Kurzbericht 

Bei Lichte besehen...


Publiziert von lorenzo , 2. November 2022 um 18:31.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Frutigland
Tour Datum:15 Oktober 2022
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 11:45
Aufstieg: 3225 m
Abstieg: 2760 m
Strecke:24,5 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Reichenbach im Kandertal
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Kandersteg
Kartennummer:LK 1227 Niesen, 1247 Adelboden, 1248 Mürren; M. Brandt, Clubführer Berner Voralpen, SAC 1981

Nachdem ich diesen Sommer bei einigen seit Jahren gehegten Projekten zum x-ten Mal gescheitert war, fiel es mir nicht leicht, mich davon zu lösen und neue Ideen zu entwickeln. Einmal mehr kam mir deshalb "one of those nasty trails" von Bergamotte entgegen, der das "ach, so schöne" Berner Oberland mit noch unverbrauchten Augen immer wieder aufs Neue aus der Reserve zu locken vermag. Den von ihm überschrittenen Grat von der Bire zum Gehrihore hatte ich schon in der Woche zuvor während meiner Überschreitung vom Elsighore zum Chlyne Loner aus aufmerksam betrachtet, jetzt brauchte ich nur noch die Richtung um 180 Grad zu drehen und den Ausgangs- und Endpunkt anzupassen, und schon wartete am ersten Tag meiner Herbstferien eine vielversprechende Herausforderung, die mich die Unbill des vergangenen Sommers vergessen lassen sollte.

Restbewölkung und geringes Niederschlagsrisiko am Morgen, Aufhellungen im Tagesverlauf, und dazu starker Südwestwind mit 50 km/h...die Wetterprognosen hätten auch ein bisschen ermutigender sein dürfen, ich wollte mich davon aber nicht verdriessen lassen und setzte mich kurz nach sechs Uhr in den ersten Zug. Das folgende Malheur war dann selbst verschuldet, indem ich in Spiez aus Unachtsamkeit zum nächsten Zugperron statt zur Buskante rannte, wo das Postauto dann halt schon ohne mich abgefahren war...So holte ich im Wartsaal eine Viertelstunde Schlaf nach, nahm den nächsten von Bern und Thun kommenden Lötschberger, und startete mit rund einer halben Stunde Verspätung am Bahnhof Reichenbach, von dem aus Gehri- und Ärmighore im Süden freilich in unerreichbar scheinender Ferne aufragten...

Grauer Himmel über mir und mehrheitlich ebenso grauer Asphalt unter mir, folgte ich dem wenig berauschenden "Wanderweg" über Kien nach Aris, wo endlich der Bergweg begann. Dieser führte mich zwar zielsicher und ohne Schwierigkeiten über Ober Geerenen auf das Gehrihore, aber - wie nicht anders zu erwarten war - ohne einen einzigen Höhenmeter Rabatt zu gewähren...Auf dem Rüederigs- und dem Giesigrat machte sich erstmals der angekündigte SW-Wind bemerkbar, so dass ich um jede Wegpassage im Lee froh war. Dabei erinnerte mich die Aussicht nach SE zur Baachflue an weitere unrühmliche Scheitermomente vor rund zehn Jahren...Beim Aufstieg zum Ärmighore wurde der Wind dann so heftig, dass ich die Kapuze über die Ohren und die Handschuhe anziehen musste, und zu allem Übel fielen zwischendurch auch noch leichte Graupelschauer, ohne jedoch den Fels ernsthaft nass zu machen. Beides liess zum Glück schon bald wieder nach, denn der Abstieg über den nun folgenden, mit mehreren T6-Stellen gespickte Grat zum Sattel vor dem Salzhore, das Herzstück der ganzen Tour, war an sich schwer genug und erforderte volle Konzentration.

