moselle ist nämlich der einzige Klettersteig in den Vogesen! Und das bedeutet....


Sämtliche Klettersteige in den Vogesen an einem Tag!


Und los geht's! Na, ersma mit "Imilla" von Il Bacio Della Medusa nach Bussang dübeln. Is ne Dübelung, egal aus welcher Richtung.

Trotzdem hieß es für mich, auf die Tube zu drücken! Herbst 2023: Nach ein paar schönen Tagen war eine Woche Regnung angekündigt. Die letzten trockenen Stunden sollten die ersten Stunden des Montags sein. Ab zehn, spätestens ab elf sollte es regnen. Und ich kam erst um Viertel nach neun in Bussang an! Also würde ich auch im Klettersteig auf die Tube drücken müssen. Die Gehzeit wird mit 1,5 bis 2 Stunden angegeben - das musste schneller gehen.

Parkung ist am Parking Rando Ferrata de la Source de la Moselle (655 m). Hier ist alles angeschrieben, was man braucht. Auf einem guten Zickzackweg zickzackt man hinauf zum Einstieg.

Hier lehrt eine Tafel, dass dieser Klettersteig zwei Abschnitte hat: den Première Boucle und, naja, den zweiten. Das verführt dazu, den Klettersteig als zwei zu zählen, und tatsächlich kann man jeden Abschnitt auch separat gehen. Aber komm, wer macht denn das.

Der Einstieg heißt denn auch Début 1ère Partie (704 m). Man debütiert eine erste Felsrippe hinauf, und bekommt gleich mit, was auch für den Rest des Steigs prägend sein wird: Klammern. Zu viele davon. Man hat auf der Rando Ferrata mehr Eisenkontakt als Felskontakt.

Gut, "ferrata" ist italienisch und bedeutet 'mit Eisen versehen'. Aber ob man das derart wörtlich nehmen muss?

Im Zickzack geht's das Rippchen hinauf, erst bissl rechts, dann bissl links, dann wieder rechts. Hier hören die Klammern auf: Gehgelände. Auf Waldboden quert man hinüber zum nächsten Fels. der zunächst einfach, dann steiler und wieder über Klammern erklommen wird. Dann steht man am nächsten Charakteristikum des Steigs: einer Brücke.

Hier befindet sich die erste Ausstiegsmöglichkeit (nach links).
 
Die Poutre oder Passerelle du Téléphérique (724 m) ist ein sechs Meter langer, schwebebalkenbreiter Balken, auf dem man einen nicht allzu tiefen Graben überquert. Drüben helfen die nächsten Klammern ein senkrechtes Wandl hinauf.

Weiter geht's im felsigen Gehgelände. Die nächste Felspassage wird leicht ansteigend gequert, dann geht's hinauf zur Passerelle des Demoiselles (744 m), einer 25 Meter langen, wackeligen Bretterbrücke, die aus einem Baumklettergarten stammen könnte. Notwendig ist sie nicht, aber spaßig.

Es folgt wieder Gehgelände. Man steigt hinauf zur Bifurcation, also zu einer Weggabelung (760 m). Links hinauf führt die itinéraire facile, rechts geht die itinéraire difficile weiter.

Wer alle Klettersteige in den Vogesen vollständig gehen möchte, macht natürlich beides.

Die itinéraire facile ist, wie der Name schon sagt, einfach. Steiles Gehgelände, mit dem Seil als Handlauf.

Die itinéraire difficile, die auch "Le fer à cheval" (Hufeisen) heißt, führt nach rechts, hinunter zur drei Meter langen Poutre de Petit Gazon (760 m). Von hier an quert man nun eine mehr oder weniger senkrechte Felswand. Auf dem Balken geht's zu einem kurzen Band, dann die nächsten Klammern hinauf. Oben angekommen, setzt sich die Querung nach rechts fort. Auf Klammern geht es ausgesetzt um ein Eck herum.

Hier war ich froh, mein Klettersteigset dabeizuhaben. Ansonsten hab' ich mich nicht gesichert.

Die Klammern führen zum nächsten Balken, zur Poutre de L'Etang Jean (780 m). Danach ist die schwierigste Passage geschafft. Es geht nun in steilem Gehgelände hinauf zu dem Punkt, an dem beide Varianten wieder zusammenkommen (796 m). Hier nach rechts, kraxelig zu einer Rinne und in ihr weiter bergan. Dann steht man im Wald.

Ein Pfeil weist an einer Weggabelung nach rechts. Es folgt zunehmend felsiges, zunehmend steiles Gehgelände, man steigt hinauf zum Rocher du Charrat (864 m), einer flachen Felskuppe, die das Ende des ersten Boucles ankündigt. Kurze Aussicht, dann geht's zu zu einem Schild, dass den Fin 1ère Partie (877 m) markiert.

Links könnte man zum Ausgangspunkt zurückwandern.

Rechts aber ist der zweite Boucle angeschrieben. Und so wandert man nun, weiter den Pfeilen folgend, auf einem breiten Waldweg ca. 400 Meter weit Richtung Nordosten, bis der Début 2ème Partie (932 m) angeschrieben ist.

Über Geröll geht es hinauf zu einer weiteren Infotafel. Dahinter steigt man auf den nächsten Klammern zwei kurze Wandln hinauf. Dann führt eine kurze Querung zum Pont de Singe Turenne (960 m), einer Zweiseilbrücke.

Da wackelt man nun hinüber und drüben im Fels weiter hinauf. Der nächste Balken ist erreicht, namenlos diesmal, dann folgen wieder Klammern. Darüber geht's in brüchigem Fels weiter und schließlich wieder mit Klammern hinauf zur Poutre de la petite Montange (960 m). Sie führt zu einem Baum, der noch einmal recht ausgesetzt auf kleinen Tritten umkraxelt wird. Der letzte Balken trägt dann den Namen Poutre du Haut du Charat (960 m). Ist dieser überwunden, helfen letzte Klammern hinauf zum Fin 2ème Partie (918 m).

"Retour Parking 25 mn" steht hier angeschrieben, und das stimmt auch so in etwa. Auch der Rückweg ist perfekt markiert. Schnell ist man wieder am Parking Rando Ferrata de la Source de la Moselle (655 m) angelangt.

Und das gerade noch rechtzeitig! Die letzten trockenen Stunden in dieser Woche hatten das sein sollen, und die WeVoHeSa behielt recht. Pünktlich mit meiner Rückkunft fing es zu regnen an. Den Rando Ferrata de la Source de la Moselle bei Regen? Non!



Fazit:

Endlich mal wieder ein richtiger Klettersteig. Nach den ganzen Touri-Fakes und Internet-Hypes. Schön! Hat viel Spaß gemacht. Ein Topo hab ich diesmal trotzdem nicht. Dafür ein paar Videos:
Das hier, und länger das hier und das hier.

Der Zustand des Steigs ist im Übrigen exzellent. Überversichert, ja, aber die Versicherungen sind in perfektem Zustand. Gleiches gilt für die Beschilderung. Das findet man selten.


 
Ausrüstung:

Klettersteigset, Helm. Diesen Klettersteig sollte man ernst nehmen.


Und was ist mit dem Sentier des Roches und dem Weg durch die Hirschsteine?

Dazu ist nicht viel zu sagen. Sentier des Roches und Hirschsteine sind herrliche Wege, aber keine Klettersteige. Schulterzuck.

Tourengänger: Nik Brückner


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