Der folgende Aufstieg zum Salzhore war leicht, der Abstieg aber v.a. zuunterst kniffliger als erwartet. Ein daran anschliessender Direktanstieg vom Schwarzgrätli über den Dündegrat kam dann wegen zu erwartender Schwierigkeiten mangels Sicherungsmaterial und aus Zeitgründen leider nicht in Frage. Vor dem weiten Geröllkar des Giesene-Schafbergs stehend, hoffte ich, über eine vermeintliche "Schwachstelle" direkt zur Witwiplatte aufsteigen zu können, diese erwies sich aber beim Näherkommen als senkrechte, mindestens 10m hohe Felswand, so dass ich wohl oder übel auf schneebedecktem Geröll zum Beginn des Lägigrats hinüberqueren musste. Von dort war es dann auf gutmütigem und gespurtem Schotter, allein unterbrochen vom genussvollen Kletterintermezzo an der Witwiplatte, vergleichsweise nur noch ein Katzensprung zum Dündehore. Inzwischen hatte es aufgehellt, der Wind war abgeflaut, und über dem tiefblauen Oeschinensee schälten sich nacheinander die frisch verschneiten Gipfel von 
Fründehorn, Doldenhorn und Blüemlisalp in immer leuchtenderen Farben aus den sich auflockernden Wolken. Aber schon zeigte die Uhr auf viertel nach drei, und ich musste mich sputen, wenn ich die restlichen fünf Gipfel noch vor dem Einnachten schaffen wollte.

In flottem Tempo ging es zurück über den Lägigrat und hinauf zu den Drei Eidgenossen, die ich nacheinander von E nach W per Handschlag begrüsste. Dann waren's nur noch zwei...Nach einer unschwierigen Schlaufe über das Zallershorn wartete noch einmal Neuland, und gespannt näherte ich mich dem Bire NE-Grat. Den ersten Felsaufschwung liess ich nach einem erfolglosen Versuch rechts liegen und stieg über eine steile Grasrinne auf den Grat, der mich mit leichter Kletterei zum letzten Gipfel der Bire führte. Fünf Uhr und grosse Freude! Ich gönnte mir erstmals eine viertelstündige Pause und genoss das frühabendliche Alpenglühen der hehren Kandersteger. Dank Kartenausschnitt, Pfadspuren und dem eingezeichneten Pfad waren Abstieg und Querung zum Oeschischafberg und der Einstieg zur Schlucht nicht zu verfehlen, und die Mutprobe, den anschliessenden abschüssigen Quergang ohne Benutzung des Kabels zu begehen, liess ich mir natürlich auch nicht entgehen. Als ich kurz danach Groppen erreichte, ging über dem Loner die Sonne unter. In der Dämmerung erreichte ich Kandersteg zwar noch ohne Stirnlampe, als ich aber zum Bahnhof kam, wurde im Lautsprecher bereits die Einfahrt des 19.15 Zuges angekündigt. Ich rannte bei dessen Einrollen zum Billettautomaten, löste eine Fahrkarte, raste die Treppe hoch und schaffte es, bevor die Türen zuklappten, gerade noch rechtzeitig in einen Wagen. Nun konnten die Ferien endlich beginnen...


Gehrihore-Sattelhore
Vom Bahnhof Reichenbach (706m) gelben Markierungen (gelb) folgend über Kien (723m) nach Aris (864m), und auf dem weiss-rot markierten Bergweg (wr) über Chüeweid (1471m), Ober Geerenen (1765m), und ab P. 1948 über den NE-Grat auf das Gehrihore (2130m), 2h 15min, T3. Abstieg wr (Kabel) über den SE-Grat bis zum ersten Sattel, dann über den Rüederigsgrat (2128m, 2142m, Pfadspuren) zur Grathütte (2079m), und wr über den Giesigrat bis ca. 2305m. Über den NNE-Grat auf das Sattelhore (2376m) und über die ESE-Flanke hinunter zum Sattel Giesigrat (2306m), 1h 15min, T3.

Ärmigchnubel-Ärmighore
Vom Sattel Giesigrat (2306m) zuerst wr nach E bis ca. 2310m, dann entlang dem NW-Grat auf den Ärmigchnubel (2412m), und Abstieg über den S-Rücken zum Sattel 2383. Über den NW-Grat (Pfadspuren, blaue Markierungen, Steinmänner) bis unter den Gipfelaufbau, weiter zur Rippe S davon, und über diese zum S-Grat, der zur SW-Flanke führt. Über diese durch eine Rinne (blaue und grüne Markierungen, I) und über den SW-Grat auf das Ärmighore (2742m), 1h, T3 und L. Zurück zum S-Grat, und auf diesem, den Sattel ca. 2685m passierend, zu P. 2710. Abstieg über den SSE-Grat (eine schiefrige Stufe I) zu P. 2535, der überschritten wird (I), und weiter zu P. 2523, der ausgesetzt überklettert wird (I und II, Schlüsselstelle), zum Sattel ca. 2405m, 1h, T6.

Salzhore-Dündehore
Vom Sattel ca. 2405 über den NW-Rücken, einen Felsgürtel und die NW-Flanke auf das Salzhore (2569m), T3, und Abstieg über den SE-Grat (zuunterst über schiefrige Felsen, I) zum Sattel ca. 2465m, T5. Über das Kar des Giesene-Schafbergs auf Geröll leicht ansteigend nach S und SW (zuletzt Pfadspuren) zum Beginn des Lägigrats bei ca. 2660m. Auf Pfadspuren einfach auf die Felsbastion von P.2730 und über den folgenden Geröllrücken ab- und ansteigend bis unter P. 2787. Über die Wittwiplatte entlang von Rissen schräg von rechts nach links (Fixseile, sonst I-II) hinauf und über den folgenden Geröllrücken (Pfadspuren), zuletzt durch die SW-Rinne, in den Sattel zwischen beiden Gipfeln. Abstecher zum SE- (I) und zum NW- oder Hauptgipfel (2861m) (I-II), WS, 2h 15min. Abstieg auf der gleichen Route über den Lägigrat und weiter bis zum Sattel ca. 2575m, 30min, WS.

Drei Eidgenossen-Zallershore-Bire
Vom Sattel ca. 2575m über den ESE-Grat (Pfadspuren) bis unter die Drei Eidgenossen (ca. 2720m) und E davon bis zu deren NE-Grat. Auf diesem (I) zum 1. Eidgenoss, der über dessen W-Flanke (I) erklettert wird. Zurück beim Fuss der W-Flanke E-W-Überkletterung des 2. Eidgenoss (I-II). Der 3. Eidgenoss wird über dessen E-Flanke (II) erklettert, die auch zum Abstieg dient, WS. Weiter zum Sattel ca. 2695m und über den SE-Grat auf das Zallershore (2744m), T3. Querung (I) zum SW-Gipfel und Abstieg durch die Schrofenrinne zwischen beiden Gipfeln nach SE, T4. Entlang der SE-Flanke hinunter, und auf Pfadspuren (rote Markierungen) entlang der S-Wand und über den SW-Grat zum Sattel 2455, T3. Den ersten Felsaufschwung S umgehend durch eine steile Grasrinne auf den ENE-Grat und Abstecher zum Bire NE-Gipfel. Zurück und über den Grat (I-II) zum Bire SW- oder Hauptgipfel (2503m), T5, 1h 15min. Abstieg NE davon über Schrofen nach SE und auf Pfadspuren bis zum eingezeichneten Pfad bei ca. 2345m, der nach E zu P. 2294 auf einer Rippe des Oeschischafbergs führt. Über diese W ausholend nach E (Kabel) in eine Schlucht, durch diese steil hinunter, bis sie über eine ausgesetzte Querung (Kabel) nach W verlassen werden kann. Weiter über Groppen und durch Wald nach Oeschinen (1671m), wr hinunter zum Kraftwerk (1277m) und zuletzt gelb zum Bahnhof Kandersteg (1176m), 2h, T4.

Verhältnisse: am Morgen bewölkt mit Aufhellungen und leichten Graupelschauern, und zwar mild, kammnah bei starkem SW-Wind aber kalt. Nachmittags zunehmend sonnig, und bei abflauendem SW-Wind warm. Gras und Fels zuerst noch teilweise nass, dann trocken. Oberhalb ca. 2400m wenige Schneereste, N vom Lägigrat ca. 10-20cm dicke Schneedecke.

Material: Helm, Leichtpickel und Stirnlampe für alle Fälle (nicht gebraucht) zusätzlich zu üblicher Alpinwanderausrüstung.

Fahrplan:7.30 Start in Reichenbach, 9.45 Gehrihore, 10.45 Sattelhore, 11.15 Ärmigchnubel, 12 Uhr Ärmighore, 13.15 Salzhore, 15.15 Dündehore, 16 Uhr Drei Eidgenossen, 16.15 Zallershore, 17 Uhr Bire, 19.15 Kandersteg.

Tourengänger: lorenzo


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